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Sie datet keine Sportler - doch er will sie für sich gewinnen
Als die 17-jährige Violet vom Kapitän des Eishockey-Teams betrogen wird, schwört sie sich, nie wieder einen Sportler zu daten. Um zu beweisen, dass sie über ihn hinweg ist, muss sie sich etwas Drastisches einfallen lassen. Durch Zufall lernt sie den berüchtigten Kapitän der Ransom Devils und gleichzeitig größten Rivalen ihres Ex-Freunds kennen, und fragt ihn, ob er ihren Fake-Freund spielt. Über Reed Darling - einschüchternd, geheimnisvoll und verdammt gutaussehend - kursieren wilde Gerüchte. Doch können die wirklich wahr sein? Schnell bemerkt Violet, dass Reed ganz anders ist. Während sie versucht, die strikten Regeln ihrer Fake-Beziehung einzuhalten, hat Reed offenbar andere Pläne ...
Die perfekte Sports-Romance ohne Spice für YA-Leser:innen und Fans von Icebreaker und Better than the Movies
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Seitenzahl: 506
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Titel
Widmung
Eins – Violet
Zwei – Violet
Drei – Reed
Vier – Violet
Fünf – Violet
Sechs – Violet
Sieben – Reed
Acht – Violet
Neun – Reed
Zehn – Violet
Elf – Reed
Zwölf – Violet
Dreizehn – Reed
Vierzehn – Violet
Fünfzehn – Reed
Sechzehn – Violet
Siebzehn – Reed
Achtzehn – Violet
Neunzehn – Reed
Zwanzig – Reed
Einundzwanzig – Violet
Zweiundzwanzig – Violet
Dreiundzwanzig – Violet
Vierundzwanzig – Violet
Fünfundzwanzig – Reed
Sechsundzwanzig – Violet
Siebenundzwanzig – Reed
Achtundzwanzig – Violet
Epilog – Reed
Danksagung
Feedback
Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Inhaltsbeginn
Impressum
Übersetzung aus dem australischen Englisch von Stephanie Pannen
Für meine eigenen Darling Devils.
Archie, Ava & Harry.
Niemals einen Sportler daten. Das war meine einzige Regel, was Jungs anging, aber ich war offenbar sehr schlecht darin, sie zu befolgen.
»Jeremy wird mich umbringen«, sagte ich, während ich mit meiner Cousine Mia über den Parkplatz eilte. Es war das erste Hockeyspiel der Saison für meinen Freund, und wir waren zwanzig Minuten zu spät. Ich warf einen Blick auf meine Uhr und fluchte – inzwischen fast dreißig Minuten.
Wir waren im Café den ganzen Nachmittag von Kunden überrannt worden und erst mit einer Riesenverspätung rausgekommen. Dann hatte mein Wagen auch noch ewig gebraucht, um anzuspringen. Die arme Betty hatte sich nicht besonders gut an unseren kürzlichen Umzug nach Sunshine Hills, Minnesota, gewöhnt. Stattdessen protestierte sie gegen die plötzliche Veränderung lautstark, seit meine Mutter uns hier zu Beginn der Sommerferien abgesetzt hatte.
Ihre Wutanfälle waren seit Winteranfang und dem ersten Schneefall noch schlimmer geworden, aber ich konnte es dem Auto nicht verübeln, da ich ebenfalls mit der Kälte zu kämpfen hatte. Keiner von uns beiden gehörte hierher. Wir sollten in meinem Abschlussjahr in der kalifornischen Sonne herumfahren, statt in dieser Schneehölle festzusitzen.
Wie um diesen Punkt noch deutlicher zu machen, rutschte ich in diesem Moment auf einer vereisten Stelle aus und legte mich fast hin. Ich fühlte mich hier noch stärker fehl am Platze als Betty, und so langsam fragte ich mich, ob mich meine Mutter hasste. Ich wusste, dass sie in Europa auf der Jagd nach dem Job ihres Lebens war, aber mich mitten im Nirgendwo bei meinem Onkel in Minnesota abzusetzen, noch dazu im tiefsten Winter, war einfach grausam.
»Unsinn«, sagte Mia. »Er ist mitten im Spiel und ich wette, es sind jede Menge Zuschauer da. Er wird einfach annehmen, dass du irgendwo in der Masse seiner Fans steckst.«
»Vielleicht.« In letzter Zeit war Hockey das einzige, was Jeremy im Kopf hatte, also konnte ich mir auch nicht so richtig vorstellen, dass er unter den Zuschauern nach meinem Gesicht suchte. Nicht, wenn er ein Spiel zu gewinnen hatte. »Aber ich bin mir sicher, dass ihm eines der Puckhäschen, die ihm in der Schule immer hinterherlaufen, petzen wird, dass ich zu spät war.«
Es gab an der renommierten Sunshine Hills Prep eine Menge dieser Puckhäschen, aber nur eines, das mir wirklich Sorgen machte: Heather. Jeremy behauptete, dass sie nur Freunde waren, aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich ihr den Plan versaut hatte, seine Hockeyfrau zu werden, als ich im Sommer aufgetaucht war. Ich wusste, dass sie nicht zögern würde, ihn darüber zu informieren, dass ich den Großteil des Spiels verpasst hatte.
»Das macht ihm ganz bestimmt nichts aus. Besonders nicht, wenn er gewinnt.« Mia versuchte weiter, mich zu beruhigen, während sie die schwere Tür des Hockey-Centers aufstieß. Enttäuscht stellte ich fest, dass es immer noch eiskalt war, selbst nachdem wir das Gebäude betreten hatten, aber es hätte mich nicht überraschen sollen.
»Es ist sein erstes Spiel der Saison, und ich habe die Hälfte davon verpasst«, entgegnete ich. »Er wird enttäuscht sein.« Wir eilten durch die Vorhalle, die völlig verlassen war, da alle bereits auf ihren Plätzen saßen. Es musste ein aufregendes Spiel sein, denn ich konnte die Menge jubeln hören. »Als seine Freundin muss ich ihn doch unterstützen.«
»Entschuldige mal, aber er kann froh sein, dass du ihn überhaupt eines Blickes würdigst. Schließlich hattest du eigentlich eine strikte Keine-Sportler-Regel, seit dir bewusst geworden ist, dass Jungs existieren.«
»Ich hab dir doch gesagt, dass Jeremy eine Ausnahme von dieser Regel ist. Er ist ganz anders als Dad ...« Meine Stimme verlor sich, weil mein Vater das Letzte war, worüber ich reden wollte. Nicht, dass es da viel zu reden gab.
Meine Mutter wurde im College von einem Football-Superstar geschwängert und verlassen. Sie hatte ihn für ihren Märchenprinzen gehalten, doch stattdessen hatte er sich als Schurke einer dieser Schauergeschichten entpuppt, die Eltern ihren Teenagertöchtern erzählen, damit sie verhüten. Meine ganze Kindheit über hatte man mich vor Jungs mit umwerfendem Lächeln und starken rechten Armen gewarnt. Sollte sich das Leben eines Kerls um den Sport drehen, sollte ich machen, dass ich wegkomme. Und ich war dem Rat meiner Mutter immer gefolgt – bis zu diesem Sommer.
Jeremy mochte zwar der Hockeystar meiner neuen Schule sein, aber er war mir nie wie der typische sportverrückte Idiot vorgekommen, dem man nicht trauen konnte. Ich war im Laufe der Jahre vielen davon begegnet, und er war anders.
Wir waren uns während der Sommerferien in der Bibliothek begegnet. Ein plötzlicher Regenschauer hatte mich dort Zuflucht suchen lassen, während er gerade staunenden Kindern aus einem Buch vorgelesen hatte. Damals hatte ich keine Ahnung gehabt, dass er Hockey spielt, sonst hätte ich ihm niemals eine Chance gegeben. Aber wir hatten uns von Anfang an gut verstanden, und das Universum hatte dafür gesorgt, dass sich unsere Wege während des Sommers immer wieder gekreuzt hatten. Bis ich herausfand, dass er der Mannschaftskapitän der Saints war, dem Hockeyteam der Sunshine Prep, war ich bereits Hals über Kopf in ihn verliebt gewesen. Mit ihm zusammen zu sein, mochte meine Regel brechen, aber wer war ich, mich mit dem Schicksal anzulegen?
»Ich meine, hoffentlich ist er anders als dein Dad.« Mia klang wie immer nicht besonders überzeugt. Sie stand total auf Hockey, also würde man annehmen, sie sei Jeremys größter Fan. Doch stattdessen sagte sie mir ständig, dass ich vorsichtig sein sollte, seit sie erfahren hatte, dass wir ein Paar waren.
»Ist er«, beharrte ich. »Jeremy ist lieb und nett und aufmerksam. Du weißt genau, dass ich sonst nicht mit ihm zusammen wäre.«
»Lieb, nett und aufmerksam sind nicht die Adjektive, die mir in den Sinn kommen, wenn ich an Jeremy Hoffman denke. Bist du dir sicher, dass du nicht nur deshalb auf ihn stehst, um deine Mom dafür zu bestrafen, dass sie dich hergebracht hat?«
»Bin ich.«
»Denn du weißt, ich könnte es total verstehen, wenn es so wäre ...«
»Das ist nicht der Grund.«
»Ganz sicher? Denn er kann ziemlich arrogant sein.«
»Unsinn.«
Mia blieb stehen und sah mich an.
»Vi, alle in der Schule denken, er könne über Wasser gehen. Und er selbst denkt das auch.«
Ja, meine Cousine hatte keine besonders gute Meinung von Jeremy. Aber mir war klar, dass sie mich nur beschützen wollte. Denn sie wusste, warum ich Sportler bisher um jeden Preis gemieden hatte. »Genau genommen kann er über Wasser gehen«, sagte ich. »Es ist nur ein bisschen gefroren ...«
Mia rollte mit den Augen, lachte dann aber. »Ich meine ja nur, dass du ihn noch nicht besonders gut kennst. Ihr seid erst seit diesem Sommer zusammen.«
Meine Cousine hatte recht, doch die letzten paar Monate mit ihm waren einfach unglaublich gewesen, und Jeremy hatte meinen erzwungenen Umzug quer durchs Land überhaupt erträglich gemacht. Außerdem hatte ich seit Schulbeginn definitiv eine andere Seite von ihm kennengelernt. Als Kapitän des Hockeyteams gab es viele Leute, die zu ihm aufsahen und sich auf ihn verließen. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie es sein musste, die Erwartungen einer ganzen Stadt auf seinen Schultern lasten zu haben. Aber Jeremy war auf jeden Fall einer von den Guten. Mia brauchte nur ein bisschen mehr Zeit, um das zu erkennen.
»Tja, wenn ich zu diesem Spiel noch später komme, werden wir wohl nicht mehr viel länger zusammen sein«, scherzte ich, schnappte mir Mias Hand und zog sie in die Halle. Als wir endlich die Eisfläche sahen, ging lauter Jubel durch die Menge. Mir lief ein Schauer über den Rücken, und zwar nicht nur deshalb, weil ich den Verdacht hatte, dass es draußen tatsächlich wärmer sein könnte. Ich war wirklich kein Hockeyfan.
Ich war bisher erst bei einem einzigen Spiel gewesen, und das war Jahre her. Aber ich hatte relativ schnell gemerkt, dass dieser Sport nichts für mich war. Ich verstand einfach nicht, warum irgendjemand seine Zeit freiwillig in einem riesigen Kühlschrank verbrachte. Es fiel mir schwer, dem Puck zu folgen, der übers Eis schoss, und das Spiel selbst war so unglaublich gewalttätig. Spieler und Fans schienen mehr auf die brutalen Zusammenstöße und Kämpfe zu stehen als auf Tore. Und hatte ich schon die Kälte erwähnt?
»Ich vermisse die Sonne.«
Mia lachte und hakte sich bei mir unter. »Wir machen aus dir noch einen Hockeyfan.«
»Das bezweifle ich«, brummte ich, doch Mia hörte mich über dem Lärm der Menge nicht mehr. Die Spannung im Stadion war elektrisierend, und ich war mir sicher, dass Jeremy die intensive Atmosphäre genoss.
Mia zog mich zur Zuschauertribüne und grinste breit, als sie zwei Jungs entdeckte, die ihre Shirts ausgezogen und sich die Nummer 23 auf die Brust gemalt hatten. Sie winkte einem von ihnen zu. Die beiden stießen sich gegenseitig mit dem Ellbogen an und winkten zurück.
»Bist du für das Spiel hier oder um zu flirten?«, fragte ich.
»Geht nicht beides?« In den Augen meiner Cousine lag ein schelmisches Funkeln, und sie strich sich eine pinke Haarsträhne hinters Ohr, während sie den Jungs mit dem nackten Oberkörper einen weiteren unverhohlenen Blick zuwarf. Mia hatte überhaupt keine Probleme, mit Jungs zu reden. Ich wünschte, ich wäre auch nur halb so selbstbewusst wie sie. Wenn Jeremy mich nicht zuerst angesprochen hätte, wäre nie was aus uns geworden.
»Du bist furchtbar«, sagte ich ihr.
»Ich weiß«, erwiderte sie lachend. Es klang sorglos und ansteckend, und es überraschte mich, wie oft jemand sagte, wie ähnlich unser Lachen war. Denn sonst schien alles an uns sehr unterschiedlich zu sein. Besonders unser Aussehen. Während ich die helle Haut und roten Haare meiner Mutter geerbt hatte, war Mia eigentlich von Natur aus so blond und sonnengebräunt wie ihre. Ich kannte meine Tante nur von Fotos im Haus meines Onkels Luke, denn sie war leider gestorben, als Mia und ich noch Babys gewesen waren. Ich schätzte, das war eine weitere Gemeinsamkeit von uns – wir beide waren mit jeweils nur einem Elternteil aufgewachsen.
Als wir schließlich zwei freie Plätze fanden, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf das Spielfeld und suchte nach Jeremy. Die Spieler glitten so schnell über das Eis, während ihre Gesichter fast vollständig von den Helmen bedeckt waren, dass es praktisch unmöglich war, sie zu unterscheiden. Die Farben der Sunshine Prep waren Weiß und Gold, doch hier trug eine Mannschaft Schwarz, während die andere in Rot war. Das hier war mein erstes Spiel der Saints, also verwirrte es mich, dass Jeremys Team offenbar in einem anderen Outfit spielte.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als zwei Spieler mit einem dumpfen Aufprall zusammenstießen. Die Menge begann zu toben. Einer der beiden landete auf dem Rücken, doch der andere blieb stehen. Er trug die Nummer 23 und ich warf einen Blick auf die beiden halbnackten Jungs, die vor Begeisterung wie von Sinnen waren. Es war klar, dass es sich um ihren Lieblingsspieler handelte, und es dauerte auch nicht lang, bis mir der Grund dafür klar wurde. Nachdem er seinen Gegner ausgeschaltet hatte, schoss er mühelos über das Eis und schlängelte sich zwischen seinen Konkurrenten hindurch, als wären sie gar nicht da. Ich wusste, dass er in einem atemberaubenden Tempo unterwegs war, aber es fühlte sich fast so an, als würde alles in Zeitlupe passieren. Selbst der Lärm der Menge um mich herum schien gedämpft zu sein. Sogar ich als Hockeyhasserin musste zugeben, dass dieser Kerl beeindruckend war.
Wie um meine Einschätzung zu bestätigen, wich die Nummer 23 einem letzten Verteidiger aus und trieb den Puck am Torwart vorbei. Die Sirene hinter dem Netz ertönte und die Fans um uns herum begannen zu brüllen. Sie konnten von diesem Typen einfach nicht genug bekommen. Sogar ich konnte meine Augen nicht von ihm abwenden.
»Äh, Violet?«
»Ja?« Mia klang so nachdrücklich, dass es mir endlich gelang, den Blick vom Spielfeld zu nehmen und mich auf sie zu konzentrieren.
»Um wie viel Uhr sollte Jeremys Spiel noch mal anfangen?«
»Um drei. Warum?«
»Das kann nicht stimmen.«
»Wovon redest du da?«
»Tja, ich sage dir das nur ungern, aber wir sind nicht bei einem Saints-Spiel. Das sind die Devils.«
»Was?« Ich warf einen kurzen Blick auf die Anzeigetafel. Mir rutschte das Herz in die Hose, als ich die beiden Mannschaftsnamen las. Mia hatte recht. Das hier war kein Spiel der Sunshine Prep. Stattdessen waren wir versehentlich bei ihren größten Konkurrenten gelandet, den Ransom Devils.
»Das kann doch nicht sein«, murmelte ich. Ich wohnte zwar erst seit ein paar Monaten in Sunshine Hills, hatte natürlich schon von Ransom gehört, der Stadt auf der anderen Flussseite. Während Sunshine Hills aus imposanten Villen, Golfplätzen und Country Clubs bestand, war Ransom eher industriell geprägt und seine Bewohner kamen aus der Arbeiterklasse. Ransom High und Sunshine Hills Prep waren ebenso gegensätzlich. Die Rivalität zwischen ihnen war tief verwurzelt und erbittert, und während sie sich im Grunde genommen auf alles auswirkte, was mit den beiden Schulen zu tun hatte, begann und endete es mit Hockey.
»Du bist dir sicher, dass das Spiel um drei ist?«, fragte Mia.
»Äh, ich dachte schon.«
»Sind wir dann vielleicht am falschen Ort?«
Ich zog mein Handy heraus, um mir die Nachricht mit den Infos noch einmal durchzulesen, die mir Jeremy gestern Abend geschickt hatte. Ich hatte schon halb geschlafen, als sie gekommen war, aber ich war mir sicher, dass ich mir Ort und Zeit richtig gemerkt hatte.
Doch in dem Moment, als ich die Nachricht öffnete, verzog ich das Gesicht. »Sein Spiel war um eins, Mia. Ich hab es verpasst ...« Und Jeremy hatte mir seitdem auch nicht geschrieben, was ein ganz schlechtes Zeichen war.
»Es war nur ein dummer Fehler, Vi. Er wird das schon verstehen.«
Ein weiterer dumpfer Aufprall ließ uns zurück aufs Spielfeld schauen, wo die Nummer 23 einen anderen Gegner gegen die Bande gerammt hatte und nun bedrohlich über ihm stand. Dieser Typ schien mehr Spaß daran zu haben, andere Spieler zu vermöbeln, als an dem Spiel selbst.
Doch ihm blieb nicht viel Zeit, um seinen Triumph zu genießen, denn einen Augenblick später fand er sich inmitten eines Mobs wütender Spieler der anderen Mannschaft wieder. Das wiederum brachte seine Mannschaftskameraden dazu, ihm zu Hilfe zu eilen, und die Schiedsrichter bliesen hilflos ihre Pfeifen und wedelten mit den Armen, um das Handgemenge aufzulösen.
Mia fächelte sich kühle Luft zu. »Das ist ganz schön heiß.«
Ich stieß sie mit der Schulter an. »Du lebst eindeutig schon zu lange in dieser Kälte«, erwiderte ich. »Du verlierst den Verstand.«
»Was?«, protestierte sie. »Ich mag es ein bisschen härter.«
»Äh, Mia, reden wir noch über Hockey?«
»Natürlich!« Sie presste ihre Hand in gespielter Empörung auf die Brust und zeigte dann auf die Menge um uns herum, die immer lauter johlte, während sich die Schiedsrichter bemühten, die Schlägerei auf dem Spielfeld zu beenden. »Und ich bin nicht die Einzige, die es so mag.«
Ich seufzte, als mir mal wieder vor Augen geführt wurde, dass ich hier eigentlich nichts verloren hatte.
»Meine arme, unerfahrene Violet«, fuhr Mia fort. »Wie viel du noch über das Leben in Sunshine Hills lernen musst. Aber das ist schon in Ordnung, wir bekommen das hin.« Sie legte einen Arm um meine Schultern und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Spiel. Die Rauferei war inzwischen aufgelöst und die Nummer 23 wurde vom Eis geschickt.
»Apropos heiß und hart«, sagte Mia. »Das ist einer von den Darling Devils. Er wird auf die Strafbank geschickt, weil er diesen Streit vom Zaun gebrochen hat.«
»Einer von den was?«
»Von den Darling Devils. Du weißt schon. Die Darling-Brüder.« Sie sagte es, als handelte es sich um einen feststehenden Begriff, den ich kennen müsste.
»Und wer genau sind die?«
»Du hast noch nie von ihnen gehört?«
»Sonst würde ich wohl nicht fragen.«
»Aaaalso ...« Mia zog das letzte Wort in die Länge, und ich konnte ihr ansehen, dass sie es mir nur allzu gern erklärte. »Die Darling-Brüder sind drei der besten Spieler im Staat. Sie sind alle bei den Ransom Devils und echt gefährlich.« Sie senkte ein wenig die Stimme, doch ihre Augen funkelten aufgeregt. »Und ich rede nicht nur vom Sport. Sie haben auch jenseits des Eises einen ziemlich schlechten Ruf. Die Leute hier haben eine Menge über diese Jungs zu erzählen.«
Stirnrunzelnd betrachtete ich den Devils-Spieler, der gerade auf der Strafbank Platz genommen hatte. Ich konnte auf dem Rücken seines Trikots gerade so den Namen »Darling« erkennen.
»Das ist Reed«, sagte Mia und nickte in seine Richtung. »Er ist der Mannschaftskapitän der Ransom Devils. Er ist für die NHL bestimmt, aber es heißt, dass er ein richtiger Playboy ist.«
»Klingt ja sehr charmant«, kommentierte ich ironisch.
»Klar, wenn du auf Bad Boys stehst«, fuhr Mia fort. »Ich habe gehört, dass er letztes Jahr die Schule verpasst hat, weil er im Jugendknast war.«
»Entzückend«, erwiderte ich. »Seine Mutter ist bestimmt wahnsinnig stolz auf ihn.«
Mia grinste. »Na ja, eines hat seine Mutter auf jeden Fall richtig gemacht: Er sieht verdammt gut aus.« Sie verdrehte ihren Kopf ein bisschen, um diesen Reed anzusehen. Obwohl sich Mia darüber bewusst war, dass der Kerl nichts Gutes bedeutete, konnte sie nicht anders, als ihn abzuchecken.
»Nur weil ein Kerl ein Hockeytrikot ausfüllt, macht ihn das noch lange nicht heiß«, fügte ich hinzu.
Mia lachte schockiert auf. »Das sagst du nur, weil du noch nicht sein Gesicht gesehen hast. Und er hat diese Narbe an seinem Hals von einer Kneipenschlägerei, die ihn noch mehr wie einen sexy Rebellen aussehen lässt.«
Ich glaubte keine Sekunde daran, dass es für mich irgendeinen Unterschied machen würde, Reed Darlings Gesicht zu sehen. Dieser Typ spielte Hockey und prügelte sich in Kneipen? So einen Mann würde ich niemals attraktiv finden.
»Seine Brüder sind genauso schlimm«, fuhr Mia fort. »Jemand hat mir erzählt, dass sie letztes Jahr einen Jungen verdroschen haben, weil er Reed schräg angeschaut hat.«
»Im Ernst?«
»Ihr redet von den Darling-Brüdern, oder?«
Wir drehten uns zu dem Mädchen auf Mias anderer Seite um, die sich zu uns herüber lehnte. Sie hatte unser Gespräch wohl mitbekommen und wollte sich gern einschalten. »Das ist nur der Anfang von dem, was auf dieser Party passiert ist. Nachdem sie dem Kerl eine Abreibung verpasst haben, hat einer von den Devils mit seiner Freundin rumgemacht.«
Mia riss die Augen auf, dann warf sie mir ein Grinsen zu. »Siehst du? Alle kennen die Darling Devils.«
Es war mir ein bisschen unangenehm, mir das Maul über jemanden zu zerreißen, den ich nicht mal kannte, aber es klang so, als hätten sich diese Darlings ihren schlechten Ruf mehr als verdient, also nickte ich meiner Cousine nur zu. Außerdem hatte ich keine Zeit, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie sich einige Idioten ihre Freizeit vertrieben. Ich hatte größere Probleme. »Ich sollte Jeremy anrufen und fragen, wie das Spiel gelaufen ist.«
»Aber du weißt doch noch gar nicht alles von den Darling Devils. Im ersten Schuljahr hat Reed ...«
Ich winkte ab. »Kannst du mir später erzählen.«
»Ach, jetzt komm schon, Violet«, schmollte Mia. »Können wir nicht einfach bleiben und uns das Spiel ansehen?«
Ich seufzte erneut. »Bleib ruhig. Ich suche mir irgendwo eine ruhige Ecke, um ihn anzurufen, und komme dann zurück.«
»Ich finde, es wäre viel lustiger, wenn du bleiben würdest, damit ich dir noch mehr über heiße Hockeyspieler erzählen kann«, sagte sie, während ich aufstand.
»Nur dass es mir so vorkommt, als würdest du mir nur von den Irren erzählen.«
»Von den irre Heißen«, korrigierte sie mich, bevor sie sich zu dem anderen Mädchen umdrehte. Mir schien, als hätten sie noch viel mehr Klatsch und Tratsch über die so genannten Darling Devils auszutauschen.
Ich kämpfte mich die Tribüne herunter und kehrte in die Vorhalle zurück, wo nur wenige andere Leute waren, während der Rest beim Spiel saß. Ich holte mein Handy heraus und rief Jeremy an. Es klingelte zwei Mal, dann ging die Mailbox dran.
»Das ist gar nicht gut«, murmelte ich, während ich mich auf eine Bank setzte und unseren Chat öffnete, um ihm eine Nachricht zu schicken. Doch ich hatte keine Ahnung, was ich schreiben sollte. Denn ganz egal, wie ich es formulierte: Er war ganz bestimmt enttäuscht, dass ich sein Spiel verpasst hatte. Ich schrieb, löschte und formulierte die Nachricht um, doch ich fand einfach nicht die richtigen Worte, um zu sagen, dass es mir leid tat und ich eine furchtbare Freundin war.
Schließlich gab ich auf und entschied, zu Mia zurückzukehren. Vielleicht war es einfacher, direkt mit Jeremy zu sprechen.
Als ich das Stadion betrat, ertönte eine Sirene, und donnernder Applaus erschütterte das Gebäude. Ein Blick auf die Anzeige verriet mir, dass das Spiel vorbei war und die Devils das gegnerische Team vernichtet hatten.
Die Menge erhob sich von ihren Sitzen und schwärmte Richtung Ausgang. Ich stand an der Seite und wartete darauf, dass Mia vorbei kam, doch ich konnte sie nicht entdecken. Als fast alle Zuschauer draußen waren, kam ich zu unseren Plätzen durch. Mia saß immer noch genau da, wo ich sie zurückgelassen hatte, und begaffte die Spieler, die das Eis verließen.
»Na, hast du Spaß?«, fragte ich.
Sie grinste breit und sprang auf. »Ich versuche nur, meine Dröhnung an heißen Hockeytypen zu bekommen, solange ich kann.«
Ich lachte. »In der Schule machst du das nie.«
»Ja, weil ich mit denen zusammen Unterricht habe und weiß, dass das alles Schweine sind.«
»Na vielen Dank auch.«
»Du weißt, dass ich damit nicht Jeremy meine«, sagte sie mit einem Blick, der es schwer machte, ihr zu glauben. »Hast du mit ihm geredet?«
»Nein. Die Mailbox ging dran.«
»So ein Mist«, erwiderte sie. »Na ja, er wird heute Abend auf der Party sein. Du kommst doch auch, oder?«
»Äh ...«
»Violet. Bitte sag mir nicht, dass du vorhast, an einem Samstagabend zu Hause zu hocken.«
»Hatte ich nicht«, widersprach ich. »Aber Mom hat gesagt, dass sie heute Abend vielleicht anruft.«
»Violet Sinclair.« Mias Stimme war streng. »Wage es ja nicht, heute Abend zu Hause zu bleiben, um mit deiner Mutter zu telefonieren.« Sie rümpfte die Nase, als ob es schon eine Beleidigung wäre, auch nur darüber nachzudenken. Doch dann wurde ihre Stimme sanfter. »Du musst dein Leben leben, nicht auf einen Anruf warten, der eh nicht kommen wird.«
Es war eine Weile her, seit ich das letzte Mal mit Mom gesprochen hatte. Wegen der Zeitverschiebung war die Chance, sie zu erwischen, am späten Abend am höchsten, aber irgendwie musste sie immer lange arbeiten.
»Dieses Mal könnte es vielleicht klappen.«
Mia lächelte bekümmert. »Vielleicht.« Sie nickte, aber es war ihr deutlich anzusehen, dass sie mich schon traurig und enttäuscht zu Hause sitzen sah, weil wieder kein Anruf kam. »Aber denk darüber nach, ja? Deiner Mom macht es bestimmt nichts aus, wenn ihr euer Telefonat auf morgen verschiebt.«
Ich seufzte. »Meinetwegen. Ich werde darüber nachdenken.«
»Gut.« Sie warf einen Blick auf ihr Handy, als eine Benachrichtigung aufblinkte. »Das ist Grant. Er wartet draußen auf mich ...«
Ich schenkte ihr ein wissendes Lächeln.
»Guck mich nicht so an«, sagte sie. »Du weißt, dass wir nur Freunde sind.«
»Nur Freunde, die sich gegenseitig zu Partys fahren?«
»Was denn?«, erwiderte sie achselzuckend. »Es ist ja nicht so, dass wir auf diesen Partys dann rummachen. Und da Grant und ich nur Freunde sind, sage ich ihm gern ab, wenn die Chance besteht, dass du heute Abend mitkommst.«
»Ich hab doch gesagt, ich werde darüber nachdenken«, stöhnte ich.
»Und ich weiß, dass das wahrscheinlich heißt, dass du nicht kommst. Ohne dich werde ich überhaupt keinen Spaß haben.« Sie warf mir einen Blick zu wie ein niedlicher Hundewelpe, der um Essen bettelte. »Es wird auch getanzt ...« Sie sang die Worte fast und gab ihr Bestes, um mich zu überreden. Ich stand nicht so auf Partys, aber sie wusste genau, dass ich es liebte zu tanzen.
»Bitte ...« Meine Cousine gab einfach nicht auf.
»Uh, okay, meinetwegen. Wir sehen uns dort.«
»Perfekt.« Sie lächelte unschuldig, als hätte sie mich nicht gerade dazu gebracht, genau das zu tun, was sie wollte.
Wir gingen gemeinsam die Treppe hinunter. Das Stadion war inzwischen fast vollständig leer, doch bevor wir die Halle verlassen konnten, bemerkte ich vor uns eine Gruppe. Es war einer der Ransom-Spieler, umgeben von einem Haufen Mädchen. Er stand mit dem Rücken zu mir und so konnte ich seinen Namen und die Nummer auf seinem Trikot erkennen. Es war die Nummer 23. Reed Darling.
Er war groß, mindestens eins neunzig. Und obwohl er noch seine Schutzausrüstung trug, war klar, wie muskulös er war. Ohne seinen Helm konnte ich seine dunklen, wirren Haare sehen. Ein Teil von mir war neugierig, ob sein Gesicht wirklich so attraktiv war, wie Mia behauptete. Was seine Wirkung auf Mädchen anging, hatte sie eindeutig recht gehabt. Kaum hatte er das Eis verlassen, war er regelrecht umzingelt. Mir wurde ein bisschen übel von der Art, wie sie kicherten, während er mit einer von ihnen redete. Er war genau der Typ, vor dem mich meine Mutter immer gewarnt hatte. Der Grund, warum meine Keine-Sportler-Regel existierte.
»Diese Mädchen scheinen sich nicht um seinen schlechten Ruf zu kümmern«, sagte ich zu Mia.
Sie schnaubte. »Keine Ahnung, warum dich das so überrascht, Vi. Er ist ein Bad-Boy-Hockey-Gott. Die meisten Typen hassen ihn wie die Pest, aber die Damenwelt präsentiert ihm ihr Herz auf einem Silbertablett.«
»Also für mich sieht es so aus, als wären die Hockeyspieler von Ransom Schweine.«
Ich dachte, ich hätte leise geredet, doch in diesem Moment drehte sich Reed Darling zu mir um und sah mich mit seinen graublauen Augen an. Irgendwie enttäuschte es mich, dass Mia schon wieder recht gehabt hatte. Er war wirklich umwerfend. Markante Gesichtszüge und die Art von Blick, die sich bis tief in deine Seele bohrte und dich atemlos zurückließ. Niemand sollte so perfekt sein wie dieser Kerl, und abgesehen von seinem Ruf konnte ich verstehen, warum die Leute es liebten, über ihn zu reden.
Allerdings warf er mir einen strengen Blick zu, passend zu den harten Zügen seines Gesichts. Die Intensität seines Blickes ließ mich erschauern, und ich wandte mich schnell ab, bevor ich Mia zum Ausgang zerrte. Sobald wir draußen waren, kicherte sie. »Ich glaube, er hat dich gehört.«
Ich zuckte nur mit den Schultern und versuchte so auszusehen, als würde mir das rein gar nichts ausmachen. Was spielte es schon für eine Rolle, ob irgendein Typ gehört hatte, wie ich ihn Schwein nannte? Wenn er mit all diesen Mädchen flirtete, benahm er sich wie eines. Sie waren offensichtlich zu sehr von seinem guten Aussehen geblendet, um sich an seinem schlechten Charakter zu stören. Und ich musste jetzt einfach nur vergessen, dass ich einen klitzekleinen Moment lang ebenfalls geblendet worden war.
»Komm schon, Betty, nicht jetzt«, flehte ich, als mein Auto ein letztes gebrochenes Keuchen ausstieß und am Straßenrand zum Stehen kann. Als hätte es seinen Punkt noch nicht deutlich genug gemacht, beendete es seinen Protest gegen das Leben mit einem lauten Knall.
»Nein, nein, nein«, stöhnte ich, während ich verzweifelt versuchte, den Motor wieder ans Laufen zu bekommen.
Dieser Tag wurde immer schlimmer. Jeremy ging immer noch nicht an sein Handy, und ich war spät dran für die Party, weil ich idiotischerweise auf den Anruf meiner Mutter gewartet hatte. Doch wie üblich war etwas dazwischengekommen, und sie hatte es verschoben. Dass meine Betty jetzt den Geist aufgab, war das Letzte, was ich gerade gebrauchen konnte.
Draußen war es dunkel und eiskalt, und wenn der Wagen nicht wieder ansprang, würde ich es keine fünf Minuten ohne Heizung schaffen. Also versuchte ich alles, um Betty davon zu überzeugen, es noch einmal zu versuchen. »Ich verspreche dir, in Zukunft netter zu dir zu sein. Ich werde jedes Mal, wenn ich dich wasche, dieses Wachs benutzen, das du so magst. Ich verpasse dir einen schönen Ölwechsel und prüfe sogar deinen Reifendruck. Das würde dir doch gefallen, oder? Ich tue alles, was du willst. Bitte spring wieder an.«
Betty zog es vor, mich zu ignorieren, und der Motor klickte weiter. Dieses Auto war schon immer ein temperamentvolles altes Ding gewesen, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es diesmal wirklich am Ende war. Der Umzug nach Minnesota könnte ihm den Rest gegeben haben.
Ich versuchte noch ein paarmal, den Motor zu starten, bevor ich aufgab. Es war klar, dass Betty von allein nirgendwo mehr hinfahren würde, also versuchte ich, Mia anzurufen. Sie ging nicht dran. Dann probierte ich es erneut bei Jeremy, doch ihn erreichte ich nicht weiter überraschend ebenfalls nicht. Ich fragte sogar ChatGPT, was ich tun sollte, doch die AI-App zählte lediglich verschiedene Gründe auf, warum ein Auto nicht mehr startete, und riet mir, einen Mechaniker zu konsultieren.
Fluchend stieg ich aus, um einen Blick unter die Motorhaube zu werfen. Es war nicht das erste Mal, dass mich Betty im Stich ließ, doch irgendwie war es mir immer gelungen, den Wagen wieder zum Laufen zu bringen. Ich brauchte doch keinen Mechaniker. Er stellte sich nur etwas an. Ein eiskalter Wind brannte mir im Gesicht, als ich die Tür öffnete, und ich unterdrückte ein Zittern. Die Person, die diesen Ort Sunshine Hills genannt hatte, musste ein kranker Witzbold gewesen sein. Es gab nur einen einzigen Hügel, und allmählich vergaß ich, wie die Sonne überhaupt aussah.
Ich versuchte, meine eiskalten Hände mit meinem Atem zu wärmen, und hüpfte ein bisschen auf der Stelle, um nicht einzufrieren, während ich auf den Motor starrte. Ich war mir nicht sicher, warum ich der Meinung war, dass das helfen würde, da ich eigentlich absolut keine Ahnung von Autos hatte. Aber ich war verzweifelt. Es war nicht mehr weit bis zur Party, aber ich wollte Betty nicht hier draußen in der Kälte zurücklassen.
Ich überlegte kurz, meinen Onkel anzurufen, verwarf die Idee aber sofort wieder. Er glaubte, Mia und ich würden uns heute Abend mit ein paar Freundinnen einen Film ansehen. Stattdessen war ich hier am Stadtrand, so weit von einem Kino entfernt, wie man sich nur vorstellen konnte. Er würde ausrasten, wenn er wüsste, dass wir in Wirklichkeit zu einer Party ohne elterliche Aufsicht wollten. Und wenn ich ihn um Hilfe bat, würde er die Wahrheit herausfinden und wir würden bis zum Ende des Jahres Hausarrest bekommen. Onkel Luke nahm seine Rolle als mein vorübergehender Erziehungsberechtigter viel zu ernst. Er musste sich wirklich keine Sorgen machen. Es war ja nicht so, als würde es meine Mutter kümmern.
Ich schaltete die Taschenlampe von meinem Handy an und richtete sie auf den Motor. Doch das Licht half nicht viel. Ich konnte nichts rauchen oder zischen sehen, und es hingen auch keine Metallteile in offensichtlich schiefen Winkeln. Der Motor sah genau so aus, wie ich mir einen vorstellte, und Bettys geheimnisvolle Krankheit blieb weiter ungeklärt.
»Scheiße. Scheiße. Scheiße.« Ich schlug die Motorhaube zu. »Ich dachte, wir wären Freunde«, fuhr ich Betty an. »Wieso tust du mir so was an?« Um sicherzugehen, dass meine Enttäuschung deutlich wurde, versetzte ich den Reifen einen Tritt.
Leider verstauchte ich mir dabei meinen Zeh. Fluchend hüpfte ich rückwärts, nur um auf dem vereisten Boden auszurutschen, und ich landete auf dem Rücken.
Glücklicherweise dämmte die dichte Schneedecke auf dem Gehweg meine Landung. Ich stand nicht sofort wieder auf. Stattdessen starrte ich in den bewölkten Nachthimmel hinauf und begann zu lachen. Dieser Tag konnte wirklich nicht schlimmer werden. Ich hatte nicht mal zu dieser dämlichen Party gewollt, und jetzt konnte ich froh sein, wenn ich jemals wieder mein Zimmer verlassen durfte.
»Alles okay?«
Über mir erschien ein Gesicht und versperrte die Sicht auf den Himmel. Ich hatte mich geirrt. Offenbar konnte mein Abend doch noch schlimmer werden. Denn es sah so aus, als hätte der attraktivste Kerl, den ich jemals erblickt hatte, mitangesehen, wie ich mein Auto anbrüllte, es trat und umkippte. Er starrte mich an, als würde er mich für völlig verrückt halten. Und vielleicht hatte er recht. Weit entfernt war ich nicht mehr davon.
Stirnrunzelnd wartete er auf meine Antwort, und mir wurde klar, dass ich dieses Gesicht, diese Augen, schon mal gesehen hatte. Es war Reed Darling, der über mir stand, und plötzlich wünschte ich, der Schnee, in dem ich gelandet war, würde mich unter sich begraben.
Ungeachtet der Tatsache, dass ich ihn erst vor wenigen Stunden ein Schwein genannt hatte, wirkte er nicht so, als würde er mich wiedererkennen. Er erinnerte sich nicht, was kaum weiter überraschend war. Typen wie er bemerkten Mädchen wie mich im Allgemeinen nicht. Und das war mir auch ganz recht.
»Geht es dir gut?«, wiederholte er, während er mich musterte. Vielleicht fragte er sich, ob ich eine Gehirnerschütterung hatte. Und ich fragte mich das auch. Besonders klar fühlte ich mich gerade nicht. Das alles kam mir eher wie ein Albtraum vor.
»Bestens«, sagte ich und kam so schnell ich konnte wieder auf die Beine. So wie sich alles zu drehen begann, war das wohl ein bisschen zu schnell gewesen.
»Bist du dir sicher?«, fuhr Reed fort. »Denn ich hab gerade gesehen, wie du dein Auto angebrüllt und getreten hast ...«
»Tja, die Karre hat es verdient«, murmelte ich.
Mir wurde ganz anders, als ich den Kopf hob, um ihn anzusehen. Reed war schon aus der Entfernung eine imposante Gestalt gewesen, doch aus der Nähe war er einfach überwältigend. Ich hatte mich in den letzten Monaten oft gefragt, was sie den Kindern hier in Sunshine Hills ins Essen gaben, denn viele der Jungs waren riesig. Wenn ich nicht wüsste, dass wir gleich alt waren, hätte ich angenommen, dass er mindestens auf dem College war. Außerdem hatte die Art, wie er sich hielt, etwas ziemlich Intensives an sich. So eine Art arrogantes Selbstbewusstsein, das man nur bei Leuten sah, die immer ihren Willen bekamen.
Ich versuchte, meinen Gesichtsausdruck so neutral wie möglich zu halten, als ich ihm in die Augen sah. Das war meine Standardreaktion, wenn ich jemandem begegnete, den ich attraktiv fand. Ich sorgte dafür, dass ich so desinteressiert wirkte, dass mich die andere Person entweder für geistig beschränkt hielt oder annahm, ich könne sie nicht leiden. Und Reed war so attraktiv, dass ich ihn wahrscheinlich ansah, als wäre er der Teufel in Menschengestalt. Wenn die Gerüchte stimmten, die mir Mia über ihn erzählt hatte, war er das vielleicht sogar wirklich.
Ich hätte wahrscheinlich einfach weggehen sollen. Ich war allein auf einer dunklen Straße mit einem liegengebliebenen Wagen. Kein besonders guter Moment, einen Kerl zu treffen, der ein Wutproblem zu haben schien. Tatsächlich konnte ich sogar die Narbe an seinem Hals sehen, von der Mia behauptet hatte, er hätte sie sich bei einer Schlägerei zugezogen. Doch ich rührte keinen Muskel und stellte überrascht fest, dass ich mich in seiner Gegenwart überhaupt nicht unwohl fühlte.
»Darf ich fragen, warum genau sie es verdient hat?« Grinsend verschränkte er die Arme vor seiner breiten Brust.
Ich musterte ihn von Kopf bis Fuß. Auf seiner Stirn glitzerte Schweiß, und seine Wangen waren rot. Er trug Trainingsklamotten und er war ein bisschen außer Atem, also nahm ich an, dass er gerade joggen war, als er meinen glorreichen Sturz miterlebt hatte. Jemand, der nach einem so intensiven Spiel auch noch laufen ging, konnte nicht normal sein. Warum redete er überhaupt mit mir? Ich war wieder auf den Beinen, und es ging mir gut. Vielleicht war es eine morbide Neugier, die ihn antrieb.
»Warum sie es verdient hat?« Ich lachte auf eine so manische Weise auf, dass er seine Frage garantiert bereute. »Weil ich bereits einen ziemlich schlechten Tag habe und sie mich in der Stunde meiner Not im Stich gelassen hat.«
Hier hätte ich wahrscheinlich besser aufgehört, doch die Worte purzelten immer weiter heraus. »Sie hat es verdient, weil mein Freund, Mom und meine Cousine nicht an ihr Handy gehen. Und ich meinen Onkel nicht anrufen kann, weil ich heute Abend gar nicht hier draußen sein sollte. Ich sollte überhaupt nicht an diesem eiskalten, elenden Ort sein. Aber ich stecke hier nicht nur am Straßenrand fest, sondern auch mein ganzes Abschlussjahr lang. Ich stecke hier fest und habe niemanden, an den ich mich wenden kann. Also ja, darum hab ich meinen süßen alten Wagen getreten, und wenn er jemals wieder anspringen sollte, werde ich mich tausendmal entschuldigen, aber bis dahin bleibe ich dabei, dass er es verdient hat.«
Als ich mit meiner Schimpftirade endlich fertig war, holte ich tief Luft. Mein ganzer Frust war übergekocht und herausgeblubbert, aber das lag nicht nur an meiner Autopanne. Ein Ausbruch wie dieser hatte sich schon zusammengebraut, seit meine Mutter mich hier einfach abgesetzt hatte und verschwunden war. Doch ich hätte nicht erwartet, dass er in einer Schneewehe vor dem berüchtigsten Hockeyspieler des Staates stattfinden würde.
»Ich bin da«, sagte er schließlich und erwischte mich damit eiskalt.
»Was?«
»Du hast gesagt, du hast niemanden, an den du dich wenden kannst.« Er zuckte mit den Schultern, streckte die Arme aus und schaute an sich hinunter. »Aber ich bin doch da.«
Ich starrte ihn stirnrunzelnd an, weil ich keine Ahnung hatte, warum er immer noch hier war. Er war zufällig vorbeigekommen, als ich mein Auto traktiert hatte, und war dann Zeuge geworden, wie ich meine emotionale Last in die kalte Nachtluft abgeladen hatte. Ganz zu schweigen davon, dass ich spüren konnte, wie viel Schnee in meinen vom Sturz wirren Haaren klebte, also sah ich wohl ebenso verrückt aus, wie ich mich fühlte. Dennoch war er hier und lächelte, als würde er mich eher amüsant als bedrohlich finden.
»Und zu deinem Glück denke ich, dass ich helfen kann«, fuhr er fort.
»Du kannst helfen?«
»Ja, mit dem Wagen. Ich kenne da jemanden.«
»Du kennst jemanden«, wiederholte ich und versuchte, dabei nicht allzu misstrauisch zu klingen.
»Na ja, ich wohne da mit jemandem zusammen. Mein Dad hat eine Autowerkstatt. Sie ist Samstagabends normalerweise geschlossen, aber ich könnte ihn anrufen und darum bitten, dein Auto abzuschleppen.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Wie hoch standen die Chancen, dass genau jetzt ein Typ vorbeikam, dessen Vater eine Werkstatt besaß? Ein Teil von mir wagte zu hoffen, dass meine heutige Pechsträhne endlich vorbei war. Doch dann fiel mir Mias Warnung vor Reed ein, und ich fragte mich, ob mir das schlimmste vielleicht noch bevorstand.
»Äh, schon gut«, stotterte ich. »Ich hab schon dein Lauftraining unterbrochen und will dich nicht noch länger belästigen. Ich finde bestimmt was auf Google.«
»Nicht an einem Samstagabend in Sunshine Hills.« Er grinste. »Es gibt nur eine einzige Werkstatt in der Nähe: die von meinem Dad.«
Mein Stirnrunzeln vertiefte sich, als ich zwischen Reed und meinem Handy hin und her sah. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm glauben sollte. Aber welchen Grund sollte er haben, mich anzulügen?
»Du traust mir nicht, was?«, fragte er.
»Ich meine, du bist halt irgendein Typ, den ich am Straßenrand getroffen habe, und meine Mutter hat mir als Kind immer eingeschärft, nicht mit Fremden zu reden.« Doch wenn ich ehrlich war, wäre Mom ein unheimlicher Fremder wahrscheinlich lieber als ein Sportler mit schlechtem Ruf.
»Na ja, aber du redest mit diesem Typen jetzt schon eine ganze Weile«, erwiderte er. »Vielleicht hat sie es dir doch nicht so sehr eingeschärft, wie du meinst.«
»Oder vielleicht ist mein Fluchtauto auch kaputt.« Ich nickte in Bettys Richtung.
»Stimmt.« Er lachte auf. »Ich bin jedenfalls Reed Darling. Und jetzt hat der Fremde auch einen Namen.«
»Du könntest immer noch gefährlich sein, Reed Darling.«
»Ich schwöre, dass ich für dich keine Gefahr bin.«
Das bedeutete nicht, dass er überhaupt nicht gefährlich war. Mia hielt ihn jedenfalls dafür. Ich wartete darauf, dass sich mein Selbsterhaltungstrieb zu Wort meldete. Dass mir mein sechster Sinn riet, mich von diesem Kerl fernzuhalten. Doch der war offenbar genauso kaputt wie mein Auto. Seit wir angefangen hatten, miteinander zu reden, hatte ich mich nicht ein einziges Mal unwohl gefühlt.
»Dann lässt du mich dir also helfen?«, fragte er.
Ich zögerte. Ich brauchte Hilfe, war mir allerdings nicht sicher, ob ich sie von einem arroganten Starathleten bekommen wollte, der offenbar gerade aus dem Jugendknast entlassen worden war. Vielleicht wollte er nur mein Auto stehlen und es ausschlachten. Aber wem wollte ich etwas vormachen? Mir würde Betty niemand abnehmen, nicht mal wenn ich dafür bezahlte.
Ich zögerte einen Moment zu lange, also nutzte Reed die Gelegenheit, um sein Handy aus der Tasche zu nehmen und es sich ans Ohr zu halten.
»Ich hab nicht Ja gesagt, weißt du ...«
Aber er hob nur einen Zeigefinger, um mir anzuzeigen, dass ich warten sollte, während er dem Klingeln lauschte. Wie ich vermutet hatte, war er jemand, der ein Nein nicht gelten ließ. Wenn mir nicht ganz so kalt und mein Auto nicht ganz so tot gewesen wäre, hätte mich das geärgert.
»Hey, Dad.« Reeds Stimme und sein Gesichtsausdruck wurden ein wenig sanfter, während er sprach. »Ich weiß, es ist Samstag und ziemlich spät, aber der Wagen einer Freundin ist liegengeblieben. Könntest du ihn vielleicht abschleppen?« Er wartete, während er sich die Antwort anhörte. »Keine Sorge, ich bin mir sicher, sie wird es überhaupt nicht bemerken.« Reed hielt erneut inne. »Okay, toll.« Dann gab er seinem Vater unsere Position durch, bevor er auflegte. »Er ist auf dem Weg. Er kann ihn in die Werkstatt bringen, ihn sich aber erst am Montag ansehen. Ist das okay?«
»Klar.« Ich atmete erleichtert aus und spürte, wie die ganze Anspannung von mir abfiel. Jetzt, wo er seinen Vater angerufen hatte, wurde mir klar, wie irre es gewesen war, auch nur mit dem Gedanken zu spielen, sein Angebot abzulehnen. Reed Darling mochte gefährlich sein, aber offensichtlich war er kein schlechter Kerl. »Danke.«
»Keine Ursache. Es war nur ein Anruf.«
Doch für mich war es viel mehr als nur ein Anruf. Ich war so kurz davor gewesen, meinen Onkel anzurufen. Mia hätte es mir niemals verziehen, wenn ich uns beide in Schwierigkeiten gebracht hätte. Sie sollte Reed ebenfalls danken.
»Außerdem hat Dad gesagt, dass du ihn bitte nicht auslachen sollst«, fuhr er fort.
»Warum sollte ich ihn auslachen?«
»Wirst du schon sehen.« Reeds Mundwinkel zuckten, als würde er ein Schmunzeln unterdrücken. »Ich hab deinen Namen nicht mitbekommen ...«
»Weil ich ihn noch nicht gesagt habe. Offenbar bin ich hier die Einzige, die misstrauisch gegenüber Fremden ist.«
Er lachte. Es war ein tiefer, angenehmer Klang, und ich fragte mich, wie jemand, der so sympathisch lachte, so böse sein konnte, wie ihn Mia dargestellt hatte.
»Stimmt«, sagte er. »Also ...«
»Violet«, erwiderte ich. »Aber meine Freunde nennen mich Vi.«
»Und gehöre ich jetzt zu deinen Freunden, Violet?«
Seine Stimme klang nett, aber ich musste schlucken, weil er mich dabei so intensiv ansah, dass es mir schwerfiel, seinem Blick standzuhalten. »Na ja, wenn du mich mit deinem Vater und dem Abschleppen nicht verarschst, können wir wohl Freunde sein.«
»Gut zu wissen.«
Während wir warteten, fragte ich mich, warum er nicht fror. Seine Trainingskleidung lag eng an seinem muskulösen Körper an, und ich war mir sicher, dass er die Kälte ebenfalls spüren musste. Was hatte er hier draußen überhaupt zu suchen? Er musste nach seinem Hockeyspiel heute Nachmittag doch völlig erschöpft sein.
Bevor ich den Mut aufbringen konnte, ihn danach zu fragen, kam er mir zuvor.
»Wo wolltest du überhaupt hin?«
»Zu einer Party. Was ist mit dir? Gehst du immer an eiskalten Samstagabenden laufen?«
»Nur, wenn ich das Gefühl habe, dass da draußen eine Jungfrau in Nöten auf Rettung wartet.«
»Oh, und das macht dich zu was? Einem Märchenprinzen?«
»Tut mir leid, dich zu enttäuschen, Prinzessin, aber ich bin definitiv kein Prinz.« Reed schenkte mir ein schelmisches Lächeln, das ich fast instinktiv erwiderte, doch es gelang mir zu widerstehen. Stattdessen verdrehte ich die Augen. Es kam mir fast so vor, als würde Reed mit mir flirten, aber andererseits flirtete er wahrscheinlich mit jedem Mädchen, das er am Straßenrand fand.
»Weißt du, wenn ich dein Freund wäre, würde ich nicht nur dran gehen, wenn du mich anrufst, sondern dich auch zu Partys fahren.«
Diesmal hatte ich definitiv nicht den Drang, ihn anzulächeln. Stattdessen spürte ich, wie meine Wangen ganz heiß wurden, als mir einfiel, dass ich ihm gerade all meine persönlichen Probleme erzählt hatte. Ich hatte überhaupt keine Lust, näher darauf einzugehen, warum mein Freund meinen Anrufen auszuweichen schien. Ich hatte immer noch nichts von Jeremy gehört, seit ich sein Spiel verpasst hatte, und ich tat mein Bestes, um diese deprimierende Tatsache zu ignorieren.
»Ich kann selbst fahren.«
Reed betrachtete schmunzelnd meinen liegengebliebenen Wagen und das Violet-förmige Loch im Schnee hinter mir. »Bist du dir da sicher?« Er trat näher heran, als vor uns ein Paar Scheinwerfer auftauchten. »Denn es sieht so aus, als hätte dein Auto andere Pläne gehabt.«
Bevor ich antworten konnte, traf der Abschleppwagen ein. Der Fahrer stieg aus, und ich musste mir ein Lachen verkneifen, als ich ihn sah. Denn er trug ein riesiges Hummerkostüm.
Mr Darling war genauso groß wie sein Sohn, mit den gleichen graublauen Augen und dunklen Haaren, auch wenn seine stellenweise grau wurden. Als er sah, wie ich schmunzelte, verdüsterte sich sein Blick.
»Ich dachte, du sagst ihr, dass sie nicht lachen soll, Reed.«
Sein Sohn musste ebenfalls grinsen. »Sie lacht über einen Witz, den ich ihr erzählt habe, Dad. Nicht über deine Hummerpracht.«
»Du erzählst Witze? Tja, ich schätze, es gibt für alles ein erstes Mal«, brummte sein Vater, bevor er mir die Hand entgegenstreckte. »Ich bin Danny.«
»Violet«, antwortete ich. »Es tut mir leid, Sie so spät an einem Samstagabend zu stören.«
»Die Werkstatt liegt auf dem Weg zu meiner Party«, sagte er. »Gar kein Problem. Ich werde mir den Wagen allerdings erst am Montag ansehen können.«
»Hat mir Reed schon gesagt. Das ist völlig in Ordnung.«
»Okay, dann wollen wir es mal hinter uns bringen. Und hoffen wir, dass ich dabei nicht mein Kostüm ruiniere, denn sonst wird mich Reeds Mutter umbringen.«
Sobald Betty sicher mit dem Truck verbunden war, bot mir Danny an, mich nach Hause zu fahren. Das war unglaublich nett von ihm, in Anbetracht all dessen, was er bereits für mich tat, aber ich war noch nicht bereit, mich meinem Onkel zu stellen. Außerdem hoffte ich immer noch, Jeremy auf der Party zu erwischen, damit ich endlich mit ihm reden konnte. Zurück konnte ich mit Mia fahren.
»Danke, aber ich wollte zu einer Freundin hier in der Nähe«, sagte ich. »Bis dahin schaffe ich es zu Fuß.«
»Ich begleite dich.« Reed sagte es so bestimmt, dass ich nicht wusste, wie ich ablehnen sollte. Es überraschte mich, dass er immer noch hier war, anstatt abzuhauen, sobald sein Vater auftauchte. Und jetzt wollte er mich auch noch bis zur Party begleiten? Er hatte zwar bestritten, ein Märchenprinz zu sein, aber wenn er wollte, konnte er offensichtlich ziemlich galant sein. Außer natürlich, er hatte irgendwelche Hintergedanken.
»Also gut, dann störe ich euch Kids mal nicht weiter«, sagte Danny, bevor er mir seine Visitenkarte reichte. »Komm am Montag in die Werkstatt, und ich sage dir, was mit der alten Betty hier nicht stimmt.«
»Danke.« Ich schenkte ihm ein Lächeln. »Wie viel schulde ich Ihnen für das Abschleppen?«
Er winkte ab. »Mach dir darüber keine Gedanken. Das erste Abschleppen ist für Reeds Freunde gratis«, erwiderte er augenzwinkernd, und ich wurde wieder rot. Dann quetschte er sich wieder auf den Fahrersitz, was wegen seines Hummerkostüms ziemlich mühsam war.
»Das war echt verdammt nett von deinem Vater«, sagte ich zu Reed, während wir ihm beim Wegfahren nachsahen. »Und von dir auch.«
»Gut, dass wir Freunde sind«, sagte er.
»Stimmt«, bestätigte ich lächelnd.
»Also, wo geht es hin?«
Ich sagte ihm die Adresse. »Du musst mich aber wirklich nicht begleiten«, fügte ich jedoch hinzu.
»Es ist nicht weit. Und es liegt auf meinem Weg.« Und so gingen wir Seite an Seite zur Party.
Ich war mir sicher, dass er an einem Samstagabend etwas Besseres zu tun hatte, aber ich wusste seine Gesellschaft zu schätzen. Ich hatte keine Ahnung, was ich getan hätte, wenn er nicht zufällig vorbeigekommen wäre, und war ihm unendlich dankbar, dass er seinen Vater um Hilfe gebeten hatte.
»Du gehst auf die Sunshine Hills?«, fragte er.
Ich wunderte mich ein bisschen, woher er das wusste. Er musste mein Stirnrunzeln bemerkt haben, denn schnell schob er nach: »Du hast gesagt, es wäre dein Abschlussjahr, und ich hab dich an meiner Schule noch nie gesehen.«
»Ah.« Ich nickte. »Ja, ich bin an der Sunshine.«
Angesichts des Alters und Zustands meines Wagens fragte er sich wahrscheinlich, wie ich mir eine so angesehene und teure Schule leisten konnte. Betty wirkte definitiv wie ein Fremdkörper auf dem Parkplatz der Sunshine Prep. Ich war ganz sicher die einzige Schülerin dort mit einem Auto, das älter war als sie selbst. Und ich war nur deshalb an dieser Schule angemeldet, weil mein Onkel dort unterrichtete und ich deshalb ein ermäßigtes Schulgeld zahlte. Denn sonst könnte sich das meine Mutter auf keinen Fall leisten.
Reed hinterfragte meine Fahrgelegenheit jedoch nicht. »Ich bin an der Ransom High.« Mir fiel auf, dass er mich zu mustern schien, als würde er meine Reaktion darauf abschätzen. Er konnte nicht wissen, dass ich hier nicht aufgewachsen war und damit auch nicht die gleichen Vorurteile gegenüber Ransom hatte.
»Ich weiß.« Ich nickte auf das Devils-Logo auf seinem Shirt.
Er warf einen Blick auf seine Brust und runzelte die Stirn. »Dann überrascht es mich, dass du überhaupt mit mir redest.«
»Warum?«
»Weil sich die Leute aus Sunshine Hills und die aus Ransom im Allgemeinen nicht besonders gut verstehen.«
»Tja, ich bin weder aus Sunshine Hills noch aus Ransom.«
Er sah mich amüsiert an. »Dachte ich mir irgendwie.«
»Was hat mich verraten?«
Er lachte. »Könnte was damit zu tun haben, dass du so ungefähr zehn Jacken übereinander trägst und immer noch frierst.«
»Ich wünschte, ich würde zehn Jacken tragen«, murmelte ich.
»Und woher kommst du dann?«, fuhr er fort. »Und wie bist du an diesem eiskalten, elenden Ort gelandet?«
Ich verzog das Gesicht, als er erneut aus meiner Schimpftirade zitierte. »Aus Kalifornien. Meine Mutter hat mich hier bei meinem Onkel abgesetzt. Er unterrichtet an der Sunshine Prep.«
»Dich abgesetzt?«
»Ja.« Ich seufzte. »Man hat ihr in London ihren Traumjob angeboten, und sie konnte ihn nicht ablehnen.«
»Und jetzt steckst du hier fest«, sagte er leise, als würde er mit sich selbst reden, doch dann sah er mich an. »Tut mir leid. Das ist echt scheiße.«
»Schon gut«, erwiderte ich. »Ich verstehe, warum sie das gemacht hat. Na ja, irgendwie.«
Keine Ahnung, warum ich Reed all das erzählte. Jemandem, den ich gerade erst getroffen hatte, und der auf den ersten Blick genau der Typ zu sein schien, von dem ich mich fernhalten sollte. Doch bevor ich noch länger darüber grübeln konnte, waren wir fast am Ziel. Als wir näherkamen, sah ich trotz der Kälte im Vorgarten Leute stehen. Die Party war offenbar noch im vollen Gange. Ein paar Gäste warfen uns neugierige Blicke zu, doch es war so dunkel, dass sie uns wahrscheinlich nicht genau erkennen konnten.
»Hier ist es«, sagte ich. »Noch mal vielen Dank für alles. Du hast mich wirklich gerettet.«
»Wie ich bereits sagte, ich hatte das Gefühl, dass da draußen eine Jungfrau in Nöten ist.«
Ich zögerte, weil ich seltsamerweise noch nicht bereit war, mich von Reed zu verabschieden. Bei Mia hatte es so einfach geklungen: Reed Darling bedeutete Ärger. Doch nach unserer kurzen, aber ereignisreichen Begegnung ahnte ich, dass es ein bisschen komplizierter sein könnte. Er war wie ein gutes Rätsel, das ich nicht beiseite legen wollte, bis ich es gelöst hatte.
»Willst du mit reinkommen?«, fragte ich. »Ich weiß, es ist eine Sunshine-Party, aber die Gastgeberin ist echt nett. Ich bin mir sicher, es würde ihr nichts ausmachen ...«
Reed lächelte sanft und schüttelte den Kopf. »Das ist wohl keine gute Idee. Außerdem hab ich meine Laufklamotten an.«
Es fiel mir schwer, nicht enttäuscht zu sein. Besonders als er sich vorbeugte und mir ins Ohr flüsterte. »Aber ich wünsche dir viel Spaß, Sunshine. Ich hoffe, ich hab dir bewiesen, dass nicht alle Hockeyspieler Schweine sind.«
Ich riss die Augen auf, als mir klar wurde, dass er sich doch an mich erinnerte. Der Hauch seines Colognes stieg mir in die Nase, dann joggte er auch schon wieder die Straße entlang in die Nacht. Ich starrte ihm schockiert nach. Es mochten jede Menge Gerüchte über Reed Darling kursieren, aber trotz allem, was ich über ihn gehört hatte, wurde er seinem schlechten Ruf überhaupt nicht gerecht.
Bis jetzt jedenfalls.
Ich grinste bis über beide Ohren, während ich über den Fluss nach Hause joggte. Violets Reaktion, als ich ihren Schweine-Kommentar erwähnt hatte, war mir immer noch deutlich im Gedächtnis – ihr schockierter Blick und ihre roten Wangen. Ich hatte sie damit definitiv überrascht. Vielleicht hatte sie gedacht, dass ich sie nach dem Spiel nicht gehört hatte. Oder dass ich sie nicht wiedererkennen würde. Unmöglich.
Violet war niemand, den man schnell vergaß. Sie hatte atemberaubend lange dunkelrote Haare, und ihre Augen waren so verblüffend hellblau, dass es einem schwerfiel, den Blick von ihnen zu nehmen. Sie wirkte einfach wie ein Mädchen, das geradewegs aus einem Märchen gekommen sein könnte – na ja, in ihrem Fall aus einem Märchen gestolpert. An der Art, wie sie auf dem Eis ausgerutscht war und mit welcher Abscheu sie den Schnee gemustert hatte, war klar, dass sie nicht von hier stammte.
Das erste Mal hatte ich sie gesehen, als sie mich ein Schwein genannt hatte. Kurz nachdem wir das Spiel gewonnen hatten und vom Eis kamen. Als ich sie auf der Tribüne gesehen hatte, war für einen Augenblick die Zeit stehengeblieben. Ich hätte direkt in die Umkleide gehen sollen, wollte sie mir jedoch genauer ansehen. In diesem Moment waren meine Schwester und ein paar ihrer Freundinnen über mich hergefallen. Cammie hatte mich nur anpumpen wollen, doch es musste einen schlechten Eindruck auf Violet gemacht haben, mich von all diesen Mädchen umringt zu sehen. Wahrscheinlich hatte sie mich deshalb als Schwein bezeichnet. Wenn sie nur wüsste, wie dürftig mein Privatleben in Wirklichkeit war.
Als ich fast zu Hause war, begann es wieder zu schneien. Ich war abgekühlt, als ich Violet mit ihrem Wagen geholfen und sie zu dieser Party begleitet hatte, aber meinem Körper machte die Kälte wie gewöhnlich nichts aus. Manchmal fragte ich mich, ob mein Vater vielleicht recht hatte, wenn er behauptete, wir Darlings würden vom Yeti abstammen.
In diesem Fall jedoch war der Grund viel einfacher. Ich spürte die Kälte nicht, weil mein Herz wie wild klopfte, seit ich Violet ins Ohr geflüstert hatte. Sicher, sie hatte einen Freund, betrachtete alle Hockeyspieler als Schweine und lebte in Sunshine Hills, also war sie auf keinen Fall an mir interessiert. Aber dennoch war ich wegen ihr immer noch viel nervöser als vor jedem wichtigen Spiel.
Es hatte sich so gut angefühlt, in ihrer Nähe zu sein, und es war das erste Mal seit langer Zeit, dass ein Mädchen nicht mit mir über Hockey reden wollte. Sie fragten ständig nach meinen Spielen, wo ich aufs College gehen würde, oder am häufigsten, wie meine Aussichten aussahen, eines Tages in der NHL zu spielen. Manchmal kam es mir so vor, als würden sich die Frauen nur für meinen Schläger interessieren – also meinen Hockeyschläger. Das war mit ein Grund dafür, warum ich keine Freundin wollte. Ich hatte zwar auch nicht besonders viel Zeit, aber hauptsächlich lag es daran, dass ich den Beweggründen der Mädchen, die Interesse an mir zeigten, nicht trauen konnte.
Ich bog in meine Straße ein und wurde langsamer, als ich mich unserem Haus näherte. Ungeachtet dessen, was die Kids an der Sunshine Prep dachten, war Ransom ein schöner Ort zum Leben. Die Häuser waren ansehnlich, die Menschen anständig und harte Arbeiter. Wir hatten auf unserer Seite des Flusses zwar keine Luxuskarren, alberne Villen oder einen Country Club, aber wir waren auch nicht so furchtbar, wie viele in Sunshine Hills behaupteten.
Leider war ich ein Teil des Problems, was den schlechten Ruf unserer Stadt anging. Sobald meine Brüder und ich auf dem Eis waren, nahmen wir die Rollen der Darling Devils an. Ständig gab es neue Gerüchte über uns, und obwohl viele davon nicht stimmten, hatte ich schon vor langer Zeit aufgegeben zu versuchen, die Dinge richtig zu stellen. Sollten die Leute doch über uns denken, was sie wollten, solange sie uns auf dem Eis fürchteten. Hockey war unser Leben, und wenn uns dieser schlechte Ruf einen Vorteil verschaffte, waren wir gern bereit, diesen zu nutzen.
Violet schien von all dem gar nicht beeinflusst zu sein. Sie war noch nicht so lange hier, also hatte sie vielleicht noch keine Abneigung gegen den Namen Darling entwickelt. All die anderen Schüler der Sunshine Prep kannten meine Brüder und mich. Sogar Leute, die in Sunshine Hills lebten und nichts mit der Schule zu tun hatten, neigten dazu, uns zu meiden, wenn wir in der Stadt waren.
Aber niemand hasste uns mehr als die Saints. Jedes Spiel zwischen uns war eine Riesensache, und ich hatte gehört, dass es in ihrer Umkleide sogar eine Dartscheibe mit einem Foto meiner Brüder und mir gab. Sie träumten davon, uns auf dem Eis zu erledigen, aber entweder waren sie zu feige oder zu untalentiert, um es zu schaffen, also schlugen wir sie meistens. Dadurch verabscheuten sie uns nur noch mehr, und die Spannungen zwischen unseren Teams waren in dieser Saison besonders hoch, da wir gezwungen waren, uns ein Stadion zu teilen, während das der Saints renoviert wurde.
Violet mochte mich als Schwein bezeichnet haben, aber ich musste zugeben, dass es mal eine angenehme Abwechslung zu der üblichen Angst oder Schwärmerei war, die mir sonst entgegenschlug. Doch Hockey war an der Sunshine Prep eine große Sache, also war es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis auch Violet Dartpfeile auf mein Gesicht warf.
Als ich zu Hause ankam, ging ich hintenrum, weil ich durch die Terrassentür reingehen wollte. Überrascht stellte ich fest, dass mein Bruder Grayson dort im Dunkeln auf der Schaukel saß und ein Bier trank. Und dabei lediglich ein T-Shirt und Shorts trug. Irgendwas stimmte wirklich nicht mit meiner Familie und ihrer Kälteresistenz.
»Was machst du denn hier?«, fragte ich.
»Mich sonnen, natürlich.« Offenbar war er in einer noch mürrischeren Stimmung als normalerweise, und ich war mir fast sicher, dass er hier draußen war, um unserem jüngeren Bruder Parker aus dem Weg zu gehen. Er schaute so sauertöpfisch drein, dass man meinen könnte, wir hätten heute verloren, doch ich hatte eine Ahnung, was der wahre Grund sein könnte. Er schmollte, weil seine beste Freundin Paige übers Wochenende weg war.
»Natürlich«, erwiderte ich.
Grayson zuckte mit den Schultern und fuhr sich durchs dunkle Haar. Obwohl wir Zwillinge waren und ähnliche Züge hatten, waren wir nicht identisch. Grayson war ein bisschen größer als ich, und egal wie viel ich pumpte, er würde immer breiter sein. Er war eher wie die Yetis gebaut, von denen wir anscheinend abstammten. Als Kinder hatte man uns öfter verwechselt, aber diesen Fehler machte inzwischen niemand mehr.
Es war jedoch hauptsächlich unsere Persönlichkeit, die uns voneinander unterschied. Während ich manchmal das Gefühl hatte, mich verstellen zu müssen, um der düstere und angsteinflößende Darling Devil zu sein, für den die Welt mich hielt, war Graysons stürmisches Auftreten keine Show. Er war reservierter und runzelte ständig die Stirn, was nicht nur unsere Gegner einschüchterte, sondern so ziemlich jeden, der ihn nicht so gut kannte. Dad scherzte oft, dass Grayson mit diesem Stirnrunzeln geboren worden war.
»Wie war deine Joggingrunde?«
Ich konnte die Missbilligung in seiner Stimme hören. Grayson fand es idiotisch von mir, nach Spielen Laufen zu gehen, aber das war alles andere als neu. Seit Jahren bestrafte ich mich nach einer Niederlage mit ein paar Meilen. Heute hatten wir zwar gewonnen, doch ich hatte nicht mein Bestes gegeben.
