Robert Münchgesang, Till Eulenspiegel - Robert Münchgesang - E-Book

Robert Münchgesang, Till Eulenspiegel E-Book

Robert Münchgesang

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Beschreibung

Im Faulenzen und Leute-Veräppeln ist Till Eulenspiegel unschlagbar, als braver Bürger aber leider ein Totalausfall. Immer wieder reizt er die Mitmenschen mit seinen Streichen bis aufs Blut. Seine Königsdisziplin ist das Wörtlichnehmen, womit er für allerhand Spott und Schaden sorgt, aber auch für schönes Eulen- und Meerkatzen-Gebäck. Das kurzweilige Volksbuch vom Till Eulenspiegel mit der Narrenkappe war schon vor rund 500 Jahren ein Welt-Bestseller und sein Titelheld so etwas wie der Urvater aller Komiker und Satiriker.

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Seitenzahl: 296

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Robert Münchgesang

Till Eulenspiegel

Anaconda

Die Originalausgabe erschien zuerst 1905 im Enßlin & Laiblin Verlag, Reutlingen, unter dem Titel Ein kurzweiliges Lesen vom Till Eulenspiegel und was er für seltsame Possen getrieben hat. Orthografie und Interpunktion wurden unter Wahrung von Lautstand und grammatischen Eigenheiten auf neue Rechtschreibung umgestellt.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2019, 2022 by Anaconda Verlag, einem Unternehmen

der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Anne Bernhardi

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus

ISBN 978-3-641-29990-3

www.anacondaverlag.de

Inhaltsverzeichnis

Eine Taufe mit Hindernissen

Der kleine Tüftler

Was ein Häkchen werden will, krümmt sich beizeiten

Des Guten zu viel

Eine Bosheit für eine andere

Till Eulenspiegel will hoch hinaus

Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Till Eulenspiegel verdient sich den Galgen

Er verlangt Nachsicht

Beim Wort genommen

Das Glück auf der Landstraße

Guter Rat kommt nie zu spät

Till Eulenspiegel versucht es mit der Bäckerei

Windbeutelei in Ülzen

Schlechte Geschäfte dürfen die Laune nicht verderben

Er kann es dem Schuster nie recht machen

Die Narrenküche

Ein unverschämter Einfall

Übel angebrachte Frömmigkeit

Allzu feine Arbeit

Die Kunst wird nicht belohnt

Vergebliche Mühe

Die drei Schneider

Das große Geheimnis

Der Schalk in der Schmiede

Der Schmied will ihn zähmen

Betrogene Betrüger

Kein Glück bei der Tuchmacherei

Der Faulpelz in den Pelzen

Nirgends ist Dank zu verdienen

Die Wahrheit wird nicht überall gern gehört

Seltsame Wäsche

Falscher Hase

Großes Missverständnis in Dresden

Er zeigt seine Fertigkeit im Lederbereiten

Lustige Streiche in Hamburg

An ihm ist Hopfen und Malz verloren

Er kann nicht nur für einen Bauern, sondern auch für einen Junker kochen

Eine tolle Fahrt

Eulenspiegel ist in einer unglücklichen Stunde geboren

Gefährliche Bauspekulation

Die Beamten in der alten guten Zeit

Eulenspiegel pfuscht dem Ruhlaer Schmied ins Handwerk

Schlechte Aussichten

Der Höhepunkt der Kochkunst

Ein Narr findet mehr Glauben als ein Weiser

Till Eulenspiegel auf dem Hungerturme

In seinen vier Pfählen bleibt jeder unangefochten

Das Geschenk des Königs

Stiefel muss sterben

Eulenspiegel als Landbesitzer

Die größte Zunft

Der Doktor der Büberei

Eulenspiegel findet Gefallen an der Heilkunst

Boshafte Neckerei

Der ungläubige Wirt

Er macht hohen Herrschaften etwas weis

Ein hartes Lager

Schall und Rauch

Lebensweisheit und Bücherkram

Eulenspiegels Lebensweisheit

Der Gipfel der Unverschämtheit

Eine andere Zechprellerei

Ein Narr kann mehr fragen, als sieben Weise beantworten können

Ein gelehriger Schüler

Billiges Fleisch in Erfurt

Nicht jeder wird durch Schaden klug

Ein böses Pfänderspiel

Der geprellte Weinzäpfer

Der Fuchs im Eisen

Der lustige Pfeifenmacher

Wahrheit im Überfluss

Seltsamer Milchhandel in Bremen

Die zwölf Blinden

Böse Saat bringt keine guten Früchte

Bestrafte Ruhmredigkeit

Man muss eine Sache nicht verkehrt anfassen

Der Buchstabe tötet

Doppelt gibt, wer bald gibt

Er kann nicht genug Prügel bekommen

Die Schwarze Kunst

Ein Vater kann leichter sieben Kinder ernähren, als sieben Kinder einen Vater

Der Appetit kommt nicht immer mit dem Essen

Farbenblindheit in altdeutscher Zeit

Eulenspiegel wird von einer Bäuerin betrogen

Wieder von einer Tasche

Wie Eulenspiegel ein Weißmus allein ausaß

Er räuchert eine Gesellschaft aus

Ungenügende Sühne

Die Galgenreue

Giftmischerei in Mölln

Die zornige Begine

Noch einmal von der Schwarzen Kunst

Sein letzter Wille

Wie ein Narr begraben wird

Lenkt einmal ein Wanderer seine Schritte nach dem von lichten Buchenwäldern und lieblichen Seen umgebenen Städtchen Mölln südlich Lübeck, so wird er auf dem alten Friedhof einen Grabstein finden, der eine gar merkwürdige Inschrift trägt. Sie sagt nämlich:

Diesen Stein soll nieman erhaben

Hie stat Ulenspiegel begraben

Anno domini MCCCL iahr

Es muss wohl ein seltsamer Kauz gewesen sein, der da seit 1350 in seinem Grabe steht und nicht wie andere Christenmenschen liegend des Jüngsten Tages harrt.

Und so verhält es sich auch! Ein wunderlicher Gesell war dieser Till Eulenspiegel. Kreuz und quer führte ihn ein unstetes Wanderleben durch die deutschen Lande. Immer war er bereit, seine Mitmenschen durch launige Streiche und lustigen Schabernack zu foppen und manchmal auch – zu ärgern.

Viele Streiche werden von ihm erzählt, manchmal auch schlechte, die aber nur böser Wille gerade ihm ankreidet. Von diesen zu erzählen, lohnt beim besten Willen nicht. Seine neckischen Schwänke und übermütigen Foppereien verdienen aber wohl, dass man sie immer wieder einmal liest. Läuft einem hin und wieder etwas Widriges über den Weg, so tut es gar gut, wenn einem ein herzhaftes Lachen die gute Laune zurückbringt. Zudem steckt in Till Eulenspiegels Narrheiten oft ein gutes Körnlein Lebensweisheit, die man sich ruhig hinter die Ohren schreiben kann.

Wenn nun gar einer daran zweifeln wollte, dass Till Eulenspiegel wirklich gelebt habe – ist der Grabstein zu Mölln etwa nicht der beste Beweis für Eulenspiegels Erdendasein?

Wie Till Eulenspiegel so manches anders machte als seine Mitmenschen, so ist es nicht verwunderlich, dass man ihm, will man von seinem Leben berichten, mit diesem Grabstein beginnen muss, indes man sonst den Lebensweg berühmter Männer von der Wiege an zu begleiten pflegt.

Für die Zweifelsüchtigen gibt es aber noch andere Beweise, dass Till Eulenspiegel wirklich gelebt haben muss! Greift man zu Mölln nur kräftig in den Beutel, so zeigen sie einem dort einen alten verrosteten Degen und ein Stück bandartiges Eisen, das gleich einer Brille zurechtgebogen ist. Beides soll wahr und wahrhaftig dem Lieblingsnarren des deutschen Volkes gehört haben! – Wer will da noch zweifeln, dass Till Eulenspiegel wirklich gelebt hat – – –

Er lebt unter uns fort als das Urbild des fahrenden Gesellen seiner Zeit, und um seine Gestalt ranken sich so viele Geschichten, die ein Einzelner nie hätte erleben können.

Eine Taufe mit Hindernissen

Klaus Eulenspiegel, einem biederen Einwohner zu Kneitlingen im Braunschweigischen, war ein Söhnchen geboren worden. Da er nun große Stücke auf den Burgherrn Till von Ützen zu Ambleben hielt, bat er diesen, den kleinen Erdenbürger aus der Taufe zu heben. So kam es, dass das Knäblein den Namen Till erhielt.

Nachdem alle Taufgäste in der Herberge wacker jenem Biere zugesprochen hatten, das man dortzulande Mumme nennt, zog die ausgelassene Gesellschaft mit Holdrio und Juchhei von Ambleben heimwärts nach Kneitlingen.

Als sie nun einen schlüpfrigen Steg überqueren mussten, unter dem ein schmutziges Wasser träge dahinfloss, geschah es, dass die Kindsfrau schwankte – sie hatte gar fleißig auf des Kindleins Wohl getrunken – und mit dem Täufling ins Wasser fiel. Es fehlte nicht viel, so wäre der kleine Till gleich auf seinem ersten Lebenswege jämmerlich im Schlamm erstickt.

Mit großem Hallo und Gelächter zog man die beiden aus dem Morast heraus und begab sich eilends nach Kneitlingen. Dort wurde Till, der schwarz wie ein Mohr aussah, mit warmem Wasser fein säuberlich gewaschen.

Seine Mutter, eine geborene Anna Wiebecke, behauptete nun, ihr Till sei dreimal getauft worden: zuerst in der Kirche zu Ambleben, zum anderen Male im Moraste und schließlich daheim im Waschzuber.

Der kleine Tüftler

Ein Ellenreiter – so nannte man in jenen Zeiten reisende Kaufleute – kam eines Tages mit seinem Pferde, den Mantelsack hinter sich am Sattel festgebunden, durch Kneitlingen und forschte nach dem Weg, der nach Schöppenstedt führt.

Da es gerade Erntezeit war, arbeiteten alle Leute auf den Feldern, und er konnte keinen Menschen auf der Straße erblicken. Schließlich hielt er vor dem Hause Klaus Eulenspiegels, bog seinen Oberkörper in die halboffene Tür und rief:

»Ist denn niemand hier?«

»Anderthalb Mann und ein Pferdekopf!«, antwortete eine feine Stimme. Es war der dreijährige kleine Till, der sich allein im Hause die Zeit vertrieb, so gut er konnte.

»Wie soll ich das verstehen?«, fragte der Fremde.

»Das ist ganz einfach«, erwiderte das Kind, »ich bin ganz hier, von dir ist aber nur die Hälfte im Haus und von deinem Gaul eben nur der Kopf!«

Dem Kaufmann gefiel diese Antwort, da er aber nicht glaubte, dass ihm der Kleine den Weg nach Schöppenstedt weisen könnte, fragte er weiter nach Vater und Mutter des Bübleins.

»Mein Vater macht das Schlimme noch schlimmer; meine Mutter aber holt sich Schaden oder Schande«, meinte Till.

»Daraus soll einer klug werden! Wie meinst du das, du kleiner Tüftler?«, fragte der Ellenreiter.

»Mein Vater zieht Gräben auf dem Acker. Erst war es schon schlimm genug für die Wagen, da zu fahren. Jetzt wird es aber so schlimm werden, dass keiner mehr fahren kann. Meine Mutter ist ins Dorf zum Bäcker gegangen. Dem will sie das Brot bezahlen, das wir verzehrt haben. Gibt sie nun weniger als es wert war, so ist es ein Schaden für den Bäcker und eine Schande für sie. Gibt sie aber mehr, so ist es ihr Schaden und eine Schande für den Bäcker.«

»Das lässt sich hören!«, sagte der Kaufmann, »ich merke wohl, du willst ein Rechtsverdreher werden. Weißt du kluger, kleiner Mann nun aber auch den Weg nach Schöppenstedt?«

»Da musst du dahin reiten, wo die Gänse gehen«, gab ihm der Kleine Bescheid. Der Reiter dankte Till und ritt den Gänsen nach. Diese flogen aber erschreckt auf und flüchteten ins Wasser. Der Kaufmann kehrte zurück und rief dem Knaben zu:

»Du hast mir einen schönen Weg gewiesen! Die Gänse sind ins Wasser geflogen!«

»Ich habe dir ja auch nicht gesagt, dass du dahin reiten sollst, wohin die Gänse fliegen! Du sollst reiten, wohin sie gehen!«

Da lachte der Kaufmann und dachte: Aus dem wird etwas Rechtes oder ein Schalk!

Was ein Häkchen werden will, krümmt sich beizeiten

Till Eulenspiegel machte sich schon in früher Kindheit gar oft über ehrbare Leute lustig. Er drehte ihnen lange Nasen, streckte die Zunge heraus und schnitt Grimassen. Da riefen die Leute entsetzt einmal über das andere: »Seht nur, was für ein boshaftes Kind! Pfui über dich Schalk, der du bist!«

Die Mutter hielt den kleinen Till auch für einen Schelm, aber der gutmütige Vater sagte: »Ich weiß nicht, was das Volk will. Der Junge spricht kein Wort und sitzt ganz still, wenn die Leute vorbeikommen, und dennoch sagen sie von ihm, er sei ein Schalk. Es ist am besten, wir ziehen in das Magdeburgische an die Saale, damit die Lästereien ein Ende nehmen.«

Das war ihm Ernst, aber ehe sie den Umzug ins Werk setzten, wurden die Eltern vom Herrn Paten in Ambleben zum Kirchweihschmaus eingeladen. Dort ging es hoch her, es gab Braten und Würste in Menge, auch ein großes Fass Bier ward angeschlagen. Und von diesem Bier naschte Till heimlich so viel, dass er schwindlig und müde wurde. Da suchte er sich im Garten ein trockenes und ruhiges Plätzchen zum Schlafen, fand auch bald einen großen leeren Bienenkorb und kroch hinein, um sich auszuruhen. Inzwischen war es stockfinster geworden, aber das Fest war noch nicht zu Ende; auf der Tenne wurde bei Lichterschein munter getanzt und gezecht, und der Lärm wuchs mit jeder Stunde.

Da merkte natürlich keiner, dass sich ein paar Bösewichte in das Gehöft einschlichen und sich am Bienenhause zu schaffen machten. Sie wollten einen Bienenkorb stehlen, tasteten umher und suchten den schwersten, denn mehr als einer hatte auf der kurzen Tragbahre, die sie mit sich führten, nicht Platz. Nun erwischten sie den, in welchem Till Eulenspiegel schlief, luden ihn im guten Glauben auf und trollten sich damit. Den Weg kannten sie im Finstern.

Inzwischen war Till Eulenspiegel aufgewacht, roch den Braten und besann sich, wie er den beiden einen Possen spielen könnte. Der Korb hatte einen Deckel, den hob er auf und zupfte den vorderen Träger derb an den Haaren. Schwupp! war er wieder unter dem Deckel verschwunden. Der Gefoppte verstand keinen Spaß, glaubte, sein Hintermann habe ihn necken wollen, und fing heftig an zu schelten.

»Was fällt dir ein, solch ein Kinderspiel mit mir zu treiben? Ich muss die Hauptlast tragen, jeden Schritt mühsam suchen und abwägen, und du zupfst mich an den Haaren, dass mir der ganze Kopf weh tut!«

Der andere blieb ihm die Antwort nicht schuldig. »Du bist von jeher ein großer Narr gewesen«, sagte er, »ich verstehe dein Geschwätz nicht. Lauf, dass wir heimkommen!«

Nach einigem Hin- und Herreden beruhigten sich die Schelme. Da schlüpfte Till Eulenspiegel wieder unter dem Deckel hervor und zupfte nun den Hintermann so herb an den Haaren, dass der Dieb mit dem Kopf an den Korb stieß. Der wurde wütend und rief seinem Gefährten zu:

»Was für ein Unverstand! Ich schleppe an dem schweren Korb, und du Narr ziehst mich mit aller Kraft am Schopf! Ich will dir deine Schelmereien eintränken!«

»Ei, wie du lügst!«, erwiderte der Vordermann, »ich krümme mich unter der Last, habe keine Hand frei und soll dich gar an den Haaren gezogen haben! Du bist der Narr, der an den Haaren reißt, und willst durch solches Geschwätz nur deine Büberei verdecken.«

So haderten die beiden miteinander. Till Eulenspiegel aber belustigte dieses Hin und Her gar sehr. Das kann gut werden, dachte er. Nach einiger Zeit schlüpfte er wieder heraus und zerrte den Vordermann – denn der war jetzt an der Reihe – so heftig an seiner Mähne, dass der Mann sich vor Schmerzen bog.

»Nun wird’s mir aber zu bunt!«, schrie der Gefoppte, ließ Bahre und Bienenstock fallen und fiel über seinen Kameraden her. »Du sollst mir deine Schalkheit büßen!«, rief er zornig.

Der Hintermann ließ nun die Bahre gleichfalls los und schlug auf den Angreifer ein. Zu Tills größter Freude prügelten sich die Diebe gegenseitig tüchtig durch, purzelten übereinander, trennten und verloren sich schließlich in der Dunkelheit. Als Till merkte, dass sie fort waren, schlief er in seinem Korbe wieder ein, und als es Tag wurde, lief er heim nach Kneitlingen.

Des Guten zu viel

Die Familie Eulenspiegel zog bald danach ins Magdeburgische in einen Flecken, der nicht weit von Staßfurt an der Bode lag. Dort starb Klaus Eulenspiegel, und seine Witwe schlug sich durch, so gut sie konnte, und litt manchmal bittere Not. Das kümmerte aber ihren Sohn Till sehr wenig. Der war allezeit lustig, trieb sich herum und hatte allerlei Possen im Sinne.

Nun war es in dem Dorfe Sitte, die armen Leute mit Metzelsuppe zu beschenken, wenn im Hause geschlachtet wurde. Mildtätige Frauen legten dann wohl noch ein Würstlein oder ein wenig Wellfleisch in den Topf, den die Armen zum Füllen brachten, und gaben auch reichlich Brot dazu.

In dem Dorfe war aber ein geiziger Meier, der diese milde Gabe gern sparen und den Bettelleuten den Bittweg zu seinem Gehöfte verleiden wollte. So rief er eines Tages Till Eulenspiegel, den Gassenbuben, mit gut gespielter Freundlichkeit heran und lud ihn ein, in seinem Hause eine schöne Metzelsuppe zu kosten.

Till, der immer gern dabei war, wo es etwas Gutes zu schnabulieren gab, folgte selbstverständlich der Einladung. Da stellte der filzige Meier eine große Schüssel auf den Tisch, in die er schimmelige Brotrinden eingebrockt hatte. Das sah nicht sehr begehrenswert aus. Indes, Till Eulenspiegel kostete davon und wollte dann gehen. Aber da kam er schön an, denn der Geizkragen hatte die Tür zugeschlossen.

»Habe ich dich deshalb hereingerufen, dass du meine schöne Suppe verachten sollst?«, fuhr er ihn an. »Ich sage dir, du kommst mir nicht früher auf die Gasse, bis du die ganze Schüssel geleert hast.«

Ob nun Till wollte oder nicht, er musste die ganze Schüssel ausessen, denn so oft er absetzte und sich ausruhen wollte, griff der Wirt nach einem Stecken und gerbte ihn durch. Till würgte also die ganze Schüssel voll hinunter und wurde danach krank.

Der boshafte Meier aber dachte: Der kommt mir nicht wieder und wird mir auch das andere Bettelvolk vom Leibe halten.

Eine Bosheit für eine andere

Einige Zeit darauf begegnete Till dem geizigen Meier. Der redete ihn ganz freundlich an: »Wie ist es, lieber Till Eulenspiegel, hast du nicht Lust, bei mir eine leckere Metzelsuppe zu essen?«

»Ich komme vielleicht früher, als dir lieb ist«, sagte Till.

»Sei nicht dumm, mein Bester, für dich habe ich immer eine fette Suppe übrig, und an der Zuspeise soll’s auch nicht fehlen«, sprach höhnisch der Geizhals.

»Ich werde kommen«, antwortete Till, »dann sollen sich vier von deinen Hühnern um einen Brocken streiten.«

»Mir scheint doch, dass dir die Lust vergangen ist«, meinte der Meier im Weggehen und lachte über seinen groben Witz.

Till Eulenspiegel aber wartete nur auf eine Gelegenheit, dem Bauern einen garstigen Streich zu spielen. Als die Hühner des Meiers sich auf der Straße sehen ließen, lockte er sie mit Brocken an, die er ins Gras gelegt hatte. Die Hühner schluckten sie nach ihrer Weise hastig hinunter und merkten nicht, dass je vier der Bissen mit Fäden verbunden waren.

Da standen nun gegen hundert Hühner, immer vier zusammen, und schluckten und zerrten an den Brocken, ohne sie los werden zu können. Der Meier musste sie alle schlachten. Nun gab es auf einmal wohlfeile und gute Suppen im Dorf.

Till Eulenspiegel will hoch hinaus

Der Witwe Eulenspiegel war es gar nicht recht, dass ihr Sohn so wenig Lust zeigte, ein ehrbares Handwerk zu lernen. Er übte sich vielmehr in den freien Künsten und tat das heimlich auf dem Hausboden, damit die Mutter nichts davon merken sollte. Dort hatte er eine Leine gezogen und bildete sich als Seiltänzer aus. Aber die Mutter bekam Wind von der Sache, nahm einen Besenstiel und wollte ihm damit zu Leibe.

»Ha, du Lümmel«, rief sie erbost, »diese Narrenpossen will ich dir austreiben!«

Till Eulenspiegel war aber gescheiter als sie, lief behände das Seil entlang, schlüpfte durch das Bodenfenster und kletterte wie eine Katze auf den First des Daches, und dorthin konnte ihm die Mutter natürlich nicht folgen.

Schlimmer ging es ihm ein andermal. Da hatte er das Seil von der Bodenluke aus über die Bode – seiner Mutter Haus stand an diesem Fluss – nach dem gegenüberliegenden Gebäude gezogen. So konnte ihm niemand beikommen, und er durfte auf dem Seile nach Herzenslust tanzen. An beiden Ufern stand nun jung und alt und sah der Gaukelei mit größtem Vergnügen zu.

Seine Mutter bemerkte die johlende Menge und ahnte, dass ihr Till wieder einmal seine Possen trieb. Schnell lief sie auf den Boden, um ihm das Handwerk zu legen. Vergebens schalt sie und befahl ihm herzukommen und die Narretei zu lassen. Als aber alles Schelten und Befehlen umsonst war, wurde sie sehr böse, nahm ein Messer und – ritz, ratz! schnitt sie das Seil entzwei, sodass der junge Gaukler für seine Kunst mit einem Bad im Fluss belohnt wurde.

Da er sehr geschickt war, half er sich wohl aus dem Wasser wieder heraus, denn Unkraut verdirbt nicht, wie das Sprichwort sagt. Auch ärgerte er sich nicht weiter über den Zorn der Mutter, aber das Gelächter und der Jubel der Buben des Dorfes verdrossen ihn sehr.

»Seht den da«, schrien die Schlingel, »an drei Taufen hat er noch immer nicht genug; was ein rechter Schalk ist, der muss freilich auch jeden Tag ein Bad nehmen! He da, erst wollte er’s den Vögeln gleichtun und in den Lüften schweben, und nun platscht er mit den Fröschen um die Wette.«

Das habe ich davon, dachte Till, dass ich euch Faulpelzen die Langeweile vertrieben habe; aber wartet, ich zahle euch euern Spott heim.

Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Till Eulenspiegel hatte wieder einmal das Seil von Haus zu Haus gezogen, und wieder hatte sich die Dorfjugend versammelt, um ihm zuzusehen, und auch die Alten standen hinter Hecken und Zäunen und gafften.

Eine Zeit lang tummelte sich Till auf seinem hohen Sitze, als aber die Schaulust den Höhepunkt erreichte, bat er sich von allen Buben den linken Schuh aus, um ein schönes Kunststück zu zeigen. So sagte er wenigstens. Die dummen Knaben ahnten nichts Schlimmes und reichten ihm arglos jeder seinen linken Schuh, sodass er bald hundert Schuhe beieinander hatte. Die reihte er auf eine Schnur und stieg wieder auf sein Seil. Das versprochene Kunststück blieb aber aus, und der Gaukler schien sich ebenso wenig um die aufgehängten Fußbekleidungen, wie um deren Eigentümer zu kümmern. Da wurde schließlich die liebe Jugend ungeduldig und verlangte die entliehenen Schuhe zurück. Till aber ließ sie zappeln.

Endlich, als es ihm lange genug dünkte, hieß er die Buben auf einem Platze zusammentreten, schnitt die Schnur durch, daran die Schuhe aufgereiht waren, und ließ sie so mit einem Male auf die Köpfe der Untenstehenden herabfallen.

Jeder versuchte so schnell wie möglich seinen Schuh zu ergreifen. Einige langten zugleich nach einem Schuh. Jeder behauptete, er wäre der seine. Sie gerieten einander in die Haare, zogen sich an den Ohren, schlugen sich die Nasen blutig, schrien, weinten, tobten, schlugen Purzelbäume, kurz, es war ein ergötzliches Drunter und Drüber. Schließlich mischten sich auch noch die Alten ein, teilten Püffe und Maulschellen aus, warfen sich Grobheiten an den Kopf und verwünschten schließlich allesamt Till Eulenspiegel, den Urheber der Prügelei. Der aber hatte sich vom Seile weg in Sicherheit gebracht und wollte sich schier totlachen.

Till Eulenspiegel verdient sich den Galgen

Seit diesem Abenteuer saß Till lange Zeit ganz still und friedlich zu Hause und flickte Helmstedter Schuhe.

Darüber freute sich Mutter Anna sehr, denn sie glaubte, ihr Sohn sei andern Sinnes geworden, wolle der Gaukelei entsagen und ein fleißiger Arbeiter werden. Aber wie sehr täuschte sie sich! Till war durchaus nicht gewillt, ein ehrbarer Handwerker zu werden, er traute sich nur nicht aus dem Hause, denn er wusste wohl, dass ihm alt und jung wegen seines Streiches mit den Schuhen Rache geschworen hatte.

Nach einigen Wochen lüstete es ihn aber doch, zu erfahren, ob die Luft rein wäre. Da warf ihn zwar keiner mit Steinen, auch gingen sie ihm nicht mit Knütteln zu Leibe, aber er konnte doch merken, dass ihm niemand grün war. Da beschloss er, einen anderen Streich auszudenken, damit die guten Leute die früheren vergessen sollten. Er trieb sich lange herum, um etwas auszuspähen, und seine Mutter wurde mit ihm täglich unzufriedener.

»Willst du wieder deine Schalkheit beginnen?«, sagte sie, »du solltest etwas Ehrbares treiben!«

»Wenn einer damit recht anfängt«, entgegnete er, »so hört er sein Leben lang nicht wieder auf!«

»Der Klaus, dein Vater, war ein anderer Mann«, sagte sie, »der brachte Brot ins Haus! Seit vier Wochen habe ich keinen Bissen Brot gegessen. Schaffe welches, wenn du kein Schalk sein willst.«

Das ist viel verlangt, dachte Till und ging nach Staßfurt. Dort wohnte ein reicher, geiziger Bäcker, den wollte er prellen. Er ging also dreist in das Haus hinein und begehrte einen Sack voll Weißbrot für seinen Herrn, den Pastor, dessen Knecht er sei. Den Sack hatte er bei sich. Der Bäcker traute ihm aber nicht und verlangte Geld für die Ware. Der Pfarrer werde zahlen, log Till. Da füllte der Mann den Sack mit Weißbroten und rief dem Lehrbuben zu, er solle Eulenspiegel begleiten und für das Geld sorgen. Also gingen die beiden Burschen nach des Pfarrers Haus, und Eulenspiegel trug den Sack. Der Sack hatte aber ein Loch, und als sie um die nächste Ecke gebogen waren, ließ Till durch das Loch ein Brot fallen und tat so, als wäre das Zufall gewesen. Der Lehrbub reichte es ihm wieder, aber der Schalk setzte den Sack nieder und sagte:

»Das geht so nicht, das Brot ist schmutzig geworden, und schmutziges Brot darf ich meinem Herrn keinesfalls bringen. Lauf zurück und lass dir vom Meister ein anderes Brot geben, ich will hier auf dich warten.«

Der Lehrbursche ahnte nichts Schlimmes und lief davon. Als er aber keuchend vor Eifer wiederkam, war der Dieb verschwunden, und es half dem Meister gar nichts, dass er zu dem Pfarrer lief und von diesem, der ja an der frechen Betrügerei unschuldig war, Zahlung verlangte.

Till Eulenspiegel aber kam mit seinem Raube nach Hause, übergab ihn der Mutter und sagte: »Hier hast du Brot. Ich hatte große Mühe, es zu bekommen, aber du hast nun wohl keine Ursache mehr, mir vorzuwerfen, ich sei ein Schalk und ließe dich hungern!«

Die Mutter war zum ersten Mal mit ihm zufrieden und forschte nicht weiter nach, wie er zu dem Reichtum gekommen war. Das taten aber die Richter und Polizisten umso mehr. Sie fanden auch bald die Spur des Spitzbuben, und er war nahe daran, eingesperrt zu werden. Till Eulenspiegel roch aber Lunte und machte sich aus dem Staube, um nie wieder in dieses Dorf zurückzukehren.

Er verlangt Nachsicht

Er lief, soweit ihn seine Beine trugen, und kam endlich todmüde in Buddenstedt im Braunschweigischen an.

In der Pfarre bat er um Unterkunft. Der Pfarrer war ein rechtschaffener Mann und behielt Till Eulenspiegel auf seine Bitte als Knecht bei sich. Es war aber noch eine Magd da, die nur ein Auge hatte und schon jahrelang im Hause war.

»Du sollst so gut essen wie ich und die Magd«, sagte der Pfarrer zu Till, »kannst vom Besten deinen Teil mithaben, und was die Arbeit im Hause angeht, so kannst du dich mit der Magd darein teilen, brauchst also nur halbe Arbeit zu verrichten.«

Nach solch gütigem Bescheid nahm sich Till vor, ein anderes Leben anzufangen, seine Pflicht recht zu tun und alle Narreteien zu unterlassen. Aber sein guter Vorsatz hielt nicht lange an.

Eines Tages hatte die Magd zwei Hühner an den Bratspieß gesteckt, die sollte er wenden und recht beträufeln. Da bekam er großen Hunger, nahm eins von den Hühnern und aß es ohne Brot auf.

Da kam die Magd hinzu, sah, dass nur noch ein Huhn am Spieß steckte, und fragte, wo das andere Huhn geblieben sei.

»Ei, seht doch recht hin«, erwiderte er, »so werdet Ihr es schon sehen.«

»Ich sehe aber nur ein Huhn«, rief sie.

»Natürlich«, gab er zurück, »weil Ihr eben nur ein Auge auftut. Tut das andere auch auf, so werdet Ihr es schon erblicken.«

Alles konnt die Magd leiden, nur nicht, dass einer auf ihre Einäugigkeit anspielte; sie wurde daher sehr zornig und verklagte den neuen Knecht bei dem Pfarrer.

Der Pfarrer kam und sagte: »Lieber Knecht, es steckten doch zwei Hühner am Spieß, wie die Magd sagt.«

»Eben darum habe ich ihr gesagt, sie möchte ihre beiden Augen nur recht auftun, damit sie beide Hühner sähe«, antwortete er.

Da lachte der Pfarrer und sagte: »Da hast du von ihr zu viel verlangt, denn sie ist einäugig.«

»Das sagtet Ihr, nicht ich«, unterbrach ihn der Schalk, »ich würde mich wohl hüten, Eure Magd so zu beleidigen.«

»Du tust wohl daran, wenn du sie nicht beleidigst«, meinte der Pfarrer, »aber nun sage mir, wo ist das andere Huhn geblieben?«

»Das hängt am Spieße«, sagte Till.

»Wieder lachte der gutmütige Mann und fragte: »Wo ist dann das eine Huhn geblieben, du Silbenstecher?«

»Das habe ich gegessen, Herr Pfarrer«, bekannte er. »Höret hiefür auch meine guten Gründe. Ihr sagtet mir doch, dass ich in Eurem Hause so gut essen solle wie Ihr und Eure Magd, und dass ich vom Besten meinen Teil kriegen würde. Sollte ich nun Euch, meinen hochwürdigen und gnädigen Wohltäter, Lügen strafen? Und Ihr hättet Euer Wort sicher nicht gehalten, denn wenn Ihr und Eure Magd Euch über die beiden Hühner hergemacht hättet, dann wäre für mich armes Knechtlein nichts übrig geblieben.«

Wieder schmunzelte der Pfarrer und sagte: »Mir liegt nichts an einem Braten mehr oder weniger, mein guter Knecht, ich will dir also diese Sache nachsehen, aber höre in Zukunft auf meine Magd, wenn du gute Tage im Hause haben willst.«

»Ja, Herr, das will ich gern tun, Euch zuliebe«, sagte Till, und dabei plante er in Gedanken schon einen neuen Narrenstreich.

Beim Wort genommen

Till Eulenspiegel konnte die Magd nicht leiden, weil sie hoffärtig war und tat, als ob sie in Haus und Dorf Herrin wäre. Wenn sie ihm etwas befahl, spielte er ihr gern einen Schabernack. Sollte er ihr zwei Scheite Holz bringen, so kam er bloß mit einem, verlangte sie, dass er eine Maß Wein aus dem Keller hole, so rückte er mit einer halben an, befahl sie, dass er der Kuh zwei Bund Heu geben solle, so reichte er dem Tiere nur eins, sollte er einen Eimer Wasser herschleppen, so brachte er nur einen halben.

Musste er Unkraut im Garten jäten, so ließ er die Hälfte stehen, statt zwei Kerzen zündete er nur eine an, er aß aber für zwei und lag den halben Tag auf der Streu. Das wurde der Magd zu bunt, und sie beklagte sich beim Pfarrer bitter über den Schalk. Der wollte sich anfangs gar nicht einmischen, denn er fand Gefallen an Tills Späßen, als sie aber nicht locker ließ, musste er den Schalk um des lieben Friedens willen doch zur Rede stellen.

»Wie ist das, mein guter Knecht«, sagte er, »die Magd führt Klage über dich, und ich hatte dir doch befohlen, ihr in allem zu gehorchen.«

»Hochwürdiger Herr«, antwortete Till listig, »ich habe bloß nach Euren Befehlen gehandelt. Ihr habt mir aufgegeben, im Hause die halbe Arbeit zu tun, und nun will ich den sehen, der mich hindern will, Euren Geboten zu gehorchen.«

Der Pfarrer lachte über diese Ausrede, aber die erzürnte Magd sagte: »Wenn Ihr den Schelm nicht sofort aus dem Hause jagt, laufe ich noch heute davon.«

Was wollte der Pfarrer tun? Er musste ihn mit Rücksicht auf die Magd entlassen. Eulenspiegel aber nahm das beiden sehr übel.

Das Glück auf der Landstraße

Vom Pfarrer weg ging Till zu einem Buddenstedter Bauern und nahm sich wieder einmal vor, seinen Herrn nicht zu ärgern und ihm keine Possen zu spielen. Er tat seine Arbeit, wie es der Bauer verlangte, und der war daher auch mit ihm zufrieden. Eines Tages nahm er ihn mit zum Holzfahren. Sie waren auf der Landstraße, die nach dem Elmwalde führt, da rief Till aus: »Herr, da läuft ein Hase über den Weg!«

Der Bauer sah den Hasen auch und antwortete: »Lieber Knecht, das ist kein gutes Zeichen, das bedeutet Unglück. Lass uns umkehren!«

Also kehrten sie um und fuhren am andern Tage. Da sah Eulenspiegel, der das Pferd leitete, einen Wolf über die Straße laufen. »Herr, da läuft ein Wolf über den Weg!«, sagte er.

»Das bedeutet Glück!«, erwiderte der abergläubische Mann, »fahr nur weiter!«

Sie kamen an den Waldrand, ließen Pferd und Karren stehen und gingen weiter, um Holz zu schlagen. Dann schickte der Bauer Eulenspiegel zurück, damit er den Karren hole. Als Till nun in die Nähe des Karrens kam, sah er, dass der Gaul am Boden lag und ein Wolf sich hineingefressen hatte. Da erschrak er sehr, freute sich aber doch, dass der Aberglaube seines Herrn zuschanden wurde, denn er hatte sich darüber geärgert. Er lief also wieder in den Wald und rief: »Bauer, das Glück steckt in Eurem Pferde!«

»Wie soll ich das verstehen?«, fragte jener.

»Kommt und seht es selbst«, gab Eulenspiegel zurück. Da sah der Bauer, dass sich der Wolf in das Pferd hineingefressen hatte. »Seht Ihr nun, Meister, dass Euer Aberglaube närrisch ist?«, sagte Till. »Wäret Ihr gestern dem Hasen nachgefahren, der hätte Euer Pferd nicht gefressen.«

Guter Rat kommt nie zu spät

Den Kopf voller Possen, kam Till Eulenspiegel auch einmal nach dem weltberühmten Städtchen Schilda in Sachsen, dessen Bewohner sich durch kluge Einfälle von jeher ausgezeichnet hatten und dafür im ganzen Reich gar wohl bekannt waren. Till wusste, dass sie sich einst aus dem Vogtland ein Gewitter bestellt hatten, als es bei ihnen einmal lange Zeit nicht regnen wollte.

Da hatten die Vogtländer dem Abgesandten einen Bienenschwarm in seine Kiepe gesetzt und ihn ziehen lassen. Als nun die Tierchen summten und brummten, da freute sich der Mann, dass er seinen Auftrag pflichtgemäß ausgerichtet hatte, und sagte: »In meiner Kiepe donnert es schon!«

Till Eulenspiegel fand die Schildbürger bei schwerer Arbeit. Sie hatten auf dem Berge Bauholz geschlagen, schöne, große Stämme, und schleppten sie nun mit vieler Mühe ins Tal. Dem Spiele sah der Schalk lachend zu, und als sie mit dem beschwerlichen Werke fertig waren, meinte er: »Das hättet ihr leichter haben können, Männer. Ihr brauchtet ja nur die Stämme den Berg hinunterzurollen, da hättet ihr euch die Mühe des Tragens erspart.«

Ein solcher Einfall war den guten Schildbürgern noch nicht gekommen, da sie aber von dem großen Vorteil dieser Beförderungsart sehr begeistert waren, schleppten sie zu Eulenspiegels größter Freude die Stämme wieder auf den Berg und rollten sie jauchzend zu Tal.

Diese Bäume wurden danach zugehauen und zum Bau des neuen Rathauses verwendet. Das sollte ein würdiger Prachtbau werden. Bei dem regen Gemeinsinn und dem großen Eifer der Bürger gedieh das Werk zusehends und konnte gar bald eingeweiht und benutzt werden. Allein da stellte sich ein arger Missstand heraus: Das Gebäude war innen völlig dunkel, sodass die ehrbaren, würdigen Ratsmannen am hellen lichten Tage ihre Sitzungen bei brennenden Kienspänen, die sie sich an die Hüte steckten, abhalten mussten. Sie hatten nämlich im Übereifer des Bauens die Fenster vergessen, doch merkte das niemand. In ihrer Not wandten sie sich an jenen klugen Ratgeber, der ihnen bei der Beförderung des Bauholzes eine so vortreffliche Anweisung gegeben hatte. Eulenspiegel kargte nicht mit seiner Weisheit, doch wollte er sie nicht umsonst dem Gemeinwesen zur Verfügung stellen und bat sich für seine Mühe fünfzig Gulden aus, die ihm auch bewilligt wurden. Darauf rückte er mit seinem Ratschlag kühn heraus.

»Was tut ein kluger Mann«, sagte er, »wenn es ihm an Wasser in seinem Hause gebricht? Nun, er nimmt einen Zuber oder Eimer, oder was er sonst gerade zur Hand hat, und füllt das Gefäß mit Wasser. Das trägt er dann in sein Haus. Kann es einer so mit dem Wasser halten, warum nicht auch mit dem Licht.«

Kaum hatte er seine Rede beendigt, so ging eine freudige Bewegung durch ganz Schilda, und es bedurfte der Mahnung des würdigen Stadtoberhauptes nicht, die Bürger zu opferwilligen Leistungen anzuspornen. Männlein und Weiblein gingen froh ans Werk, holten Säcke, Körbe, Kessel, Fässer, Büchsen, Häfen und Töpfe, was ihnen gerade in die Hand fiel, und füllten das schöne blanke Sonnenlicht hinein. War das Gefäß voll, so deckten sie es vorsichtig zu und gossen den Segen hoffnungsvoll im Rathause aus.

Manche opferten sich förmlich auf für das Gemeinwohl, liefen wohl über ein Dutzend Mal hin und her und keuchten vor Eifer. Darauf hielten die Ratsmannen wieder ihren feierlichen Einzug im Rathaus; allein, es war so dunkel wie zuvor in den Beratungsräumen. Da ärgerten sich die Ratsmänner gar sehr über ihren Ratgeber, und es ward der Beschluss gefasst, von Eulenspiegel die fünfzig Gulden zurückzuverlangen, wenn er es nicht ermöglichte, Licht zu schaffen. Eulenspiegel, so in die Enge getrieben, gab ihnen alsbald den Rat, das Dach abzudecken.

Wieder erstaunte ganz Schilda über diesen unerhörten Einfall, der sogleich zum Beschluss erhoben wurde und Gesetzeskraft erhielt. Und wunderbarerweise ergoss sich nun ein herrlicher Strom schönen Sonnenlichtes in das bisher düstere Rathaus. Aller Kummer war vergessen, die Not hatte ein Ende, bis auf einmal und unverhofft ein Platzregen kam, der seinen Weg ins Rathaus nahm, alle Räume darin erweichte, die Ratsherren pudelnass machte und die Akten verdarb. Da blieb nichts anderes übrig, als das Dach wieder zuzudecken. Aber nun herrschte wieder im Hause ägyptische Finsternis.

Nun wurden die Schildbürger ernstlich böse auf den falschen Ratgeber und wollten ihm zu Leibe. Der aber war längst über alle Berge. Da nahmen sich die Schildbürger heilig vor, keinem Fremden mehr zu trauen, keinen Rat von auswärts mehr zu befolgen, überhaupt immer das Gegenteil von dem zu tun, was die Narren in der Welt draußen taten. Das wurde bei ihnen Regel, und dadurch wahrten sie ihren alten, guten Ruf.

Till Eulenspiegel versucht es mit der Bäckerei

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