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RÜCKKEHR AUF DIE INSEL DER TRÄUME von PENNY ROBERTS
Sofia braucht Hotelier Ioannis Papadakis als Verbündeten! Sie hat Pläne für die kleine griechische Insel Patroklos, die zu einem Drittel ihm gehört. Aber Ioannis gibt ihr Rätsel auf: Mal scheint er auf ihrer Seite zu sein und flirtet sogar heiß mit ihr. Dann wieder ist er eiskalt …
KARIBISCHE NÄCHTE MIT DEM TYCOON von ROSANNA BATTIGELLI
Entspannung pur! Die erhofft sich Chanelle von der luxuriösen Kreuzfahrt durch die türkisblaue Karibik. Doch dann kreuzt Vance Kingston, der gut aussehende Schiffseigner, ihren Weg an Deck. Plötzlich schlagen die Wellen der Leidenschaft gefährlich hoch …
VENEDIG, DIE LIEBE UND DER BOSS von FIONA HARPER
Nur ein Job als Nanny? Ruby begleitet den attraktiven Max Martin und seine kleine Nichte nach Venedig. Und merkt viel zu spät, dass sie in der Lagunenstadt etwas verloren hat - ihr Herz an den italienischen Boss!
HAPPY END IM TROPENPARADIES? von ALTONYA WASHINGTON
Ich darf nicht zum zweiten Mal seinem verhängnisvollen Charme erliegen, schwört sich Paula. Aber wie soll das gehen, wenn sie mit Traummann Linus in ein Tropenparadies reist und sich Tag und Nacht daran erinnert, wie aufregend die Liebe mit ihm war?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 681
Veröffentlichungsjahr: 2020
Penny Roberts, Rosanna Battigelli, Fiona Harper, AlTonya Washington
ROMANA EXTRA BAND 98
IMPRESSUM
ROMANA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg für Penny Roberts: „Rückkehr auf die Insel der Träume“
© 2020 by Rosanna Battigelli Originaltitel: „Caribbean Escape with the Tycoon“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Julia Riegel
© 2018 by AlTonya Washington Originaltitel: „Seductive Memory“ erschienen bei: Kimani Press, Toronto in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gisela Blum
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA EXTRABand 98 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2014 by Fiona Harper Originaltitel: „Taming Her Italian Boss“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN HEAT Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: SAS Deutsche Erstausgabe 2015 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 400
Erste Neuauflage in der Reihe ROMANA EXTRABand 98 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Abbildungen: Wavebreakmedia, Balate Dorin / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733748005
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, TIFFANY
Er darf sich nicht in sie verlieben! Ioannis muss Sofia gestehen, was sein Vater ihrer Familie angetan hat. Doch stattdessen küsst er sie und schweigt – bis es fast zu spät ist …
Tycoon Vance Kingston will, dass es allen Gästen an Bord seines Kreuzfahrtschiffs blendend geht. Da kann er die Verzweiflung in den Augen der schönen Chanelle einfach nicht ertragen …
Zärtliche Küsse auf der Seufzerbrücke: Das wollte Max bestimmt nicht, als er mit der Nanny seiner kleinen Nichte nach Venedig flog. Denn eine dauerhafte Beziehung mit Ruby scheint ausgeschlossen …
Wie ein Blitz durchfährt es Linus, als er Paula wiedersieht. Er will sie noch immer! Aber ein dunkles Geheimnis aus seiner Vergangenheit droht eine Zukunft mit der Schönheit unmöglich zu machen …
Schroff ragten die Gipfel der Berge von Patroklos hinauf in den makellos blauen Sommerhimmel. Die kleine Sporaden-Insel war kaum mehr als ein großer Felsbrocken im Mittelmeer auf halber Strecke zwischen Kos und Rhodos. Ein schicksalhaftes Ereignis hatte einst dafür gesorgt, dass sie nicht wie so viele ihrer Schwesterninseln unbewohnt geblieben war.
In einer stürmischen Nacht Ende des neunzehnten Jahrhunderts war ein Handelsschiff vor der Küste von Patroklos gesunken. Die Mannschaft und ein Dutzend Passagiere hatten sich auf die Insel retten können. Als sie Monate später von einem Fischerboot entdeckt wurden, hatten sich einige der Schiffbrüchigen bereits eine kleine Existenz aufgebaut und beschlossen zu bleiben.
Unter ihnen befand sich ein junger Mann aus Athen, der auf dem Weg nach Rhodos gewesen war, um dort sein Glück zu suchen. Sein Name lautete Panaiotis Papadakis. Wie die Insel später in seinen Privatbesitz gelangte, war nicht überliefert worden. Doch sein Nachkomme Ioannis, der an Bord des kleinen Motorboots saß, das zweimal in der Woche die Post und wichtige Lieferungen von Santorini nach Patroklos brachte, hatte da so eine Ahnung. Die Papadakis-Männer besaßen den Ruf, rücksichtslose Geschäftsmänner zu sein.
Sein Vater, Grigorios, hatte definitiv dazugezählt, auch wenn Ioannis sich das lange Zeit nicht hatte eingestehen wollen. Viele Jahre war er blind gewesen für die Fehler seines Vaters. Doch diese Zeiten lagen hinter ihm – er war nicht mehr dieser Narr und Grigorios nicht mehr sein Held.
Er atmete tief durch und fuhr sich mit einer Hand durch sein dunkles, lockiges Haar. Die Reise nach Patroklos weckte in ihm viele unliebsame Erinnerungen, die er lieber für immer in den hintersten Winkel seines Unterbewusstseins verbannt hätte. Doch ihm blieb keine andere Wahl, als auf die Insel seiner Kindheit und Jugend zurückzukehren.
Und vielleicht war es auch an der Zeit, sich den Geistern seiner Vergangenheit zu stellen. Vor denen war er schließlich lange genug davongelaufen.
Das Motorboot erreichte den Hafen von Patroklos, der in einer kleinen geschützten Bucht lag. Das Wasser hier war glatt wie ein Spiegel und so klar, dass man bis auf den Meeresgrund blicken konnte.
Auf der anderen Seite der Insel war die See um einiges rauer. Dort gab es nur wenige Buchten, und die Wellen warfen sich schäumend gegen die schroffen Felsen der Küste.
„Sind Sie hier, um Urlaub zu machen?“, fragte der Fahrer des Motorboots neugierig. Zu Beginn ihrer zweistündigen Fahrt hatte er noch versucht, eine Unterhaltung mit Ioannis zu führen. Doch als dieser eher wortkarg blieb, hatte er es bald wieder aufgegeben. Die Nähe zum Hafen hatte ihn anscheinend veranlasst, einen zweiten Versuch zu unternehmen.
Und dieses Mal war Ioannis sogar dankbar für die Ablenkung. „Familienbesuch“, entgegnete er vage.
Der Mann – er war Mitte bis Ende vierzig, hatte vom Wetter gegerbte Haut und schütteres schwarzes Haar – horchte auf. „Ach, wirklich? Ich kenne so gut wie jeden hier auf Patroklos und den Nachbarinseln. Wem werden Sie denn einen Besuch abstatten? Einem Onkel? Einer Tante? Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor …“
„Ich treffe mich hier mit meinen Brüdern“, entgegnete Ioannis, ohne weitere Einzelheiten preiszugeben. Er wollte seine Rückkehr nicht an die große Glocke hängen. Je weniger Menschen wussten, dass er sich auf Patroklos aufhielt, umso besser. „Ich werde den Sommer hier verbringen.“
Und das würde dann auch hoffentlich das letzte Mal sein, dass er einen Fuß auf die Insel setzte. Eigentlich hatte er niemals wieder nach Patroklos zurückkehren wollen. Doch er schuldete seinen Brüdern etwas.
Wenn er den Sommer mit ihnen überstanden hatte, würde er Patroklos für immer hinter sich lassen und nie wieder zurückblicken. Der Gedanke daran, mehrere Wochen auf der Insel zu verbringen, bereitete ihm schon jetzt Magenschmerzen. Vielleicht konnte er während seiner Zeit hier wenigstens ein paar Dinge wieder in Ordnung bringen.
Soweit das überhaupt möglich war, nach allem, was vorgefallen war …
Wenn der Sommer vorüber war, würde er seinen Anteil an Patroklos entweder an Stefanos oder Nikos verkaufen. Der Erlös würde an eine seiner Stiftungen gehen.
Nachdem er seiner Familie den Rücken gekehrt hatte, hatte er sich unter dem Mädchennamen seiner Mutter nach Frankreich geflüchtet. Vollkommen mittellos war es ihm gelungen, sich zu einem der erfolgreichsten Unternehmer der gesamten Côte d’Azur hochzuarbeiten.
Fabrice Tullier, ein älterer Hotelier, hatte ihn unter seine Fittiche genommen und ihm von der Pike auf alles über die Branche beigebracht. Als er ein paar Jahre später starb, hatte Ioannis seinen Besitz geerbt.
Seitdem war viel Zeit ins Land gegangen. Zeit, die er genutzt hatte, um sein Wissen anzuwenden und darauf aufzubauen. Er hatte Fabrice’ kleines Hotel zum angesagten Geheimtipp der Pariser High Society gemacht und sich von da an, Schritt für Schritt, ein Hotelimperium aufgebaut.
Er konnte nicht leugnen, dass er der Sohn seines Vaters war. Was auch immer er in geschäftlicher Hinsicht anfasste, verwandelte sich in Gold. Doch im Gegensatz zu Grigorios war für ihn sein eigener Vorteil zweitrangig. Ein großer Teil der Einnahmen ging direkt an seine Stiftung, die zahlreiche wohltätige Organisationen unterstützte, von denen er einige selbst ins Leben gerufen hatte.
Ioannis lebte in einer luxuriösen Villa, weil seine Klientel es von ihm erwartete. Aber er war kein Freund davon, sein Geld unsinnig zum Fenster hinauszuwerfen. So stieg er, wenn er auf Reisen war, entweder in seinen eigenen Häusern oder in günstigen Pensionen ab. Wenn er auswärts aß, tat er es nur dann in hochpreisigen Etablissements, wenn er mit anderen unterwegs war. Ihm selbst schmeckte einfache Hausmannskost mindestens ebenso gut wie das, was ein Sternekoch für das Wochengehalt eines durchschnittlichen Arbeiters auf den Teller zauberte.
Sein Job bereitete ihm Freude. Er war abwechslungsreich, und Ioannis begegnete dabei vielen interessanten Menschen. Doch wirklich wichtig waren ihm seine Charity-Projekte.
Er hatte in seinem Leben viel Glück gehabt, und er wollte etwas davon an die Menschen weitergeben, denen das Schicksal weniger wohlgesonnen gewesen war.
Und du willst dein schlechtes Gewissen beruhigen, mach dir doch nichts vor!
Seufzend fuhr er sich erneut durchs Haar. Nein, er konnte es nicht leugnen. Vor vielen Jahren hatte er eine große Schuld auf sich geladen. Und das wollte er auch gar nicht leugnen. Aber wenn er diese Angelegenheit hier hinter sich gebracht hatte, würde er dieses Kapitel seiner Vergangenheit vielleicht endgültig abschließen und nach vorne blicken können. Oder sich zumindest auf die Dinge konzentrieren können, die wirklich wichtig waren.
Das Boot legte in dem kleinen Hafen an, der kaum mehr als ein langer Steg war, an dem mehrere Boote im türkisblauen Wasser dümpelten.
„Vielen Dank“, wandte er sich an den Fischer, der ihn übergesetzt hatte. „Was bin ich Ihnen schuldig?“
Der Mann winkte ab. „Ich wollte ohnehin heute ein paar Dinge nach Patroklos bringen. Von daher war es kein zusätzlicher Aufwand. Sparen Sie sich also Ihr Geld.“
Ioannis nickte ihm zu. „Vielen Dank, das ist sehr freundlich von Ihnen.“
Er schulterte seinen Rucksack und ging den Steg hinunter zum Kai. Einige der älteren Fischer saßen an der Hafenmauer, ließen ihre Beine über die Kante baumeln und flickten ihre Netze. Andere waren dabei, den Fang vom Morgen in Kisten mit zerstoßenem Eis zu füllen. Die meisten Fische würden noch vor Sonnenuntergang in den Pfannen und auf den Grills der Feinschmeckerrestaurants der angrenzenden Inseln landen.
Der Geruch von Salz lag in der Luft, und wenn Ioannis sich über die Lippen leckte, konnte er es auch schmecken. Das waren der Duft und der Geschmack seiner Kindheit und Jugend. Die Sommer auf Patroklos waren für ihn stets der Höhepunkt des Jahres gewesen. Eine unbeschwerte Zeit voller Sonne, Sand und Meer, in der er mit seinen Freunden aus dem einzigen Ort der Insel gespielt und keine anderen Sorgen gehabt hatte als die Frage, was die Köchin wohl zum Dinner servieren würde.
Ihm war damals nicht aufgefallen, dass es seine beiden älteren Brüder längst nicht so gut gehabt hatten.
Nikos, der Älteste, hatte sogar in den Ferien die Tage mit der Nase in seinen Schulbüchern verbracht, und zwar keineswegs aus freien Stücken. Ihr Vater, Grigorios, war, was Nikos’ schulische Leistungen betraf, äußerst streng gewesen. Während Ioannis sich auch mal eine schlechte Note hatte erlauben dürfen und auch Stefanos’ schulische Leistungen keiner ständigen Kontrolle unterlagen, wurde von Nikos nichts anderes als Perfektion erwartet.
Wie unfair, das von einem Jungen im Teenageralter zu verlangen, dachte Ioannis rückblickend. Doch damals hatte er nie einen Gedanken daran verschwendet. Überhaupt hatte er nie etwas infrage gestellt, was sein Vater getan oder gesagt hatte.
Er konnte es heute selbst kaum nachvollziehen, doch als kleiner Junge war Grigorios für ihn das große Vorbild gewesen, dem er im Leben nacheifern wollte.
Seufzend fuhr er sich durchs Haar. Er konnte sich wirklich nur zugutehalten, dass er noch so jung gewesen war. Doch irgendwann, im Laufe der Jahre, hätte er begreifen müssen, was für ein Mann sein Vater wirklich war.
Ein Mann, dessen Skrupellosigkeit keine Grenzen kannte und der bereit war, für seinen eigenen Vorteil über Leichen zu gehen.
Ein bitteres Lächeln umspielte Ioannis’ Lippen. Was für ein ungemein passendes Wortspiel, denn genau das hatte Grigorios getan. Er war über Leichen gegangen – oder genauer gesagt, über eine. Zumindest wusste Ioannis nur von einer. Doch er traute seinem Vater durchaus zu, dass er noch weitere, sehr reale Leichen im Keller hatte.
Trotz der sommerlichen Hitze überlief Iannis ein Schauer. Rasch straffte er die Schultern und schritt schneller voran, um sich von seinen unerfreulichen Gedankengängen abzulenken.
Obwohl es noch recht früh am Tag war, flirrte bereits die Luft über dem Asphalt, als er die lange, gewundene Straße zur Villa Papadakis hinaufging. Auf Patroklos gab es nicht viele befestigte Wege, aber es verkehrten auch nur einige Mopeds und gelegentlich ein Kastenwagen auf der Insel. Die meisten Menschen legten die kurzen Strecken entweder zu Fuß oder – in den kühleren Jahreszeiten – mit dem Fahrrad zurück. Um schwere Dinge oder größere Mengen zu transportieren, nutzte man Handwagen oder Eselskarren. Beinahe jeder auf Patroklos besaß einen Esel oder ein Muli.
Grigorios aber hatte natürlich einen Wagen samt Chauffeur gehabt, um sich bei Bedarf stilvoll und seiner Position entsprechend von der Villa bis hinunter in den Ort und zurück fahren zu lassen. Meist hatte er sich aber lieber selbst hinters Steuer seines Cabrios gesetzt und war wie ein Verrückter die Küstenstraße, die er eigens zu diesem Zweck hatte ausbauen und asphaltieren lassen, entlanggerast.
Manchmal hatte er Ioannis mitgenommen, wenn er eine seiner Spritztouren machte. Und Ioannis hatte es geliebt. Die Geschwindigkeit, den Wind, der ihm durch die Haare wehte, und das Gefühl, vollkommen frei zu sein.
Wenn er heute daran zurückdachte, schnürte es ihm die Kehle zu.
Jene Freiheit war nichts als eine Illusion gewesen. Ein Traum, aus dem es für ihn ein äußerst unsanftes Erwachen gegeben hatte.
Schweiß strömte ihm über die Stirn, und er wischte die Tropfen mit dem Handrücken fort. Als er dabei die Augen schloss, kamen die alten Bilder wieder hoch, die ihn schon so viele Jahre verfolgten.
Der Moment, in dem sie mit dem Wagen um die Kurve schossen. Der Moment, in dem aus Spaß plötzlich bitterer Ernst wurde. Sein eigener Schrei, der von den Felsen zurückgeworfen und, vermischt mit dem Kreischen der Bremsen, hinaus aufs Meer geschleudert wurde.
Ioannis wusste, dass es viel zu schnell gegangen war, um all diese Details wahrzunehmen. Und doch hatten sich genau diese Bilder in sein Gedächtnis gebrannt. Ganz gleich wie viel Zeit auch verstrich, sie wollten nicht verschwinden – nicht einmal verblassen.
Mühsam schluckte er die bittere Galle hinunter, die ihm die Kehle hinaufgestiegen war. Er dachte mittlerweile nicht mehr jeden Tag an die schrecklichen Ereignisse, die letztlich zum Bruch mit seinem Vater und seiner ganzen Familie geführt hatten. Aber die Rückkehr nach Patroklos wühlte all das wieder auf. Und obwohl er damit gerechnet hatte, gefiel es ihm ganz und gar nicht.
„So ein Mist!“ Ärgerlich verpasste Sofia Kedifis dem platten Reifen des Fahrrads einen Tritt. Sie hatte sich das Rad erst vor ein paar Stunden unten im Ort geliehen und war seitdem auf der Insel unterwegs, um sich ein wenig umzusehen.
Nicht, dass es da viel zu sehen gab.
Seit sie Patroklos vor neun Jahren verlassen hatte, schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Alles war noch genau so, wie sie es in Erinnerung hatte – und das erachtete sie keineswegs als etwas Gutes. Immerhin hatte sie die Insel nicht ohne Grund verlassen. Sie hatte die Enge und die Eintönigkeit gehasst. Jeder hier kannte jeden, und jeder wusste, was beim anderen gerade vor sich ging. Die Schule hatte lediglich zwei Klassen – eine für die kleineren und eine für die größeren Kinder –, denn alles andere lohnte sich nicht bei so wenigen Schülern.
Sofia hatte es gehasst, dass so gut wie nie etwas geschah, sodass, wenn doch einmal etwas passierte, es praktisch niemals in Vergessenheit geriet.
Sie hasste ihre Kindheit und Jugend hier. Die Blicke, die die Leute ihr zuwarfen, wenn sie auf die Straße ging. Unverhohlen feindselige Blicke, aber auch – und das war noch viel schlimmer – mitleidige Blicke.
Ja, wenn es etwas gab, das sie noch mehr gehasst hatte als ihr Leben auf Patroklos, dann war es das Mitleid der Menschen.
Eigentlich hatte sie nie wieder hierher zurückkehren wollen. Doch als ihr Vorgesetzter gehört hatte, dass sie auf Patroklos geboren und aufgewachsen war, da hatte er sich entschieden, ihr endlich die Chance zu geben, auf die sie schon so lange wartete.
Die Chance, zu beweisen, dass sie mehr konnte, als man ihr bisher zugetraut hatte.
Auf diese Gelegenheit wartete sie nun schon seit zwei Jahren – seit sie in den Diensten von RM Minerals, einem großen Mineralabbaukonzern mit Hauptsitz in London und einer kleineren Niederlassung in Athen, stand. Und bisher war es ihr nie gelungen, auch nur ein einziges Mal die Aufmerksamkeit ihres Chefs zu erregen, obwohl sie hin und wieder auf der Vorstandsetage aushalf, wenn einmal Not am Mann war.
Genau bedeutete das, sie war Mr. Russel auf dem Korridor über den Weg gelaufen, wenn dieser sich in Athen aufhielt. Doch mehr als ein knappes Nicken hatten sie dabei nicht gewechselt. Und ansonsten hatte sie eigentlich immer nur mit ihrem Teamleiter, Mr. Andrews, zu tun gehabt.
Doch bei einer Teambesprechung war die Rede dann plötzlich auf Patroklos gekommen, und Sofia hatte aufgehorcht.
Natürlich hatte sie davon gehört, dass auf einer Sporaden-Insel ein riesiges Tantal-Vorkommen entdeckt worden war. Bei der Herstellung moderner Elektrogeräte fand dieses Mineral Verwendung. Es war selten und überaus teuer und konnte nur an wenigen Orten auf der Welt abgebaut werden.
An diesem neuen und zudem großen Vorkommen würde sich jedes Unternehmen, das die Abbaugenehmigung erhielt, eine goldene Nase verdienen.
Kein Wunder, dass die Firma ganz wild darauf war, sich die Rechte zu sichern. Das Problem war nur, dass der Besitz der Insel aufgrund einer Erbschaftssache bisher wohl ungeklärt war. Daher setzte man darauf, bereits vorab mit den potenziellen Erben in Kontakt zu treten, um das Terrain zu erkunden.
Das zumindest war es, was Sofia verstanden hatte, ehe sie all ihren Mut zusammengenommen und verkündet hatte: „Ich stamme übrigens von Patroklos.“
Diese Nachricht war bei Mr. Andrews eingeschlagen wie eine Bombe. Sofort war seine volle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet gewesen, und Sofia musste gestehen, dass das ziemlich einschüchternd gewesen war.
Einen Moment lang war sie sicher gewesen, dass er sie achtkantig aus dem Konferenzraum werfen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen hatte er sich ihr zugewandt und sie über Patroklos ausgefragt. Und Sofia hatte dick aufgetragen und ihre Verbindungen auf der Insel wesentlich wertvoller dargestellt, als sie in Wahrheit waren. Alles in der Hoffnung, dass Andrews sie nach Patroklos schicken würde.
Und nun war sie hier und konnte es noch immer nicht richtig fassen.
Nach Rücksprache mit der Geschäftsführung hatte Mr. Andrews sie mit einem eindeutigen Auftrag auf die Insel geschickt. Sie sollte versuchen, an die Papadakis-Brüder heranzukommen, und zunächst einmal die Stimmung sondieren. Dann sollte sie die Männer zum Vorteil von RM Minerals beeinflussen.
„Wenn Sie von dort kommen“, hatte Andrews gesagt, „kennen Sie bestimmt jemanden, der die Brüder kennt. Es sollte Ihnen nicht schwerfallen, zumindest an einen von ihnen heranzukommen.“
Sofia bezweifelte allerdings, dass es tatsächlich so leicht werden würde. Vor allem, da sie ihre Hausaufgaben gemacht hatte und inzwischen wusste, dass die drei Brüder steinreich waren und sich in ganz anderen Kreisen bewegten als sie. Über den dritten – den Jüngsten des Trios – hatte sie nicht viel herausfinden können. Sie hatte lediglich in Erfahrung gebracht, dass er lange Zeit im Ausland gelebt und sich dort anscheinend ein kleines Hotelimperium aufgebaut hatte.
Das überraschte Sofia nicht. Die Papadakis waren dafür bekannt, dass sie etwas vom Geldverdienen verstanden. Und für ihre absolute Skrupellosigkeit, wenn es darum ging, jene zu verdrängen, die ihnen dabei im Wege standen.
Sofia nahm sich vor, sich eine Scheibe von dieser Einstellung abzuschneiden. Wenn sie ihrem Chef beweisen wollte, dass er sich auf sie verlassen konnte, dann durfte sie keine Schwäche zeigen. Sie musste ganz so sein, wie man es den Papadakis-Brüdern nachsagte.
Doch zuallererst musste sie mit ihnen in Kontakt treten. Und dank diesem verflixten platten Reifen saß sie jetzt erst einmal hier fest.
Sie beschattete mit der Hand ihre Augen gegen das gleißende Sonnenlicht und blickte in beiden Richtungen die Straße entlang. Die eine Richtung führte hinauf zur Villa der Familie Papadakis, die andere wieder hinunter zum Ort. Der Weg war jedoch so kurvig, dass sie nicht einschätzen konnte, wie weit es noch bis zur Villa sein mochte. Zwar war sie schlau genug gewesen, Wasser mitzunehmen, als sie von ihrer Pension aufgebrochen war. Doch als ihr Fahrrad plötzlich ins Schlingern geraten war, war sie so unglücklich damit gestürzt, dass ihr Korb vom Gepäckträger gerutscht und die Wasserflasche den Hang hinuntergerollt war. Das Gefälle war zwar nicht so steil, dass es unmöglich war, die Flasche zu erreichen, doch Sofia wollte lieber nichts riskieren.
Bei der Hitze, die spätestens zur Mittagszeit wie eine Glocke über der Insel hängen würde, stellte alles andere ebenfalls ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar. Wenn sie sich etwa auf halber Strecke befand, wie sie vermutete, würde sie vermutlich dehydriert sein, ehe sie die Villa oder das Dorf erreichte. Und die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand ihr auf dem Weg begegnen würde, war alles andere als groß.
Tränen der Frustration stiegen ihr in die Augen. Sie musste sich entscheiden. Bergauf – oder zurück bergab?
Sie dachte daran, wie lange sie auf eine Chance wie diese gewartet hatte. Wie sehr sie gehofft hatte, dass sie eines Tages die Gelegenheit bekommen würde, zu zeigen, was wirklich in ihr steckte. Doch wie es schien, war das Schicksal einfach gegen sie.
Aber warum wunderte sie das eigentlich? Lief bei ihr nicht immer alles schief?
Schon als Mädchen hatte sie diese Erfahrung machen müssen, als erst ihre Mutter starb und es dann mit ihrem Vater und später mit dem kleinen Hof der Familie bergab gegangen war.
Stavros Kedifis war vor lauter Kummer dem Alkohol verfallen und hatte sich kaum um seine Tochter gekümmert. Und obwohl sich die damals fünfzehnjährige Sofia bemüht hatte, alles am Laufen zu halten, war der einstmals rentable Hof zunehmend weiter heruntergekommen, bis er irgendwann mehr Kosten verursachte, als er Gewinne einbrachte.
Zwei Jahre lang hatten sie es irgendwie geschafft, über die Runden zu kommen, ohne dass die Bank die Drohung, eine Zwangsversteigerung des Hofes einzuleiten, wahrmachte.
Zwei Jahre.
Und dann hatte ihr Vater aus irgendeiner dubiosen Quelle plötzlich eine größere Summe Geld erhalten. Den Rest konnte sie sich nur zusammenreimen, denn er hatte sich stets standhaft geweigert, darüber zu reden.
Sie nahm an, dass er sich betrunken hinter das Steuer ihres Traktors gesetzt hatte, um zur Taverne im Ort zu fahren und den Geldsegen zu feiern. Dabei musste er auf die falsche Spur geraten und einen ihm entgegenkommenden Wagen von der Straße gedrängt haben.
Dieser war den Abhang hinabgestürzt und auf den Klippen zerschellt, ehe die Wrackteile ins Meer stürzten.
Der Fahrer des Wagens hatte nur noch tot geborgen werden können.
Und die Schuld an allem trug ihr Vater.
Zumindest hatte Stavros es nicht geleugnet, sondern war, als er seinen Rausch ausgeschlafen hatte, zur Polizei gegangen, um sich zu stellen. Doch das konnte das tragische Unglück nicht ungeschehen machen.
Er trug die Verantwortung dafür, dass ein Mensch gestorben war. Dafür, dass eine Familie den Ernährer, eine Frau ihren Mann und Kinder ihren Vater verloren hatten.
Und Sofia? Auch sie hatte damals ihren Vater verloren. Nicht nur, weil er für seine Tat wegen fahrlässiger Tötung zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt worden war, nein. Das hätte sie ihm am Ende vielleicht sogar vergeben können.
Was sie nicht verzeihen konnte, war, dass er das Thema einfach totgeschwiegen hatte. Sofia hätte damals wirklich jemanden zum Reden gebraucht. Sie war so voller Fragen gewesen, voller Ängste und Sorgen.
„Nimm das Geld und sieh zu, dass du dir irgendwo ein neues Leben aufbaust“, war alles gewesen, was Stavros ihr zu sagen gehabt hatte.
Schließlich hatte er ganz aufgehört, sie als Besucherin zu empfangen. An jenem Tag hatte Sofia schluchzend vor den verschlossenen Gefängnistoren gestanden und sich gefragt, was sie ihrem Vater getan hatte, dass er sie so hasste.
Denn warum sonst sollte er sie immer und immer wieder von sich weggestoßen haben, wenn nicht, weil er ihr gegenüber irgendeinen Groll empfand?
Sie bemühte sich, nicht zu viel darüber nachzudenken. Doch in einer stillen Minute fragte sie sich oft, ob er nicht insgeheim gewünscht hatte, sie wäre anstelle seiner geliebten Frau gestorben …
Energisch schob Sofia die düsteren Gedanken beiseite. Ihr Vater hatte sein Schicksal selbst gewählt, und dass er im Gefängnis schwer erkrankt und schließlich gestorben war, erschien ihr wie eine Art ausgleichende Gerechtigkeit.
Vermutlich war es ganz in seinem Sinne gewesen, dass sie erst nach seiner Beisetzung von seinem Ableben erfahren hatte. Er hätte sie nicht dabeihaben wollen, als er endlich wieder mit seiner Frau vereint worden war.
Der Brief, der ihr etwas später in einem großen braunen Umschlag von der Gefängnisleitung zugestellt worden war, lag noch immer ungeöffnet in einer Schublade im Schreibtisch ihres Arbeitszimmers.
Sie hatte es nicht über sich gebracht, zu lesen, was er in seinen letzten Stunden für sie niedergeschrieben hatte. Die Nachricht von seinem Tod hatte sie schmerzhafter getroffen, als sie nach all den Jahren für möglich gehalten hätte. Der Brief hätte sie nur noch tiefer in ein bodenloses schwarzes Loch stürzen lassen.
Nein. Sie straffte die Schultern und atmete tief durch. Das hatte sie nun wirklich als Allerletztes gebrauchen können.
Sie bückte sich, hob das Fahrrad auf und musterte es kritisch. Dann schob sie es mit einem Seufzen an den Straßenrand. Schon auf der kurzen Strecke war deutlich zu merken, dass das Vorderrad verzogen war. Damit würde sie heute definitiv nicht weiterkommen.
Blieb nach wie vor die Frage: Sollte sie weiter hinauf oder den heutigen Tag als Verlust abhaken und zurück hinunter in den Ort wandern?
Natürlich wusste sie, dass die zweite Alternative die einzig vernünftige war. Selbst wenn sie die Villa erreichte, ohne unterwegs einen Hitzschlag zu erleiden, bedeutete das nicht, dass sie dort irgendjemand empfangen würde.
Nun, vielleicht wenn sie vorgab, einen Kreislaufzusammenbruch zu haben. Wobei sie nicht sicher war, wie viel schauspielerisches Talent dabei wirklich von Nöten sein würde.
Nicht besonders viel, wenn sie ihren derzeitigen Zustand richtig einschätzte.
Doch Sofia hatte in den letzten Jahren einfach zu viele Rückschläge erlebt, um kampflos aufzugeben. Sie musste es schaffen, Mr. Andrews zu beeindrucken, damit dieser Auftrag keine Eintagsfliege blieb.
Und um das zu erreichen, würde sie über ihre Grenzen hinausgehen und einhundertzwanzig Prozent geben müssen.
Ganz gleich, wie schwer es ihr auch fallen mochte.
Sie stieg also weiter bergauf.
Die Sonne stand nun höher, und das bisschen Schatten, das die knorrigen Olivenbäume, die am Hang wuchsen, bislang auf die Straße geworfen hatten, verschwand.
Sie war auf Patroklos aufgewachsen und an die herrschenden Temperaturen gewöhnt. Aber sie wusste auch, dass es gefährlich war, sich zu lange in der glühenden Tageshitze aufzuhalten.
Nicht selten klappten unvorsichtige Touristen, die den ganzen Tag ohne Kopfbedeckung draußen herumspazierten, einfach zusammen. Eine Kombination aus zu wenig Flüssigkeit und zu viel Hitze konnte fatale Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben. Und obwohl Sofia daran gedacht hatte, einen Sonnenhut mitzunehmen, als sie am Vormittag aus dem Haus gegangen war, machte sich der Wassermangel bereits deutlich bemerkbar.
Die Zunge klebte ihr regelrecht am Gaumen, und es fiel ihr zunehmend schwer, ihre Beine zur Kooperation zu bewegen. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde sie ein zentnerschweres Bleigewicht mit sich herumtragen.
Nach einer weiteren halben Stunde musste sie sich langsam eingestehen, dass sie die falsche Entscheidung getroffen hatte. Doch richtig oder falsch, jetzt blieb ihr keine andere Wahl mehr, als ihren Weg in die Richtung fortzusetzen, die sie eingeschlagen hatte.
Doch bevor sie weitergehen konnte, brauchte sie dringend eine Pause. Nur ein paar Minuten, sagte sie zu sich selbst. Gerade lang genug, um ein bisschen zu verschnaufen.
Sie wusste bereits, dass sie gerade einen weiteren Fehler beging, als sie sich an den Straßenrand setzte. Vor ihren Augen tanzten schwarze Flecken, und die Welt um sie herum schien ein wenig zu wanken.
Ein leises Gefühl von Panik stieg in ihr auf, doch sie hatte nicht die Energie, entsprechend zu reagieren. Ob man sie hier finden würden? Bewusstlos am Straßenrand?
Realistisch betrachtet standen ihre Chancen alles andere als gut. Die Straße führte nur zur Villa hinauf, niemand, der nicht dorthin oder von dort weg wollte, benutzte sie. Wenn also nicht gerade eine Lieferung erwartet oder einer der Herren des Hauses dem Ort einen Besuch abstatten wollte …
Sie schloss die Augen und ließ den Kopf gegen die heiße Felswand hinter sich sinken. So hatte sie sich das alles nicht vorgestellt. Ihre Rückkehr nach Patroklos hatte für sie in einem Triumph enden sollen.
Sie hatte der Welt – und vor allem sich selbst – beweisen wollen, dass sie mehr war als die kleine Assistentin. Mehr als nur die Tochter ihres Vaters. Die arme kleine Sofia. Die Tochter des Mörders.
Ihr Vater hat sich betrunken hinters Steuer gesetzt und den armen Mann einfach von der Straße abgedrängt … Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm … Wie der Vater, so die Tochter …
All die schrecklichen Dinge, die sie früher so häufig zu hören bekommen hatte, schwirrten ihr jetzt im Kopf herum. Sie konnte nicht mehr klar denken, und die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit begannen zu verschwimmen.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, nach Patroklos zurückzukehren.
Vielleicht hätte sie das alles hinter sich lassen und ihre Ohren vor dem verschließen sollen, was in dem Meeting besprochen worden war. Doch sie hatte ja die Gelegenheit ergreifen und behaupten müssen, dass sie den Besitzer der Insel persönlich kannte. Jetzt erwartete Mr. Andrews natürlich, dass sie wahre Wunder auf Patroklos vollbringen konnte.
Blinzelnd öffnete sie die Augen und glaubte, einen der schwarzen Flecken, die vor ihren Augen tanzten, näherkommen zu sehen. Sie kniff die Lider zusammen und hob sie wieder.
Dieses Mal war da ein Gesicht direkt vor ihrem.
Ein Mann.
Er hatte fesselnde olivgrüne Augen, umrahmt von dunklen Wimpern. Seine Lippen bewegten sich, doch sie hörte nur ein lautes Tosen, das all seine Worte verschluckte. Jemand sollte ihm sagen, wie schön er war – er wirkte so ernst, und vielleicht würde ihn das aufmuntern.
Seine Mundwinkel zuckten, und plötzlich lächelte er ein wenig. Ja, das war schon viel besser.
„Vielen Dank“, hörte sie ihn sagen. Es klang, als würde er vom anderen Ende eines langen Tunnels mit ihr sprechen. „Und das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Sie sind ebenfalls sehr schön.“
Hatte sie das etwa laut gesagt?
„Kommen Sie, hier können Sie nicht bleiben.“ Er beugte sich herab, zog ihren Arm über seine Schulter und stützte sie mit der freien Hand an der Taille. „Es ist nicht mehr weit bis zum Haus. Nur noch ein paar hundert Meter, gleich hinter der nächsten Kurve. Bis dahin müssen Sie noch durchhalten. Schaffen Sie das?“
Sofia war nicht sicher, ob es artikulierte Worte waren, die über ihre Lippen kamen, doch ihm schien es zu genügen, denn er schleppte sie weiter voran, während die Welt vor ihren Augen immer wieder verschwamm.
Es war eine Weile her, dass Ioannis eine Frau in seinen Armen gehalten hatte. Aber die hatte er bei einem Kongress kennengelernt und nicht halb bewusstlos am Straßenrand gefunden.
Besorgt musterte er sie. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass sie stark dehydriert war. Eine Touristin, die so gedankenlos gewesen war, ohne Wasser zu einer Wanderung aufzubrechen?
Das war die naheliegendste Erklärung – allerdings machte es keinen Sinn, dass sie ausgerechnet den Weg zur Villa eingeschlagen hatte.
Sicher, die Aussicht von der Terrasse war fantastisch. Aber das Grundstück war umzäunt und besaß ein elektrisches Tor mit Kameraüberwachung. Niemand kam einfach nur hier hinauf, um das Panorama zu genießen.
Warum also dann?
Er hatte zu lange im Verborgenen gelebt, ständig auf der Hut vor Kameras und neugierigen Fragen, um nicht misstrauisch zu werden. Vielleicht war sie eine Reporterin, auf der Suche nach einer Story?
Der Name Papadakis war immer für eine Schlagzeile gut. Und die Verstrickungen um das Testament ihres Vaters machten die Story zu einem gefundenen Fressen für die Presse.
Drei voneinander entfremdete Brüder, durch den Nachlass ihres Vaters gezwungen, einen Sommer gemeinsam auf der Insel ihrer Jugend zu verbringen. Das war der Stoff, aus dem gute Geschichten gemacht wurden. Und die Leser würden sie lieben, daran zweifelte Ioannis keine Sekunde lang.
Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, dass seine Brüder die Angelegenheit an die Öffentlichkeit hatten dringen lassen.
War die Fremde also doch keine Journalistin?
Er zog sie dichter an sich, denn inzwischen trug er sie mehr, als dass er sie stützte. Dabei nutzte er die Gelegenheit, sie genauer zu betrachten.
Der Eindruck, der sich ihm gleich aufgedrängt hatte, verstärkte sich. Von irgendwoher kam sie ihm bekannt vor.
Aber woher? Und warum?
Seit er zuletzt einen Fuß auf die Insel gesetzt hatte, war eine kleine Ewigkeit vergangen. Selbst Griechenland hatte er gemieden, denn es brachte zu viele Erinnerungen mit sich. Es bestand also keine Möglichkeit, dass er sie kannte. Und dennoch … Er konnte das Gefühl einfach nicht abschütteln.
Als sie das Tor erreichten, atmete er erleichtert auf. Sie mochte zierlich sein, aber er musste sie praktisch durch die Gegend schleifen, denn inzwischen war sie kaum mehr eine Hilfe.
Eine ihm unbekannte Stimme klang aus einem Lautsprecher, der oben am Tor angebracht war. „Wer sind Sie, und was wollen Sie?“
„Ioannis Papadakis“, entgegnete er knapp. „Ihr Boss – oder zumindest einer davon, wenn alles so läuft, wie es das Testament unseres Vaters verlangt.“
Mit einem elektrischen Summen sprang das Tor auf, und nach etwa fünfzig Metern kam ihm ein Wagen entgegen. Der Fahrer hielt unmittelbar vor ihm, sprang aus seinem Fahrzeug und half ihm dabei, die Frau auf den Rücksitz zu bugsieren.
„Bitte entschuldigen Sie“, sagte der Mann, als sie beide vorne eingestiegen waren – es war dieselbe Stimme wie vorhin am Tor. „Man hat mir nicht angekündigt, dass Sie heute erwartet werden.“
Ioannis rückte seinen Rucksack, dessen Riemen ihm immer wieder die Schulter hinabrutschte, zurecht und winkte ab. „Schon gut, von mir haben Sie nichts zu befürchten.“
Denn ich bin nicht mein Vater, fügte er in Gedanken hinzu.
Sofia blinzelte gegen die Helligkeit an, die durch die offen stehende Balkontür fiel. Die erste Desorientierung nach dem Aufwachen in einer fremden Umgebung verflog, und sie traf die Erkenntnis, dass es sich um die falsche fremde Umgebung handelte.
Das war nicht ihr Pensionszimmer.
Das war nämlich klein und eng und besaß lediglich ein winziges Fenster, keinen Balkon.
Erschrocken richtete sie sich auf und bereute es schon im nächsten Moment wieder, als es hinter ihren Schläfen zu pochen anfing. Außerdem war ihr von der schnellen Bewegung ein bisschen schwindelig geworden, sodass sie sich rasch wieder zurücksinken ließ.
Sie schloss die Augen und versuchte sich daran zu erinnern, wo sie war und wie sie hierhergekommen war. Das Letzte, was sie noch wusste, war, dass das gemietete Fahrrad einen Platten gehabt hatte. Danach war alles nur noch verschwommen.
War sie in einem Krankenhaus?
Auf Patroklos gab es keines, und das Bergpanorama, das sie durch die Balkontür sah, war ganz eindeutig das der Insel, auf der sie geboren und aufgewachsen war, daran konnte kein Zweifel bestehen.
Was sie jedoch irritierte, war der Blickwinkel ihrer Aussicht. Sie war daran gewöhnt, die Berge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Und zwar von sehr viel weiter unten.
Auf Patroklos gab es eigentlich nur ein Gebäude, das hoch genug lag, um …
Oh!
Aufregung stieg in ihr auf, während sie den Raum einer genaueren Musterung unterzog. Alles war in Weiß gehalten, mit kleinen Farbakzenten in klaren, kühlen Farben wie Blau und Türkisgrün. Das Bett, in dem sie lag, war groß genug, um bequem zwei Personen Platz zu bieten, und besaß einen Himmel aus weißer Gaze, so zart, dass man problemlos hindurchsehen konnte. Alles war geschmackvoll eingerichtet, aber vor allem eines: teuer.
Bei den Bildern an den Wänden handelte es sich nicht um billige Kunstdrucke. Die Vase mit dem hübschen Blumenarrangement, die auf einer antik aussehenden Kommode stand, der Deckenventilator, der sich mit einem leisen Flapp-Flapp an der Zimmerdecke drehte, die Teppiche aus einem weißen Webstoff und der ebenfalls weiße Marmor verbreiteten eine luxuriöse Atmosphäre.
Nein, das war kein Krankenhaus. Auf Patroklos gab es nur einen einzigen Ort, an dem so viel Geld zusammenkam.
Die Villa der Familie Papadakis.
Sofia setzte sich erneut auf, deutlich vorsichtiger dieses Mal, und schob die Gaze beiseite. Der Marmor fühlte sich kalt unter ihren nackten Fußsohlen an. Einen Moment lang drohten ihre Knie unter ihr nachzugeben, doch sie stützte sich am Bettpfosten ab und blieb aufrecht stehen.
„Sie sind wach“, erklang eine Stimme aus Richtung der Tür.
Sie drehte sich um und blinzelte. Der Mann, der im Türrahmen stand, war atemberaubend attraktiv. Dunkelhaarig, mit scharf geschnittenen Gesichtszügen und einem stolzen Kinn. Und seine Augen … sie waren von einem ungewöhnlich hellen Grünbraun für einen Griechen – und ein solcher war er ganz offensichtlich.
Er kam ihr entfernt bekannt vor, aber sie konnte ihn nicht recht einordnen.
„Ja“, sagte sie und setzte ein, wie sie hoffte, charmantes Lächeln auf. „Allerdings habe ich nicht die geringste Ahnung, wo ich bin – und wie ich hierhergekommen bin.“
Er stieß sich vom Türrahmen ab und trat auf sie zu. „Sie sehen besser aus, aber immer noch ein bisschen blass.“ Er nahm sie beim Arm und half ihr wieder zum Bett zurück. „Ich habe Sie auf meinem Weg hierher halb bewusstlos am Straßenrand vorgefunden. Was haben Sie sich dabei gedacht, bei der Hitze ohne Wasser den Berg hinaufzusteigen?“
Sofia runzelte die Stirn. „Für wie dumm halten Sie mich?“, entgegnete sie pikiert. „Ich hatte natürlich Wasser dabei. Und ich bin auch nicht einfach so den Berg hinaufgestiegen, wie Sie es ausdrücken.“
Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Sondern?“
„Ich habe mich auf den Weg zur Villa gemacht, weil ich mit einem Verantwortlichen sprechen wollte … will.“ Verflixt, hatte sie sich auch noch den Kopf angestoßen? Sie war doch sonst nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Aber ein Blick aus diesen Augen …
Reiß dich zusammen, Sofia! Du kennst diesen Mann nicht, und du bist nicht hier, um zu flirten. Hast du schon vergessen, warum du wirklich nach Patroklos zurückgekehrt bist?
Nein, das hatte sie nicht vergessen. Und sie tat besser daran, es sich auch weiterhin vor Augen zu halten.
Er neigte den Kopf. „Einem Verantwortlichen?“, wiederholte er.
Sie nickte. „Ganz genau.“
„Verantwortlich – wofür?“
Sie unterdrückte ein frustriertes Stöhnen. Dabei hätte es eigentlich gar nicht besser laufen können. Immerhin befand sie sich im Inneren der Villa. Einen der Papadakis-Brüder zu finden und ihn zu überzeugen, RM Minerals die Schürfrechte für das Tantal-Vorkommen auf Patroklos zu überlassen, sollte im Vergleich dazu doch wirklich ein Kinderspiel sein – oder?
„Ich möchte entweder mit Nikolaos, Stefanos oder Ioannis Papadakis sprechen“, erklärte sie. „Es geht um ein geschäftliches Angebot.“
Interessiert hob er eine Augenbraue. „Ein Angebot, soso. Und was für eines, wenn ich fragen darf, Miss …?“
„Kedifis“, entgegnete sie. „Mein Name ist Sofia Kedifis.“
Er starrte sie an. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Aber das war unmöglich. Sie hatte sich lediglich vorgestellt. Warum sah er sie dann an, als würde er einem Geist gegenüberstehen?
„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie stirnrunzelnd.
Er wich zurück in Richtung Tür. „Entschuldigen Sie mich bitte“, stieß er heiser hervor, dann war er auch schon aus dem Raum verschwunden.
Verwirrt sah Sofia ihm hinterher.
Ioannis lehnte sich mit dem Rücken an die Korridorwand, schloss die Augen und atmete tief durch. Ein Fehler, denn sofort sah er alles wieder vor sich: die Kurve – und den Wagen, der dahinter zum Vorschein kam. Er hörte das Quietschen der Bremsen und seinen eigenen Entsetzensschrei, wie ein Echo hallte es zwischen seinen Schläfen wider.
Hastig riss er die Augen wieder auf. Sein Herz hämmerte so heftig, als wollte es seine Rippen sprengen. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Geister der Vergangenheit zurückzudrängen.
Sofia Kedifis …
Diesen Namen zu hören, hatte ihn vollkommen überrascht und ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Dabei hätte er eigentlich damit rechnen müssen. Immerhin war die Anzahl der Menschen, die auf Patroklos wohnten, begrenzt. Und warum sollte Stavros Kedifis keine Familie haben? Es war ja nicht so, als hätte Ioannis’ Vater sonst jemals Rücksicht auf andere genommen. Wieso wunderte es ihn, dass er nicht nur eine, sondern gleich zwei Familien des Vaters beraubt hatte?
Beißende Galle stieg seine Kehle hinauf. Er ballte die Hände zu Fäusten und schlug gegen die Wand. Der Schmerz, der durch sein Handgelenk zuckte, vertrieb die Bilder, die ihn verfolgten, für den Augenblick. Aber er wusste, dass sie wiederkommen würden. Das taten sie immer.
Und dass sie jetzt hier war, machte es ihm nicht leichter. Aber verdiente er es überhaupt, dass es leichter wurde? Oder war nicht genau das hier, die Konfrontation mit seinen Sünden und denen seines Vaters, was ihm zustand? Eine Art ausgleichende Gerechtigkeit?
Er presste die Handballen gegen seine Augen.
„Ioannis?“
Als er die Stimme seines ältesten Bruders Nikos am Ende des Korridors vernahm, stieß er sich abrupt von der Wand ab, zückte sein Handy und gab vor, damit beschäftigt zu sein.
„Ja?“
Wenn sein Bruder das Ablenkungsmanöver durchschaut hatte, dann ließ er es sich nicht anmerken. Er hielt ein Tablett mit einer Karaffe Wasser und einem Glas darauf in der Hand und nickte in Richtung des Gästezimmers, in das sie vor etwas mehr als einer halben Stunde Sofia Kedifis gebracht hatten. „Ist sie wach?“
Ioannis nickte. „Ist Dr. Atreidis bereits eingetroffen?“
„Er hat gerade das Tor passiert.“ Nikos’ forschender Blick ruhte auf ihm. „Was ist los, Yanni? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“
Es gelang ihm mit Mühe, ein bitteres Lachen zu unterdrücken. Er hatte in der Tat einen Geist gesehen – oder zumindest jemanden, der sehr nah an diese Bezeichnung herankam.
„Kennst du sie?“, fragte er stattdessen.
Nikos runzelte die Stirn. „Die Frau? Nein, woher sollte ich?“
„Sie hat sich mir als Sofia Kedifis vorgestellt“, erklärte er und wartete mit angehaltenem Atem auf die Reaktion seines Bruders.
Doch die blieb aus. Wie zu erwarten gewesen war, denn Nikos und Stefanos wussten nichts von der Tragödie, die sich vor zehn Jahren hier auf Patroklos ereignet hatte. Sie wussten nicht, was Grigorios getan hatte.
Weil ich ihm geholfen habe, alles zu vertuschen …
Langsam schüttelte Nikos den Kopf. „Kann sein, dass ich den Namen schon einmal irgendwo gehört habe. Wieso?“
Ioannis winkte ab. „Nicht so wichtig. Sie scheint sich auf jeden Fall schon wieder einigermaßen erholt zu haben. Dr. Atreidis sollte sie sich aber trotzdem einmal ansehen. Man weiß ja nie …“
„Yanni?“ Nikolaos trat auf ihn zu und reichte ihm das Tablett. Dann legte er ihm eine Hand auf die Schulter. Es war eine freundliche Geste, wie sie zwischen ihm und seinen Brüdern nicht häufig vorkam. Sie waren immer eher distanziert gewesen. Zwischen Nikos und Stefanos hatte es regelrechte Feindseligkeiten gegeben. Feindseligkeiten, die ihr Vater, wie Ioannis inzwischen vermutete, gefördert hatte.
„Ja?“
„Ich bin froh, dass du hier bist“, sagte Nikos und überraschte ihn damit. „Nicht nur wegen der Erbschaft. Ich weiß, wir haben uns nie besonders nah gestanden, aber … Wer weiß, vielleicht gibt es für uns ja eine zweite Chance. Ich für meinen Teil habe mich entschieden, die Zeit zu nutzen, die wir aufgrund von Vaters Testament gemeinsam auf Patroklos verbringen müssen.“
Mit diesen Worten verblüffte er Ioannis sogar noch mehr. Und er musste zugeben, dass die Vorstellung, sich mit seinen Brüdern auszusöhnen, durchaus reizvoll war.
Aber du verdienst es nicht, schon vergessen? Du hast überhaupt nichts Gutes in deinem Leben verdient …
Er schob den Gedanken beiseite.
Sein Bruder klopfte ihm auf die Schulter. „Wir sollten uns mal zusammensetzen und reden. Wir alle drei.“
„Bist du sicher, dass du es so lange ohne deine Bethany aushalten kannst?“, entgegnete Ioannis grinsend.
Nikos lachte. „Du hast sie noch nicht kennengelernt, ansonsten würdest du mich nicht damit aufziehen“, sagte er. „Aber das werden wir bald ändern. Vielleicht schon heute Abend? Es sei denn, du hast etwas Besseres zu tun“, fügte er mit einem Nicken in Richtung der Tür zum Gästezimmer hinzu.
Im ersten Moment verstand Ioannis nicht, worauf sein Bruder hinauswollte. Als es ihm schließlich dämmerte, überlief es ihn eiskalt. Nicht etwa, weil er Sofia unattraktiv fand – ganz im Gegenteil sogar.
Sie war eine bildschöne Frau – selbst als sie vollkommen entkräftet am Straßenrand kauerte. Ihr schwarzbraunes Haar schimmerte seidig, und ihr Teint strahlte beinahe golden. Sie hatte dunkle Augen, die von langen schwarzen Wimpern umrahmt wurden. Er fragte sich, ob ihre Haut so weich war, wie sie aussah, oder …
Hastig schüttelte er den Kopf. Zum einen, um die völlig unangemessenen Bilder zu vertreiben, die sich in seinen Gedanken eingenistet hatten, aber auch um die Andeutungen seines Bruders von sich zu weisen.
„Ich habe sie vorhin zum ersten Mal gesehen, Nikos, und sie weiß noch nicht einmal, wer ich bin.“
„Du hast dich ihr nicht vorgestellt?“ Sein Bruder grinste. „Wie unhöflich von dir. Das solltest du wirklich schnellstmöglich nachholen. Und vielleicht lädst du sie zum Abendessen ein? Wir können uns auch später noch zusammensetzen. Dann sollten wir im Übrigen auch diskutieren, wie es mit Patroklos weitergehen soll. Hast du dir darüber schon Gedanken gemacht?“
Das hatte Ioannis in der Tat. Seine Brüder und er würden die Insel zu gleichen Teilen erben, sobald die Bedingungen im Testament ihres Vaters erfüllt waren. Das bedeutete, dass am Ende des Sommers ein Drittel von Patroklos ihm gehören würde.
Aber was sollte er damit, wenn er nicht vorhatte, jemals wieder einen Fuß auf diese Insel zu setzen, sobald all das hier vorbei war? Ihm war ganz egal, was aus Patroklos wurde, solange er nur nichts mehr damit zu tun haben musste. Er wollte die düsteren Erinnerungen hinter sich lassen – und zwar ein für alle Mal.
Daher würde er genau das tun, was Nikos gerade vorgeschlagen hatte. Er würde das weitere Vorgehen mit seinen Brüdern diskutieren. Entweder sie verkauften die Insel gemeinsam oder einer von ihnen zahlte ihn aus. Hauptsache, er war Patroklos so schnell wie möglich los.
Auf das Geld, das ihm der Verkauf einbringen würde, war er nicht angewiesen. Es würde geradewegs in eine seiner zahlreichen Stiftungen fließen.
Der Unterschied zwischen ihm und seinem Vater bestand darin, dass er sein Vermögen, seinen Einfluss und seine Macht dafür einsetzte, anderen Menschen zu helfen.
Nicht, dass er sich deswegen als etwas Besseres fühlte. Besser als sein Vater, vielleicht. Aber auch er hatte Schuld auf sich geladen. Und nichts, was er tat, konnte die jemals wiedergutmachen.
Ein Mensch war tot, ein zweiter unschuldig im Gefängnis.
Und die Tochter des Letzteren saß im Gästezimmer ihrer Villa, aus dem er gerade regelrecht geflüchtet war.
Sie hatte keine Ahnung gehabt, wer er war. Aber er konnte sich schon vorstellen, wie sich ihr Gesichtsausdruck verändern würde, wenn er ihr seinen Namen nannte. Das Lächeln würde auf ihren Lippen gefrieren, ihre Augen würden kalt werden, und Hass würde sich darin widerspiegeln.
Aber musste sie es denn unbedingt erfahren? Er konnte Nikos bitten, den Arzt zu ihr zu bringen und dafür zu sorgen, dass jemand sie zurück in den Ort brachte, sobald es ihr besser ging. Doch das wäre feige, und Feigheit hatte diese ganze Katastrophe erst möglich gemacht.
Er würde nicht noch einmal denselben Fehler begehen wie damals.
„Lass uns später darüber sprechen“, sagte er schließlich. „Ich … gehe jetzt wieder zu ihr rein.“
„Mach das“, entgegnete Nikos grinsend. „Und tu nichts, was ich nicht auch tun würde …“
„Haha, sehr witzig.“ Er wandte sich ab, damit sein Bruder nicht sah, wie nah ihm die Situation wirklich ging – und zwar aus vollkommen anderen Gründen, als Nikos vermutete. „Schick Dr. Atreidis dann bitte nach oben, ja?“
„Keine Sorge, Bruderherz. Ich sage ihm auch, dass er bitte klopfen soll. Wir wollen doch nicht, dass der Gute Dinge zu sehen bekommt, die ihn vielleicht schockieren könnten.“
Als ob.
Er wartete, bis sein Bruder am Ende des Korridors verschwunden war, dann holte er tief Luft, balancierte das Tablett auf einer Hand und drückte mit der anderen die Klinke hinunter.
„Da sind Sie ja wieder.“ Sofia schenkte dem Mann, der vorhin so abrupt aus dem Raum geflüchtet war, ein Lächeln. „Ich habe mich schon gefragt, ob ich Sie verjagt habe.“
„Nein.“ Er schüttelte den Kopf und stellte das Tablett, das er in der Hand trug, auf der Kommode neben der Tür ab. „Nichts dergleichen. Ich … muss Ihnen allerdings etwas sagen.“
Sie musterte ihn überrascht. „Ja?“
Einen Moment zögerte er. „Möchten Sie etwas trinken? Sie brauchen viel Flüssigkeit. Ein Arzt wird gleich kommen, um Sie zu untersuchen, aber der wird Ihnen dasselbe raten.“
„War es das, was Sie mir sagen wollten?“ Sofia hatte das Gefühl, dass er seinem eigentlichen Anliegen auswich. Er wirkte steif und unbehaglich. Und zwar seit sie ihm ihren Namen genannt hatte.
Nur wieso?
Wieder schüttelte er den Kopf. „Nein, aber …“ Er holte tief Luft und wandte sich ab, um ein Glas einzuschenken, dann drehte er sich um und reichte es ihr.
Sie nahm es entgegen und trank gierig. Erst jetzt merkte sie, wie durstig sie wirklich war. Kühl rann das Wasser ihre Kehle hinunter, und sie fühlte sich gleich etwas kräftiger.
Mit einem leisen Seufzen schloss sie für einen kurzen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete, bemerkte sie, dass er sie anstarrte. In der Luft lag ein Knistern, das ihre Haut kribbeln ließ und die feinen Härchen auf ihren Armen aufrichtete.
Sie schluckte hart. „Was …“ Sie brach ab und räusperte sich. „Was wollten Sie mir vorhin sagen?“
Er blinzelte und sah aus, als wäre er unsanft aus einem tiefen Schlaf gerissen worden. „Sie meinten vorhin, dass Sie einen Verantwortlichen sprechen wollen. Nun“, er verschränkte die Arme hinter dem Rücken, „Sie stehen vor ihm. Ich habe bislang versäumt, mich Ihnen vorzustellen. Mein Name ist Ioannis. Ioannis Papadakis.“
Sofia konnte ihr Glück kaum fassen. Dass sie ausgerechnet einem der drei Brüder in die Arme gelaufen war, konnte nur bedeuten, dass das Schicksal es gut mit ihr meinte – oder?
Doch warum schaute er sie so seltsam an? So, als würde er auf eine Reaktion warten?
Sie konnte sich erinnern, als kleines Mädchen ab und an mit einem der Papadakis-Brüder gespielt zu haben. Die drei waren nur im Sommer mit ihrer Familie nach Patroklos gekommen und hatten den Rest des Jahres in Athen verbracht.
War er dieser Junge gewesen?
Wartete er darauf, dass sie ihn wiedererkannte? Denn das tat sie nicht. Und wenn sie jetzt recht darüber nachdachte, dann hatte sie vielleicht auch mit einem der älteren Brüder gespielt, aber ganz sicher konnte sie da nicht sein. Und war es überhaupt von Bedeutung? Das alles lag immerhin schon viele Jahre zurück.
„Das ist ja wunderbar“, sagte sie daher einfach. „Was für ein Glück, dass ausgerechnet Sie mich aus meiner Notlage befreit haben.“
„Ja, wirklich wunderbar“, entgegnete er, doch Sofia hatte schon Menschen auf Begräbnissen gesehen, die enthusiastischer aussahen als er.
Sie runzelte die Stirn. Was hatte er bloß?
Frag dich lieber, was mit dir losist! Das ist deineChance, Sofia! Wenn du ihn mit Argumenten überzeugst, kannst du Andrews endlich beweisen, was du draufhast. Dann bist du in Zukunft nicht mehr eine unter vielen. Er hat dir eine Beförderung versprochen, wenn du erfolgreich bist.
Ioannis Papadakis war genau ihr Typ. Zugegeben, jede Frau, deren Typ er nicht war, musste blind sein. Aber es gab einen Grund, warum sie sich von Männern – ganz besonders den attraktiven und charmanten – fernhielt. Attraktiv und charmant war nämlich auch Filipos gewesen. Er hatte beteuert, dass er sie bis in alle Ewigkeit lieben würde, und geschworen, ihr den Mond und die Sterne vom Himmel zu holen. Und dennoch war sie jetzt allein.
Schnell verdrängte sie den Gedanken an ihren Ex-Verlobten – das gehörte hier jetzt nicht hin. Und ein harmloser Flirt hatte noch nie jemandem geschadet. Schließlich wollte sie Ioannis ja nicht heiraten.
Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Dürfte ich Sie zum Dank für meine Rettung vielleicht zum Abendessen einladen? Unten am Hafen gibt es eine hübsche kleine Taverne – aber das wissen Sie ja sicher.“
Er zögerte.
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist“, sagte er schließlich. „Und wenn Ihr Anliegen etwas mit der Firma meiner Familie zu tun hat, bin ich ohnehin der falsche Ansprechpartner für Sie.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es hat nicht direkt etwas mit der Firma zu tun. Es geht mir um die Insel.“
Er blinzelte überrascht. „Patroklos? Was ist damit?“
„Lassen Sie uns das beim Abendessen besprechen, ja?“
Wieder zögerte er, ehe er schließlich, fast ein bisschen widerwillig, nickte.
„Um acht unten am Hafen?“, fragte sie.
„Ich werde da sein.“
Im nächsten Moment klopfte es an der Tür, und ein älterer Mann trat ein, der sich als Dr. Atreidis vorstellte.
Als sie wieder zu ihm zurückblickte, war Ioannis Papadakis fort.
„Sie sehen bezaubernd aus! Für wen auch immer Sie sich solche Mühe gegeben haben, er ist es hoffentlich wert.“ Die Pensionswirtin zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Man darf Männern nie zu deutlich zeigen, dass man an ihnen interessiert ist.“
Sofia lachte. „Keine Sorge, ich bin nicht auf diese Weise an ihm interessiert. Es ist ein rein geschäftliches Essen mit Ioannis Papadakis.“
„Ioannis Papadakis, sagten Sie? Was für ein Zufall! Das ist der Bruder von Nikolaos, dem Verlobten meiner Chefin.“
„Ach, die Pension gehört gar nicht Ihnen?“
„Nein“, entgegnete die ältere Dame. „Wir, mein Mann und ich, sind hier nur angestellt. Aber um ehrlich zu sein, zählt Bethany für uns mittlerweile fast zur Familie.“
„Dann kennen Sie doch sicher auch Ioannis. Er war sehr freundlich.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber irgendwie hat er sich seltsam benommen.“
„Tut mir leid, da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Ich habe ihn bisher nicht kennengelernt. Ich erinnere mich, dass er als kleiner Junge mit der Familie die Sommer hier verbracht hat. Aber das ist schon Ewigkeiten her.“
Sofia winkte ab. „Macht nichts, ich werde es schon selbst herausfinden.“
„Davon bin ich überzeugt. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“
Sofia bedankte sich und verließ die Pension. Die Luft war noch immer drückend warm von der Hitze des Tages, doch ein leichter Wind, der vom Meer her wehte, machte es erträglich.
Sie strich den Rock ihres leichten Sommerkleids glatt, atmete tief durch und straffte die Schultern.
Sie war nervös. Seit dem Moment, in dem sie die Papadakis-Villa verlassen hatte, fragte sie sich, ob sie nicht ihre große Chance vertan hatte. Konnte sie mit Sicherheit sagen, ob Ioannis Papadakis wirklich zur verabredeten Zeit auftauchen würde? Begeistert schien er von dem Abendessen jedenfalls nicht gewesen zu sein.
Nachdem der Arzt erschienen war, um sie zu untersuchen, hatte sie ihn nicht noch einmal gesehen und das Angebot des Doktors, sie mit in den Ort zu nehmen, dankbar angenommen. Wenn er jetzt nicht erschien, dann stand sie wieder ganz am Anfang.
Bis zum Hafen war es nicht weit, sodass Sofia bereits kurze Zeit später eintraf. Von Ioannis Papadakis war nichts zu sehen, doch bis acht Uhr war es auch noch gut eine halbe Stunde. Erst wenn die verstrichen war, würde sie sich Gedanken machen, und keine Sekunde früher.
Ein paar Fischerboote liefen gerade in die von schroffen Felsen geschützte Bucht ein, und am Hafenkai saß ein älterer Mann mit rauer, von Wind und Wetter gegerbter Haut und reparierte einige alte Holzkisten.
Alles war genau so, wie sie es in Erinnerung hatte. Fast rechnete sie damit, dass ihr Vater aus der Taverne treten würde, schwankend und lallend. Aber das würde natürlich nicht geschehen. Stavros Kedifis war seit fünf Jahren tot. Gestorben im Gefängnis an Leberzirrhose. Er würde niemandes Leben mehr zerstören.
Nicht ihres, und auch nicht das von völlig unbeteiligten Dritten.
„Sie sehen sehr hübsch aus“, erklang eine angenehm tiefe Stimme hinter ihr und riss sie abrupt zurück in die Gegenwart.
Sie drehte sich um. Ioannis Papadakis stand zwei Schritte von ihr entfernt am Kai. Sie hatte keinen Wagen gehört, und als sie sich nun umblickte, konnte sie auch am Straßenrand keinen entdecken.
„Sind Sie etwa zu Fuß gekommen?“, fragte sie verwundert. Ein Millionenerbe, der sich nicht mit einer Limousine überall hinfahren ließ? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass so etwas häufig vorkam.
Er hob eine Augenbraue. „Warum überrascht Sie das? Auf Patroklos gibt es nun mal so gut wie keinen Straßenverkehr. So klein, wie die Insel ist, macht es auch nicht viel Sinn, sich ein Auto anzuschaffen. Und außerdem laufe ich gern. Sie nicht?“
Überrumpelt schaute sie ihn an. „Ob ich gern …? Doch, sicher. So gern wie man eben läuft, denke ich. Ein Spaziergang im Park nach Feierabend oder am Strand …“
Er nickte. „Sehen Sie? So ungewöhnlich ist das gar nicht. Aber vermutlich haben Sie mit meiner Familie bisher andere Erfahrungen gemacht.“
Da war er wieder, dieser Blick, so als würde er auf etwas warten. Eine Reaktion. Irgendetwas. Sie wusste nur nicht, auf was.
„Ja, bei reichen Leuten stellt man sich das irgendwie anders vor“, entgegnete sie. „Wollen wir dann?“
Die Taverne war idyllisch gelegen, direkt an der Steilküste, und nur über einen schmalen Weg erreichbar, den sie nun hinuntergingen.
„Gibt es das Lokal schon lange?“, fragte Ioannis. „Ich kann mich gar nicht daran erinnern.“
„Es ist vermutlich nicht ganz die Art von Etablissement, die Ihre Familie üblicherweise frequentiert“, entgegnete Sofia. „Ich bin hier im Ort aufgewachsen, und das Lokal gab es schon zu meiner Kindheit. Ehrlich gesagt bin ich fast ein wenig überrascht, dass es noch existiert. Aber laut meiner Pensionswirtin hat inzwischen der Sohn des ursprünglichen Besitzers die Leitung übernommen. Und es wird wohl immer noch vor allem von Einheimischen besucht.“
Sie plapperte. Das tat sie immer, wenn sie nervös war. Erst als sie schon ein ganzes Stück vorangegangen war, bemerkte sie, dass Ioannis ihr nicht mehr folgte.
Sie blieb stehen und drehte sich um. „Stimmt etwas nicht?“
„Ich weiß nicht, für wen Sie mich halten, aber Sie scheinen einen vollkommen falschen Eindruck von mir zu haben. Ich brauche keinen Luxus. Gegen Komfort habe ich natürlich nichts einzuwenden – wer hat das schon? Aber weder werfe ich Geld für teure Benzinschleudern aus dem Fenster noch pflege ich in Sternerestaurants zu speisen.“
Sofia blinzelte. „Ich …“ Sie schüttelte den Kopf und zwang sich zu lächeln. „Sie haben recht, wir haben auf dem falschen Fuß angefangen. Was meinen Sie, wollen wir noch einmal von vorne beginnen?“
Er erwiderte ihr Lächeln, und ihr Herz schlug schneller. Verflixt, er war wirklich attraktiv – und die kleinen Grübchen, die auf seinen Wangen erschienen, machten es nicht besser.
Ganz im Gegenteil sogar.
Er nickte. „Fangen wir von vorne an.“
Ioannis fragte sich nicht zum ersten Mal an diesem Tag, was eigentlich in ihn gefahren war.
Seit er erfahren hatte, wer sie wirklich war, schien sich alles um ihn herum völlig verselbstständigt zu haben. Er konnte noch immer kaum glauben, dass er hier war – mit der Frau, über deren Familie er so viel Unglück gebracht hatte.
Sicher, sein Vater hatte an jenem Tag am Steuer des Wagens gesessen und einem Menschen das Leben genommen. Aber Ioannis hatte geschwiegen – selbst dann noch, als Grigorios sich einen Sündenbock gesucht hatte, der für ihn die Schuld auf sich nahm.
Sofias Vater.
Er atmete tief durch. Stavros Kedifis war ein inselbekannter Säufer und Tunichtgut gewesen, der seinen kleinen Hof in Grund und Boden gewirtschaftet hatte. Ioannis wusste nicht, wie viel sein Vater dem anderen Mann gezahlt hatte, nur, dass es sicherlich genug gewesen war, um seiner Familie ein komfortables Leben zu ermöglichen.
Aber zu welchem Preis?
Sie erreichten das kleine Lokal, das in die Felsen hineingebaut worden war. Eine kurze, in den Stein gehauene Treppe führte hinunter zu einem Steg, an dem vermutlich die Fischerboote anlegten, um ihren frischen Fang abzuliefern.
Als sie den Gastraum betraten, war Ioannis überrascht darüber, wie viele Menschen sich hier aufhielten. Erst auf den zweiten Blick bemerkte er einen Mann, der auf einer Art improvisierten Bühne stand und eine leidenschaftliche Rede hielt.
„Ich hatte keine Ahnung, dass hier ausgerechnet heute Abend eine Veranstaltung stattfindet“, raunte Sofia ihm zu. „Wollen Sie lieber woanders hingehen?“
Er schüttelte den Kopf. Im hinteren Bereich des Raumes, unmittelbar am Fenster, war noch ein Tisch frei. „Nicht nötig“, sagte er. „Setzen wir uns dort hinten hin.“
Es dauerte nicht lange, bis sich der Wirt persönlich zu ihnen an den Tisch gesellte. „Ich möchte mich für das Chaos entschuldigen“, sagte der Mann. „Normalerweise herrscht hier kein solcher Trubel, aber heute Abend findet hier eine Versammlung der Bürgerbewegung Pro-Patroklos statt“, erklärte er.
„Pro-Patroklos?“, fragte Ioannis nach. „Was soll das bedeuten?“