Romanzero - Heinrich Heine - E-Book

Romanzero E-Book

Heinrich Heine

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Beschreibung

Bei dem Titel "Romanzero" handelt es sich um den letzten veröffentlichten Gedichtband des bedeutenden deutschen Dichters, Schriftstellers und Journalisten Heinrich Heine. Er verfasste die darin enthaltenen Gedichte, während er bereits schwer erkrankt war. Dennoch handelt es sich um ein sehr facettenreiches Werk. Neben den für Heinrich Heine typischen Themen Gesellschaft, Politik und Religion, sind auch Reflexionen über sein Leben und literarisches Schaffen, sowie seine Krankheit und den Tod enthalten.-

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Heinrich Heine

Romanzero

Gedichte

Saga

Romanzero

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1851, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726997798

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Erstes Buch

Historien

       Wenn man an dir Verrat geübt,

Sei du um so treuer;

Und ist deine Seele zu Tode betrübt,

So greife zur Leier.

 

Die Saiten klingen! Ein Heldenlied,

Voll Flammen und Gluten!

Da schmilzt der Zorn, und dein Gemüt

Wird süß verbluten.

Rhampsenit

               Als der König Rhampsenit

Eintrat in die goldne Halle

Seiner Tochter, lachte diese,

Lachten ihre Zofen alle.

Auch die Schwarzen, die Eunuchen,

Stimmten lachend ein, es lachten

Selbst die Mumien, selbst die Sphinxe,

Daß sie schier zu bersten dachten.

Die Prinzessin sprach: Ich glaubte

Schon den Schatzdieb zu erfassen,

Der hat aber einen toten

Arm in meiner Hand gelassen.

Jetzt begreif ich, wie der Schatzdieb

Dringt in deine Schatzhauskammern

Und die Schätze dir entwendet,

Trotz den Schlössern, Riegeln, Klammern.

Einen Zauberschlüssel hat er,

Der erschließet allerorten

Jede Türe, widerstehen

Können nicht die stärksten Pforten.

Ich bin keine starke Pforte

Und ich hab nicht widerstanden,

Schätzehütend diese Nacht

Kam ein Schätzlein mir abhanden.

So sprach lachend die Prinzessin

Und sie tänzelt im Gemache,

Und die Zofen und Eunuchen

Hoben wieder ihre Lache.

An demselben Tag ganz Memphis

Lachte, selbst die Krokodile

Reckten lachend ihre Häupter

Aus dem schlammig gelben Nile,

Als sie Trommelschlag vernahmen

Und sie hörten an dem Ufer

Folgendes Reskript verlesen

Von dem Kanzelei-Ausrufer:

Rhampsenit von Gottes Gnaden

König zu und in Ägypten,

Wir entbieten Gruß und Freundschaft

Unsern Vielgetreun und Liebden.

In der Nacht vom dritten zu dem

Vierten Junius des Jahres

Dreizehnhundertvierundzwanzig

Vor Christi Geburt, da war es,

Daß ein Dieb aus unserm Schatzhaus

Eine Menge von Juwelen

Uns entwendet; es gelang ihm

Uns auch später zu bestehlen.

Zur Ermittelung des Täters

Ließen schlafen wir die Tochter

Bei den Schätzen – doch auch jene

Zu bestehlen schlau vermocht er.

Um zu steuern solchem Diebstahl

Und zu gleicher Zeit dem Diebe

Unsre Sympathie zu zeigen,

Unsre Ehrfurcht, unsre Liebe,

Wollen wir ihm zur Gemahlin

Unsre einzge Tochter geben

Und ihn auch als Thronnachfolger

In den Fürstenstand erheben.

Sintemal uns die Adresse

Unsres Eidams noch zur Stunde

Unbekannt, soll dies Reskript ihm

Bringen Unsrer Gnade Kunde.

So geschehn den dritten Jenner

Dreizehnhundert zwanzig sechs

Vor Christi Geburt. – Signieret

Von Uns: Rhampsenitus Rex.

Rhampsenit hat Wort gehalten,

Nahm den Dieb zum Schwiegersohne,

Und nach seinem Tode erbte

Auch der Dieb Ägyptens Krone.

Er regierte wie die Andern,

Schützte Handel und Talente;

Wenig, heißt es, ward gestohlen

Unter seinem Regimente.

Der weiße Elefant

               Der König von Siam, Mahawasant,

Beherrscht das halbe Indienland,

Zwölf Könge, der große Mogul sogar,

Sind seinem Szepter tributar.

Alljährlich mit Trommeln,"Posauneo und Falnen

Ziehen nach Siam die Zinskarawanen;

Viel tausend Kamele, hochberuckte,

Schleppen die kostbarsten Landesprodukte.

Sieht er die schwerbepackten Kamele,

So schmunzelt heimlich des Königs Seele;

Öffentlich freilich pflegt er zu jammern,

Es fehle an Raum in seinen Schatzkammern.

Doch diese Schatzkammern sind so weit,

So groß und voller Herrlichkeit;

Hier überflügelt der Wirklichkeit Pracht

Die Märchen von Tausend und Eine Nacht.

»Die Burg des Indra« heißt die Halle,

Wo aufgestellt die Götter alle,

Bildsäulen von Gold, fein ziselieret,

Mit Edelsteinen inkrustieret.

Sind an der Zahl wohl dreißig Tausend,

Figuren abenteuerlich grausend,

Mischlinge von Menschen- und Tiergeschöpfen,

Mit vielen Händen und vielen Köpfen.

Im »Purpursaale« sieht man verwundert

Korallenbäume dreizehnhundert,

Wie Palmen groß, seltsamer Gestalt,

Geschnörkelt die Äste, ein roter Wald.

Das Estrich ist vom reinsten Kristalle

Und widerspiegelt die Bäume alle.

Fasanen vom buntesten Glanzgefieder

Gehn gravitätisch dort auf und nieder.

Der Lieblingsaffe des Mahawasant

Trägt an dem Hals ein seidenes Band,

Dran hängt der Schlüssel, welcher erschleußt

Die Halle, die man den Schlafsaal heißt.

Die Edelsteine vom höchsten Wert

Die liegen wie Erbsen hier auf der Erd

Hochaufgeschüttet; man findet dabei

Diamanten so groß wie ein Hühnerei.

Auf grauen, mit Perlen gefüllten Säcken

Pflegt hier der König sich hinzustrecken;

Der Affe legt sich zum Monarchen,

Und beide schlafen ein und schnarchen.

Das Kostbarste aber von allen Schätzen

Des Königs, sein Glück, sein Seelenergötzen,

Die Lust und der Stolz von Mahawasant,

Das ist sein weißer Elefant.

Als Wohnung für diesen erhabenen Gast

Ließ bauen der König den schönsten Palast;

Es wird das Dach, mit Goldblech beschlagen,

Von lotosknäufigen Säulen getragen.

Am Tore stehen dreihundert Trabanten

Als Ehrenwache des Elefanten,

Und knieend, mit gekrümmtem Rucken,

Bedienen ihn hundert schwarze Eunucken.

Man bringt auf einer güldnen Schüssel

Die leckersten Bissen für seinen Rüssel;

Er schlürft aus silbernen Eimern den Wein,

Gewürzt mit den süßesten Spezerein.

Man salbt ihn mit Ambra und Rosenessenzen,

Man schmückt sein Haupt mit Blumenkränzen;

Als Fußdecke dienen dem edlen Tier

Die kostbarsten Schals aus Kaschimir.

Das glücklichste Leben ist ihm beschieden,

Doch Niemand auf Erden ist zufrieden.

Das edle Tier, man weiß nicht wie,

Versinkt in tiefe Melancholie.

Der weiße Melancholikus

Steht traurig mitten im Überfluß.

Man will ihn ermuntern, man will ihn erheitern,

Jedoch die klügsten Versuche scheitern.

Vergebens kommen mit Springen und Singen

Die Bajaderen; vergebens erklingen

Die Zinken und Pauken der Musikanten,

Doch nichts erlustigt den Elefanten.

Da täglich sich der Zustand verschlimmert,

Wird Mahawasantes Herz bekümmert;

Er läßt vor seines Thrones Stufen

Den klügsten Astrologen rufen.

»Sterngucker, ich laß dir das Haupt abschlagen«,

Herrscht er ihn an, »kannst du mir nicht sagen,

Was meinem Elefanten fehle,

Warum so verdüstert seine Seele?«

Doch jener wirft sich dreimal zur Erde,

Und endlich spricht er mit ernster Gebärde:

»O König, ich will dir die Wahrheit verkünden,

Du kannst dann handeln nach Gutbefinden.

»Es lebt im Norden ein schönes Weib

Von hohem Wuchs und weißem Leib,

Dein Elefant ist herrlich, unleugbar,

Doch ist er nicht mit ihr vergleichbar.

»Mit ihr verglichen, erscheint er nur

Ein weißes Mäuschen. Es mahnt die Statur

An Bimha, die Riesin, im Ramajana,

Und an der Epheser große Diana.

»Wie sich die Gliedermassen wölben

Zum schönsten Bau! Es tragen dieselben

Anmutig und stolz zwei hohe Pilaster

Von blendend weißem Alabaster.

»Das ist Gott Amors kolossale

Domkirche, der Liebe Kathedrale;

Als Lampe brennt im Tabernakel

Ein Herz, das ohne Falsch und Makel.

»Die Dichter jagen vergebens nach Bildern,

Um ihre weiße Haut zu schildern;

Selbst Gautier ist dessen nicht kapabel, –

O diese Weiße ist implacable!

»Des Himalaya Gipfelschnee

Erscheint aschgrau in ihrer Näh;

Die Lilje, die ihre Hand erfaßt,

Vergilbt durch Eifersucht oder Kontrast.

»Gräfin Bianka ist der Name

Von dieser großen weißen Dame;

Sie wohnt zu Paris im Frankenland,

Und diese liebt der Elefant.

»Durch wunderbare Wahlverwandtschaft,

Im Traume machte er ihre Bekanntschaft,

Und träumend in sein Herze stahl

Sich dieses hohe Ideal.

»Sehnsucht verzehrt ihn seit jener Stund,

Und er, der vormals so froh und gesund,

Er ist ein vierfüßiger Werther geworden,

Und träumt von einer Lotte im Norden.

»Geheimnisvolle Sympathie!

Er sah sie nie und denkt an sie.

Er trampelt oft im Mondschein umher

Und seufzet: wenn ich ein Vöglein wär!

»In Siam ist nur der Leib, die Gedanken

Sind bei Bianka im Lande der Franken;

Doch diese Trennung von Leib und Seele

Schwächt sehr den Magen, vertrocknet die Kehle.

»Die leckersten Braten widern ihn an,

Er liebt nur Dampfnudeln und Ossian,

Er hüstelt schon, er magert ab,

Die Sehnsucht schaufelt sein frühes Grab.

»Willst du ihn retten, erhalten sein Leben,

Der Säugetierwelt ihn wiedergeben,

O König, so schicke den hohen Kranken

Direkt nach Paris, der Hauptstadt der Franken.

»Wenn ihn alldort in der Wirklichkeit

Der Anblick der schönen Frau erfreut,

Die seiner Träume Urbild gewesen,

Dann wird er von seinem Trübsinn genesen.

»Wo seiner Schönen Augen strahlen,

Da schwinden seiner Seele Qualen;

Ihr Lächeln verscheucht die letzten Schatten,

Die hier sich eingenistet hatten;

»Und ihre Stimme, wie'n Zauberlied,

Löst sie den Zwiespalt in seinem Gemüt;

Froh hebt er wieder die Lappen der Ohren,

Er fühlt sich verjüngt, wie neugeboren.

»Es lebt sich so lieblich, es lebt sich so süß

Am Seinestrand, in der Stadt Paris!

Wie wird sich dorten zivilisieren

Dein Elefant und amüsieren!

»Vor allem aber, o König, lasse

Ihm reichlich füllen die Reisekasse,

Und gib ihm einen Kreditbrief mit

Auf Rothschild frères in der rue Lafitte.

»Ja, einen Kreditbrief von einer Million

Dukaten etwa; – der Herr Baron

Von Rothschild sagt von ihm alsdann:

Der Elefant ist ein braver Mann!«

So sprach der Astrolog, und wieder

Warf er sich dreimal zur Erde nieder.

Der König entließ ihn mit reichen Geschenken,

Und streckte sich aus, um nachzudenken.

Er dachte hin, er dachte her;

Das Denken wird den Königen schwer.

Sein Affe sich zu ihm niedersetzt,

Und beide schlafen ein zuletzt.

Was er beschlossen, das kann ich erzählen

Erst später; die indischen Mall'posten fehlen.

Die letzte, welche uns zugekommen,

Die hat den Weg über Suez genommen.

Schelm von Bergen

               Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein

wird Mummenschanz gehalten;

Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,

Da tanzen die bunten Gestalten.

Da tanzt die schöne Herzogin,

Sie lacht laut auf beständig;

Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,

Gar höfisch und behendig.

Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,

Daraus gar freudig blicket

Ein Auge, wie ein blanker Dolch,

Halb aus der Scheide gezücket.

Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,

Wenn jene vorüberwalzen.

Der Drickes und die Marizzebill

Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.

Und die Trompeten schmettern drein,

Der närrische Brummbaß brummet,

Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt

Und die Musik verstummet.

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Ich muß nach Hause gehen –«

Die Herzogin lacht: Ich laß dich nicht fort,

Bevor ich dein Antlitz gesehen.

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen –«

Die Herzogin lacht: Ich fürchte mich nicht,

Ich will dein Antlitz schauen.

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Der Nacht und dem Tode gehör ich –«

Die Herzogin lacht: Ich lasse dich nicht,

Dein Antlitz zu schauen begehr ich.

Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,

Das Weib nicht zähmen kunnt er;

Sie riß zuletzt ihm mit Gewalt

Die Maske vom Antlitz herunter.

Das ist der Scharfrichter von Bergen! so schreit

Entsetzt die Menge im Saale

Und weichet scheusam – die Herzogin

Stürzt fort zu ihrem Gemahle.

Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach

Der Gattin auf der Stelle.

Er zog sein blankes Schwert und sprach:

Knie vor mir nieder, Geselle!

Mit diesem Schwertschlag mach ich dich

Jetzt ehrlich und ritterzünftig,

Und weil du ein Schelm, so nenne dich

Herr Schelm von Bergen künftig.

So ward der Henker ein Edelmann

Und Ahnherr der Schelme von Bergen.

Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.

Jetzt schläft es in steinernen Särgen.

Valkyren

           Unten Schlacht. Doch oben schossen

Durch die Luft auf Wolkenrossen

Drei Valkyren, und es klang

Schilderklirrend ihr Gesang:

Fürsten hadern, Völker streiten,

Jeder will die Macht erbeuten;

Herrschaft ist das höchste Gut,

Höchste Tugend ist der Mut.

Heisa! vor dem Tod beschützen

Keine stolzen Eisenmützen,

Und das Heldenblut zerrinnt

Und der schlechtre Mann gewinnt.

Lorbeerkränze, Siegesbogen!

Morgen kommt er eingezogen,

Der den Bessern überwand

Und gewonnen Leut und Land.

Bürgermeister und Senator

Holen ein den Triumphator,

Tragen ihm die Schlüssel vor,

Und der Zug geht durch das Tor.

Hei! da böllerts von den Wällen,

Zinken und Trompeten gellen,

Glockenklang erfüllt die Luft,

Und der Pöbel Vivat! ruft.

Lächelnd stehen auf Balkonen

Schöne Fraun, und Blumenkronen

Werfen sie dem Sieger zu.

Dieser grüßt mit stolzer Ruh.

Schlachtfeld bei Hastings

               Der Abt von Waltham seufzte tief,

Als er die Kunde vernommen,

Daß König Harold elendiglich

Bei Hastings umgekommen.

Zwei Mönche, Asgod und Ailrik genannt,

Die schickt' er aus als Boten,

Sie sollten suchen die Leiche Harolds

Bei Hastings unter den Toten.

Die Mönche gingen traurig fort

Und kehrten traurig zurücke:

»Hochwürdiger Vater, die Welt ist uns gram,

Wir sind verlassen vom Glücke.

»Gefallen ist der beßre Mann,

Es siegte der Bankert, der schlechte,

Gewappnete Diebe verteilen das Land

Und machen den Freiling zum Knechte.

»Der lausigste Lump aus der Normandie

Wird Lord auf der Insel der Britten;

Ich sah einen Schneider aus Bayeux, er kam

Mit goldnen Sporen geritten.

»Weh dem, der jetzt ein Sachse ist!

Ihr Sachsenheilige droben

Im Himmelreich, nehmt euch in Acht,

Ihr seid der Schmach nicht enthoben.

»Jetzt wissen wir, was bedeutet hat

Der große Komet, der heuer

Blutrot am nächtlichen Himmel ritt

Auf einem Besen von Feuer.

»Bei Hastings in Erfüllung ging

Des Unsterns böses Zeichen,

Wir waren auf dem Schlachtfeld dort

Und suchten unter den Leichen.

»Wir suchten hin, wir suchten her,

Bis alle Hoffnung verschwunden

Den Leichnam des toten Königs Harold,

Wir haben ihn nicht gefunden.«

Asgod und Ailrik sprachen also;

Der Abt rang jammernd die Hände,

Versank in tiefe Nachdenklichkeit

Und sprach mit Seufzen am Ende:

»Zu Grendelfield am Bardenstein,

Just in des Waldes Mitte,

Da wohnet Edith Schwanenhals

In einer dürftgen Hütte.

»Man hieß sie Edith Schwanenhals,

Weil wie der Hals der Schwäne

Ihr Nacken war; der König Harold,

Er liebte die junge Schöne.

»Er hat sie geliebt, geküßt und geherzt,

Und endlich verlassen, vergessen.

Die Zeit verfließt; wohl sechzehn Jahr

Verflossen unterdessen.

»Begebt euch, Brüder, zu diesem Weib

Und laßt sie mit euch gehen

Zurück nach Hastings, der Blick des Weibs

Wird dort den König erspähen.

»Nach Waltham-Abtei hierher alsdann

Sollt ihr die Leiche bringen,

Damit wir christlich bestatten den Leib

Und für die Seele singen.«

Um Mitternacht gelangten schon

Die Boten zur Hütte im Walde:

»Erwache, Edith Schwanenhals,

Und folge uns alsbalde.

»Der Herzog der Normannen hat

Den Sieg davongetragen,

Und auf dem Feld bei Hastings liegt

Der König Harold erschlagen.

»Kommt mit nach Hastings, wir suchen dort

Den Leichnam unter den Toten,

Und bringen ihn nach Waltham-Abtei,

Wie uns der Abt geboten.«

Kein Wort sprach Edith Schwanenhals,

Sie schürzte sich geschwinde

Und folgte den Mönchen; ihr greisendes Haar

Das flatterte wild im Winde.

Es folgte barfuß das arme Weib

Durch Sümpfe und Baumgestrüppe.

Bei Tagesanbruch gewahrten sie schon

Zu Hastings die kreidige Klippe.

Der Nebel, der das Schlachtfeld bedeckt

Als wie ein weißes Lailich,

Zerfloß allmählig; es flatterten auf

Die Dohlen und krächzten abscheulich.

Viel tausend Leichen lagen dort

Erbärmlich auf blutiger Erde,

Nackt ausgeplündert, verstümmelt, zerfleischt,

Daneben die Äser der Pferde.

Es wadete Edith Schwanenhals

Im Blute mit nackten Füßen;

Wie Pfeile aus ihrem stieren Aug

Die forschenden Blicke schießen.

Sie suchte hin, sie suchte her,

Oft mußte sie mühsam verscheuchen

Die fraßbegierige Rabenschar;

Die Mönche hinter ihr keuchen.

Sie suchte schon den ganzen Tag,

Es ward schon Abend – plötzlich

Bricht aus der Brust des armen Weibs

Ein geller Schrei, entsetzlich.

Gefunden hat Edith Schwanenhals

Des toten Königs Leiche.

Sie sprach kein Wort, sie weinte nicht,

Sie küßte das Antlitz, das bleiche.

Sie küßte die Stirne, sie küßte den Mund,

Sie hielt ihn fest umschlossen;

Sie küßte auf des Königs Brust

Die Wunde blutumflossen.

Auf seiner Schulter erblickt sie auch –

Und sie bedeckt sie mit Küssen –

Drei kleine Narben, Denkmäler der Lust,

Die sie einst hinein gebissen.

Die Mönche konnten mittlerweil

Baumstämme zusammenfugen;

Das war die Bahre, worauf sie alsdann

Den toten König trugen.

Sie trugen ihn nach Waltham-Abtei,

Daß man ihn dort begrübe;

Es folgte Edith Schwanenhals

Der Leiche ihrer Liebe.

Sie sang die Totenlitanein

In kindisch frommer Weise;

Das klang so schauerlich in der Nacht –

Die Mönche beteten leise. –

Karl I.

               Im Wald, in der Köhlerhütte, sitzt

Trübsinnig allein der König;

Er sitzt an der Wiege des Köhlerkinds

Und wiegt und singt eintönig:

Eiapopeia, was raschelt im Stroh?