Rot-Licht-Tot - Feronia Petri - E-Book

Rot-Licht-Tot E-Book

Feronia Petri

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Mörder mit Filmriss?! Als Christian in einem Stundenhotel auf St. Pauli neben einem toten Transvestiten aufwacht, hat sich sein harmloser Musical-Trip nach Hamburg in einen Alptraum verwandelt. Er steht unter Mordanklage, hat kein Alibi, seine Frau ist spurlos verschwunden. Und wer ist die geheimnisvolle Killerin, vor der die halbe Stadt zittert? Was für eine Rolle spielt der brandgefährliche Psychopath Keder? Auf der Suche nach seiner geliebten Jasmin gerät Christian in einen Strudel aus Sex und Gewalt. Der Roman enthält explizite Szenen mit Gewalt und Erotik und ist nur für volljährige Leser geeignet. Bisher von der Autorin erschienen: - Rot-Licht-Tot - Nachtherrin - Eisenbraut - St. Pauli Baby - Bunkerleiche - Leichenfeld

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Feronia Petri

Rot-Licht-Tot

Erotik-Thriller

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Titelei

Feronia Petri

ROT-LICHT-TOT

 

Erotic-Thriller

 

 

 

 

 

 

Originalausgabe 2018

 

Copyright © 2018, Feronia Petri

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung der Autorin wiedergegeben und verbreitet werden.

 

Covergestaltung:

Marie Wölk, www.wolkenart.com

 

 

1

1

 

Christians Finger tasteten über eiskalte Haut.

Im ersten Moment glaubte er, Jasmin würde frieren. Vielleicht hatte seine Frau ja im Schlaf die Decke abgestreift? Denn Christian lag im Bett, daran gab es keinen Zweifel. Die Matratze unter ihm fühlte sich butterweich und durchgelegen an. Dafür waren seine Nackenmuskeln steinhart. Außerdem wurde ihm schwindlig, sobald er den Kopf drehte. Seine Zunge lag wie ein Stück alter Putzwolle in seinem Mund.

Christian musste am Vorabend wirklich gewaltig abgestürzt sein. Ihm war übel, doch die Besorgnis um Jasmin gewann die Oberhand. Seine Frau würde sich noch erkälten, wenn er sie nicht wieder zudeckte.

Mit voller Kraftanstrengung wälzte sich Christian auf die andere Seite. Er fand den Schalter der Nachttischlampe, legte ihn um. Licht flackerte auf. Vorsichtig öffnete Christian seine Augenlider.

Im nächsten Moment schrie er vor Entsetzen.

Neben ihm lag … jemand! Kalkweiß, in einem See aus Blut, das Laken und Teppichboden getränkt hatte. Tot, schoss es ihm durch den Kopf. Da bemerkte er auch auf seinem Körper getrocknetes Blut.

Sein Herz begann zu rasen. Nur für Sekunden hatte Christian angenommen, der Tote neben ihm sei eine Frau. Gewiss, der erstarrte Körper verfügte über große Brüste. Doch auch der Penis dieser Leiche, der von Größe und Form her an ein Cocktailwürstchen erinnerte, war nicht zu übersehen.

Schließlich musste Christian auch noch angewidert feststellen, dass irgendein Satan in Menschengestalt den aufgespritzten Kussmund des Transvestiten zugenäht hatte. Die weit aufgerissenen toten Augen des Mordopfers starrten die rissige Zimmerdecke an.

Christians Magen rebellierte. Er sprang auf, wollte ins Bad rennen. Er riss die Tür auf, doch in seiner Panik erwischte er die falsche. Plötzlich stand er auf dem Hotelkorridor. Dort waren zwei junge Frauen mit Rollbags offenbar auf dem Weg zu ihrem Zimmer. Sie schrien erschrocken auf, als sie den nackten blutverschmierten Mann sahen.

Christian machte kehrt und eilte auf wackligen Beinen ins Zimmer zurück. Sein Mageninhalt wollte sich nun wirklich dringend von ihm verabschieden. Diesmal fand er die richtige Tür und gerade noch rechtzeitig die Toilettenschüssel.

Nach dem Kotzen ging es ihm zwar nicht gut, aber zumindest konnte er wieder halbwegs klar denken.

Was war bloß während der Nacht geschehen?

Jasmin und er waren im »König der Löwen« gewesen. Sie hatten sich die Musicalreise nach Hamburg gegönnt, um ihren ersten Hochzeitstag zu begehen.

Doch wo war sie jetzt? Wie kam er hierher? Und wer hatte den Transvestiten erstochen?

Er kam aus seiner kauernden Position vor der Kloschüssel hoch und drehte den Wasserhahn auf. Die kalte Flüssigkeit war ein Labsal auf seiner heißen Gesichtshaut. Christian frottierte sich trocken, dann riskierte er einen Blick in den Spiegel.

Eine üble Visage starrte ihm entgegen.

Eigentlich sah Christian gut aus, was ihm auch von vielen Kundinnen mehr oder weniger direkt bestätigt wurde. Er arbeitete im Außendienst einer Versicherung. Sein natürlicher Charme verhalf ihm zu so manchem Abschluss. Er war 35 Jahre alt, schlank und dunkelhaarig und hielt sich mit Joggen und Tennis fit.

Davon war momentan nichts mehr zu sehen. Sein grauer Teint erinnerte Christian an Bilder von Crackrauchern, die er einmal im TV gesehen hatte. Die Augen waren blutunterlaufen, die Lippen bleich und rissig.

Crack?

Christian nahm keine Drogen, trank höchstens mal mit seinen Freunden ein paar Biere zu viel. Deshalb war ihm sein momentaner Zustand auch so unheimlich. Waren Jasmin und er vielleicht in schlechte Gesellschaft geraten, nachdem sie ...?

Christian konnte den Gedanken nicht zu Ende führen, denn in diesem Moment wurde die Zimmertür eingetreten.

»Polizei! Auf den Boden!«

Laute Rufe ertönten, Christian hörte das Klirren von Waffen und das Getrampel schwerer Stiefel. Die Badezimmertür wurde aufgestoßen, und Christian erblickte mehrere maskierte Gestalten mit Helmen auf den Köpfen und Maschinenpistolen in den Fäusten. Sie rissen ihn zu Boden und legten ihm mit beachtlicher Geschwindigkeit Handschellen an.

Christian war zum letzten Mal während seiner Schulzeit in Hamburg gewesen. Meistens fuhr er vom heimatlichen Nordhorn aus lieber nach Berlin, wenn er Metropolenluft schnuppern wollte. Christian war Hauptstadt-Fan, er liebte das Flair der größten deutschen Stadt.

Doch diesmal hatte Jasmin sich den Musicalbesuch gewünscht, und deshalb war ihr Ziel die Hansestadt an der Elbe gewesen. Christian hatte bei dem Wochenendtrip noch einen Bummel über den Jungfernstieg und einen Zoobesuch in Hagenbecks Tierpark vorgeplant. Eine Begegnung mit dem Mobilen Einsatzkommando der Hamburger Polizei war nicht vorgesehen gewesen.

Immerhin musste Christian den Beamten zugestehen, dass sie mit einer beinahe meditativen Professionalität und Selbstsicherheit vorgingen. Obwohl das Hotelzimmer eher an ein Schlachthaus erinnerte und er als eine blutrünstige Bestie erscheinen musste, belehrten sie ihn kühl über seine Rechte als »Beschuldigter in einer Straftat«.

Außerdem warfen sie ihm eine Wolldecke über, so dass er den Weg vom Zimmer zum hinter dem Gebäude parkenden Gefangenentransporter nicht splitternackt zurücklegen musste. Die eigentliche Verhaftung hatte Christian wortlos über sich ergehen lassen. Erst jetzt ließ sein Schockzustand allmählich nach.

»Hören Sie, ich habe den Mann nicht umgebracht«, krächzte Christian. Darauf erwiderte keiner der Polizisten etwas, und von ihren Mienen konnte Christian wegen der Gesichtsmasken auch nichts ablesen.

Dafür war die hinter dem Hotel lauernde Medienmeute umso mitteilsamer. Christian musste sich nicht fragen, woher die Pressegeier von seiner Festnahme wussten. Wahrscheinlich hatten Hotelgäste oder Angestellte nicht nur die Polizei, sondern auch TV und Zeitungen informiert. Die Sätze der Sensationsjournalisten trafen Christian wie Fausthiebe.

»Da ist der Transenkiller!«

»Du Schwulenhasser!«

»Sind Sie rechtsradikal?«

Christian hätte dem Mob am liebsten entgegen geschrien, dass er unschuldig war. Aber er fühlte sich immer noch verwirrt, konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Außerdem versuchten die MEK-Beamten, Christians Konfrontation mit den Pressebestien so kurz wie möglich zu halten. Sie drängten die Journaille ab und verfrachteten Christian im Handumdrehen in das vergitterte Transportfahrzeug.

Christian war fast erleichtert, als ein MEK-Maskenmann neben ihm auf der schmalen Bank Platz nahm und ansonsten die Tür von außen zugerammt wurde.

»Wo ist meine Frau?«, brachte Christian hervor. Der Polizist schaute ihn mit einem unergründlichen Blick an. Christian fürchtete schon, auf Granit zu beißen. Aber dann bekam er doch noch eine Antwort. Der MEK-Beamte hatte eine tiefe Stimme und einen breiten Hamburger Akzent.

»Die Mordkommission wird Sie schon bald vernehmen.«

 

***

 

Zu spät hatte sie bemerkt, dass man sie erkannt hatte.

Es war ihr Fehler gewesen, sich in Sicherheit zu wähnen. Sie hatte geglaubt, Netrix weit hinter sich gelassen zu haben. Es war zu gut gelaufen in den vergangenen Jahren, der Erfolg hatte sie leichtsinnig gemacht.

Christian war am Freitag in der Bar plötzlich fort gewesen. Sie hatten sich eine Musical-Vorstellung angesehen, danach wollten sie noch etwas trinken. Und als sie auf ihn wartete, begriff sie, dass sie ihn vorerst nicht wiedersehen würde. Um Christian wollte sie sich später kümmern, Netrix würde ihn wohl nicht gleich töten. Jedenfalls hoffte sie das.

Sie musste jetzt um ihr Leben kämpfen, und das konnte sie. Diesmal ging es ums Ganze. Nachdem sie durch den Hinterausgang verschwunden war, scannten ihre Blicke die Umgebung ab. Sie suchte Keder.

Aber dieser Feigling schickte natürlich seine Schergen vor. Sie wollte sich absetzen, musste nachdenken. Zunächst brauchte sie andere Kleidung, außerdem eine Waffe. Das würde sich finden. Sie knackte einen Toyota Corolla mit Hamburger Kennzeichen, raste davon. Die Kerle verfolgten sie, aber sie konnte die Meute abschütteln. Plötzlich bemerkte sie, dass sie ihren Zimmerschlüssel verloren hatte. Sie unterdrückte einen Fluch. Aber es sah momentan nicht danach aus, dass sie in ihr Hotelzimmer zurückkehren könnte.

Erst musste sie die Sache mit Netrix bereinigen.

2

2

 

Die nächsten Stunden kamen Christian vor wie ein nicht enden wollender Alptraum. Er wurde erkennungsdienstlich behandelt, ließ sich sogar freiwillig eine DNA-Probe abnehmen, um sein Entgegenkommen zu demonstrieren.

»Wo ist meine Frau?«

Diese Frage richtete Christian an mindestens fünf verschiedene Beamte, die sich mit ihm befassten. Eine brauchbare Antwort erhielt er nicht. Christian erinnerte sich zum Glück an den Namen des Hotels, in dem Jasmin und er abgestiegen waren. Und er berichtete auch von dem Musical-Besuch am Vorabend. Es kam Christian so vor, als ob seitdem eine halbe Ewigkeit vergangen wäre.

Immerhin hatten die Polizisten ihn inzwischen mit einem Jogginganzug und Turnschuhen ausstaffiert, so dass er sich nicht ganz so entblößt vorkam. Sogar unter die Dusche hatte er gedurft - natürlich nicht, ohne dass die Beamten vorher eine Probe des auf seiner Haut getrockneten Blutes von seinem Körper gekratzt und dokumentiert hatten.

Schließlich war die Prozedur überstanden. Christian hatte inzwischen mitbekommen, dass er sich im Polizeipräsidium befand. Man schaffte ihn in einen kahlen Raum, in dem nur wenige Stühle sowie einen Tisch standen. Dort bekam Christian einen Becher Kaffee und ein Brötchen mit Jagdwurst vorgesetzt.

Er aß und trank mit Appetit, obwohl der Kaffee wässrig und das Brötchen staubtrocken war. Christian fühlte sich körperlich wieder halbwegs fit. Zu der erkennungsdienstlichen Behandlung hatte auch eine ärztliche Untersuchung gehört. Aber da man ihm die Ergebnisse nicht mitgeteilt hatte, wurde er dadurch auch nicht schlauer.

Die Ungewissheit nagte an ihm wie eine Ratte, die sich an seinen Gedärmen gütlich tat. Warum sagte man ihm nicht, was mit Jasmin geschehen war? Hatte jemand Christians Frau umgebracht? Glaubte die Polizei, er hätte etwas damit zu tun? Und was war mit dem toten Transvestiten?

Die Gedanken schwirrten durch Christians Kopf, und je stärker er grübelte, desto mehr verschlechterte sich sein Zustand wieder. Da ging plötzlich die Tür auf. Eine Frau und ein Mann betraten den Raum, beide in Zivil.

Die Polizistin trug Jeans und ein Hoodie. Sie war ungefähr in Christians Alter, hatte eine blonde Kurzhaarfrisur und machte einen burschikosen Eindruck. Wenn Christian nicht vermutet hätte, dass sie eine Kriminalbeamtin war, wäre sie von ihm vielleicht für eine Krankengymnastin oder eine Sportlehrerin gehalten worden.

Ihr Kollege machte hingegen den Eindruck, sich in Uniform eigentlich wohler zu fühlen und nur deshalb widerwillig einen Anzug zu tragen, weil es seine jetzige Stellung erforderte. Seine Stirnglatze und der Blick seiner blassblauen Augen erinnerte Christian an einen toten Fisch.

»Sie sind Christian Lange aus Nordhorn.«

Diesen Satz sprach die Polizistin aus. Es war schwer einzuschätzen, ob er als Frage oder als Feststellung gemeint war.

»Ja, der bin ich«, gab Christian schnell zurück. Und dann wiederholte er sein Mantra: »Wo ist meine Frau?«

Die beiden Kripoleute hatten am Tisch gegenüber von Christian Platz genommen.

»Eins nach dem anderen«, erwiderte die Blonde munter. Sie schlug ihren mitgebrachten Schnellhefter auf und schaute so bedeutungsschwanger hinein, als ob er den Stein der Weisen enthalten würde. Die Polizistin blickte Christian nun direkt ins Gesicht.

»Ich bin Kriminalhauptkommissarin Rabea Borchert, und das ist mein Kollege Kriminaloberkommissar Sönke Ahlers. Wir sind von der Hamburger Kriminalpolizei und vernehmen Sie als Beschuldigten in einer Straftat. Sie müssen zur Sache keine Angaben machen, mit denen Sie sich selbst belasten würden. Wünschen Sie einen Anwalt?«

Christian wurde ungeduldig. Womöglich war Jasmin verletzt und brauchte Hilfe, während er hier seit einer gefühlten halben Ewigkeit mit diesen Polizei-Prozeduren in Atem gehalten wurde.

Ungehalten antwortete er: »Anwalt? Ich weiß nicht, ob ich einen brauche. Sagen Sie es mir. Und dann möchte ich erfahren, was mit meiner Frau geschehen ist. Oder können Sie mir das nicht sagen?«

Ahlers verzog sein Pokergesicht um keinen Millimeter, während Rabea Borchert Christian spielerisch mit dem Finger drohte - eine Geste, die ihm unglaublich albern und deplatziert vorkam.

»Nicht aufregen, Herr Lange. Das ist schlecht für die Gesundheit. Und die Ihrige ist ohnehin arg angeschlagen, wenngleich das nicht Ihre Schuld ist. Jedenfalls gehe ich nicht davon aus, dass Sie sich freiwillig GHB einpfiffen haben. Oder?«

»GHB?«, wiederholte Christian verständnislos.

»Das ist die Abkürzung für Gamma-Hydroxybuttersäure, auch als Liquid Ecstasy bekannt. Oder als K.O.-Tropfen. Eine bekannte Vergewaltigungsdroge«, schnarrte Ahlers. »Sie wird oft eingesetzt, um Opfer von Sexualdelikten willenlos zu machen. Eine weitere Wirkung dieser Substanz besteht in einem teilweisen Gedächtnisverlust des Geschädigten. Oder der Geschädigten, denn meistens fallen Frauen dem GHB-Einsatz zum Opfer.«

Vergewaltigungsdroge? Sexualdelikt? Sollte etwa wirklich etwas zwischen ihm und diesem Transvestiten gelaufen sein, bevor der Mann ermordet wurde? Christian merkte, dass bei dieser Vorstellung sein Magen erneut zu rebellieren begann. Rabea Borchert schien zu spüren, was in ihm vorging. Beruhigend redete sie auf ihn ein.

»Es gibt keine Hinweise darauf, dass Sie in den vergangenen 24 Stunden Geschlechtsverkehr hatten, Herr Lange. Weder aktiv noch passiv. Bei der ärztlichen Untersuchung wurden keine Verletzungen im Analbereich festgestellt, wie sie sonst für Vergewaltigungen von Männern typisch sind.«

Ahlers ergänzte: »Und das Bettlaken im Hotel weist auch keine Spermaspuren auf, weder von Ihnen noch von Flaviu Spirescu.«

»Flaviu Spirescu?«

»So heißt der Transvestit, dessen Leiche neben Ihnen im Bett lag, Herr Lange. Spirescu war rumänischer Staatsbürger und polizeilich bekannt, soviel kann ich Ihnen verraten. Allerdings ist uns noch ein Rätsel, weshalb jemand seinen Mund zugenäht hat.«

»Vielleicht mag der Mörder ja keine Blowjobs«, bemerkte Ahlers grinsend. Seine Kollegin warf ihm einen kalten Blick zu.

Christian witterte Morgenluft. »Heißt das, ich bin nicht mehr mordverdächtig?«

»Zumindest gibt es gewichtige Gründe, die gegen Sie als Transenkiller sprechen«, meinte die Kriminalistin. »Das Opfer wurde erstochen. Aber als meine Kollegen vom MEK das Hotelzimmer stürmten, konnten sie die Mordwaffe nirgendwo finden.«

Christian atmete tief durch. Er versuchte, die Neuigkeiten zu verarbeiten. Aber das war gar nicht so einfach, denn sein Körper litt immer noch unter den Nachwirkungen der Droge. Oder war es die Ungewissheit über Jasmins Schicksal, die ihn innerlich auffraß? Vielleicht eine Mischung aus beidem.

Rabea Borcherts Stimme unterbrach seine Grübeleien.

»Momentan sieht es für mich so aus, als ob jemand auf stümperhafte Art versucht hat, Ihnen den Mord in die Schuhe zu schieben. Nach dem ersten Zwischenbericht des Pathologen weist Spirescus Körper Abwehrverletzungen auf. Er hat auch DNA-Material unter den Fingernägeln, das vermutlich von seinem Angreifer stammt. Es stimmt nicht mit Ihren Proben überein.«

»Ich bin also unschuldig«, stellte Christian fest. »Und was unternehmen Sie wegen meiner Frau?«

»Ich habe schon im Maxwell Hotel angerufen, das Sie im Rahmen Ihres Musical-Arrangements gebucht hatten«, erklärte die Kriminalistin. »Dort hat allerdings niemand Ihre Gattin gesehen, seit sie gemeinsam mit Ihnen am Freitagabend zur Musical-Vorstellung gefahren ist.«

»Dann suchen Sie meine Frau endlich!«, forderte Christian. »Allmählich wird es mir zu bunt. Sie haben ja selbst gesagt, dass man mir den Mord anhängen wollte. Jasmin könnten die schlimmsten Dinge zustoßen, während wir hier stundenlang palavern.«

»Haben Sie Hinweise auf ein Verbrechen, dem Ihre Frau zum Opfer gefallen sein könnte?«, fragte Rabea Borchert. Christian schüttelte mürrisch den Kopf.

»Dank dieser verfluchten Droge erinnere ich mich an gar nichts mehr.«

»Wir sind hier jedenfalls nicht bei der Vermisstenabteilung«, stellte Ahlers trocken fest. »Jemand hat Sie gründlich verarscht, Herr Lange. Und vielleicht war dieser Jemand ja sogar Ihre Frau.«

Christian ging hoch wie eine Rakete. Er war eigentlich nicht sonderlich temperamentvoll, außer beim Fußball. Aber das war zu viel für ihn. Er musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um Ahlers keine Kopfnuss zu verpassen. Wenn Christian sich jetzt etwas absolut nicht leisten konnte, dann war es eine Anklage wegen eines Angriffs auf einen Polizeibeamten im Dienst.

Er ließ sich wieder auf die Sitzfläche fallen. Sein Kreislauf rebellierte, ihm wurde schwindlig. Endlich schaffte Christian es, ein paar halbwegs verständliche Sätze hervorzustoßen.

»Glauben Sie ernsthaft, dass meine Frau die Transe umgebracht, ihr den Mund zugenäht und mich dann mit der Leiche alleingelassen hat?«

Ahlers schien nicht zu begreifen, dass die Frage ironisch gemeint war. Er wiegte sinnierend den Kopf.

»Wir erleben hier die unmöglichsten Dinge, das können Sie mir glauben.«

Christian war drauf und dran, Ahlers ein paar üble Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Aber Rabea spürte die Anspannung zwischen den Männern. Sie versuchte, zu vermitteln.

»Seien Sie versichert, dass uns das Schicksal Ihrer Frau nicht gleichgültig ist, Herr Lange. Sie kann womöglich eine wichtige Zeugin sein und auf jeden Fall zur Aufklärung der Geschehnisse beitragen. Bitte geben Sie mir so viele Details wie möglich, damit ich eine Personenfahndung veranlassen kann.«

Christian nickte.

»Ich habe ein Foto von Jasmin in meiner Brieftasche. Aber die haben Ihre Kollegen an sich genommen.«

»Ja, für die kriminaltechnische Untersuchung. Dasselbe gilt natürlich für Ihre Kleidung, die wir auf dem Boden neben dem Bett im Red Hot gefunden haben.«

»Red Hot?«

»So heißt das Hotel auf St. Pauli, in dem wir Sie aufgegriffen haben. Es ist eine Mischung aus Absteige und Billigstherberge für Backpackers. Das Hotelzimmer, in dem wir Sie und den Ermordeten angetroffen haben, wurde übrigens von einem gewissen Karl Bäcker angemietet. Falls Ihnen der Name nichts sagt, dann ist das nicht verwunderlich. Diese Person gibt es nämlich gar nicht. Wir glauben, dass es sich um einen Strohmann handelt. Die Frage ist nur, für wen. Wir gehen allen Hinweisen nach. Die Analyse von möglichen Spuren auf Ihrer Kleidung wird noch dauern. Aber zumindest Ihre Brieftasche samt Inhalt werden Sie in absehbarer Zeit zurückbekommen.«

»Aber nicht Ihr Handy«, gab Ahlers seinen Senf dazu. »Wir haben schon einen richterlichen Beschluss beantragt, um Ihre Verbindungsnachweise checken zu dürfen. Für mich sind Sie nämlich noch lange nicht aus dieser Nummer heraus, Freundchen.«

Der Kriminaloberkommissar wurde Christian von Minute zu Minute unsympathischer. Aber wenn er hier jetzt den wilden Mann spielte, konnte er bis zum St. Nimmerleinstag hinter schwedischen Gardinen bleiben. Christian ignorierte Ahlers, so gut es ging. Er konzentrierte sich ganz auf dessen Kollegin.

»Jasmin ist 34 Jahre alt. Sie hat Betriebswirtschaft studiert und arbeitet in Nordhorn als Filialleiterin eines Modehauses. Meine Frau wurde in Kassel geboren, ihre Eltern leben in Wiesbaden. Sie heißen Robert und Monika Ehler.«

Rabea Borchert machte sich Notizen.

»Hat Ihre Frau einen Bezug zu Hamburg? Kennt sie hier Menschen, die sie besuchen könnte? Vielleicht eine Freundin oder Studienkollegin?«

»Oder ein Ex-Freund?«, stichelte Ahlers. Christian biss die Zähne so fest aufeinander, dass sie zu schmerzen begannen. Er fragte sich, ob der Kriminalist ihn einfach nicht mochte oder ob es dieses Good-Cop-Bad-Cop-Spiel wirklich gab.

»Wir hatten vor, uns ‚König der Löwen‘ anzuschauen«, presste Christian hervor. »Und das ist der einzige Grund, weshalb wir in diese Stadt gekommen sind. Wir reisten Donnerstag an, das Musical haben wir am Freitag gesehen. Jasmin und ich wollten nach der Vorstellung noch etwas trinken gehen. Und ab diesem Zeitpunkt habe ich keine Erinnerung mehr.«

Nach einem Zeitraum, der Christian wie eine halbe Ewigkeit vorkam, erhielt er seine Brieftasche zurück.

»Sie können gehen, ein Haftgrund besteht zurzeit nicht«, erklärte die Kriminalistin. »Dennoch müssen wir Sie bitten, sich zur Verfügung zu halten. Wir benötigen Sie womöglich noch als Zeugen in der Mordsache Spirescu.«

Ein Zeuge, der mit K.O.-Tropfen betäubt wurde? dachte Christian. Aber er gab keine Silbe von sich. Er spürte, dass es Ahlers gar nicht recht war, ihn gehen zu lassen. Doch nach einigem Hin und Her geschah es dann doch. Christian musste noch seine Aussage unterschreiben, und plötzlich stand er vor dem Polizeipräsidium. Rabea Borchers hatte ihn nach draußen begleitet.

Sie griff in ihre Umhängetasche.

»Es ist zwar etwas unorthodox, aber ich möchte Ihnen ein kleines Geschenk machen. Eigentlich setze ich mich damit über die Dienstvorschriften hinweg. Aber ich bin guter Hoffnung, dass Sie mich nicht anschwärzen werden. Sie haben jetzt nämlich ganz andere Probleme, Herr Lange.«

Christian blinzelte verblüfft. Die Polizistin gab ihm einen Sudoku-Block sowie einen Kugelschreiber mit einem Reklameaufdruck der Hamburger Polizei. Es dauerte einen Moment, bis er seine Sprache wiederfand.

»Danke, aber – was soll ich damit anfangen?«

»Das Auflösen von Sudokus ist ein sehr gutes Gehirntraining. Es wird Sie möglicherweise dabei unterstützen, sich an die Ereignisse der zurückliegenden Nacht zu erinnern. Hinten im Block habe ich meine private Handynummer notiert. Sie können mich jederzeit anrufen, falls Ihnen noch etwas einfällt. Tag und Nacht, nehmen Sie das bitte wörtlich. Und ich habe mir erlaubt, für Sie ein Taxi zu bestellen, Herr Lange. Ich nehme an, dass Sie zunächst in Ihrem Hotel diesen nicht so kleidsamen Jogginganzug loswerden wollen?«

Rabea Borcherts letzter Satz machte Christian erneut wütend. Hielt sie ihn wirklich für so einen oberflächlichen Menschen?

»Mein Aussehen ist mir scheißegal«, erwiderte er heftig. »Merken Sie denn nicht, dass hier eine ganz große Sauerei im Gange ist?«

Die Polizistin warf ihm einen unergründlichen Blick zu.

»Oh doch, das ist mir nicht entgangen. Und Sie stecken bis zum Hals darin, Herr Lange.«