Rot wie Blut - Ingrid J. Poljak - E-Book

Rot wie Blut E-Book

Ingrid J. Poljak

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Beschreibung

Acht böse Kurzgeschichten, die von kriminellen Taten und deren Folgen handeln. * Ein Mörder, ein Apotheker und ein Ring mit Gift ... * Eine tote Frau, ein rotes Tuch und ein Mann, der sie findet ... * Eine Krimiautorin und ein alter Nachbar, der an einem bunten Schal strickt ... *** Und fünf weitere kriminelle Geschichten ...

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Seitenzahl: 90

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Ähnliche


Ingrid J. Poljak

Rot wie Blut

© 2019 Ingrid J. Poljak

Umschlaggestaltung: © Ingrid J. Poljak

Coverfoto: © Elfi Schwal

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

Paperback

ISBN 978-3-7482-2975-9

Hardcover

ISBN 978-3-7482-2976-6

eBook

ISBN 978-3-7482-2977-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Homepage der Autorin:   https://www.ingrid-j-poljak.com

Ingrid J. Poljak

Rot wie Blut

Kriminell!

Acht böse Kurzgeschichten

Inhalt

Lara

Anderswo 1

Bilderleiche 2

Der Apotheker

Witweneinmaleins 2

Tot mit rotem Halstuch

Der Tote vom Mönchsberg

Waldesruh

1 Anderswo gewann 1991 den Abschlusswettbewerb der Schreibschule Hamburg und wurde 2014 im eBook Auch Mord ist (k)eine Kunst vom Verlag Stories&Freinds erstveröffentlicht.

2 Bilderleiche und Witweneinmaleins wurden 2014 ebenfalls im eBook Auch Mord ist (k)eine Kunst erstveröffentlicht.

Lara

Als wir im letzten Jahr nach Lamberg übersiedelten, wussten wir noch nichts über die Drosendorfs. Unsere Gärten sind zwar durch eine zwei Meter hohe Mauer voneinander getrennt – wir hätten uns nie auf einem Grundstück niedergelassen, auf dem wir den neugierigen Blicken unserer Umgebung ausgesetzt gewesen wären – aber vom Fenster meines Arbeitszimmers aus kann man ein Stück der Drosendorfschen Terrasse sehen, und zwar gerade jenen kleinen, aber wichtigen Ausschnitt, auf dem bei schönem Wetter tagtäglich Armlehne an Armlehne die beiden Liegestühle standen.

An jenem Tag, als ich sie das erste Mal bemerkte, arbeitete ich an einer Kurzgeschichte, die von einem Mord handeln sollte. Ich liebe Mord, allerdings war noch keiner meiner Morde auf 80 Zeilen unterzubringen gewesen. Ich kritzelte eine Leiche in mein Notizheft und dachte nach. Als ich mir einen Apfel aus der Küche holen wollte, fiel mein Blick durchs Fenster. Da unten war Drosendorf, ein dürrer, weißhaariger Herr, gerade dabei, die beiden Liegestühle aufzustellen, genau parallel zueinander und parallel zu den einfallenden Strahlen der Frühjahrssonne. Ich wartete, bis er heraufblickte, und winkte ihm zu, und er winkte zurück. Er rückte dann den Gartentisch an die beiden Liegestühle heran, brachte zwei Tassen, zwei Zeitungen, eine Kanne Kaffee und kümmerte sich nicht weiter um mich. Als ich mit dem Apfel in der Hand wieder am Fenster vorbei meinem Mord entgegenschlich – ich wollte mich auf keinen Fall in ein Gespräch verwickeln lassen – sah ich ihn im rechten der beiden Liegestühle sitzen, die Zeitung über den Knien ausgebreitet, die Hand an der halbausgetrunkenen Tasse. Die Zeitung seiner Frau lag aufgeschlagen auf dem Tisch, auch in der Tasse seiner Frau stand noch ein Rest Kaffee.

Ich hatte keinen guten Tag fürs Schreiben.

Als ich zu Mittag wieder einen Blick aus dem Fenster riskierte, kam Herr Drosendorf gerade in meinen Terrassenausschnitt geschlurft, verrückte die beiden Liegestühle, sodass sie wieder parallel zur Sonne standen, schob auch den Tisch in die richtige Lage und brachte für seine Frau den Korb mit der Strickerei.

„Oder willst du nicht in der Sonne sitzen, Lara?"

Die Strickerei von Frau Drosendorf wuchs von Tag zu Tag, mein Mord blieb liegen. Ich kam dahinter, dass Herr Drosendorf alle zwei Stunden die Liegestühle nach der Sonne ausrichtete, auch dann, wenn er für Frau Drosendorf den Sonnenschirm aufspannte.

Eines Tages begegnete ich Herrn Drosendorf im Supermarkt. Er legte neben einigen Nahrungsmitteln auch Lockenwickler, Lippenstift und Nagellack in den Einkaufswagen. Er sagte, er hätte mich und meinen Mann gerne einmal zum Kaffee eingeladen, aber seine Frau sei schwer krank. Mein Mann kann alte Damen, um deren verschrumpelten Mund der rote Lippenstift sich wie ein Spinnennetz ausbreitet, nicht ausstehen, und ich mag auch nicht unbedingt einer Anhäufung von Lockenwicklern beim Kaffee gegenübersitzen. Ich war also froh, dass Herr Drosendorf uns nicht einlud.

„Bist du sicher, dass es eine alte Schachtel ist? Wir haben Frau Drosendorf ja noch nie gesehen“, sagte mein Mann, als ich aus meiner liegenden Leiche eine hängende machen wollte.

Ich starrte aus dem Fenster. Drosendorf stand neben seinem Liegestuhl und hielt die Strickerei, die sich zu einem gut zwei Meter langen Schal entwickelt hatte, in die Höhe.

„Du kannst aufhören, Lara. Er ist lang genug." Er legte den Schal in den Korb, richtete die beiden Liegestühle wieder sorgfältig nach der Sonne aus und ließ sich im rechten nieder, ohne dass Lara in meinem Terrassenausschnitt erschienen wäre.

„Drosendorf hat seine Frau umgebracht“, sagte ich zu meinem Mann, machte aus der bisher männlichen Leiche eine weibliche, radierte den Strick aus und malte stattdessen mit rotem und blauem Kugelschreiber einen Schal. Plötzlich wusste ich auch, dass für den alten Mann Lara noch am Leben war, dass er sie aufopfernd umsorgte und pflegte, dass er ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Ebenso lebte Lara noch für die ganze Nachbarschaft, sie bekam Briefe, sie hörte Beethoven, während ihr Mann Besorgungen machte, und sie ließ auch öfter durch ihren Mann Selbstgebackenes für die Seniorenjause in der Pfarre verteilen. Ob sie auch eine Pension bezog, darüber wollte ich noch nicht entscheiden.

Ein paar Tage später rückten die Liegestühle auf der Terrasse nicht mehr der Sonne nach. Sie standen nach Westen gerichtet nebeneinander, Armlehne an Armlehne, Drosendorf hatte sie am Abend nicht weggeklappt wie sonst immer. Das Leinen war vom Regen schwer und knatterte im Wind. Ich schickte meinen Mann. Er sträubte sich. Er glaubte immer noch, einer mit Lockenwicklern geschmückten Frau Drosendorf gegenübertreten zu müssen, mit gepudertem Gesicht und hochsteigenden, roten Fäden überm Mund.

Der Anblick blieb ihm erspart. Die Bestattung holte Drosendorf ab, nachdem die Polizei den Schal abgeschnitten hatte.

Ich glaube immer noch an Mord.

Anderswo

Kilian zog das zerknüllte Stück Papier aus der Tasche und las noch einmal, ob die Adresse stimmte; warf einen Blick auf die Uhr, ob die Zeit stimmte. Das riesige Gebäude, vor dem er stand, schien aus einer anderen Zeit zu stammen, aus einem anderen Land, einem anderen Klima, nur noch mühsam vorm Verfall bewahrt. Gerüste verhinderten, dass abstürzende Ziegel jemanden erschlugen. Vielleicht hatte man Gregor Korander schon gefunden.

Am Eingang stolperte Kilian über die Stufen, die er nicht beachtet hatte, und als er den Blick wieder hob, umfing ihn nicht nur verwirrende Düsternis, sondern auch der Geruch nach feuchten Mauern und kaltem Rauch. Schultern streiften ihn hastig, fremde Augen irrten über ihn hinweg. Es war ein Kommen und Gehen durch den Windfang dieses Hauses, aber wahrscheinlich – so überlegte Kilian fröstelnd – mehr Kommen als Gehen.

Pappschilder waren an der Wand im Hausflur festgenagelt, ehemals weiße, jetzt vergilbte Pappschilder mit abgestoßenen Ecken und aufgedruckten Buchstaben und Ziffern. Abt. 5, 3.Stock, Zi. 318, Untersuchung Zi. 109 und ähnliche Formeln. Kilians Einladung trug einen blauen Stempelaufdruck: Zi. 496, Dr. Flimm.

Aufzug gab es keinen. Die Stiegen und Gänge waren mit einem alten Gummibelag überzogen, der quietschte, wenn man die Füße während des Auftretens verdrehte. Unter Kilians Sohlen quietschte der Belag nicht, denn Kilian hütete sich davor, die Füße zu verdrehen. Er versuchte sogar zu schweben, indem er manchmal die Luft anhielt, die er ohnehin nicht atmen wollte. Auf diese Art kam er einigermaßen erschöpft im vierten Stock an. Er betrat einen langen, kahlen Gang mit schäbigen Türen links und rechts und machte sich auf die Suche nach Zimmer 496. Vielleicht hatten sie Gregor Korander schon aus der Schlucht gezogen. Vielleicht wussten sie auch schon, dass er schwer betrunken gewesen war. Kilians Vater betrank sich oft.

Die Nummer 496 war auf den Pappschildern nirgends zu finden. Auch ein Doktor Flimm war nicht angeschrieben. Kilian zog die Schultern hoch und suchte weiter. Auch hier konnte man mit forschen Schritten dem Gummibelag jenes durchdringende Quietschen entlocken, aber es kam einfach niemand daher, der es gewagt hätte, die Schuhsohlen zu verdrehen. Es kam hier überhaupt niemand daher, keine Menschenseele, der Gang war leer. Die dunklen Türen zu beiden Seiten – wie die Eingänge zu verlassenen Grüften. Kilian schlich weiter. 426 stand auf der nächsten Tür, sonst nichts. Noch 70 Türen, eine wie die andere, nur an den verschieden geformten Rissen und Blasen des abblätternden Lackes zu unterscheiden. 427, 428. Die lange, schmale Brücke über die Klamm … das andere Ufer in der Dunkelheit nicht zu erkennen. Wie war das vor zwei Wochen gewesen, als sie gestritten hatten? Gregor Korander wollte plötzlich mitten auf der Brücke übernachten, schrie nach einer Frau und war nicht von der Stelle zu bewegen.

429. Die Tür stand halb offen. Der Verputz neben dem Türstock war ausgeschlagen. Drinnen saß ein Mann auf einem Stuhl. Kilian wollte nur fragen, ob er am Ende des Ganges Doktor Flimm finden würde. Ja, sagte jemand und schloss vor seiner Nase die Tür. Ein Riegel rastete ein. Kilian ging weiter, aber nach einigen Schritten blieb er zögernd stehen und blickte zurück. Der Mann da drinnen, regungslos, mit dem Rücken zur Tür, mit dem Gesicht zu einer nackten Wand. Ein Uniformierter daneben hantierte mit etwas. Womit, hatte Kilian nicht gesehen. Ein Mann im weißen Arbeitsmantel hatte die Tür zugedrückt.

Doktor Flimm? Dem Text auf dem Zettel war nicht zu entnehmen, ob Doktor Flimm Jurist war oder Arzt. Kilian ging weiter, an der nächsten schäbigen Tür vorbei und an der übernächsten. An vielen vergilbten Pappschildern mit Nummern, an vielen schlecht verputzten Rissen in der Wand. Wenn sie Gregor Korander aus dem Stauwerk gefischt hatten und Kilian nur die Nachricht vom Tod seines Vaters mitteilen wollten … wenn aber Kilian ihn erst identifizieren musste …

Was hätte er schon anderes tun sollen, als seinen Vater nach drei Tagen als abgängig zu melden?

Und warum erst nach drei Tagen? Weil er öfter über Nacht verschwindet. Hat er Ihnen nie gesagt, wohin er geht? Nein, er war nie besonders gesprächig. Haben Sie ihn nachher nie gefragt, wo er gewesen ist? Wo soll er schon gewesen sein? In einem Hurenhaus. Es hat mich nie besonders interessiert. Sie hatten öfter Streit mit ihm? Nein, verdammt, er hatte ja immer recht. Und vor zwei Wochen, hatte er auch da recht?

Kilian drehte sich kurz um und blickte zurück. Er war weit vom Stiegenhaus entfernt, wo er vielleicht jemandem hätte begegnen können. Der Gang hier war immer noch leer. Die Türen mit dem absplitternden Anstrich waren verschlossen. 435. Keine Stimme drang mehr an sein Ohr. Er wollte auch keine hören, jedenfalls keine Stimme, die Fragen stellte. Er wollte keinem weißen Mantel begegnen und keiner Uniform. Er wollte nicht in einem kahlen Zimmer auf einem Stuhl sitzen, er wollte auch seinen Alten nicht mehr sehen, weder tot noch lebend.

440. Es war fünf nach drei. Um drei hätte Kilian bei Doktor Flimm erscheinen sollen, unter Mitnahme dieser Ladung. Er zerriss das Stück Papier und ließ die Fetzchen zum Boden flattern. Wenn Doktor Flimm ihn sprechen wollte, konnte er das auch ohne Ladung tun. Oder würde Flimm ihn vielleicht gar nicht empfangen?