Royal Blue - Casey McQuiston - E-Book
SONDERANGEBOT

Royal Blue E-Book

Casey McQuiston

5,0
9,99 €
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Was wäre, wenn … Liebe die Welt verändern könnte? Der Kronprinz und der Sohn der Präsidentin: »Eine ›royal romance‹ wie ein Feuerwerk, in die du dich immer wieder Hals über Kopf verlieben möchtest.« Entertainment Weekly Als seine Mutter zur ersten Präsidentin der USA gewählt wird, wird Alex Claremont-Diaz über Nacht zum Liebling der Nation: attraktiv, charismatisch, clever – ein Marketingtraum für das weiße Haus. Nur auf diplomatischer Ebene hapert es bei Alex leider ein wenig. Bei einem Staatsbesuch in England eskaliert Alexʼ schwelender Streit mit dem britischen Thronfolger Prinz Henry. Als die Medien davon Wind bekommen, verschlechtern sich die Beziehungen zwischen den USA und England rapide. Zur Schadensbegrenzung sollen die beiden jungen Männer medienwirksam ihre Versöhnung vortäuschen. Doch was, wenn Alex und Henry dabei feststellen, dass zwischen ihnen eine Anziehung existiert, die über eine Freundschaft weit hinausgeht? Plötzlich steht nicht nur die Wiederwahl von Alexʼ Mutter auf dem Spiel … Die amerikanische Journalist*in und Autor*in Casey McQuiston hat mit »Red, White & Royal Blue« die Bestseller-Listen in den USA im Sturm erobert. Ihre Liebesgeschichte um Alex, den Sohn der amerikanischen Präsidentin, und Prinz Henry ist zu Herzen gehend romantisch und sprüht nur so vor positiver Energie. »Es ist einfach großartig, in der Welt dieses Buches zu leben und sich vorzustellen, dass sie Wirklichkeit wird.« Vogue

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 626

Bewertungen
5,0 (1 Bewertung)
1
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Casey McQuiston

Royal Blue

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Hannah Brosch

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Als seine Mutter zur ersten Präsidentin der USA gewählt wird, wird Alex Claremont-Diaz über Nacht zum Liebling der Nation: attraktiv, charismatisch, clever – ein Marketingtraum für das weiße Haus. Nur auf diplomatischer Ebene hapert es bei Alex leider ein wenig. Bei einem Staatsbesuch in England eskaliert Alexʼ schwelender Streit mit dem britischen Thronfolger Prinz Henry. Als die Medien davon Wind bekommen, verschlechtern sich die Beziehungen zwischen den USA und England rapide. Zur Schadensbegrenzung sollen die beiden jungen Männer medienwirksam ihre Versöhnung vortäuschen.

Doch was, wenn Alex und Henry dabei feststellen, dass zwischen ihnen eine Anziehung existiert, die über eine Freundschaft weit hinausgeht?

Plötzlich steht nicht nur die Wiederwahl von Alexʼ Mutter auf dem Spiel …

Inhaltsübersicht

Widmung

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Danksagung

EXKLUSIVES BONUSKAPITEL AUS HENRYS SICHT

Für euch: Die Leser*innen, die das möglich gemacht haben

Eins

Auf dem Dach des Weißen Hauses, in einer Ecke der Terrasse, gibt es dort, wo der Wintergarten beginnt, ein loses Stück Vertäfelung. Klopft man auf eine bestimmte Weise darauf, lässt es sich so weit ablösen, dass eine Nachricht zu erkennen ist, die jemand darunter eingeritzt hat, mit einem Schlüssel oder vielleicht auch einem geklauten Brieföffner aus dem Westflügel.

In der geheimen Geschichte der Präsidentenfamilien – einer isolierten Gerüchteküche, deren Gemeinschaft in den meisten Punkten absolute Verschwiegenheit bei Todesstrafe geschworen hat – gibt es keine eindeutige Antwort darauf, wer die Worte geschrieben hat. Sicher scheinen sich die Leute nur zu sein, dass allein der Sohn oder die Tochter eines Präsidenten es gewagt haben könnte, das Weiße Haus zu beschmieren. Manche schwören, dass es Jack Ford war, mit seinen Hendrix-Platten und dem zweistöckigen Zimmer, das einen Zugang zum Dach hatte, damit er spätnachts Raucherpausen einlegen konnte. Manche tippen auf eine junge Luci Johnson mit einer großen Schleife im Haar. Wie auch immer.

Der Schriftzug steht noch da, ein geheimes Mantra für diejenigen, die findig genug sind, ihn zu entdecken.

Alex fand ihn innerhalb der ersten Woche, in der er dort wohnte. Er hat niemandem davon erzählt, wie.

Die Nachricht lautet:

REGEL #1: LASSDICHNICHTERWISCHEN

Das östliche und westliche Schlafzimmer im zweiten Stock sind üblicherweise für die Präsidentenfamilie reserviert. Ursprünglich waren sie ein einziges riesiges Prunkschlafzimmer und während der Monroe-Regierung für Besuche des Marquis de Lafayette vorgesehen, doch irgendwann wurde das Zimmer geteilt. Alex hat das östliche, gegenüber vom Treaty Room, und June bewohnt das westliche, neben dem Aufzug.

Während ihrer Teenagerzeit in Texas waren ihre Zimmer genauso auf beiden Seiten des Flurs angeordnet. Damals konnte man erkennen, was June gerade werden wollte, wenn man ihre Wände betrachtete. Als sie zwölf war, hingen dort Aquarelle. Mit fünfzehn waren es Mondkalender und Edelsteintabellen. Mit sechzehn Artikel aus The Atlantic, ein Fähnchen von der University of Texas in Austin, Fotos von Gloria Steinem und Zora Neale Hurston sowie Auszüge aus den Schriften von Dolores Huerta.

Sein eigenes Zimmer sah stets gleich aus, füllte sich nur zunehmend mit Lacrosse-Pokalen und Hausarbeiten für die College-Kurse, die er schon früh besuchen durfte. Jetzt verstaubt das alles in seinem Elternhaus, das sie behalten haben. Seit sie nach Washington, D.C. gezogen sind, trägt er den Hausschlüssel immer an einer Halskette unter seinem Hemd.

Junes aktuelles Zimmer auf der anderen Seite des Flurs ist strahlend weiß, zartrosa und minzgrün, bekanntermaßen inspiriert durch Raumgestaltungszeitschriften aus den 1960ern, die sie in einem der Wohnzimmer des Weißen Hauses gefunden hat. Die Vogue hat hier ein Shooting veranstaltet. Sein eigenes Zimmer war einmal das Kinderzimmer von Caroline Kennedy und später das Büro von Nancy Reagan, weshalb June dort etwas Salbei räuchern musste. Er hat die Landschaftsillustrationen in einem ordentlichen symmetrischen Muster über dem Sofa hängen lassen, aber Sasha Obamas rosa Wände wurden mit einem tiefen Blau überstrichen.

Zumindest die letzten paar Jahrzehnte haben die meisten Präsidentenkinder nur bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr im Weißen Haus gewohnt, doch Alex hatte in dem Januar, in dem seine Mutter den Amtseid ablegte, gerade sein Studium an der Georgetown University begonnen, und logistisch betrachtet war es sinnvoll, sich das Security-Personal und die Kosten für die Zweizimmerwohnung, die er in derselben Stadt bezogen hätte, zu sparen. Im Herbst desselben Jahres ist dann auch June im Weißen Haus eingezogen, den Abschluss von der University of Texas in der Tasche. Sie hat es nie gesagt, aber Alex ist sich darüber im Klaren, dass sie da ist, um ihn im Auge zu behalten. Sie weiß besser als jeder andere, wie sehr es ihm gefällt, dass er hier so viele große Ereignisse aus nächster Nähe miterleben kann, und hat ihn mehr als einmal aus dem Westflügel geschleift.

In seinem Zimmer kann er herumsitzen und auf dem Plattenspieler in der Ecke Hall & Oates abspielen, ohne dass jemand hört, wie er bei »Rich Girl« mitsummt, so wie sein Dad es immer getan hat. Er kann die Lesebrille tragen, von der er behauptet, dass er sie nicht braucht. Er kann sich so viele detaillierte Arbeitshilfen anlegen, wie er will – die Klebezettel darin sind farblich sortiert. Er wird nicht der jüngste gewählte Abgeordnete der Neuzeit werden, ohne es sich verdient zu haben, aber niemand braucht zu wissen, wie sehr er sich heimlich ins Zeug legt. Sein Sexsymbol-Status wäre dahin.

»Hey«, sagt eine Stimme an der Tür, und als er von seinem Laptop aufschaut, sieht er June, die sich in sein Zimmer schiebt, zwei Handys und einen Stapel Zeitschriften unter den Arm geklemmt und einen Teller in der Hand. Mit dem Fuß stößt sie die Tür hinter sich zu.

»Was hast du heute mitgehen lassen?«, fragt Alex und räumt einen Papierstapel beiseite, um ihr Platz zu machen.

»Ein paar Donuts«, sagt June, während sie aufs Bett steigt. Sie trägt einen Bleistiftrock und spitze rosa Ballerinas, und vor seinem inneren Auge sieht er schon die Modemagazine der nächsten Woche, mit ihrem heutigen Outfit als Aufhänger für einen gesponserten Text über Schuhe für karrierebewusste junge Frauen, die viel unterwegs sind. Er fragt sich, was sie den ganzen Tag getrieben hat. Sie hat eine Kolumne für die Washington Post erwähnt, oder war es ein Shooting für ihren Blog? Oder beides? Er kann sich das nie merken.

Sie hat ihren Zeitschriftenstapel auf der Tagesdecke abgeladen und sich bereits hineinvertieft.

»Du trägst deinen Teil dazu bei, dass die amerikanische Klatschbranche am Leben bleibt.«

»Dafür habe ich Publizistik studiert«, gibt June zurück.

»Irgendwas Gutes diese Woche?«, fragt Alex und greift nach einem Donut.

»Mal schauen«, meint June. »InTouch schreibt, ich date … ein französisches Model?«

»Stimmt das?«

»Schön wär’s.« Sie blättert ein paar Seiten weiter. »Oh, und angeblich hast du dir den After aufhellen lassen.«

»Das stimmt«, sagt Alex, den Mund voller Schokolade.

»Dachte ich mir«, sagt June, ohne aufzusehen. Nachdem sie die Zeitschrift größtenteils durchgeblättert hat, schiebt sie sie ganz unten in den Stapel und macht mit der People weiter. Gedankenverloren schaut sie sie durch – People bringt immer nur, was ihre Presseagentur empfiehlt. So öde. »Diese Woche gibt es nicht viel über uns … oh, ich komme in einem Kreuzworträtsel vor.«

Zu verfolgen, wie sie in der Klatschpresse dargestellt werden, ist gewissermaßen ein Hobby von ihr, wenn ihr langweilig ist, was ihre Mutter abwechselnd belustigt und nervt, und Alex ist narzisstisch genug, um sich von June die besten Stellen vorlesen zu lassen. In der Regel sind es entweder Lügengeschichten oder Aussagen, die der Zeitschrift von ihren PR-Teams vorgegeben wurden, aber manchmal ist es einfach witzig. Wenn er die Wahl hätte, würde er allerdings lieber eine der Hunderten leidenschaftlichen Fanfictions hören, die über ihn im Internet stehen und eine überlebensgroße Version seiner selbst darstellen, mit umwerfendem Charme und unglaublichem Stehvermögen, doch June weigert sich strikt, sie ihm vorzulesen, egal wie sehr er sie zu bestechen versucht.

»Nimm mal die Us Weekly«, sagt Alex.

»Hmm …« June durchsucht den Stapel. »Oh, schau, diese Woche haben wir es aufs Titelblatt geschafft.«

Sie zeigt ihm das glänzende Titelblatt, mit einem Foto von ihnen beiden in einer Ecke. June trägt eine Hochsteckfrisur, und er sieht aus, als hätte er etwas zu tief ins Glas geschaut, aber dennoch attraktiv, mit seinem kräftigen Kinn und den dunklen Locken. Darunter steht in fetter gelber Schrift die Schlagzeile: WILDENACHTINNEWYORK.

»Ja, das war wirklich eine wilde Nacht«, sagt Alex, lehnt sich gegen das Kopfteil aus Leder und schiebt seine Brille hoch. »Ganze zwei Hauptredner. Nichts ist so sexy wie Krabbencocktails und anderthalb Stunden lang Reden über CO2-Ausstoß zu hören.«

»Hier steht, du hattest was mit einer mysteriösen Brünetten«. June liest vor: »Auch wenn die Präsidentinnentochter kurz nach der Gala von einer Limousine abgeholt und zu einer Promiparty gebracht wurde, hat man den einundzwanzigjährigen Adonis Alex dabei geknipst, wie er sich ins  Hotel schlich, um sich in der Präsidentensuite mit einer mysteriösen Brünetten zu treffen und sie gegen vier Uhr morgens wieder zu verlassen. Hotelinterne Quellen berichten, die ganze Nacht Liebesgeräusche aus dem Zimmer gehört zu haben, und es gibt Gerüchte, dass es sich bei der Brünetten um niemand anderen gehandelt habe als um … Nora Holleran, die zweiundzwanzigjährige Enkelin des Vizepräsidenten Mike Holleran und das dritte Mitglied des WH-Trios. Lassen die beiden ihre Romanze wieder aufleben?«

»Ja«, freut sich Alex hämisch, und June stöhnt auf. »Das ist kürzer als ein Monat. Du schuldest mir fünfzig Flocken, Süße.«

»Moment mal. War es wirklich Nora?«

Alex denkt an letzte Woche zurück, als er mit einer Flasche Champagner vor Noras Zimmertür aufgetaucht ist. Ihre Affäre auf der Wahlkampftour vor Ewigkeiten war kurz und geschah vor allem, weil sie das Unvermeidbare hinter sich bringen wollten. Sie waren damals siebzehn und achtzehn und als Paar von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil sie beide überzeugt waren, immer der schlauste Mensch im Raum zu sein. Alex hat sich mittlerweile eingestanden, dass Nora mindestens doppelt so schlau ist wie er und auf jeden Fall zu schlau, um sich jemals auf eine Beziehung mit ihm einzulassen.

Es ist nicht seine Schuld, dass die Pressefuzzis sich dennoch weigern, das Thema fallen zu lassen, dass sie die Vorstellung von ihnen als Paar großartig finden, als wären sie moderne Kennedys. Wenn er und Nora sich also manchmal zusammen in einem Hotelzimmer die Kante geben, während sie The West Wing schauen, und in der Nähe der Wand laut für die aufdringliche Klatschpresse stöhnen, kann man ihm das wirklich nicht zum Vorwurf machen. Sie nutzen lediglich eine nervige Situation zu ihrer persönlichen Belustigung.

Seine Schwester anschwindeln zu können ist ein netter Nebeneffekt.

»Kann sein«, sagt er gedehnt.

June schlägt mit der Zeitschrift nach ihm, als wäre er eine besonders widerliche Küchenschabe. »Das ist geschummelt, du Arsch!«

»Eine Wette ist eine Wette«, erklärt Alex. »Wir haben ausgemacht, dass du mir fünfzig Dollar schuldest, wenn es innerhalb eines Monats ein neues Gerücht gibt. Ich akzeptiere Paypal.«

»Ich zahle nicht«, schnaubt June. »Wenn ich sie morgen sehe, bringe ich sie um. Übrigens, was ziehst du an?«

»Wozu?«

»Zur Hochzeit.«

»Wessen Hochzeit?«

»Ähm, zur königlichen Hochzeit«, sagt June. »Von Großbritannien. Sie ist quasi auf jedem der Titelblätter, die ich dir gerade gezeigt habe.«

Sie hält wieder die Us Weekly hoch, und dieses Mal bemerkt Alex das Titelthema in riesiger Schrift: PRINZPHILIPTRAUTSICH! Dazu ein Foto des enorm unscheinbaren britischen Thronerben und seiner ebenso unscheinbaren blonden Verlobten, die nichtssagend lächeln.

Mit gespieltem Entsetzen lässt er den Donut fallen. »Das war dieses Wochenende?«

»Alex, wir fliegen morgen früh«, erinnert June ihn. »Wir haben vor der Trauung noch zwei Auftritte. Ich kann nicht glauben, dass Zahra dir deshalb noch nicht die Hölle heiß gemacht hat.«

»Scheiße«, stöhnt er. »Ich weiß, dass ich mir das aufgeschrieben hatte. Ich war abgelenkt.«

»Etwa weil du und meine beste Freundin euch für fünfzig Dollar in der Klatschpresse gegen mich verschworen habt?«

»Nein, wegen meiner Hausarbeit für die Uni, du Besserwisserin«, sagt Alex und deutet mit einer dramatischen Geste auf seine Berge von Notizen. »Ich habe die ganze Woche daran gearbeitet, für Politische Ideen im alten Rom. Und ich dachte, wir wären uns einig, dass Nora unser beider beste Freundin ist.«

»Das ist unmöglich ein echtes Seminar, das du besuchst«, meint June. »Kann es sein, dass du das größte internationale Ereignis des Jahres einfach absichtlich vergessen hast, weil du deinen Erzfeind nicht sehen willst?«

»June, ich bin der Sohn der US-Präsidentin. Prinz Henry ist eine Repräsentationsfigur des britischen Staates. Du kannst ihn nicht einfach als meinen Erzfeind bezeichnen«, sagt Alex. Er beißt wieder von seinem Donut ab, kaut nachdenklich und ergänzt dann: »›Erzfeind‹ impliziert, dass er mir in irgendeiner Hinsicht das Wasser reichen könnte und nicht, du weißt schon, ein hochnäsiges Inzuchtprodukt ist, das sich wahrscheinlich zu Fotos von sich selbst einen runterholt.«

»Autsch.«

»Ich meine ja nur.«

»Du brauchst ihn nicht zu mögen, du musst nur gute Miene machen und auf der Hochzeit seines Bruders keinen internationalen Zwischenfall verursachen.«

»Hey, Spatz, wann mache ich denn mal keine gute Miene?«, fragt Alex. Er verzieht den Mund zu einem schmerzhaft unechten Grinsen, und June sieht zufriedenstellend abgestoßen aus.

»Igitt. Wie auch immer, du weißt, was du anziehst, oder?«

»Ja, ich habe mein Outfit schon letzten Monat rausgesucht und von Zahra absegnen lassen. Ich bin doch kein Tier.«

»Ich bin mir wegen meines Kleides immer noch nicht sicher«, sagt June. Sie beugt sich zu ihm rüber und greift nach seinem Laptop, wobei sie seinen Protest geflissentlich ignoriert. »Das bordeauxrote oder das mit Spitze, was meinst du?«

»Spitze natürlich, es ist England, und warum willst du, dass ich in meinem Seminar durchfalle?«, fragt er und greift nach seinem Laptop, woraufhin seine Hand weggeschlagen wird. »Geh dich um deinen Instagram-Account kümmern oder so. Du bist schlimm.«

»Ruhe, ich suche was zum Gucken. Uäh, du hast Garden State auf deiner Filmliste? Wow, wie läuft das Filmstudium im Jahr 2005?«

»Ich hasse dich.«

»Hmm, ich weiß.«

Vor seinem Fenster streicht der Wind über den Rasen und rauscht in den Linden unten im Garten. Die Schallplatte auf dem Plattenspieler in der Ecke ist verstummt, jetzt herrscht knisternde Stille. Er rollt sich von seinem Bett und dreht sie um, setzt die Nadel wieder an, und die zweite Seite startet mit »London, Luck & Love«.

 

Wenn er ehrlich ist, findet er es immer noch cool, im Privatjet unterwegs zu sein, obwohl seine Mutter schon seit drei Jahren Präsidentin ist.

Er kann nicht oft so reisen, aber wenn, ist es schwierig, es sich nicht zu Kopfe steigen zu lassen. Er ist im texanischen Hügelland geboren, die Mutter seiner Mutter war alleinerziehend und sein Vater ein Sohn mexikanischer Einwanderer, alle bettelarm – Luxusreisen sind für ihn immer noch ein Luxus..

Vor fünfzehn Jahren, als seine Mutter zum ersten Mal als Abgeordnete kandidierte, verpasste die Zeitung von Austin ihr einen Spitznamen: die Außenseiterin aus Lometa. Sie war ihrer winzigen Heimatstadt im Schatten von Fort Hood entkommen, hatte in Imbissen Nachtschichten geschoben, um sich ihr Jurastudium zu finanzieren, und als sie dreißig war, vertrat sie Diskriminierungsfälle vor dem Obersten Gerichtshof. Sie war die letzte Person, von der irgendjemand erwartet hatte, dass sie mitten im Irakkrieg aus Texas auftauchen würde: eine rotblonde, blitzgescheite Demokratin mit High Heels, einem unverhohlenen Südstaatenakzent und einer kleinen Familie mit Migrationshintergrund.

Deshalb erscheint es Alex immer noch surreal, dass er irgendwo über dem Atlantik herumfliegt und Pistazien knabbert, in einem Ledersitz mit hoher Lehne und die Füße in der Luft. Ihm gegenüber sitzt Nora über das Kreuzworträtsel der New York Times gebeugt, die braunen Locken fallen ihr in die Stirn. Neben ihr hält der massige Geheimagent Cassius – kurz Cash – sein eigenes Exemplar in seiner riesigen Hand und beeilt sich, damit er als Erster fertig ist. Der Cursor auf Alex’ Hausarbeit für Politische Ideen im alten Rom blinkt ihn von seinem Laptop erwartungsvoll an, aber irgendwie kann er sich nicht ganz auf die Uni konzentrieren, während sie den Atlantik überfliegen.

Amy, die Lieblingsgeheimagentin seiner Mutter, früher Elitesoldatin bei der Marine, von der man sich in D.C. erzählt, dass sie schon mehrere Männer getötet hat, sitzt auf der anderen Seite des Gangs. Auf dem Sitz neben ihr liegt ein geöffnetes Nähetui aus kugelsicherem Titanium, und sie stickt gelassen Blumen auf eine Serviette. Alex war dabei, als sie mal jemandem eine sehr ähnliche Sticknadel in die Kniescheibe gerammt hat.

Bleibt noch June, die auf einen Ellbogen gestützt neben ihm sitzt, die Nase in der aktuellen Ausgabe des PeopleMagazine, die sie aus unerfindlichen Gründen dabeihat. Sie hat die Angewohnheit, sich fürs Flugzeug immer besonders eigenartigen Lesestoff auszusuchen. Beim letzten Mal war es ein zerknickter alter Kantonesisch-Sprachführer, davor Der Tod kommt zum Erzbischof.

»Was liest du jetzt?«, fragt Alex sie. Sie wendet das Magazin, sodass er die Doppelseite sehen kann, die mit IRREKÖNIGLICHEHOCHZEIT! überschrieben ist. Alex stöhnt. Das ist eindeutig schlimmer als Willa Cather.

»Was?«, fragt sie. »Ich will auf meine erste königliche Hochzeit vorbereitet sein.«

»Du warst doch auf dem Abschlussball, oder?«, meint Alex. »Stell es dir so vor, nur in der Hölle, und du musst die ganze Zeit freundlich sein.«

»Sie haben fünfundsiebzigtausend Dollar allein für die Torte ausgegeben. Unfassbar.«

»Deprimierend.«

»Und offenbar geht Prinz Henry ohne Begleitung zur Hochzeit, und alle flippen deshalb total aus. Hier steht, letzten Monat ging das Gerücht um«, sie imitiert einen lustigen englischen Akzent, »er würde eine belgische Erbin daten. Jetzt allerdings sind sich die Leute, die das Liebesleben des Prinzen verfolgen, nicht mehr so sicher.«

Alex schnaubt. Es erscheint ihm aberwitzig, dass es zahlreiche Menschen gibt, die das enorm öde Beziehungsleben der königlichen Geschwister verfolgen. Er kann allerdings verstehen, weshalb es Leute interessiert, wo er selbst seine Zunge hinsteckt – er hat zumindest Persönlichkeit.

»Vielleicht hat die weibliche Bevölkerung von Europa endlich erkannt, dass er in etwa so anziehend ist wie ein nasses Garnknäuel«, schlägt Alex vor.

Nora legt ihr Kreuzworträtsel weg, da sie es als Erste ausgefüllt hat. Cassius schaut zu ihr und flucht. »Also hast du vor, ihn zum Tanz aufzufordern?«

Alex verdreht die Augen, weil er sich plötzlich vorstellt, wie er durch einen Ballsaal wirbelt, während Prinz Henry ihm süße Nichtigkeiten über Krocket und Fuchsjagden ins Ohr leiert. Bei der Vorstellung könnte er würgen.

»Nur in seinen Träumen.«

»Oh«, sagt Nora. »Du wirst ja ganz rot.«

»Hör zu«, sagt Alex zu ihr. »Königliche Hochzeiten sind Mist, die Prinzen, die königliche Hochzeiten veranstalten, sind Mist, der Imperialismus, der zulässt, dass es überhaupt Prinzen gibt, ist Mist, das alles ist von vorne bis hinten nichts als Mist.«

»Ist das dein TED-Talk?«, fragt June. »Dir ist schon klar, dass die USA ebenfalls ein Imperium sind, das vollständig auf Völkermord aufgebaut ist?«

»Ja, June, aber zumindest haben wir genug Anstand, keine Monarchie aufrechtzuerhalten«, sagt Alex und bewirft sie mit einer Pistazie.

Es gibt ein paar Dinge über Alex und June, über die das neu eingestellte Personal im Weißen Haus vor Arbeitsantritt informiert wird. Junes Erdnussallergie. Die Tatsache, dass Alex häufig mitten in der Nacht Kaffee bestellt. Junes Freund aus Collegezeiten, der mit ihr Schluss gemacht hat, um nach Kalifornien zu ziehen, der jedoch der einzige Mensch ist, dessen Briefe ihr direkt zugestellt werden.

Alex’ lang gehegter Groll gegen den jüngsten Prinzen.

Es ist nicht wirklich ein Groll. Nicht einmal eine Rivalität. Es ist ein prickelnder, aufwühlender Ärger, der bewirkt, dass seine Hände schwitzig werden.

Die Boulevardblätter – und damit die Welt – hatten vom ersten Tag an beschlossen, Alex als das amerikanische Gegenstück zu Prinz Henry zu betrachten, da das Trio aus dem Weißen Haus in den USA das ist, was Mitgliedern des Königshauses am nächsten kommt.

Es erschien ihm immer unfair. Alex’ Image besteht nur aus Charisma, Genie und charmanter Geistesschärfe, klugen Interviews und der Tatsache, dass er es mit achtzehn aufs Titelblatt von GQ geschafft hat. Henry zeigt sich mit mildem Lächeln, sanfter Ritterlichkeit und generischen Auftritten bei Wohltätigkeitsveranstaltungen – die perfekte Projektionsfläche für einen Traumprinzen. Alex findet, dass Henrys Rolle viel leichter zu spielen ist.

Vielleicht ist es tatsächlich eine Rivalität. Na und?

»Okay, Rechenmaschine«, sagt er, »wie sehen die Zahlen dazu aus?«

Nora grinst. »Hmm.« Sie tut, als würde sie scharf nachdenken. »Risikoeinschätzung: Wenn der Präsidentinnensohn es nicht schafft, sich eisern im Zaum zu halten, wird das mehr als fünfhundert zivile Opfer zur Folge haben. Neunundachtzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass Prinz Henry wie ein absoluter Traumtyp dasteht. Achtundsiebzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass Alex die Einreise nach Großbritannien auf ewig verweigert wird.«

»Die Chancen stehen besser, als ich erwartet hätte«, bemerkt June.

Alex lacht, während das Flugzeug weiter in die Höhe steigt.

 

London ist ein totales Spektakel, Menschenmassen verstopfen die Straßen vor Buckingham Palace und in der gesamten Stadt. Die Leute sind in Union Jacks gehüllt und schwenken Fähnchen. Überall kann man Souvenirs kaufen, die an die königliche Hochzeit erinnern sollen, die Gesichter von Prinz Philip und seiner Braut wurden auf alles Mögliche geklatscht, vom Schokoriegel bis zur Unterwäsche. Alex kann kaum glauben, dass so viele Leute an etwas so durch und durch Ödem so leidenschaftlich Anteil nehmen. Er ist sich sicher, dass vor dem Weißen Haus nicht so viel los sein wird, wenn er oder June eines Tages heiraten sollten, und er weiß auch nicht, ob er das überhaupt wollen würde.

Die Trauung scheint sich ewig zu ziehen, obwohl sie eigentlich ganz nett ist. Es ist nicht so, dass Alex etwas gegen Liebe hat oder einer Heirat nichts abgewinnen kann. Aber Martha ist eine durch und durch respektable Adelstochter und Philip ein Prinz. Das ist so sexy wie ein Geschäftsabschluss. Es gibt keine Leidenschaft, keine Dramatik. Eine Liebesgeschichte nach Alex’ Geschmack wäre eher wie ein Stück von Shakespeare.

Es scheinen Jahre zu vergehen, bis er sich schließlich in einem Ballsaal von Buckingham Palace zwischen June und Nora an einem Tisch niedergelassen hat, Luxusreisen sind für ihn immer noch ein Luxus. Nora reicht ihm ein Glas Champagner, das er freudig entgegennimmt.

»Hat jemand von euch eine Ahnung, was ein Viscount ist?«, fragt June, in der Hand ein halb aufgegessenes Gurkensandwich. »Ich habe ungefähr fünf von ihnen getroffen, und ich lächle einfach immer höflich, als wüsste ich, was das Wort bedeutet, wenn sie es sagen. Alex, du hattest doch vergleichende internationale Regierungsbeziehungen oder so. Was ist es?«

»Ich glaube, es bedeutet, dass ein Vampir eine Armee durchgeknallter Sexsklaven erschafft und so seine eigene Regierung bildet«, sagt er.

»Klingt korrekt«, meint Nora. Sie faltet ihre Serviette auf dem Tisch in eine komplizierte Form, wobei ihr schwarzer Nagellack im Licht der Kronleuchter glänzt.

»Ich wünschte, ich wäre ein Viscount«, sagt June. »Meine Sexsklaven könnten meine Mails für mich schreiben.«

»Sind Sexsklaven gut in beruflicher Korrespondenz?«, fragt Alex.

Noras Serviette nimmt die Form eines Vogels an. »Ich glaube, es könnte ein interessanter Ansatz sein. Ihre Mails wären total tragisch und lüstern.« Sie haucht heiser: »Oh bitte, ich flehe dich an, nimm mich – nimm mich mit zum Mittagessen, um Stoffmuster zu besprechen, du Tier!«

»Das könnte erstaunlich wirkungsvoll sein«, bemerkt Alex.

»Mit euch beiden stimmt doch was nicht«, sagt June sanft.

Alex öffnet gerade den Mund, um zu kontern, als ein königlicher Bediensteter an ihrem Tisch auftaucht, der an einen mürrisch aussehenden Geist mit schlechtem Toupet erinnert.

»Miss Claremont-Diaz«, sagt der Mann, der aussieht, als hieße er Reginald oder Bartholomew. Er verbeugt sich, und wie durch ein Wunder purzelt sein Toupet dabei nicht auf Junes Teller. Alex wechselt mit ihr einen ungläubigen Blick. »Seine Königliche Hoheit Prinz Henry lässt fragen, ob Sie ihm die Ehre erweisen würden, ihn zum Tanz zu begleiten.«

June bleibt der Mund offen stehen, und ihr entfährt ein leiser Ausruf, während sich auf Noras Gesicht ein amüsiertes Grinsen zeigt.

»Oh, mit Vergnügen«, schaltet Nora sich ein. »Sie hofft schon den ganzen Abend, dass er sie auffordert.«

»Ich –«, setzt June an, bricht dann jedoch ab. Ihr Mund lächelt, obwohl sie Nora mit Blicken erdolcht. »Natürlich. Das wäre ganz reizend.«

»Vortrefflich«, sagt Reginald-Bartholomew, dann dreht er sich zur Seite und deutet über seine Schulter.

Und da steht Henry, leibhaftig, so klassisch gut aussehend wie immer in seinem maßgeschneiderten Dreiteiler, mit zerzaustem blondem Haar und hohen Wangenknochen und einem weichen, freundlichen Mund. Er hält sich ganz von selbst tadellos gerade, als sei er eines Tages einfach fertig geformt und aufrecht einem Blumenbeet des Buckingham Palace entsprungen.

Ihre Blicke kreuzen sich, und etwas wie Genervtheit oder Adrenalin steigt in Alex’ Brust auf. Er hat seit gut einem Jahr kein richtiges Gespräch mehr mit Henry geführt. Dessen Gesicht ist immer noch enervierend symmetrisch.

Henry lässt sich dazu herab, ihm flüchtig zuzunicken, als sei Alex irgendein Gast und nicht der Mensch, den er beim Wetteifern, über wen zuerst in der Vogue berichtet wird, besiegt hat, als sie noch Teenager waren. Alex blinzelt, innerlich schäumend, und sieht zu, wie Henry June sein blödes wohlgeformtes Kinn zuneigt.

»Hallo June«, sagt Henry und hält ihr wie ein Gentleman die Hand hin. Jetzt errötet June. Nora gibt sich verzückt. »Kannst du Walzer tanzen?«

»Ich … bekomme es bestimmt hin«, sagt June und nimmt zaghaft seine Hand, als dächte sie, dass Henry sie vielleicht auf den Arm nimmt. Alex findet, dass sie ihm damit viel zu viel Sinn für Humor zutraut. Er führt sie fort in die Menge der sich drehenden Adligen.

»So läuft das jetzt also?«, meint Alex und funkelt Noras Serviettenvogel an. »Hat er beschlossen, mich endlich mundtot zu machen, indem er meine Schwester umwirbt?«

»Ach, Kleiner«, sagt Nora. Sie streckt die Hand aus und tätschelt seine. »Wie süß, dass du denkst, alles dreht sich um dich.«

»Das sollte es aber, ehrlich.«

»Das ist die richtige Einstellung.«

Er sieht in die Menge, wo Henry June über die Tanzfläche wirbelt. Sie hat ein neutrales, höfliches Lächeln aufgesetzt, und Henry schaut die ganze Zeit über ihre Schulter, was Alex sogar noch mehr verärgert. June ist toll. Henry könnte sie zumindest beachten.

»Glaubst du denn, dass er sie wirklich mag?«

Nora zuckt mit den Schultern. »Wer weiß? Leute aus dem Königshaus sind komisch. Könnte reine Höflichkeit sein, oder – oh, das ist es.«

In diesem Augenblick stürzt ein königlicher Fotograf herein und schießt ein Foto von ihnen beim Tanzen, und Alex weiß, dass es nächste Woche an Hello verkauft werden wird. Das ist es also? Die Präsidentinnentochter benutzen, um ein lächerliches Dating-Gerücht in die Welt zu setzen und damit Aufmerksamkeit zu bekommen? Gott bewahre, dass Philip auch nur eine Woche die Klatschspalten dominiert.

»Er ist ziemlich gut darin«, bemerkt Nora.

Alex winkt einen Kellner herbei und beschließt, sich die restliche Feier über systematisch zu betrinken.

Alex hat es noch nie jemandem erzählt – und hat das auch nicht vor –, aber er war zwölf, als er Henry zum ersten Mal gesehen hat. Er denkt nur darüber nach, wenn er betrunken ist.

Bestimmt hatte er dessen Gesicht auch vorher schon in den Nachrichten gesehen, aber mit zwölf hat er ihn zum ersten Mal wirklich wahrgenommen. June war gerade fünfzehn geworden und hatte einen Teil ihres Geburtstagsgeldes für eine knallbunte Teeniezeitschrift ausgegeben. Ihre Begeisterung für billige Klatschblätter begann schon früh. In der Mitte der Zeitschrift gab es kleine Poster, die man herausreißen und in seinen Spind hängen konnte. Wenn man vorsichtig war und die Heftklammern mit den Fingernägeln aufbog, konnte man die Poster heraustrennen, ohne sie zu zerreißen. Eines davon, genau in der Mitte, zeigte einen Jungen.

Er hatte dickes dunkelblondes Haar und große blaue Augen, ein warmes Lächeln und einen Kricketschläger über der Schulter. Es muss ein aufrichtiges Lächeln gewesen sein, weil er ein fröhliches, sonnenhelles Selbstbewusstsein ausstrahlte, das unmöglich gestellt sein konnte. In der unteren Ecke der Seite stand in rosa und blauen Buchstaben: Prinz Henry.

Alex weiß bis heute nicht recht, was ihn immer wieder dorthin zurückzog, nur dass er sich regelmäßig in Junes Zimmer schlich und die Seite heraussuchte, das Haar des Jungen mit den Fingerspitzen berührte, als könne er irgendwie dessen Struktur spüren, wenn er sie sich nur fest genug vorstellte. Je weiter seine Eltern die politische Karriereleiter erklommen, desto mehr begann er davon auszugehen, dass die Welt bald wissen würde, wer er war. Dann dachte er manchmal an das Foto und versuchte sich Prinz Henrys müheloses Selbstvertrauen anzueignen.

(Er dachte auch darüber nach, die Klammern aufzubiegen und das Foto herauszutrennen und in seinem Zimmer aufzubewahren, doch das tat er nie. Seine Fingernägel waren zu kurz und zu dick, sie waren nicht dafür gedacht, anders als Junes, anders als die eines Mädchens.)

Doch dann kam das erste Mal, dass er Henry begegnete – die ersten kühlen, unbeteiligten Worte, die Henry an ihn richtete –, und Alex schätzte, dass er ganz falschgelegen hatte, dass der hübsche, aufgeschlossene Junge auf dem Foto nicht echt gewesen war. Der echte Henry ist schön, distanziert, langweilig und verschlossen. Der Mensch, mit dem die Klatschblätter ihn immer wieder vergleichen, mit dem er selbst sich vergleicht, hält sich für etwas Besseres, besser als Alex und Leute wie ihn. Alex kann nicht glauben, dass er jemals auch nur im Entferntesten so sein wollte.

Er trinkt weiter, denkt die ganze Zeit abwechselnd darüber nach und zwingt sich, nicht darüber nachzudenken, verschwindet in der Menge und tanzt mit hübschen europäischen Erbinnen darüber.

Er tanzt gerade in einer Pirouette von einer weg, als er eine einzelne Gestalt erblickt, die sich in der Nähe der Torte und des Champagnerbrunnens aufhält. Es ist schon wieder Prinz Henry, der mit einem Glas in der Hand zuschaut, wie Prinz Philip und seine Braut sich durch den Ballsaal drehen. Er sieht höflich interessiert aus, auf diese ätzende Art, die ihm eigen ist, als müsste er eigentlich woanders hin. Und Alex kann dem Drang, ihn zu entlarven, nicht widerstehen.

Er sucht sich seinen Weg durch die Menge, schnappt sich ein Glas Wein von einem vorbeikommenden Tablett und kippt die Hälfte davon hinunter.

»Wenn man so etwas feiert«, sagt Alex, während er sich an Henry heranwanzt, »sollte man zwei Champagnerbrunnen aufbauen. Wirklich peinlich, auf einer Hochzeit zu sein, auf der es nur einen Champagnerbrunnen gibt.«

»Alex«, sagt Henry mit diesem vornehmen Akzent, der ihn wahnsinnig macht. Aus der Nähe betrachtet ist die Weste unter dessen Anzugjacke tiefgolden und hat ungefähr tausend Knöpfe. Sie ist scheußlich. »Ich habe mich schon gefragt, ob ich das Vergnügen haben würde.«

»Sieht aus, als wäre heute dein Glückstag«, sagt Alex lächelnd.

»Wahrhaft ein bedeutsames Ereignis«, stimmt Henry ihm zu. Sein eigenes Lächeln ist strahlend weiß und makellos, dafür gemacht, auf Geldscheine gedruckt zu werden.

Das Nervigste von allem ist, dass Alex weiß, dass Henry ihn ebenfalls hasst – das muss er einfach, sie sind natürliche Feinde –, doch er weigert sich, es unverhohlen zu zeigen. Alex ist sich nur zu bewusst, dass es in der Politik dazugehört, sich Leuten gegenüber nett zu benehmen, die man verabscheut, doch er wünscht sich, dass Henry sich ein Mal, nur ein einziges Mal wie ein echter Mensch verhalten würde und nicht wie ein glänzendes kleines Aufziehspielzeug aus dem Souvenirshop des Palasts.

Er ist zu perfekt. Alex will sticheln.

»Bist du es eigentlich jemals leid«, sagt er, »so zu tun, als würdest du über all dem stehen?«

Henry wendet sich ihm zu und starrt ihn an. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht weiß, wovon du sprichst.«

»Ich meine, dass du die Fotografen dazu bringst, dich zu verfolgen, und majestätisch umherschwebst, als würdest du die Aufmerksamkeit hassen, was du offensichtlich nicht tust, da du ausgerechnet mit meiner Schwester tanzt«, sagt Alex. »Du benimmst dich immer so, als wärst du zu wichtig, um irgendwo zu sein. Ist das nicht irgendwann anstrengend?«

»Ich bin … schon ein bisschen komplizierter«, bemerkt Henry.

»Ha!«

»Oh«, sagt Henry und kneift die Augen zusammen. »Du bist betrunken.«

»Ich meine ja nur«, sagt Alex und stützt sich übertrieben freundschaftlich mit dem Ellbogen auf Henrys Schulter, was nicht so leicht ist, da Henry ihn ärgerlicherweise um ungefähr zehn Zentimeter überragt. »Du könntest versuchen, so zu tun, als hättest du Spaß. Hin und wieder.«

Henry lacht betrübt. »Ich glaube, du solltest vielleicht darüber nachdenken, auf Wasser umzusteigen, Alex.«

»Sollte ich das?«, fragt Alex. Er schiebt den Gedanken beiseite, dass es vielleicht der Wein war, der ihm überhaupt den Mut verliehen hat, zu Henry hinüberzustapfen, und schaut so verschämt und unschuldig drein, wie er kann. »Beleidige ich dich? Tut mir leid, ich bin nicht so von dir besessen wie alle anderen. Ich weiß, das verwirrt dich bestimmt.«

»Weißt du, was?«, meint Henry. »Ich glaube, das bist du doch.«

Alex bleibt der Mund offen stehen, während Henry selbstzufrieden und fast ein bisschen gemein den Mund verzieht.

»Nur so ein Gedanke«, sagt Henry in liebenswürdigem Ton. »Ist dir aufgefallen, dass ich nicht ein einziges Mal auf dich zugekommen bin und jedes Mal, wenn wir uns unterhalten haben, absolut höflich war? Dennoch bist du hier und suchst mich schon wieder auf.« Er nimmt einen Schluck von seinem Champagner. »Lediglich eine Beobachtung.«

»Was? Ich bin nicht –«, stammelt Alex. »Du bist der –«

»Hab einen wunderschönen Abend, Alex«, sagt Henry knapp und wendet sich zum Gehen.

Es macht Alex wahnsinnig, dass Henry glaubt, das letzte Wort haben zu können, und ohne nachzudenken streckt er den Arm aus und zieht ihn an der Schulter zurück.

Da dreht Henry sich auf einmal um, und diesmal stößt er Alex fast von sich, und einen kurzen, zündenden Moment lang ist Alex beeindruckt von dem Funkeln in dessen Augen, dem plötzlichen Hervorbrechen einer tatsächlichen Persönlichkeit.

Ehe er sichs versieht, stolpert er über seine eigenen Füße und taumelt rückwärts gegen den Tisch, der ihm am nächsten ist. Er bemerkt zu spät, dass es sich dabei entsetzlicherweise um den handelt, der die riesige achtstöckige Hochzeitstorte trägt, und greift nach Henrys Arm, um sich festzuhalten, aber das bewirkt nur, dass sie beide aus dem Gleichgewicht geraten und zusammen gegen den Tortenständer prallen.

Alex kann nur noch zuschauen, wie die Torte sich im Zeitlupentempo neigt, schwankt, zittert und schließlich umkippt. Er kann rein gar nichts tun, um sie aufzuhalten. In einer Lawine aus weißer Buttercreme kommt sie heruntergekracht, ein zuckriger Fünfundsiebzigtausend-Dollar-Albtraum.

Im Saal wird es mit einem Mal schrecklich still, als er und Henry ebenfalls zu Boden gehen, hinunter auf die Trümmer der Torte auf dem kunstvoll verzierten Teppich, wobei Alex’ Faust noch immer Henrys Ärmel umklammert hält. Der Inhalt von dessen Champagnerglas ist über sie beide verschüttet und das Glas zerbrochen, und aus den Augenwinkeln sieht Alex einen Schnitt oberhalb von Henrys Wangenknochen, der gerade zu bluten beginnt.

Während er mit Glasur und Champagner bedeckt an die Decke starrt, kann er einen Moment lang nur daran denken, dass wenigstens Henrys Tanz mit June nicht die größte Story der königlichen Hochzeit sein wird.

Sein nächster Gedanke ist, dass seine Mutter ihn kaltblütig ermorden wird.

Neben sich hört er Henry langsam murmeln: »Heilige Scheiße.«

Schwach registriert er, dass es das erste Mal ist, dass er den Prinzen fluchen gehört hat, ehe der Blitz einer Kamera aufleuchtet.

Zwei

Mit einem widerhallenden Knall klatscht Zahra einen Zeitschriftenstapel auf den Tisch im Presseraum des Westflügels.

»Und das sind bloß die, die ich heute Morgen auf dem Weg hierher gesehen habe«, sagt sie. »Ich brauche dich wohl nicht daran zu erinnern, dass ich nur zwei Straßen entfernt wohne.«

Alex starrt die Schlagzeilen an.

Der fünfundsiebzigtausend-Dollar-Fehltritt

 

Königsschlacht:Prinz Henry und der Präsidentinnensohn prügeln sich auf der königlichen Hochzeit

 

Tortensturz:Alex Claremont-Diaz löst den zweiten Britisch-Amerikanischen Krieg aus

Jede davon begleitet ein Foto von ihm und Henry flach auf dem Rücken liegend in einem Haufen Tortenmatsch. Henrys alberner Anzug ist ganz verrutscht und mit zerdrückten Buttercremeblumen beschmiert. Alex hält Henrys Handgelenk fest, und ein dünner roter Schnitt verläuft quer über dessen Wange.

»Seid ihr sicher, dass wir diese Besprechung nicht eher im Krisenraum abhalten sollten?«, versucht Alex es.

Weder Zahra noch seine Mutter, die ihnen gegenüber am Tisch sitzt, scheinen seine Bemerkung witzig zu finden. Die Präsidentin bedenkt ihn über ihre Lesebrille hinweg mit einem vernichtenden Blick, und er presst die Lippen zusammen.

Vor Zahra, der stellvertretenden Stabschefin seiner Mutter und ihre rechte Hand, fürchtet er sich nicht direkt. Sie hat zwar eine harte Schale, aber Alex ist überzeugt, dass irgendwo dort drinnen etwas Weiches ist. Er hat mehr Angst vor dem, was seine Mutter tun könnte. Während sie aufwuchsen, wurden sie stets dazu angehalten, offen über ihre Gefühle zu sprechen, doch dann wurde seine Mutter Präsidentin, und plötzlich ging es in ihrem Leben weniger um Gefühle und mehr um internationale Beziehungen. Er ist sich nicht sicher, welche Option ein schlimmeres Schicksal bedeutet.

»›Insider von der königlichen Hochzeitsfeier geben an, dass man die beiden wenige Minuten vor der … tortalen Katastrophe miteinander streiten sah‹«, liest Ellen mit äußerster Geringschätzung aus ihrem Exemplar der Sun vor. Alex versucht nicht einmal zu erraten, wie sie an die heutige Ausgabe eines britischen Boulevardblattes gekommen ist. Die Wege der Präsidentinnen-Mom sind unergründlich. »›Doch Quellen aus dem Königshaus berichten, dass die Fehde des Präsidentinnensohns mit Henry schon seit Jahren andauere. Eine Quelle verriet der Sun, dass es zwischen Henry und dem Präsidentinnensohn bereits seit ihrer ersten Begegnung bei den Olympischen Spielen in Rio Zwistigkeiten gebe, und die Feindschaft hat nur zugenommen – dieser Tage können sie sich nicht einmal im selben Raum aufhalten. Scheint, als sei es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Alex das Ganze auf amerikanische Weise anging: mit einer gewaltsamen Auseinandersetzung.‹«

»Ich finde wirklich nicht, dass man es als gewaltsam bezeichnen kann, wenn jemand über einen Tisch stolpert –«

»Alexander«, sagt Ellen in beängstigend ruhigem Tonfall, »halt den Mund.«

Er gehorcht.

»›Man kommt nicht umhin, sich zu fragen‹«, liest Ellen weiter vor, »›ob der Groll zwischen diesen beiden mächtigen Söhnen zu dem beigetragen hat, was viele als eisige und distanzierte Beziehung zwischen der Regierung von Präsidentin Ellen Claremont und dem Königshaus in den letzten Jahren bezeichnen.‹«

Sie wirft die Zeitschrift beiseite und verschränkt die Arme auf dem Tisch. »Bitte erzähl mir einen anderen Witz«, sagt Ellen. »Ich hätte so gern, dass du mir erklärst, was daran lustig ist.«

Alex öffnet und schließt ein paarmal den Mund.

»Er hat angefangen«, sagt er schließlich. »Ich habe ihn kaum angerührt – er ist derjenige, der mich geschubst hat, und ich habe mich nur an ihm festgehalten, um nicht zu fallen, und –«

»Schatz, ich kann dir gar nicht sagen, wie gleichgültig es den Medien ist, wer hier mit was angefangen hat«, sagt Ellen. »Als deine Mutter kann ich anerkennen, dass es vielleicht nicht deine Schuld war, aber als Präsidentin wünsche ich mir nur, dass die CIA deinen Tod vortäuscht und ich das Mitgefühl wegen meines toten Kindes ausnutzen kann, um für eine zweite Amtszeit gewählt zu werden.«

Alex spannt das Kinn an. Er ist es gewohnt, Dinge zu tun, die die Mitarbeitenden seiner Mutter verärgern – als Teenager hatte er eine Vorliebe dafür, die Leute aus ihrer Kollegschaft auf internen Benefizveranstaltungen in D.C. mit ihrem widersprüchlichen Abstimmverhalten zu konfrontieren – und er war schon wegen peinlicherer Sachen in den Klatschblättern. Doch noch nie auf eine derart verheerende Weise und mit internationalen Auswirkungen.

»Ich habe im Moment keine Zeit, mich damit herumzuschlagen, also werden wir Folgendes tun«, sagt Ellen und zieht eine Mappe aus ihrem Ordner. Sie enthält einige offiziell aussehende Dokumente, die mit Klebezetteln in verschiedenen Farben versehen sind. Auf dem ersten steht: VEREINBARTEBEDINGUNGEN

»Ähm«, macht Alex.

»Du«, sagt sie, »bist nett zu Henry. Du brichst am Samstag auf und verbringst den Sonntag in England.«

Alex blinzelt. »Ist es zu spät, die Option zu wählen, bei der ich meinen Tod vortäusche?«

»Zahra wird dir die restlichen Anweisungen geben«, fährt Ellen ungerührt fort. »Ich habe jetzt ungefähr fünfhundert Sitzungen.« Sie steht auf und geht zur Tür, wobei sie innehält, um ihre Handfläche zu küssen und sie ihm auf den Kopf zu legen. »Hab dich lieb.«

Dann ist sie verschwunden, das Klackern ihrer Absätze hallt hinter ihr den Flur entlang, und Zahra lässt sich auf dem Stuhl nieder, den sie frei gemacht hat, mit einem Gesichtsausdruck, der aussagt, dass sie lieber wirklich seinen Tod arrangieren würde. Sie ist eigentlich nicht die mächtigste oder wichtigste Akteurin im Weißen Haus seiner Mutter, aber sie arbeitet schon an deren Seite, seit Alex fünf ist und Zahra frisch aus Howard kam. Sie ist die Einzige, der man es zutraut, sich mit der Präsidentinnenfamilie herumzuschlagen.

»Okay, wir machen es folgendermaßen«, sagt sie. »Ich war die ganze Nacht in einer Konferenz mit einem Haufen stockkonservativem königlichem Betreuungspersonal und PR-Ärschen und dem verdammten Stallmeister des Prinzen, um das hier in die Wege zu leiten, deshalb wirst du diesem Plan bis ins kleinste Detail folgen und es nicht versauen, kapiert?«

Insgeheim findet Alex die ganze Sache noch immer vollkommen lächerlich, doch er nickt. Zahra sieht absolut nicht überzeugt aus, fährt allerdings mit Nachdruck fort:

»Zunächst werden das Weiße Haus und das Königshaus eine gemeinsame Stellungnahme abgeben, in der es heißt, dass das, was auf der königlichen Hochzeit passiert ist, ein reiner Unfall und ein Missverständnis war –«

»Das stimmt ja auch.«

»– und dass, obwohl ihr selten Zeit habt, euch zu treffen, du und Prinz Henry schon seit einigen Jahren enge persönliche Freunde seid.«

»Wir sind was?«

»Schau«, sagt Zahra und trinkt einen Schluck aus ihrem riesigen Edelstahl-Kaffeebecher. »Beide Seiten müssen am Ende gut dastehen, und das lässt sich nur hinbekommen, wenn wir es so aussehen lassen, als wäre eure kleine Prügelei auf der Hochzeit eine Art homoerotische Panne unter Kumpels gewesen, okay? Du kannst den Prinzen hassen, soviel du willst, in deinem Tagebuch fiese Gedichte über ihn schreiben, aber sobald du eine Kamera siehst, benimmst du dich, als wäre er dein Sonnenschein, und du machst es überzeugend.«

»Hast du Henry mal getroffen?«, fragt Alex. »Wie soll ich das hinkriegen? Er hat so viel Persönlichkeit wie ein Kohlkopf.«

»Verstehst du wirklich nicht, dass es mir scheißegal ist, wie es dir damit geht?«, fragt Zahra. »Es wird genau so ablaufen, damit du nicht das ganze Land von der Kampagne zur Wiederwahl deiner Mutter ablenkst. Wenn sie nächstes Jahr die Debattenbühne betritt, willst du, dass sie der Welt erklären muss, warum ihr Sohn versucht, die europäischen Beziehungen der USA zu destabilisieren?«

Nun, nein, das will er nicht. Und er weiß im Grunde, dass er eigentlich ein besserer Stratege ist und dass er ohne seinen Groll wahrscheinlich selbst auf diesen Plan gekommen wäre.

»Also, Henry ist dein neuer bester Freund«, fährt Zahra fort. »Du wirst lächeln und nicken und niemandem ans Bein pissen, während du und Henry das Wochenende damit verbringt, bei Benefizveranstaltungen aufzutreten und mit den Medien darüber zu reden, wie sehr ihr die Gesellschaft des anderen schätzt. Wenn jemand nach ihm fragt, will ich dich schwärmen hören, als wäre er dein verdammter Abschlussballpartner.«

Sie schiebt ihm eine Liste und Tabellen herüber, so detailliert, dass sie von ihm stammen könnten, mit der Überschrift: »Merkblatt zu Seiner Königlichen Hoheit Prinz Henry«

»Du wirst das auswendig lernen, damit du weißt, was du sagen sollst, wenn irgendjemand versucht, dich beim Lügen zu ertappen«, meint sie. Unter »Hobbys« sind Polo und Regattasegeln aufgelistet. Alex würde sich am liebsten selbst verbrennen.

»Bekommt er auch so eins über mich?«, fragt er hilflos.

»Jep. Und nur damit das klar ist, das zu erstellen war einer der deprimierendsten Momente meiner Laufbahn.« Sie schiebt ihm eine weitere Seite herüber, auf der im Einzelnen die Pflichten für das Wochenende stehen.

Mindestens zwei (2) Beiträge pro Tag in den sozialen Medien, die England bzw. den Besuch dort hervorheben.

Ein (1) Liveinterview mit ITV This Morning, das fünf (5) Minuten dauert, übereinstimmend mit der festgelegten Geschichte.

Zwei (2) gemeinsame Auftritte in Gegenwart der Presse: ein (1) privates Treffen, ein (1) öffentlicher Benefiz-Auftritt.

»Warum muss ich hin? Er ist derjenige, der mich in diese blöde Torte geschubst hat – sollte nicht er hierherkommen und mit mir bei Saturday Night Live auftreten müssen oder so?«

»Weil es die königliche Hochzeit war, die du ruiniert hast, und sie diejenigen sind, die jetzt fünfundsiebzigtausend Kröten ärmer sind«, sagt Zahra. »Abgesehen davon arrangieren wir gerade seine Anwesenheit bei einem Staatsbankett in ein paar Monaten. Er ist davon ebenso wenig begeistert wie du.«

Alex kneift sich in den Nasenrücken, von wo aus sich bereits ein stressbedingter Kopfschmerz ausbreitet. »Ich habe Uni.«

»Am Sonntagabend, D.C.-Zeit, bist du wieder hier«, informiert Zahra ihn. »Du wirst nichts verpassen.«

»Es gibt also wirklich keine Möglichkeit, aus dieser Nummer herauszukommen?«

»Nein.«

Alex presst die Lippen aufeinander. Er braucht eine Liste.

Als er klein war, hat er im Haus in Austin unter dem abgenutzten Jeanspolster des Fenstersitzes eine Sammlung loser Blätter versteckt, die mit geschwungener Krakelschrift bedeckt waren. Weitschweifige Abhandlungen über die Rolle der Regierung in den USA, in denen alle Gs seitenverkehrt waren, vom Englischen ins Spanische übersetzte Stellen sowie Tabellen mit den Stärken und Schwächen der Kinder aus seiner Grundschulklasse. Und Listen. Haufenweise Listen. Die Listen helfen.

Also: Gründe, warum das eine gute Idee ist.

Erstens: Seine Mutter braucht positive Berichterstattung.

Zweitens: Eine negative Vorgeschichte im Bereich Auslandsbeziehungen wird seiner Karriere ganz sicher nicht zuträglich sein.

Drittens: Eine kostenlose Reise nach Europa.

»Okay«, sagt er und nimmt die Mappe. »Ich mache es. Aber ich werde kein bisschen Spaß haben.«

»Das will ich hoffen.«

 

Das WH-Trio ist offiziell der Spitzname für Alex, June und Nora, den das PeopleMagazine kurz vor der Amtseinsetzung geprägt hat. Tatsächlich hat das PR-Team des Weißen Hauses ihn sorgfältig an Fokusgruppen getestet und direkt an People souffliert. Politik ist Berechnung, sogar wenn es um Hashtags geht.

Vor den Claremonts haben die Kennedys und Clintons ihren Nachwuchs von den Medien abgeschirmt und ihnen genug Privatsphäre verschafft, um unbeholfene Phasen zu durchleben, natürliche Kindheitserfahrungen und dergleichen zu machen. Sasha und Malia Obama hingegen wurden von der Presse verfolgt und auseinandergenommen, ehe sie auch nur die Highschool abgeschlossen hatten. Das WH-Trio bemächtigte sich der Erzählung, ehe irgendjemand bei ihnen dasselbe tun konnte.

Es war ein gewagter neuer Plan: drei attraktive, intelligente, charismatische Mitglieder der Generation Y – Alex und Nora gehören eigentlich schon zur Generation Z, aber die Medien scheinen das bei Weitem nicht so einprägsam zu finden. Was einprägsam ist, verkauft sich, was cool ist, verkauft sich. Obama war cool. Die gesamte Präsidentinnenfamilie konnte ebenfalls cool sein, Promis aus eigener Kraft. Es ist nicht ideal, sagt seine Mutter immer, aber es funktioniert.

Sie sind das WH-Trio, aber hier, im Musikzimmer im dritten Stock der Residenz, sind sie einfach Alex, June und Nora, die zusammengeschweißt wurden, seit sie als Teenager während der Vorwahlen durch ihren enormen Espressokonsum ihr Wachstum hemmten. Alex treibt sie an. June erdet sie. Nora sorgt dafür, dass sie sich selbst treu bleiben.

Sie lassen sich an ihren üblichen Plätzen nieder, June im Fersensitz bei der Schallplattensammlung, weil sie nach etwas von Patsy Cline sucht, Nora im Schneidersitz auf dem Fußboden, wo sie eine Flasche Rotwein entkorkt, und Alex mit den Füßen auf der Rückenlehne des Sofas, während er versucht, sich seine nächsten Schritte zu überlegen.

Er wendet das »Merkblatt zu Seiner Königlichen Hoheit Prinz Henry« und schielt darauf. Er spürt, wie ihm das Blut in den Kopf schießt.

June und Nora beachten ihn nicht, sie stecken in einer Blase der Vertrautheit, in die er nie ganz vordringen kann. Ihre Beziehung ist für die meisten Menschen etwas Gewaltiges und Unverständliches, manchmal auch für Alex. Er kennt sie beide in- und auswendig, einschließlich ihrer schlechten Angewohnheiten, doch sie bilden einen seltsamen Mädchenbund, den er nicht begreifen kann, und er weiß, dass er das auch nicht soll.

»Ich dachte, dir gefällt der Job bei der Post«, meint Nora. Mit einem dumpfen Knall zieht sie den Korken aus der Flasche und nimmt direkt einen tiefen Schluck.

»Anfangs ja«, sagt June. »Ich meine, schon noch. Aber es ist nicht gerade ein Job. Es ist eher ein Kommentar pro Monat, und die Hälfte meiner Vorschläge wird abgesägt, weil sie sich zu sehr auf Moms Politik beziehen lassen, und das PR-Team muss alles Politische lesen, ehe ich es einreiche. Also heißt es, schick ihnen diese weichgespülten Texte, während ich weiß, dass auf der anderen Seite des Bildschirms ein paar Leute gerade den wichtigsten Journalismus ihrer Laufbahn betreiben, und ich soll mich nicht daran stören.«

»Das heißt … Der Job gefällt dir nicht.«

June seufzt. Sie findet die Platte, nach der sie gesucht hat, und lässt sie aus der Hülle gleiten. »Das Problem ist, ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.«

»Kannst du dich nicht auf ein Ressort dort spezialisieren?«

»Machst du Witze? Sie lassen mich ja nicht mal ins Gebäude«, sagt June. Sie legt die Platte auf und setzt die Nadel an. »Was würden Reilly und Rebecca dazu sagen?«

Nora neigt den Kopf und lacht. »Meine Eltern würden dir raten, dasselbe zu tun wie sie: den Journalismus an den Nagel zu hängen, eine Obsession für ätherische Öle zu entwickeln, ein Blockhaus in der Wildnis von Vermont zu kaufen und sechshundert Westen von LL Bean zu besitzen, die nach Patchouli riechen.«

»Du hast ausgelassen, dass sie in den Neunzigern in Apple investiert haben und steinreich geworden sind«, erinnert June sie.

»Details.«

June geht hinüber und legt die Hand auf Noras Scheitel, tief in ihr Lockennest, ehe sie sich hinabbeugt, um die Rückseite ihrer eigenen Finger zu küssen. »Ich lass mir was einfallen.«

Nora reicht ihr die Flasche weiter, und June nimmt einen Schluck. Alex stößt einen dramatischen Seufzer aus.

»Ich kann nicht glauben, dass ich diesen Scheiß lernen muss«, sagt er. »Ich habe gerade erst die Zwischenklausuren hinter mich gebracht.«

»Schau, du bist derjenige, der mit allem kämpfen muss, was sich bewegt«, sagt June und wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab, eine Geste, die sie nur vor ihnen beiden machen würde. »Einschließlich dem britischen Königshaus. Deshalb tust du mir nicht wirklich leid. Er war jedenfalls völlig in Ordnung, als ich mit ihm getanzt habe. Ich kapiere nicht, warum du ihn so hasst.«

»Ist doch toll«, wirft Nora ein. »Erzfeinde, die Frieden schließen müssen, um die Spannungen zwischen ihren beiden Ländern zu beruhigen – das hat echt was von Shakespeare.«

»Shakespeare insofern, dass ich hoffentlich erdolcht werde«, sagt Alex. »Hier steht, sein Lieblingsgericht ist Lammpastete. Mir fällt wirklich kein langweiligeres Essen ein. Er ist wie eine Pappfigur.«

Auf dem Blatt stehen lauter Dinge, die Alex schon wusste, entweder dank medialer Dauerbeschallung über die Prinzen und Prinzessinnen oder weil er Henrys Wikipedia-Seite gelesen hat, um sich darüber auszulassen. Er weiß, wer Henrys Eltern sind, und kennt seine älteren Geschwister Philip und Beatrice. Ihm ist bekannt, dass er in Oxford englische Literatur studiert hat und klassisches Klavier spielt. Der Rest ist so trivial, dass er sich nicht vorstellen kann, dass es in einem Interview Thema werden könnte, aber er wird keinesfalls das Risiko eingehen, dass Henry besser vorbereitet ist als er.

»Vorschlag«, sagt Nora. »Machen wir doch ein Trinkspiel draus.«

»Oh ja«, stimmt June zu. »Wir trinken jedes Mal, wenn Alex etwas richtig hat?«

»Jedes Mal, wenn man bei der Antwort kotzen könnte?«, schlägt Alex vor.

»Ein Schluck für eine richtige Antwort, zwei Schluck für einen Fakt über Prinz Henry, der wirklich und objektiv betrachtet fürchterlich ist«, sagt Nora. June hat bereits zwei Gläser aus der Vitrine geholt und reicht sie Nora, die beide füllt und die Flasche für sich behält. Alex rutscht vom Sofa, um bei ihr auf dem Boden zu sitzen.

»Okay«, fährt Nora fort und nimmt Alex das Blatt ab. »Fangen wir mit etwas Leichtem an. Eltern. Schieß los.«

Alex nimmt sein eigenes Glas und hat bereits ein Bild von Henrys Eltern im Kopf, Catherines blauen Augen und Arthurs Filmstar-Kinn.

»Mutter: Prinzessin Catherine, die älteste Tochter von Queen Mary, die erste Prinzessin, die einen Doktortitel erlangt hat – englische Literatur«, rattert er herunter. »Vater: Arthur Fox, ein beliebter englischer Film- und Theaterschauspieler, am bekanntesten dafür, dass er in den Achtzigern James Bond verkörpert hat, 2015 verstorben. Los, trinken!«

Das tun sie, bevor Nora die Liste an June weiterreicht.

»Okay«, sagt June und überfliegt sie, offenbar auf der Suche nach einer größeren Herausforderung. »Mal sehen. Der Name seines Hundes?«

»David«, sagt Alex. »Es ist ein Beagle. Das weiß ich noch, weil, wer macht denn so was? Wer nennt einen Hund David? Er klingt wie ein Steueranwalt. Wie ein Hundesteueranwalt. Trinken.«

»Sein bester Freund, dessen Alter und Beruf?«, fragt Nora. »Bester Freund abgesehen von dir natürlich.«

Alex zeigt ihr beiläufig den Stinkefinger. »Percy Okonjo. Genannt Pez oder Pezza. Erbe von Okonjo Industries, einer nigerianischen Firma, die in Afrika beim biomedizinischen Fortschritt führend ist. Zweiundzwanzig, lebt in London, hat Henry in Eton kennengelernt. Leitet die Okonjo Foundation, eine humanitäre Nonprofit-Organisation. Trinken.«

»Lieblingsbuch?«

»Äh«, macht Alex. »Ähm. Scheiße. Äh. Was war das noch –«

»Tut mir leid, Mr. Claremont-Diaz, das ist nicht korrekt«, sagt June. »Danke, dass Sie spielen, aber Sie verlieren.«

»Komm schon, was ist die Antwort?«

June späht auf die Liste. »Hier steht … Große Erwartungen?«

Sowohl Nora als auch Alex stöhnen auf.

»Versteht ihr jetzt, was ich meine?«, fragt Alex. »Dieser Kerl liest Charles Dickens … zum Vergnügen.«

»Wo du recht hast …«, meint Nora. »Zweimal trinken!«

»Na ja, ich finde –«, sagt June, während Nora fröhlich trinkt. »Leute, es ist doch irgendwie nett! Ich meine, es ist hochtrabend, aber die Themen von Große Erwartungen sind alle so was wie ›Liebe ist wichtiger als Status‹ und ›Redlichkeit übertrumpft Geld und Macht‹. Vielleicht kann er das nachempfinden –« Alex macht ein langes, lautes Furzgeräusch. »Ihr seid alle solche Arschlöcher! Er wirkt echt nett!«

»Das liegt daran, dass du ein Nerd bist«, sagt Alex. »Du willst deine eigene Spezies beschützen. Das ist ein natürlicher Instinkt.«

»Ich helfe dir hier aus reiner Herzensgüte«, sagt June. »Eigentlich habe ich einen Abgabetermin.«

»Hey, was, glaubst du, hat Zahra auf mein Merkblatt geschrieben?«

»Hmm«, macht Nora und saugt an ihren Zähnen. »Lieblingssport bei den olympischen Sommerspielen: rhythmische Gymnastik –«

»Das ist mir nicht peinlich.«

»Lieblings-Khaki-Marke: Gap.«

»Hey, mein Hintern sieht darin am besten aus. Die von  J. Crew haben alle so komische Falten. Und es heißt nicht Khakis, sondern Chinos. Khakis sind was für Weiße.«

»Allergien: Hausstaub, Ariel-Waschmittel und verdammt noch mal die Klappe zu halten.«

»Erste politische Obstruktion mit neun, bei der SeaWorld San Antonio, als er versucht hat, einen Orca-Trainer dazu zu bringen, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, wegen, Zitat: ›unmenschlichen Umgangs mit Walen‹.«

»Ich stand damals dazu und tue es auch heute noch.«

June wirft den Kopf zurück und lacht laut und ohne Zurückhaltung, Nora verdreht die Augen, und Alex ist froh, dass wenigstens die beiden da sein werden, wenn der Albtraum vorüber ist.

 

Alex erwartet, dass Henrys Betreuer ein untersetzter Engländer wie aus dem Bilderbuch ist, der Frack und Zylinder trägt, wahrscheinlich auch einen Schnurrbart im Stil der vorletzten Jahrhundertwende, und auf jeden Fall hastig umherhuscht, um einen Samtschemel an Henrys Kutschenschlag zu stellen.

Der Mensch, der ihn und seine Sicherheitsleute auf dem Rollfeld erwartet, ist jedoch ein hochgewachsener indisch aussehender Mann um die dreißig in einem perfekt geschnittenen Maßanzug und auf verwegene Weise gut aussehend, mit einem sorgfältig gestutzten Bart, einer dampfenden Tasse Tee und einem Union Jack am Revers. Okay.

»Agent Chen«, sagt der Mann und streckt Amy seine freie Hand entgegen. »Ich hoffe, der Flug verlief reibungslos.«

Amy nickt. »So reibungslos, wie der dritte Transatlantikflug innerhalb einer Woche sein kann.«

Der Mann zeigt den Anflug eines mitfühlenden Lächelns. »Der Land Rover ist für Sie und Ihr Team während des Aufenthalts.«

Amy nickt wieder, lässt seine Hand los, und der Mann wendet sich an Alex.

»Mr. Claremont-Diaz«, sagt er. »Willkommen zurück in England. Shaan Srivastava, Prinz Henrys Stallmeister.«

Alex nimmt seine Hand und schüttelt sie, wobei er sich ein bisschen wie in einem der Bond-Filme von Henrys Vater vorkommt. Hinter ihm lädt ein Bediensteter sein Gepäck aus und trägt es zu einem schnittigen Aston Martin.

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Shaan. Nicht ganz, wie wir uns unser Wochenende vorgestellt haben, was?«

»Diese Wendung der Ereignisse überrascht mich weniger, als mir lieb wäre, Sir«, meint Shaan kühl mit einem unergründlichen Lächeln.

Er zieht ein kleines Tablet aus seinem Jackett und macht auf dem Absatz kehrt, um zu dem wartenden Auto zu gehen. Alex starrt seinen Rücken an, sprachlos, ehe er sich hastig weigert, sich von einem erwachsenen Mann beeindrucken zu lassen, dessen Job darin besteht, den Terminkalender des Prinzen zu organisieren, ganz gleich, wie cool er ist oder wie groß und gleichmäßig seine Schritte sind. Er schüttelt ein wenig den Kopf und beeilt sich aufzuholen, rutscht auf die Rückbank, während Shaan die Spiegel überprüft.

»Okay«, sagt Shaan. »Sie sind in der Gästesuite von Kensington Palace untergebracht. Morgen früh um neun geben Sie das Interview bei This Morning – wir haben einen Fototermin im Studio arrangiert. Dann gibt es den ganzen Nachmittag krebskranke Kinder, ehe Sie ins Land der Freien zurückfliegen.«

»Okay«, sagt Alex. Höflicherweise fügt er nicht an: Könnte schlimmer sein.

»Jetzt«, sagt Shaan, »sollen Sie erst mal mit mir den Prinzen von den Ställen chauffieren. Ein Fotograf wird da sein, um festzuhalten, wie der Prinz Sie im Land begrüßt, also versuchen Sie auszusehen, als wären Sie erfreut, hier zu sein.«

Natürlich gibt es Ställe, von denen der Prinz chauffiert werden muss. Alex war kurz besorgt, dass er falschlag, was die Gestaltung des Wochenendes anging, doch das hier fühlt sich schon viel mehr danach an.

»Wenn Sie in die Tasche am Vordersitz schauen würden«, sagt Shaan, während er zurücksetzt, »es gibt ein paar Dokumente, die Sie unterzeichnen sollen. Ihre Anwälte haben sie bereits abgesegnet.« Er reicht ihm einen teuer aussehenden schwarzen Kugelschreiber.

VERSCHWIEGENHEITSVEREINBARUNG steht oben auf der ersten Seite. Alex blättert bis zur letzten Seite – der Text umfasst mindestens fünfzehn –, und ihm entfährt ein leiser Pfiff.

»Machen Sie …«, fragt Alex, »so was öfter?«

»Unsere übliche Vorgehensweise«, sagt Shaan. »Der Ruf der königlichen Familie ist zu wertvoll, als dass man ihn leichtfertig aufs Spiel setzen dürfte.«

Die Formulierung »Vertrauliche Informationen«, wie sie in dieser Vereinbarung verwendet wird, beinhaltet Folgendes:

Informationen, die Seine Königliche Hoheit Prinz Henry oder irgendein Mitglied der königlichen Familie dem Gast gegenüber als »vertrauliche Informationen« bezeichnen.

Alle finanziellen und Vermögensinformationen, die SKH Prinz Henrys persönliches Vermögen und Besitz betreffen.

Jegliche Details der Inneneinrichtung königlicher Residenzen, einschließlich Buckingham Palace, Kensington Palace etc. sowie persönliche Gegenstände, die sich darin befinden.

Jegliche Informationen, die SKH Prinz Henrys Privatleben oder Intimsphäre betreffen oder damit zu tun haben, sofern sie nicht zuvor in offiziellen königlichen Dokumenten, Reden oder von genehmigten Biografen veröffentlicht wurden, einschließlich solcher, die jegliche persönliche oder private Beziehung betreffen, die der Gast mit SKH Prinz Henry unterhalten mag.

Jegliche Informationen, die sich auf den persönlichen elektronischen Geräten von SKH Prinz Henry befinden …

Das wirkt … überzogen, wie die Art von Papierkram, die man von einem perversen Millionär bekommt, der einen als Sport jagen will. Er fragt sich, was die weltweit nervtötend mustergültigste Person des öffentlichen Lebens zu verbergen haben könnte. Er hofft, dass es kein Faible für Menschenjagd ist.

Verschwiegenheitsvereinbarungen sind Alex jedoch nicht fremd, daher unterschreibt er. Er hatte ohnehin nicht vor, die langweiligen Einzelheiten dieser Reise irgendjemandem mitzuteilen, außer vielleicht June und Nora.

Nach weiteren fünfzehn Minuten fahren sie bei den Ställen vor, seine Sicherheitsleute sind dicht hinter ihm. Die königlichen Ställe sind selbstverständlich weitläufig, tipptopp gepflegt und absolut kein Vergleich zu den alten Ranches, die er im Texas Panhandle gesehen hat. Shaan führt ihn zum Rand der Koppel, und Amy und ihr Team sammeln sich wieder zehn Schritte hinter ihnen.

Alex stützt sich mit den Ellbogen auf den weiß lackierten Zaunlatten ab und kämpft gegen das plötzliche, absurde Gefühl an, dass er hierfür nicht gut genug angezogen ist. An jedem anderen Tag wären seine Chinos und sein Hemd für einen lässigen Fototermin völlig in Ordnung, doch zum ersten Mal seit Langem fühlt er sich fehl am Platz. Ist sein Haar vom Flug geplättet?

Es ist ja nicht so, als würde Henry nach einem Polo-Training besser aussehen. Wahrscheinlich ist er verschwitzt und eklig.

Wie auf Kommando kommt Henry auf dem Rücken eines blütenweißen Pferdes um die Ecke galoppiert.

Er ist eindeutig weder verschwitzt noch eklig. Stattdessen ist er ins Licht eines dramatisch leuchtenden Sonnenuntergangs getaucht, trägt eine fesche schwarze Jacke und eine Reithose, die in hohen Lederstiefeln steckt, jeder Zoll ein echter Märchenprinz. Er schnallt seinen Helm los und nimmt ihn mit einer behandschuhten Hand ab, und sein Haar darunter ist auf schmeichelnde Weise gerade verwuschelt genug, dass es aussieht, als ob es Absicht wäre.

»Ich kotze gleich auf dich«, sagt Alex, sobald Henry nahe genug herangeritten ist, um ihn zu hören.

»Hallo Alex«, sagt Henry. Alex verabscheut es wirklich, dass Henry ihn jetzt noch ein paar Zentimeter mehr überragt. »Du siehst … nüchtern aus.«

»Nur für Euch, Königliche Hoheit«, sagt er mit einer ausladenden, spöttischen Verbeugung. Es freut ihn, dass Henrys Stimme ein wenig eisig klingt und er endlich damit fertig ist, etwas vorzutäuschen.