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Ein abwechslungsreicher Rückflug durch die ersten 50 Lebensjahre des Autors, der als Fluglotse im Kölner Tower die Verschmelzung von Privatleben und Beruf sichtlich geniesst. Die Erinnerungen werden schwerpunktmäßig jedoch auf die fröhlichen und humorvollen Lebensabschnitte beschränkt. Das Leben ist einfach zu kurz, um sich ständig zu grämen. Es ene Ve`sooch wäät!
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Seitenzahl: 223
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Ein abwechslungsreicher Rückflug durch die ersten 50 Lebensjahre des Autors, der als Fluglotse im Kölner Tower die Verschmelzung von Privatleben und Beruf sichtlich geniesst. Die Erinnerungen werden schwerpunktmäßig jedoch auf die fröhlichen und humorvollen Lebensabschnitte beschränkt. Das Leben ist einfach zu kurz, um sich ständig zu grämen.
Es ene Ve`sooch wäät!
Dietmar Schmitz, Jahrgang 1965, Fluglotse bei der Deutschen Flugsicherungs GmbH im Köln/Bonner Tower, legt in diesem Buch sein Erstlingswerk vor.
Seine wirkliche Intention, sich einmal als Autor zu verwirklichen, findet man im Prolog dieses Büchleins.
Allen Menschen mit dem Nachnamen SCHMITZ gewidmet, aber ganz besonders unseren Eltern Anita und Hubert.
Prolog
(Loss jeht et)
Glück gehabt
(Wat ene Duusel)
Gürzenicher Urgestein
(Jüzzenich, meng Heimot)
Schutzengel Emma (
Et hätt nauch emme` joot jejange)
Der Mai ist gekommen
(De` Mai is jekumme)
Medienrummel
(Nää, wat sin` me wischtisch)
Rheinische Frohnatur
(Jeck op et Ringland)
Berufsplanung
(Wat sull uss demm ens wädde)
Ein Hahn mit Adleraugen
(De` Vuhl sid alles)
Gefahr lauert überall
(Nu` Bekloppte)
Prüfungsstress
(Unnötije Dress)
Handball Allround
(Beklopp` op Handball)
Ich kaufe nichts
(Maach Disch fott, isch will nühß)
Feuerzangenbowle (
Fierrovend-Ve`zäll vann de` Akademie)
Familie Schmitz
(De Schmitze)
Nachwuchswerbebeauftragter
(Jäck, de` Loodse fenge sull)
Dorfgeflüster
(Verdamp lang her)
Englisch
(Leeve Kölsch kalle)
Kontrollstelle Tor A
(Do laachste disch kapott)
Das Leben genießen
(Loss me jätt Spaß hann)
Deutsche Mundarten
(Schwaad no` de` Schnüss)
Meeresrauschen (D
e` ahle Keal un` et jruße Wasse`)
Tower Köln
(Dat Floochhaave Törmsche)
WAA- Nachbarschaft
(Ratsch-jecke Uselle un Halvjehange)
Sammelsurium
(Ald wedde Krom un` Kwatsch)
Zukunftspläne
(Ens luure wat kütt)
Epilog
(Fott domett)
Kölsch-Deutsch, Quellen
Als rheinischer Bursche versuche ich möglichst auch Kölsche Mundart in Schriftform zu übermitteln. Sollte mir dies nicht immer gelingen, so bitte ich um das Recht der dichterischen Freiheit (Licentia poetica). Für einen Nicht-Rheinländer gibt es im Anhang die „Kölsch – Deutsch Übersetzung“.
Diese Erhebung in den Adelsstand lasse ich nur den Dürenern zukommen, andere Personen werden wie üblich angesprochen, um Verwirrungen zu vermeiden.
Damit der Leser ebenfalls kreativ werden kann, dürfen alle Zeichnungen in diesem Buch farbig ausgemalt werden. Die schönsten Kunstwerke werden prämiert! Verlockende wertvolle Sachpreise, wie Lutscher oder Salbei-Bonbons, erwarten die Sieger.
Weiterhin haben sich eventuelle grammatikalische Fehler oder überflüssige Leerzeichen eingeschmuggelt, die Sie bitte mittels Skalpell oder Locher sauber ausstanzen und in einem ausreichend frankierten Kuvert an mich senden. Die Schnipsel werde ich entweder im Metall-Postfach eines extrem nervigen Kollegen entsorgen oder mittels Konfettikanone im nächsten Gürzenicher Rosenmontagszug verteilen. Ein neues Buch erhalten Sie über die bekannten Vertriebswege.
Kritik nehme ich gerne an!
Es ene Ve`sooch wäät, kütt ävver zo spät!
Welchen Sinn hat unser vergängliches Leben eigentlich, wenn wir hier auf Erden keine „Spuren“ hinterlassen? Interessante These, die mir schon des Öfteren durch mein Köpfchen schwirrte.
Sollten wir, zum Entsetzen einiger Mitbürger, tatsächlich ca. 90 Jahre alt werden, so existiert man vielleicht noch in so manchen Gedächtnissen der zwei bis drei nachfolgenden Generationen; die Erinnerung an unser vergangenes Dasein aber verblasst schneller, als der dazu gehörige verrottete Grabstein.
Also los Schmitz … Spuren hinterlassen! Mal sehen: Baum pflanzen, Sohn (und hübsche Tochter) zeugen, Haus bauen, einen tollen Beruf erlernen und ausüben …. alles erledigt, also abhaken.
Für diese Leistung benennt niemand ein Stadtviertel, einen Kreisverkehr oder eine mickrige Straße nach mir.
Spuren über Generationen hinweg zu hinterlassen, ist nicht so einfach. Außerdem bestehe ich darauf, dass es „positive Spuren der Erinnerung“ sind. Adolf Hitler und Osama Bin Laden bleiben noch Jahrhunderte lang bekannt, aber diesen Ruhm strebe ich nicht an. Es ist leider auch sehr unwahrscheinlich, dass ich zum Wohle der Menschheit innerhalb meiner verbleibenden Jahre noch eine sensationelle naturwissenschaftliche Entdeckung machen werde; hierzu bin ich wahrscheinlich zu faul, untalentiert oder auch zu blöd. Tatsächlich gab es in meinem bisherigen Leben immer wieder Phasen der Begeisterung, die mich motivierten, viel Zeit für und in etwas zu investieren; etwas, dass mir einfach Spaß machte!
Im Augenblick macht es mir einfach Spaß, die für mich schönen und erinnerungswürdigen Seiten meines bisherigen Lebens aufzuschreiben. Auch auf diesem Wege werde ich nicht „Spuren“ über einen langen Zeitraum hinterlassen und somit über viele Generationen im Gespräch bleiben, aber sollte ich einmal der Demenz, Alzheimer oder ähnlichen schrecklichen, neurologischen Krankheiten erliegen, so kann ich mich hoffentlich an meinen eigenen Zeilen erfreuen. Also reiner Selbstzweck und nur zweitrangiger Narzissmus.
Da ich 2015 meinen 50ten Geburtstag feiere, mache ich mir zugleich mit diesen Erinnerungen noch mein eigenes Geschenk. Zudem nutze ich die Gelegenheit um klarzustellen, dass ich einen Organspende Pass besitze und auch zu den Konsequenzen stehe. Der nicht benötigte sterbliche Rest soll nach meinem Ableben dann eingeäschert werden. Dies jedoch bitte alles erst, wenn mein Gehirntod einwandfrei festgestellt wurde (bitte nicht auf Freunde und Arbeitskollegen hören, die behaupten nämlich, dass sei jetzt schon der Fall). Anstatt einer Predigt können Sie gerne aus diesem Büchlein vorlesen und nach der Urnenbeisetzung erwarte ich eine fröhliche Party (Funk und Soul) und keine heuchlerischen Trauergesichter. Meine Gedenktafel bitte mit einem QR-Code ausstatten, damit jeder, der Interesse hat, auf der dazugehörigen Internetseite meine vorbereitete Multimediashow aufrufen kann.
Hiermit bitte ich Bestatter Birkehoven`se Knacky und Steinmetz Weiler`se Uwe, dies an ihre Nachfolger weiterzugeben; natürlich werde ich noch sehr lange unter den Lebenden weilen! Vielleicht haben Sie Spaß an den kommenden Kapiteln, es würde mich sehr erfreuen.
Ich bin ein absolutes Glückskind!
Klar gibt es immer wieder Lebensabschnitte, die nicht so prickelnd waren. Schlechte Klausuren auf dem Gymnasium am Wirteltor, Bewerbungsabsagen, verlorene Handballspiele, unglückliche Verliebtheit, verkorkste Ehe mit den entsprechenden teuren Scheidungsmodalitäten und so weiter.
Jammern einstellen, aufstehen, Dreck abschütteln und positiv voran! Kann Selbstmitleid überhaupt nicht mehr ertragen, darum „fott domett“. Macht nur Stress und Magengeschwüre.
Also noch einmal :
Ich bin ein absolutes Glückskind. Nicht, weil ich wohl erzogene, freundliche und einfach tolle Kinder (Tim, Laura und Chiara) habe; nicht, weil ich einen gut bezahlten und interessanten Beruf habe; nicht, weil ich viele liebenswerte Freunde und Arbeitskollegen habe. Dies sind alles Faktoren, die durch gute Erziehung, Fleiß und respektvollen, freundlichen Umgang mit den Mitmenschen beeinflussbar sind.
Die Faktoren, die ich nicht beeinflussen kann, sind enorm wichtig. Dinge, die man sich nicht aussuchen kann, weil man (glücklicherweise) hinein geboren wurde: Eltern, Friedenszeit, Geburtsland und soziales Umfeld.
Mit Hubert und Anita Schmitz haben meine beiden Brüder und ich das große Los gezogen; mehr dazu später. Wir Brüder mussten nie die Auswirkungen eines Weltkrieges kennen lernen und unsere Kinder und Kindeskinder hoffentlich auch niemals. Deutschland ist ein schönes und wohlhabendes Land. Unsere Vor-Eifel-Region hat wunderbare abwechslungsreiche Landschaften zu bieten, man muss nur auf Entdeckungstour gehen.
Sollten immer nörgelnde Pessimisten hier ganz anderer Meinung sein, so empfehle ich Reisen in andere Länder. Selbst im Kalifornien-Urlaub musste ich erkennen, dass Deutschland im kulturellen Bereich, in der Bildung, im Gesundheitssystem und noch einigen anderen Punkten das bessere Paket zu bieten hat. Eine andere schöne Erfahrung ist es, wenn man eine Woche mit mehreren anderen Personen auf einem kleinen Segelboot reist und übernachtet.
Extrem engerer Raum und in die Pump-Toilette darf nur, was auch verspeist wurde, also auch kein Toilettenpapier. Wieder daheim wirkt selbst das kleinste Badezimmer mit Dusche sehr royal.
Somit standen bei meiner Geburt alle Grundvoraussetzungen unter einem Glücksstern. Leider erblickte ich das Licht der Welt erst einmal nur sehr kurz. Ich war eine Hausgeburt und eine Hebamme begleitete meine Eltern durch die Entbindung. Da schon viele Monate vor meinem Geburtsjahr 1965 zahlreiche „Contergan-Kinder“ behindert zur Welt kamen und ich nun mit einem angelegten Arm (linker Ober- und Unterarm aneinander geklemmt) zum ersten Mal an der frischen Luft war, vermutete die Hebamme eine Missbildung meines Armes und warf sofort ein Tuch über mich. Na schönen Dank. Mein Papa untersuchte jedoch noch einmal seinen zweiten Sohn und gab dann Entwarnung. Sag ich doch: ich bin ein Glückskind!
Nach gründlicher Untersuchung, doch alles vorhanden!
Wann ist man ein echter Gürzenicher? Natürlich erst, wenn man in den Trierbach gefallen ist.
Ergo bin ich absolut ene Jüzzenicher Jong, da ich als Kind beim Spielen mehrmals der Länge nach im Bachbett landete.
Über das traditionelle Fleckchen Gürzenich, das seit vielen Jahren ein Stadtteil von Düren in NRW ist, brauche ich im Prinzip gar nicht im Detail zu berichten. Die Geschichte meines Geburtsortes, der weiterhin der Lebensmittelpunkt meiner Familie ist, kann ausführlich in den zahlreichen Schriften unseres Heimatbundes erforscht werden. Über „You Tube“ erhält man, genauso wie unter „Wikipedia“, unter der Suchanfrage „Düren-Gürzenich“ viele tolle Infos.
Mein, seit den Kindergarten-Tagen, ältester Freund, Kirschgen`se Thomas (genannt Kiddel) hat ebenfalls sehr amüsante Details über Gürzenich in seinem tollen Buch „Dat dehdet och“ aufgelistet.
Also kaufen!
Im Kölner Umland gebe ich immer gerne damit an, dass Kölns berühmtester Saal, Der Kölner Gürzenich, seine Ursprünge bei unseren Vorfahren zu suchen hat, die dieses Urgebäude erbauten.
Irgendwie bin ich immer an Gürzenich kleben geblieben. Obwohl ich vier Jahre in Budel/NL bei der Bundeswehr verbrachte, knapp drei Jahre meines Lebens, für zwei Ausbildungen im Flugsicherungsbereich, in Langen/Hessen wohnte, über zwei Jahre im Radar-Center und im Tower in Düsseldorf (die verbotene Stadt) zauberte und seit 1994 im Kölner Tower arbeite, habe ich dem schnuckeligen Dürener Stadtteil, der als Tor zur Eifel gilt, nie ganz den Rücken zugekehrt. Die knappe 5.500-Seelen-Gemeinde ist immer meine Heimat geblieben und ich denke, so bleibt es auch.
Der Ur-Gürzenicher steht zu seinem Dialekt, er kallt Platt! Menge Papp hätt dat jemaat un` menge Bröder un` ich donn dat och!
Auch Mama Anita kann dies, jedoch brachte sie uns damals stets bei, sich doch „gewählt hochdeutsch“ auszudrücken. Unterstützt wurde sie dabei von unseren Schullehrern/-innen.
Eigentlich ist es jedoch allgemein bekannt, dass der liebe Gott beim Verteilen der Mundarten ganz einfach das Rheinland vergessen hatte.
Schließlich beschloss er: „Dann sulle die halt su kalle wie isch, basta!“ Spätestens wenn man einem ortsansässigen Verein angehörte, wurde hier ordentlich Salz in die muttersprachliche Wunde gestreut. Der Karnevalsverein „Die KG Jüzzenije Plüme“, die Handball-Abteilung des Gürzenicher Turnverein 1881, die Schützenbruderschaft der Sankt Hubertus Schützen Gürzenich und besonders die Maigesellschaft Gürzenich pflegten liebevoll dieses sprachliche Brauchtum! Ich war in jedem dieser Vereine Mitglied, zudem viele Jahre Messdiener in unserer Pfarre St. Johannes und sang im Jugendchor. Zwischendurch betreute ich diverse Handball-Kindermannschaften und leitete mit Nork`se Frank eine Jugendgruppe im Gürzenicher Jugendheim (meinem zweiten Zuhause in der Jugendzeit). Somit blieb logischer Weise leider wenig Zeit für ein gepflegtes Hochdeutsch, geschweige denn für Hausaufgaben.
Schon in der Grundschule waren die Parallelklassen nach Kindern aus dem Oberdorf und dem Unterdorf eingeteilt. Eine unsichtbare Linie trennte die Gemeinde ungefähr auf Höhe der damaligen Grund- und Hauptschule auf einer Nord-Süd-Achse. Westlich dieser Trennlinie wohnten fast alle meine Freunde und meine Familie. Wir Grundschul-Kumpels kickten gemeinsam Fußball, spielten Hockey auf Rollschuhen oder im Winter Eishockey auf unseren geliebten Weihern im Schillingspark. Im Bach fingen wir allerhand kleinere Fische und ähnliches Getier, die wir anfänglich unwissend komplett grillten und für eklig befanden. Wir bauten Staudämme, pafften heimlich Zigaretten und spielten „Flaschen Drehen“ mit den gleichaltrigen Mädels aus den benachbarten Straßen. Später bastelten wir an unseren Mofas und dann an den ersten eigenen Autos. Bruder Volker, die Kumpel Löhrer`se Georg und Heiden`se Franz-Jupp waren die Fahrzeugspezialisten. So manches verbotene Ritzel am Moped oder tiefergelegte Equipment am Auto musste vor der Polizei versteckt werden. Den ganzen Sommer über präsentierten wir am Gürzenicher Badesee unsere durchtrainierten männlichen Körper und wollten das hübsche gleichaltrige Weibsvolk anlocken und verzaubern. Gelang nur den Mutigen unter uns; ich war zu schüchtern und anfänglich viel zu schmächtig. Letzteres hat sich heute jedoch gewichtsmäßig geändert, leider.
„Määädels, ich bin bereit für Euch!“
Irgendwie war immer was los im Gürzenich der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrtausends.
Geburtstag-Partys wurden groß gefeiert und die eingeladenen Gäste brauchten keinen Facebook Account oder Smartphones, um sich zu unterhalten. Jedes Silvester wurde von einem Organisationsteam durchgeplant, die Partys waren legendär. Manchmal kamen wir einfach auf verrückte Ideen und verwirklichten diese. Frühstücken in Paris oder Pommes essen an der Nordsee? Kein Problem, dann wurde halt die Nacht durchgefahren.
Wurde auf Partys Alkohol konsumiert, so war Bier unser Lieblingsgetränk und nur selten die ganz harten flüssigen Sachen.
In den letzten 20 Jahren hat sich Gürzenich sehr verändert. Es wurde sehr viel verbaut, viele neue Bürger zogen her. Die Vereine leiden unter permanentem Nachwuchsmangel, da der Computer die Kiddies in seinen Bann zieht.
Alles scheint steriler und anonymer. Aber Bemühungen der Vereine werden sichtbar. Seit 2014 steuert z. Bsp. der traditionelle St.
Hubertus Schützenverein mittels einer neuen SoftAir-Videoschießanlage, dem verstaubten Image entgegen. Beim Videoschießen werden mittels eines Beamers verschiedene Ziele auf einer Papierleinwand projiziert. Die Kugeln der SoftAir Waffe durchschlagen das Papier und über vier Mikrophone wird der Treffer bis auf 1/10 mm genau ermittelt, an den PC weitergeleitet und ausgewertet. Alle Vereine sollten sich etwas Zeitgemäßes einfallen lassen und vielleicht schafft man wieder den Wandel zu gemeinschaftlichen Werten.
Et es ene Ve`sooch wäät!
Mama und Papa hatten mit ihren drei wilden Jungs allerhand Arbeit. Volker erlernte nach seiner Schulzeit den Beruf des Landwirtschaftsmechanikers, Winni wurde erst einmal Energieanlagenelektroniker und hat heute eine eigene Firma im Entsorgungsbereich umweltschädigender Baumaterialien. Ich bin das Sandwichkind und sollte die Familie auf dem Gymnasium vertreten; Berufswunsch? Keine Ahnung!
Als Volker, Winni und ich im besten Teenager-Alter waren, mussten jeden Morgen Unmengen von Frühstücksbroten geschmiert werden.
Tägliches Mittag- und Abendessen für die Meute zu bereiten, erforderte Mutter Anitas vollen Einsatz. Hiermit bedanken wir uns offiziell noch einmal für die Berglandschaften aus Bügelwäsche, die tonnenschweren Lebensmitteleinkäufe, die zeitzehrenden Hausaufgabenunterstützungen und noch für so vieles mehr!
Papa und Mama hielten immer ihre schützenden Hände über uns, doch die beiden konnten nicht überall sein. Als ich 8 Jahre alt war, wetteiferten Volker und ich am 05.12.
gegen 20 Uhr, ob denn der Nikolaus schon etwas in die bereitgestellten Stiefel gesteckt hatte. Unsere Eltern waren übrigens nach vielen Jahren zum ersten Mal abends in der naheliegenden Gaststätte bei einer geselligen Feier eingeladen und riskierten es, uns drei (nach einem entsprechenden Briefing), für wenige Stunden allein daheim zu lassen. Um meinen älteren Bruder auf den Weg zu den Nikolaus-Stiefeln nun zu „überholen“, wählte ich die kürzere Route durch das Wohnzimmer, stolperte und stürzte durch die Zimmer-Glastür.
Mein linker Unterarm war knapp 15 cm aufgeschlitzt, die Schlagader angeritzt. Ich blutete das halbe Haus voll, Volker band mir heulend ein Handtuch um den Arm und benachrichtigte unsere Nachbarin Tante Anneliese (die Schwester unseres Papas).
Geschockte Eltern, Krankenwagenfahrt und später coole lange Narbe! War noch einmal gut gegangen. Da hatte ich wohl einen Schutzengel.
Habe sehr viel später beschlossen, diesen Engel „Emma“ zu nennen, denn so hieß damals Volkers Lieblingskuh beim Bauer Heiden.
Engel Emma musste in den kommenden 40 Jahren des Öfteren einschreiten. In der ersten Zeit wurde Emma an meine Brüder ausgeliehen.
Winni stürzte als Kind einmal in einer Handballhalle vom knapp 4 m hohen Zuschauerbereich in die Tiefe und fand es Wochen später wohl noch lustig, einige Meter an der Stauuferbefestigung in Schwammenauel abzurutschen. Papa Hubert hatte in beiden Fällen alle Hände voll zu tun, seinen jüngsten Spross zu retten.
Volker verhedderte sich einmal in rostigem Stacheldraht, wurde anschließend daheim von Mama mit schöner Jod-Tinktur behandelt. Seine Schmerzensschreie waren in der ganzen Zehntgasse (heute Trierbachweg) zu hören.
Jood deet halt jooht! Die gründliche Behandlung verhinderte einen Tetanus-Infekt, Glück gehabt.
Jetzt brauchte ich aber Emma wieder. Während der Bundeswehrzeit in Budel/NL benutzte ich häufig mein Motorrad für die Pendelei zwischen Gürzenich und der Leegerplaats-Budel-Kaserne. Bei einem Überholmanöver auf der Maas-Brücke gingen ein 10er Stahlnagel und mein Hinterreifen eine Symbiose ein. Bei Tempo 100 einen plötzlichen Plattfuß zu haben, während man einen langen Sattelschlepper überholt, war nicht sehr prickelnd. Der LKWFahrer war wohl von Emma inspiriert worden und latschte voll auf die Bremse, während ich knapp vor ihm dahinschlingerte und überlebte.
Einige Jahre später, ich war soeben auf der Heimfahrt von der Flugsicherungsakademie in Langen, machte mich Emma im Rückspiegel darauf aufmerksam, dass mein hinterer linker Reifen lichterloh brannte. Auch hier schaffte ich es sicher auf den Randstreifen.
Im gleichen Quartal arbeiteten Papa und ich am Rohbau meines heutigen Hauses. Ein ca. 300 kg schwerer Stahlträger musste seine Funktion als Mauersturz über der zukünftigen Küchenzwischentür einnehmen und sollte in 3 m Höhe platziert werden. Einige Arbeitskollegen von Winni wollten am Spätnachmittag helfen kommen. Paps und ich bauten aus Mauersteinen ein Stufengestell, damit der Träger so etappenweise in die Höhe gehievt werden konnte. Jedoch, schon vorher sehr ungeduldig, heben wir beide den Träger probehalber einmal ein paar Stufen an; klappte hervorragend, obwohl wir nur zu zweit waren!
Die letzte Ebene war schließlich der Weg zwischen Obergerüst und Mauerauflage, bei der wir zwei Wahnsinnigen den schweren Stahl-Burschen dann nur noch einen Meter hoch stemmen mussten. Auf der Zielgeraden stürzte plötzlich unsere komplette Gerüst-Konstruktion ein, der Träger und wir klatschten auf den Betonboden. Meine Rückenhaut war ordentlich aufgerissen und blutete, mein Vater jedoch wäre fast erschlagen worden. 5 cm neben seiner Landestelle hat das Trägerende den Betonboden ordentlich aufplatzen lassen.
Der Kopf meines Vaters wäre fast das Ziel gewesen. Danke Emma!
Man kann sich nicht immer auf seinen Schutzengel verlassen. Der gefährlichste Teil an meinem Job ist die tägliche Autobahnfahrerei zwischen Haus und Flughafen Köln/Bonn. Kaum zu glauben, wie vielen unfähigen Straßenverkehrsteilnehmern ich oft auf diesen insgesamt 130 km begegne. Mein Fahrlehrer Schmitz`se Leo predigte schon 1984: „Em Stroßeverkier moss me emme mett de Fählere de` Angere rächne!“ Zweimal ist mir beim Stopand-Go-Fahren an Staustellen hinten ein Fahrzeug aufgefahren; davon einmal ungebremst mit 80 km/h. Diesmal saßen Chiara und Tim hinten drin, doch niemand wurde verletzt. Also fahren Sie bitte umsichtig und halten Sie sich von den Schwachmaten fern.
Emmas mir bekannter letzter große Einsatz zum Schutz des lieben Dietmar war am Sonntag dem 27.08.2006. An diesem Wochenende war ich für die Deutsche Flugsicherung DFS in meiner Sonderfunktion als
Nachwuchswerbebeauftragter unterwegs. Beim zweitägigen Flughafenfest im benachbarten Bonn Hangelar wurde eine große Flugschau und kirmesähnliche Atmosphäre auf einem ca. 1 km langen Areal geboten. Mittendrin hatte uns die DFS ein großes Partyzelt mit unserem mobilen Tower-Simulator aufgebaut.
Gegen 16 Uhr des zweiten Tages verdunkelte sich der Himmel schlagartig, die Menschenmassen flüchteten in die Zelte. Ein heftiges örtliches Gewitter mit hunderten von Blitzen ergoss sich über der Menge. Ein Blitz erledigte den Simulator und in unserem dunklen DFS Zelt standen ca. 150 ängstliche Besucher aneinander gekuschelt. Außerhalb des Zeltes hätte man sich in der Szenerie eines Hollywood-Katastrophenfilm befunden. So etwas habe ich noch nie gesehen; zig Blitze entluden sich in unmittelbarer Nähe senkrecht in der Erde. Im Zelt fingen erwachsene Menschen an zu beten und heulten. Um die Situation zu entspannen, verteilte ich erst einmal einen großen Karton mit Gummibärchen und Schokolade (wozu hat man denn Werbegeschenke). Tatsächlich konnte ich einige Leute zum Lachen bringen, obwohl auch mir sehr mulmig war. Nach wenigen Minuten verschwand das Gewitter. Es wurden mehr als 10.000 Menschen vom Gelände evakuiert, die Rettungskräfte waren im Großeinsatz. Es gab 19 Schwerverletzte, von denen später Zwei starben. Die meisten Verletzten waren in dem Bereich um ein benachbartes großes VIP-Zelt, in das ich 30 min vor dem Gewitter eingeladen war. Da jedoch so viele Besucher bei der Air Show waren, beschlossen meine drei Kollegen und ich, einen weiteren Simulationslauf einzuschieben. Eine gute Entscheidung! Tage später erreichte mich eine E-Mail von unserer Unternehmenszentrale in Langen: „Da hatten sich doch einige Personen noch einmal ganz besonders bei dem Mitarbeiter der DFS bedanken wollen. Irgendein verrückter Lotse verteilt im größten Chaos erst einmal Süßigkeiten an das Volk. Das warst Du doch Schmitzi, oder?“ Wenn die wüssten, dass auch ich totalen Schiss hatte. Aber das bleibt unter uns!
Ein gesundes Feindbild hat noch niemandem geschadet. Hier sind keine Todfeinde, sondern eher die zu ärgernden Nachbarn erwähnt.
Der Kölner lästert liebend gerne über den Düsseldorfer. Auch wir Tower-Lotsen haben „das böse Wort“ (Düsseldorf) spaßeshalber immer vermieden und den Piloten dann eine Freigabe nach „Köln-Nord“ oder die „Verbotene Stadt“ gegeben. Hatte sich ein Pilot versprochen und uns mit Düsseldorf-Tower angesprochen, so wiesen wir ihn auf unseren plötzlichen Tinnitus hin, der nur durch ein heilendes „dreemol Kölle Alaaf“ gelindert werden konnte.
Als ich im September 2014 auf einer großen Berufsmesse in den Dortmunder Westfalenhallen einen ortsansässigen Jugendliche auf seine Frage: „Kann man als Fluglotse später auch den Flughafen wechseln?“, Folgendes antwortete: „Die Möglichkeit besteht. Bestes Beispiel dafür bin ich, denn bevor ich im Kölner Tower anfing, habe ich in der Verbotenen Stadt gearbeitet!“, so meinte der junge Mann dann erstaunt: „Aber in Gelsenkirchen gibt es doch gar keinen internationalen Flughafen!“ Nun ja; der eingefleischte BVB-Fan hat natürlich ein königsblaues Feindbild!
Der Gürzenicher hat auch so ein gesundes Feindbild: Derichsweiler.
Dieser Nachbarort wird von uns auch liebevoll Hubertshausen
(de Hubääte) genannt, und die neckischen Reibereien zwischen den jeweiligen Maigesellschaften sind alte Tradition. Dazu später, denn erst einmal ein paar Sätze zur Tradition der Maibräuche.
Für Außenstehende wirkt das „Maigesellschaft Universum“ oft befremdlich und erzeugt Verwirrung.
Ledige Gürzenicher Mädchen, im Alter zwischen 16 und 99 Jahre, werden von der Junggesellenversammlung hinter verschlossenen Türen versteigert. Der jeweilige Höchstbietende hat später das Recht, dieser Maibraut eine prächtig geschmückte Birke zu setzen und auf dem Maifest mit der holden Maid zu tanzen. Das klingt doch klasse, und tatsächlich sind die Mädchen total stolz auf ihren Liebesbeweis in Form eines Maibaumes oder eines Maiherzes.
Die Maigesellschaft Gürzenich muss sich jedes Jahr neu gründen. Gründungsversammlung, Vorstands- und Maipolizeiwahlen und natürlich die Versteigerung wird bei uns weit vor der Mainacht durchgeführt. Dadurch bleibt den Junggesellen reichlich Vorbereitungszeit für eine gelungene Mainacht. Die Hubääte dagegen ersteigern ihre Bräute in der Mainacht und setzen dementsprechend auch nur mickrige geschmückte Tannen (Weihnachten ist überall).
Zur Wahl eines Vorstandspostens habe ich mich nie gestellt, denn ich blieb lieber beim fleißigen Fußvolk (ene Maijong). Meine Brüder waren jeweils Maipolizist (Remmel) und später dann Maikönig (Maikönnisch). Somit war gesichert, dass unsere arme Mutter in der Maifestzeit Unmengen von weißen Hemden waschen und bügeln musste. Wie schon angedeutet, wurden am Versteigerungsabend alle ledigen Damen aus Gürzenich versteigert (ussjekloppt). Aus Datenschutzgründen kommt man leider nicht immer an die aktuellen Informationsdaten der jungen Damen, und somit waren die Listen meist nicht auf dem neusten Stand. Meine Kumpels und ich machten damals unsere ersten Erfahrungen mit der sozialen Marktwirtschaft.
Angebot und Nachfrage trieben den Preis für eine holde Maid manchmal sehr hoch. Hatte ein Mädchen schon einen festen Freund, so war dieser natürlich gezwungen, seine Angebetete zu ersteigern. Koste es was es wolle … sonst hängt der Haussegen schief. Sportlich wurde in Ein-DM-Schritten geboten und die erworbene Schönheit dann gerne teurer weiter verkauft oder stolz behalten. Manche ältere Damen waren jedoch Ladenhüter, halt ewige Jungfrauen. Die wanderten dann in ein Sammelpaket (de Sack), der zu guter Letzt schließlich komplett ersteigert wurde. In unserer Bierlaune (es gab reichlich Hopfenkaltschale) nahmen wir uns vor, dass diesmal wirklich jedes Mädel ersteigert wird. Also boten wir ohne nachzudenken mindestens eine Mark. Später erfuhr ich von meiner Mutter, dass ich zwei Damen ersteigert hatte, die makabrer Weise schon seit mindestens zehn Jahren verstorben waren. Die Listen waren halt nicht ganz aktuell.
Die Mainacht kam näher und viele Vorbereitungen mussten erledigt werden. Die ersteigerte Maibraut und deren Eltern fragen, ob ich eine Halterung (de joode VA-Halterung) am Haus anbringen und einen Maibaum setzen durfte. Ich erwähnte, dass ich damals dem anderen Geschlecht gegenüber eigentlich sehr schüchtern war. Bei meiner ersten Maibraut sollte ich meine Baum-Feuertaufe erhalten.
Angela war knapp 2 Jahre älter, sehr klug und hübsch … heute verheiratet, Mutter und erfolgreiche Radiomoderatorin. Über den Maibaum freute sie sich sehr, aber zum Maifest-Ball hatte sie mich nicht begleitet. Viele Jahre später interviewte mich ihr kleiner Sohn, als Kinderreporter für eine Radiosendung, im Kölner Tower zum Thema Fluglotse. Seine Mama Angela gestand mir, dass sie damals nicht mit zum Maiball kommen wollte, da sie nicht tanzen konnte. Ich Blödmann habe immer gedacht, sie kann mich nicht leiden.
Die Gürzenicher Maibirken gelten im Dürener Land übrigens als die prächtigsten aller Maibäume. Wenn ich in Düren bei meiner damaligen Freundin und späteren Ex-Ehefrau den Baum setzte, so war dieser schon ein absoluter Blickfang. Wir Jungs haben im Wald die schönsten 4 m Birkenkronen ausgesucht (ode` jeklaut) und diese aufwendig mit handgemachten Plümen und Röschen geschmückt.
Am 30. April werden dann gemeinsam der große Dorfmai und der Baum der Maikönigin aufgesetzt. Hier müssen alle Maijonge mit anpacken und die prächtigen Bäume anhand unterschiedlicher Stangen (Stickele) auf Kommando des Vorsitzenden („Hadder all Holz? Hebt an!“) stückweise anheben. Stand endlich der Baum, musste Orgeich`se Kurt (genannt Forell) oder Robens`se Manni den senkrechten Stamm hochkraxeln, damit die oberen Halteseile entknotet werden konnten. Das Mailied wurde geschmettert und langsam verliefen sich muntere Jungmännergruppen in die Mainacht, denn nun mussten bei den Angebeteten prächtige Bäume gesetzt werden.
In den darauffolgenden Tagen erfuhr man auch von so manchen Streichen in der vergangenen Mainacht. Da waren die Haustüren grantiger Nachbarn mit Steinen zugebaut und unbewachte Maibäume geklaut worden. Einem jungen Mann, der seine innere weibliche Seite entdeckt hatte, setzte man auch einen Baum, der aber mit Tampons geschmückt war… ganz schön gemein.
Unser Herr Pastor erzählte erbost während der Messe, dass er Erotikheftchen in seinem Briefkasten gefunden hätte. Er war nicht erfreut.
Hätte er geahnt, dass zwei der Übeltäter hinter ihm als Messdiener mit reuigem Gesichtsausdruck beteten, so wäre er noch weniger erfreut gewesen. Nun gut, ist verjährt.
Auch die Hubääte bekamen ihren Teil ab.
Streiche gegen uns wurden gerne gerächt. Der junge Handwerkermeister Orgel`se Achim (Name geändert) erzählte mir von seinen Maistreichen im Nachbarort Derichsweiler. Da wurde am Tag vor dem feierlichen Maiumzug der Nachbargesellschaft deren Dorfmai (eine hohe, dünne, entrindete Tanne mit einer schnell geschmückten Krone) etwas „aufgepimpt“. Der Baum wurde mit Weihnachtsgeschenken verschönert und ein selbst-aufblasbarer Nikolaus winkte dem dörflichen Umzug. Auch der Maiball der Nachbarn blieb ihm unvergesslich. Volltrunken klauten seine Freunde und Achim einen Auto-Skooter von der Kirmes. Während Achim fröhlich singend von seinen Kumpels schon einen knappen Kilometer auf dem Fahrradweg Richtung Gürzenich geschoben wurde, kam eine Polizeistreife. Die lieben Freunde verschwanden erst einmal, und unser Held saß noch immer angeheitert am Steuer des Skooters. Kurz und gut: Achims Führerschein wurde tatsächlich für einige Zeit einkassiert, da er mit einem für den Straßenverkehr nicht zugelassenem Fahrzeug auf einem öffentlichen Weg erwischt wurde, dazu noch betrunken.
Das Jüzzenicher Maifest wird immer an Pfingstsamstag und Pfingstsonntag gefeiert.
Das große Festzelt auf dem Schützenplatz am Gürzenicher Wald ist stets gnadenlos voll, und die Meute feiert bis in die frühen Morgenstunden. Das im Mittelpunkt stehende Maikönigspaar hat meist ein großes und festlich gekleidetes Gefolge.