Fluglotse (m/w/d) - Dietmar Schmitz - E-Book

Fluglotse (m/w/d) E-Book

Dietmar Schmitz

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Beschreibung

Fluglotsen (m/w/d) haben, genau wie ihre fliegende Kundschaft, einen hoch verantwortungsvollen und stressigen Beruf. Die Tower- und Centerbesatzungen kommen aus allen sozialen Schichten und mussten in einem mehrtägigen gnadenlosen Auswahlverfahren wichtige Schlüsselfähigkeiten und Fertigkeiten nachweisen, bevor sie überhaupt zur anspruchsvollen Berufsausbildung zugelassen wurden. Die Fluglotsen (m/w/d) der DFS leisten täglich hoch professionelle Arbeit, immer dem Motto folgend: SAFETY FIRST! Dieses Buch zeigt aber auch die humoristische Seite in der Luftfahrt. Anekdoten, Fehltritte und Versprecher der letzten 50 Jahre wurden vom Autor liebevoll gesammelt und zeigen ein Dienststellenübergreifendes Potpourri, nicht immer "bierernst" zunehmender Geschichten, hinter den Kulissen der Luftfahrt.

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Seitenzahl: 278

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Fluglotsen (m/w/d) haben, genau wie ihre fliegende Kundschaft, einen hoch verantwortungsvollen und stressigen Beruf. Die Tower- und Centerbesatzungen kommen aus allen sozialen Schichten und mussten in einem mehrtägigen gnadenlosen Auswahlverfahren wichtige Schlüsselfähigkeiten und Fertigkeiten nachweisen, bevor sie überhaupt zur anspruchsvollen Berufsausbildung zugelassen wurden. Die Fluglotsen (m/w/d) der DFS leisten täglich hoch professionelle Arbeit, immer dem Motto folgend: SAFETY FIRST! Dieses Buch zeigt aber auch die humoristische Seite in der Luftfahrt. Anekdoten, Fehltritte und Versprecher der letzten 50 Jahre wurden vom Autor liebevoll gesammelt und zeigen ein dienststellenübergreifendes Potpourri, nicht immer "bierernst" zu nehmender Geschichten, hinter den Kulissen der Luftfahrt.

Dietmar Schmitz (Baujahr 1965, genannt SCHMITZI) begann 1989 bei der Flugsicherung im damaligen Kontrollzentrum in Düsseldorf. 1994 wechselte er in den wunderschönen Köln/Bonner Tower und war dort bis 2020 Fluglotse, Ausbilder und Aufsichtsführender-Lotse. Statt mit 55 Jahren einfach in die grandiose Übergangsversorgung zu gehen, kam er dem Angebot der DFS nach, als Flex-Lehrer in der Tower-Simulation an der Flugsicherung Akademie in Langen zu wirken und weiterhin seine langjährige Erfahrung (seit 1996) als Nachwuchswerbebeauftragter der DFS auf unzähligen Veranstaltungen (online und live) umzusetzen. Schmitzi ist (Ex-)Fluglotse mit Leib und Seele und erzählt auch in diesem Buch mit Begeisterung von seinem Traumberuf.

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

BEFORE START CHECKLIST

GENDERN

WARUM WIRD MAN FLUGLOTSE (m/w/d)?

DER STEINIGE WEG

DIE WILDEN 70er, 80er, 90er

LINGUISTISCHE VERWIRRUNGEN

ABKÜRZUNGSWAHN, INITIALS, SPITZNAMEN, NICK-NAMES

DIE LIEBEN KOLLEG*INNEN ODER ARSCHBOMBE INS FETTNÄPfCHEN

FLUGSICHERUNGSAKADEMIE IN LANGEN

LOTSEN-KUR UND FLIEGERARZT

FACETTENREICHE NACHWUCHSWERBUNG

LOTSENSTREICHE UND DIE LIEBE KUNDSCHAFT

DIE LETZTEN TAGE VON TEGEL (von Stefan Handke)

MEIN KÖLNER TOWER

TOR A

ABTEILUNG KURIOSES UND UNNÜTZES WISSEN

FAULE ÄPFEL UND SCHILDBÜRGERSTREICHE

EPILOG

VORWORT

„Frauen sind wie Fluglotsen. Wenn Sie nicht wollen, kann keiner landen!“(Helen Vita)

Endlich. Ein langer Tag im Tower-Simulator ist zu Ende und die Lehrer, Flex-Lehrer, Gastlehrer, aber auch andere DFS-Mitarbeiter treffen sich zum Feierabend-Bier im naheliegenden Biergarten. Auch nach Dienst spricht die Truppe noch über Flugsicherungsthemen und schnell erinnert man sich an Anekdoten der heimischen Dienststellen, die uns zum Schmunzeln, Staunen oder Kopfschütteln brachten.

Ein Beispiel: In unserer Mitarbeiterzeitschrift „direct“ war Ende 2021 zu lesen, dass 12 zukünftige Führungskräfte einen Tag lang eine Schafherde hüten mussten. Kleine Wortspielereien sollten Parallelen zu „bockige Untergebene“ aufzeigen. In fröhlicher Bierrunde diskutieren wir (inklusive zweier Führungskräfte!) nun, wie die Firma denn zusätzlich unsere zukünftigen Wachleiter, Personalleiter und COSè (Chief of Section) (alle m/w/d) vorbereitend schulen könnte. Schnell hat man ein Kurz-Praktika-Konzept beim örtlichen Bademeister (mächtiger Beckenrand-Sheriff) oder auf einer Schweinefarm (von der Ferkelkastration bis zur Schlachtung) entworfen. Von der Hells-Angels-Fortbildung haben wir wieder abgelassen, da es für unseren Lotsenalltag doch zu fremd erscheint.

Man ist sich einig, dass Schafe hüten bestimmt eine tolle teambildende Maßnahme ist, aber warum dies für zukünftige Führungskräfte sein soll, erschließt sich uns nicht.

Es wird herzlich gelacht und erneut fragt man sich: „Warum schreibt man diese Geschichten nicht auf, bevor sie in Vergessenheit geraten?“ Ein Gedanke, der nach jedem Weiterbildungs-Lehrgang, nach jeder Lotsenkur, aber auch besonderen Erlebnissen im weitgefächerten Bereich der Nachwuchswerbung an mir nagt. Aber warum sollte ich mir die Mühe machen? Hollywood-Star Ryan Reynolds bereut bis heute im „Green Lantern“ Film mitgespielt zu haben. Der Film floppte an den Kinokassen, trotzdem fand ich den Streifen großartig und hab mich einfach nur gut unterhalten gefühlt. Vielleicht floppt dieses Buch auch, aber ich hatte bei der Recherche eine Menge Spaß und damit ist zumindest mein Ziel erreicht. Viele Kollegen wollten mir einzigartige Geschichten nachreichen, manche haben es jedoch vergessen. Trotzdem finden wir in diesem Buch viele Erlebnisse aus dem Arbeitsalltag der ehemaligen Bundesanstalt für Flugsicherung und der Deutschen Flugsicherung GmbH, die mir erzählenswert erscheinen.

Schafehueten.com

BEFORE START CHECKLIST

„Humor ist und bleibt das Erfolgsrezept; bei Frauen und im Job.“

(Schmitzi)

Vorweg: Dieses Buch beinhaltet streckenweise fremde Ideen, Texte und Bilder. Ohne Plagiate funktioniert dieser bunte Blumenstrauß aus der weiten Welt der Flugsicherung nicht! Ich will schließlich keine Doktorarbeit schreiben.

Item I: Nicht alles bierernst nehmen!

KollegInnen der DFS kommen aus 16 Bundesländern, aus allen sozialen Schichten und manchmal redet man halt so, wie der Schnabel gewachsen ist. Die dadurch entstandene Situationskomik wird ungeschminkt wiedergegeben, aber extrem unflätige Geschichten oder Sprüche habe ich bewusst nicht niedergeschrieben. Der mahnende Moralapostel mag sich über die (in seinen Augen) scheinbar sexistischen oder rassistischen Versprecher und Anspielungen erzürnen, aber ich denke, wir sollten hier die Kirche im Dorf lassen.

Fluglotsen (m/w/d) und Verkehrspiloten (m/w/d) erfüllen verantwortungsvolle und stressige Tätigkeiten in ihrem Beruf. Wird dann einmal eine kurze Ruhephase erreicht, so ist Humor ein hervorragendes Ablassventil für die angestaute Körperspannung. Mein langjähriger Lieblings-Teamkollege Edgar freute sich immer unbändig, wenn er mindestens einmal pro Woche unerwartet folgenden derben Spruch in die Tower-Kanzel posaunen konnte: „Hey Schmitzi, Du bist ja sooo hässlich! Wenn Du mein Hund wärst, dann würde ich Dir den Hintern rasieren und das Rückwärtslaufen beibringen!“ Alle hatten Spaß und nein, ich fühlte mich absolut nicht beleidigt, sondern versuchte dann eine smarte Erwiderung. Hier einige Beispiele:

„Mann, mann, mann, Du bist echt die Stradivari unter den Arschgeigen!“

„Edgar, Du bist ein Querschläger in der Evolution, eine Laune der Natur und Gott hat wegen Dir wohl eine Wette verloren!“ (Jürgen von der Lippe)

Normalerweise unterhalten wir uns in verkehrsschwachen Funkpausen auf einem gesitteten und intelligenten Niveau. Die oben aufgeführten Sprüche klappen problemlos nur bei „echten Buddies”, also guten Freunden, die regelmäßig zusammenarbeiten und zu jedem Spaß bereit sind.

Noch ein Wort zu den „Bedenkenträgern“, die gerne immer die negative Seite einer Sache betrachten. Als neue giveaways für die Nachwuchswerbung wurden einst blaue Kapselheber (Flaschenöffner) und praktische Silikonkronkorken zum Wiederverschluss einer Flasche und damit auch zum Schutz vor Wespen, angeschafft. Es dauerte gar nicht lange und schon wurde davor gewarnt, dass wir mit solchen Werbemethoden doch als absolute Alkoholiker dargestellt würden. Bei meiner Nachfrage, wie er/sie denn Softgetränke oder Wasserflaschen mit Kronkorkenverschluss öffne, kamen nur unverständliche Grunzlaute. Auf großen Messen werden übrigens genau diese Werbegeschenke mit dem jeweiligen Firmenaufdruck tausendfach ausgegeben. Scheinbar versuchen wir alle die armen Schüler ins Reich des Alkohols zu ziehen. Na dann, Prost!

DFS-Werbegeschenke

Item II: Nicht jede Pointe wird erklärt!

Zurück zur Bedienungsanleitung. Nicht jeder fachspezifische Spruch, ob Englisch oder Deutsch, sollte hier erklärt werden. Wer gerne in die geheimnisvolle Welt der Flugsicherung eintauchen möchte, dem empfehle ich das Buch „Turn left, turn right, identified“ von Werner Fischbach, der in einer lockeren und humoristischen Weise Arbeits- und Luftfahrtzusammenhänge erklärt!

Die meisten Namen wurden verändert, Namen der Niederlassungen oft verschleiert. Die Geschichten wurden mir von Kollegen und Kolleginnen zugetragen und möglichst genau übernommen. Sollte hier ein Augenzeuge den Vorgang etwas anders erlebt haben, so bleibt die dichterische Freiheit! Bitte tapfer hinnehmen! Dieses Buch soll unterhalten und nicht verärgern. Sollte ich eventuell doch jemanden verärgert haben, so tut mir dies leid… außer er/sie/es hat es verdient (siehe auch Item V)!

Item III: Wir sind alle nur Menschen!

Ein lieber Center Kollege aus Bremen meinte erst vor kurzem: „Ab und zu mache ich absichtlich mal einen Fehler (natürlich nicht im Job)…, damit ich menschlicher wirke!“

In diesem Buch sind gesammelte Geschichten, der letzten 50 Jahre. In allen Luftfahrtbereichen arbeiten Profis, aber jeder noch so professionelle Mitmensch macht im Laufe seines Berufslebens natürlich auch einmal Fehler. Du kannst noch so hervorragend tagein und tagaus deinen Job erledigen, aber an einen Fehler wirst du immer gerne von deinen Mitarbeitern erinnert. Und warum ist dies so? Weil du halt fast immer einen genialen Job machst und ein Missgeschick, Versprecher oder ähnliches dich menschlich macht.

Ich erinnere mich da an einen jungen Feuerwehrmann der Kölner Flughafen-Feuerwehr. Stolz führte er einer Schulklasse das größte Löschfahrzeug seiner Einheit vor: den PANTHER. Nachdem er dem Publikum begeistert erklärte, dass die beiden Wurfdüsen an der Front und auf dem Dach bei 10 Bar Wasserdruck bis zu 8.000 l pro Minuten versprühen können, wollte er dies auch zeigen. Bei einer ungeschickten Bewegung entglitt ihm der Steuerungs-Joystick und der Wasserstrahl der Dachkanone rotierte unkontrolliert. Ein schweres Sicherheitsfenster im ersten Stock der Feuerwache wurde aus den Angeln geschossen und glücklicherweise ist im Gebäude niemand verletzt worden. Wochen später setzte man das neue Fenster mittels eines Krans ein. Unser Pechvogel-Feuerwehrmann wird in den kommenden Jahren immer wieder hämische Sprüche seiner Kollegen zu diesem Vorfall hinnehmen müssen.

Löschfahrzeug Panther

Item IV: Das Arbeitsumfeld inklusive der KollegInnen ist enorm wichtig!

Interessanterweise werden Menschen, die sich in ihrer Arbeitsumgebung sehr wohl fühlen, untereinander immer lockerer. Anspannung und Nervosität verschwinden weit im Hintergrund. Dieses Phänomen kann man auch bei den unzähligen, durch Corona bedingten, Videokonferenzen feststellen. Diverse Bekannte (möglicherweise auch DFS-KollegInnen) berichteten von ihren TEAMS-Sitzungen. Einige gaben zu:

schon einmal untenrum nur mit der Unterhose bekleidet teilgenommen zu haben, während man im Kamerabild natürlich korrekt (obenrum) gekleidet war,

ein Fußbad während der Sitzung genommen zu haben,

wenn es langweilig wurde, am Handy gedaddelt oder die Kamera ausgemacht zu haben,

Nebenbei gekocht, mit der Katze geschmust oder die Steuerunterlagen erledigt zu haben.

Die Liste ist sehr lang. Natürlich kam es häufiger auch zur ungewollten Situationskomik. Da springt schon einmal das Haustier vor den Monitor, der lärmende Nachwuchs stürmt ins Zimmer, Nachbars Laubbläser stört dröhnend und sogar eine Taube flog gegen die Fensterscheibe, die im Hintergrund zu sehen war. Manchmal denken die Teilnehmer, die Laptop-Kamera sei aus und man fühlt sich unbeobachtet. Bei einem Online-Elternabend konnten wir alle beobachten, wie sich eine vollbusige Dame auf ihrem Sofa einkuschelte, mal in der Nase popelte, ihren BH zurecht zupfte und anschließend die Fingernägel lackierte. Erst nach 30 Minuten merkte sie entsetzt, dass ihre Kamera an war. Ähnliche Situationen passieren, falls ungewollt das Mikrofon noch offen ist. Bei einer Online-Berufsmesse wurden knapp 900 Schüler und Aussteller von einer Landrätin freundlich begrüßt. Plötzlich hörten alle Online-Teilnehmer über ihre Lautsprecher: „Ach Du Scheiße; jetzt will uns noch so `ne blöde Kuh zutexten. Ich könnte kotzen!“ Die Landrätin antwortete schlagfertig: „Bitte nicht auf ihre Computer-Tastatur. Bekommt man schwer wieder sauber!“

Ähnliches erlebte Kollege Jan bei einer Videokonferenz. Zwei Teilnehmer unterhielten sich vor Beginn der Veranstaltung schon online und alberten herum. „Hey Peter, kann das sein, dass deine Eltern forschende Wissenschaftler waren?“

Antwort: „Nein, warum?“

„Na du siehst heute aus, wie ein misslungenes Experiment!“

KollegInnen berichteten mir von anderen spaßigen Begrüßungsfloskeln wie: „Seitdem Du nicht mehr da bist, bin ich der schlechteste Fluglotse auf der Dienststelle!”, oder „Schön, dass Du Gott sei Dank weg bist!”

So läuft es allerdings nicht nur bei der Flugsicherung. Eine befreundete Flugbegleiterin erzählte mir von einem homosexuellen Purser, der mit seiner piepsigen Stimme Aussagen seiner weiblichen Mitstreiter wiederholte, damit aber einen neuen Kontext schuf. Geht es beispielsweise um die Bewegung des Servicewagens bei der Essenverteilung, dann werden Fragen wie: „Hartmut, schiebst Du ihn schon mal rein?“ gestellt. Antwort: „Na klar, Hoppel-Mäuschen; ich schieb ihn schon mal rein!“ Diese sexistisch-anmutende Antwort funktioniert ebenso bei: „Schiebst Du ihn bitte raus, die ersten 10 Reihen habe ich schon durch, schieb mal von hinten durch, ist das heute wieder eng hier.“ Meist lachen sich die Flugbegleiterinnen schlapp, aber manchmal nerven die ewig gleichen Floskeln des schwulen Kollegen auch. Ob es sich hier eventuell um eine sexuelle Belästigung unter Schwestern handelt?

Flugbegleiterin (Shutterstock)

Item V: Hier wird nicht abgerechnet!

„Hey Schmitzi, Du schreibst doch ein Buch und hast als Übergangsversorgler nichts mehr zu verlieren. Rechne doch bitte mal mit dem/der Supervisor*in, dem/der COS (Chief of Section), der Personalabteilung, etc., etc., etc., ab! Sag denen gefälligst, die können sich ihre Vorschriften, zu versteuernde Weihnachtsgeschenke, ZIL/ÜIL-Dienste, etc., etc., etc., in eine Körperöffnung ihrer Wahl stecken! Kein Mensch weiß, wie diese unfähige Person es durch das Assessment-Center geschafft hat.“

NEIN, mache ich nicht. Leider bietet die DFS kein Schrift-Medium, bei dem man z.B. mittels eines Leserbriefes seinen Unmut zeigen kann. Der GdF-FLUGLEITER hat aber die Rubrik JOE`S CORNER, die augenzwinkernd sehr wohl kritisieren kann. Also, liebe DFS-MitstreiterInnen: Führt Eure Grabenkämpfe selbst. Die DFS ist nicht immer eine wohlgeschmierte Maschine und manchmal blockieren störende Sandkörner das Getriebe.

Aber die Erfahrung zeigt, dass man persönliche Probleme mit der Zeit selbst lösen kann.

Manche Menschen entwickeln sich leider in eine negative Richtung… warum auch immer.

Einige schlürfen unbewusst den Kakao, durch den andere sie ziehen oder schaufeln sich ihr eigenes soziales Grab. Abwarten.

Insgesamt gesehen ist die Deutsche Flugsicherung GmbH für mich ein toller Arbeitgeber, der mich stets gut genährt hat (bitte, keine Anspielungen auf meine Wuppe!). Ich war immer mit Leib und Seele Fluglotse, habe also meinen Traumberuf ergattert! Fast alle KollegInnen waren tolle Team-Player und es war eine Freude mit Euch zu arbeiten. Vielen Dank dafür!

GENDERN

„Wir haben gelernt, immer zu lächeln.

Selbst wenn wir keine Bloody-Mary-Drinks mehr haben.“

(Zitat aus dem Film „Flight Girls“)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dürfte uns allen bekannt sein. Keiner wird benachteiligt aufgrund seiner Rasse, ethnischer Herkunft, des Geschlechts, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuellen Identität. Seit Beginn der 2020er, während Corona die Welt im Würgegriff hat, beschäftigt uns ein weiteres Gleichstellungsthema enorm:

GENDERKONFORME SCHREIBWEISE.

Die Medien erörtern Fragen wie:

Wie verhindere ich das generische Maskulinum?

Wie mache ich Frauen in meinem Text sichtbar und bleibe geschlechtsneutral?

Wie schreibt man Kolleginnen und Kollegen Gendergerecht?

Wie schreibt man mit Gendersternchen?

Auf einmal ist es essenziell, dass alle Werbeträger und Infozeilen der DFS bei der Nennung FLUGLOTSE den Zusatz „(m/w/d)“ erhalten.

Ein Kölner Kollege (m) hatte einst einen Bekannten und dessen Freund aus den USA zu Besuch. Beide Besucher erspähten ein aktuelles DFS-Prospekt auf dem Küchentisch und wollten wissen, was es denn mit den seltsamen Abkürzungen „m/w/d“ auf sich habe. Der Lotsenkollege erläuterte, dass hier alle Geschlechter, also Männer, Frauen und Diverse angesprochen werden. Prompt übersetzte der Bekannte:

“It is the abbreviation for men, women and divers!”

Somit war das sogenannte Taucher-Geschlecht geboren.

Mich erheiterte diese Geschichte besonders, da ich seit knapp 20 Jahren in Punkto Taucher allen voraus war. Auf Berufsmessen und Vorträgen erklärte ich nicht selten, wie wichtig die „Stimme als Arbeitsgerät“ des Fluglotsen (m/w/d) ist, da unsere Kundschaft uns nun mal nicht sieht. Darum ist es absolut egal, ob man Rasta Locken hat, tätowiert ist, ein Kopftuch oder einen Taucheranzug trägt; solange es die KollegInnen (bzw. Kollegen*innen) nicht stört!

Auch die Lufthansa hat schon frühzeitig angekündigt: Bordansagen werden künftig immer genderneutral durchgegeben. In Flugzeugen, die in Hamburg starten, soll es aber weiterhin nur „Moin, Abflug!“ heißen.

So! Nun habe ich meine besten Gender-Absichten kundgetan. Garantiert wird diese Mode-Erscheinung in diesem Buch, aus Versehen, auch mal vergessen. Entschuldigung hierfür. Kaum zu glauben, dass die gesamte Quer-Denker-Bewegung die Corona-Impfungen verdammen und dafür lautstark demonstrieren… das Gender-Thema spaltet ebenfalls die Gesellschaft; aber hier geht niemand auf die Barrikaden. Hier noch ein Schmankerl für jeden Hardcore-Genderer (m/w/d): das Wort „Bürgermeisterkandidat“ muss dann logischerweise „Bürger*innenmeister*innenkandidat*innen“ heißen (die „Diversen“ fehlen trotzdem). Viel Spaß beim Gendern, ich habe Wichtigeres zu tun.

WARUM WIRD MAN FLUGLOTSE (M/W/D)?

„Wie kann man bei Ihnen zum Pilot aufsteigen?“

(Frage am DFS-Stand auf einer Berufsmesse)

Befrage einen erfahrenen Fluglotsen (m/w/d) nach dem damaligen Beweggrund sich für diesen Beruf in der Luftfahrt zu entscheiden und es stellt sich schnell heraus, dass die meisten KollegInnen wirklich zufällig zum Mikrofon-Job kamen.

Als kleiner Junge wollte ich Tierarzt werden, doch meine Katzenhaar-Allergie quälte mich. Ich litt immer unter Atembeschwerden und juckenden Augen, sobald eine dieser Samtpfoten in meinen Wohlfühlbereich eindrang. Hätte ich trotzköpfig doch dieser beruflichen Peinigung entgegengestrebt, dann hätte ich genauso auch Auspeitsch-Opfer im SM-Studio oder Klappfallscheibe im Schießstand der Bundeswehr werden können. Die Vernunft siegte und eigene Tiere habe ich bis heute nicht, sieht man von den Fischstäbchen in der Tiefkühltruhe ab.

Mein heutiger Traumberuf stand in Kinder- und Jugendjahren nie auf der persönlichen Berufswunsch-Agenda. Eigentlich bin ich hier wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Hätte jemand mir Mitte der 80er Jahre vorgeschlagen Air Traffic Controller (Fluglotse) zu werden, ich hätte unwissend mit den Schultern gezuckt, denn ich hatte keine Vorstellung zu diesem Berufsbild. Ein neu erbautes BIZ (Berufsinformationszentrum) hatte zu dieser Zeit in meiner Heimatstadt die Pforten geöffnet. Nach intensivem Akten-Studium landete auch der Fluglotsen-Ordner auf dem „Klingt-Gut“-Stapel.

Laut Aussage eines Berufsberaters war es damals nicht möglich sich als Fluglotse bei der Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS) zu bewerben, da es hier einen Einstellungsstopp gäbe. In seiner Ignoranz hatte mich dieser Schwachkopf falsch beraten: Der besagte Einstellungsstopp lag 10 Jahre zurück. Das Thema Luftfahrt interessierte mich aber und ich absolvierte in Frankfurt erfolgreich den Test zur Ausbildung „Flugdatenbearbeiter“.

Vom Ehrgeiz getrieben bewarb ich mich nach zwei Jahren dann doch als Fluglotse, schaffte das schwere Auswahlverfahren und hatte meine berufliche Bestimmung gefunden.

Heute habe ich 30 Jahre Lotsentätigkeit hinter mir, arbeite nicht mehr im Kölner Tower, darf aber für die Deutsche Flugsicherung GmbH als Flex-Lehrer im Tower-Simulator tätig sein und als Nachwuchswerber online und vor Ort durch alle Bundesländer tingeln.

Natürlich nutze ich an der Akademie die Chance, die jungen Auszubildenden nach ihrer Motivation zu befragen, wie und warum sie ausgerechnet den Beruf Fluglotse (m/w/d) gewählt hatten. Zugangswege, wie das Internet, Berufsberatung oder unsere zahlreichen Nachwuchswerbung-Veranstaltungen erleichtern den Informationsfluss enorm und somit weiß jeder, worauf er sich einlässt. Vor über 40 Jahren war dies alles nicht möglich und damalige Bewerber hatten meist andere Beweggründe sich für die Flugsicherung zu interessieren. Hier einige Beispiele:

(Pinterest)

Flex-Lehrer Uwe hatte in seiner Jugend eine professionelle Gewichtheber-Karriere vor sich, jedoch machten die Folgen eines Autounfalls seinem Körper einen Strich durch die Rechnung. Der damalige Showmaster Wim Thoelke erwähnte in seiner Abendsendung „3 x 9“, dass in Deutschland Fluglotsen gesucht werden. Somit erfuhr Uwe durch seine liebe Omi eher zufällig von seinem zukünftigen Traumberuf.

Früher arbeitete Center-Lotsin Monique in der Freizeit im Fitnessstudio ihrer Schwester. In den Pausen lernte sie für die Abiturprüfung und bereitete sich auf die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin vor. Dabei wurde Monique einige Male von einem Club-Mitglied beobachtet, dem das ehrgeizige Mädchen imponierte. Es stellte sich heraus, dass der Fitnessfreund ein Fluglotse aus dem naheliegenden Kontrollcenter Bremen war. Er kam mit Monique ins Gespräch, erklärte ihr das Aufgabenfeld eines Fluglotsen (m/w/d) und weckte schnell die Neugier der jungen Dame. Auch sie lernte somit zufällig ihren heutigen Traumberuf kennen.

Um sein Taschengeld aufzubessern, jobbte Uli in seiner Jugend in einer Gießerei. Kein risikoloser Ferienjob, zählte man die zahlreichen Hautverbrennungen der Stammbelegschaft. Viel lieber wollte Uli am Bau arbeiten. Am Bau arbeiteten einige seiner Freunde. Diese Kumpels verdienten Geld, konnten sich ein Moped und eine Freundin leisten, tranken während der Arbeit sogar Bier und hatten immer tolle Geschichten auf Lager. Ulis Traum wurde wahr und sein nächster Ferienjob war auf einer dieser Baustellen. In der ersten Woche wurde tatsächlich in der Pause Bier getrunken und die älteren Bauarbeiter erzählten die großartigsten Anekdoten. In der zweiten Woche wurden die gleichen Heldentaten erzählt und Uli merkte, dass ihm der regelmäßige Bierkonsum doch zu schaffen machte. In der dritten Woche wiederholte sich dieser niveaulose Trott und zur Krönung geschah Folgendes: Ein Vorarbeiter öffnete eine Milchbüchse, indem er mit einem 8ter Nagel ein Loch hineinbohrte. Natürlich tropfte die Milch nur langsam in den Kaffee. Uli riet ihm sofort: „Mach doch ein zweites Loch, damit Luftdurchlass kommt!“ Der Bauarbeiter bedankte sich mürrisch und bohrte dann mit dem Nagel ein Loch auf der Unterseite der Büchse. Der Doseninhalt ergoss sich auf die Hose dieses Deppen und Uli wollte von diesen Intelligenz-Bestien nur noch weg.

Anfang der 80er Jahre absolvierte Uli seinen Bundeswehrdienst in einem streng geheimen belgischen Militär-Bunker. Nachdem er die ganze Woche ein- und ausgehende Nachrichten ver- und entschlüsseln musste, predigte ihm seine Mutter an jedem Wochenende: „Junge, die Militärzeit ist bald um und du brauchst einen Job.

Bewerbungen schreiben, und zwar zackig!“ Da Uli keine Ahnung hatte, wohin ihn sein Berufsweg einmal führen sollte, beobachtete er neugierig einen Stuben-Kameraden, der ein Bewerbungsformular ausfüllte. Auf Nachfrage antwortete ihm der Soldat, dass er sich bewerben will und zwar als… Weiter kam er nicht, denn Uli wollte gar nicht wissen, um welchen Beruf es sich handelt, Hauptsache er konnte seiner Mutter sagen, er habe sich beworben. Per Dienstpost gelangte das fast kopierte Bewerbungsschreiben (nur Name, Adresse und Geburtsdatum wurden geändert) an irgendeine Bundesanstalt und war von unserem Helden schnell wieder vergessen. Ebenfalls per Dienstpost kam einige Zeit später die Antwort. Noch in der Schreibstube wollte Uli die zahlreichen Blätter zerreißen, aber ein aufmerksamer Kamerad las vorher das Anschreiben und erklärte Uli, dass ihm für dieses Auswahlverfahren in Hamburg 5 Tage Sonderurlaub zustehen würde. Außerdem bezahlte diese Firma auch das Hotel. Nun horchte Uli auf, denn die Zauberworte waren gefallen: Sonderurlaub und Hotel! Uli war noch nie in einem Hotel! Fünf Tage im Bunker oder fünf Tage in einem Hamburger Hotel, da braucht man nicht lange zu überlegen. Ulis Mutter fragte ihren Sohn neugierig, worauf er sich denn beworben habe. „Flugsicherung“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Versicherung ist immer was Solides“, entgegnete die Mutter zufrieden. Einige Zeit später logierte unser Held zum ersten Mal in seinem Leben in einem Hotel. Schnell lernte der spätere Tower-Lotse, dass man für eine weitere Übernachtung jeden Tag die entsprechenden Tests bestehen muss und somit strengte er sich beim Testverfahren sehr an. Noch immer hatte er keine Ahnung, was ein Fluglotse beruflich leisten muss. Kurz und gut: Uli bestand den kompletten Test und allmählich wurde ihm klar, welchen Traumberuf er ergattert hatte.

Beim Saarländer Klaus verlief die Berufsplanung etwas anders. Er wollte beim Militär Starfighter-Pilot werden. Nach einem einwöchigen Testverfahren wurde er zur Prüfungskommission zitiert. Man teilte ihm mit, dass er in allen Prüfungsabschnitten bestanden habe, er jedoch keinen Starfighter von innen sehen würde, da er etwas zu groß sei. Erst sprachlos und dann wütend entgegnete Klaus: „Geht’s noch? In den Bewerbungsunterlagen steht meine Größe von 1,87m schwarz auf weiß, Sie laden zum Test ein, quälen mich eine Woche und verkünden mir dann, dass ich 2 cm zu groß bin!“

Da sei ein organisatorischer Fehler unterlaufen, erläuterte ihm der Prüfungsvorsitzende.

Der fassungslose Klaus raunzte: „Und was mache ich jetzt? Mein ganzer Lebensplan ist dahin!“ Die Bundeswehr bot dem jungen Saarländer daraufhin einen Job als Flugdatenbearbeiter bei Lippe-Radar (Maastricht) an. Obwohl er nur der Assistent der militärischen Fluglotsen war, musste er in diversen Nachtschichten selbst zum Mikrofon greifen, da der entsprechende Lotsenkollege ein paar Meter weiter in einer Unterhaltung vertieft war. Klaus schrie dann durch den Raum: „Hey Willy, hier ruft die Transall rein und fragt nach einem Direct-Routing! Was soll ich machen?“ „Ist genehmigt! Sag es ihm!“, brüllte Willy dann zurück und unterhielt sich weiter. Klaus merkte schnell, dass diese Lotsen-Tätigkeit kein Hexenwerk ist und bewarb sich später bei der Bundesanstalt für Flugsicherung. Bedenkt man, dass bis 1991 von den 916 Starfightern der Bundeswehr 300 durch Unfälle verloren gingen (269 Abstürze mit 108 toten Bundeswehr-Piloten), dann hatte Klaus mit seinem Schutzengel wirklich das große Los gezogen.

Anders erging es dem Kollegen Matze. Seine Bundeswehrdienststelle gewährte ihm eine Woche Sonderurlaub, damit er am Hamburger Einstellungstest der Flugsicherung teilnehmen konnte. Matze erwähnte erst gar nicht, dass der Test auch nach zwei Tagen zu Ende sein könnte, denn es hätte den militärischen Schreibtischtäter, der den Urlaubsschein ausfüllte, sowieso nicht interessiert. Matze hatte sich über das schwere Testverfahren bestens informiert, kannte die sehr hohe Durchfallquote und dachte nicht im Traum daran, unter den letzten Kandidaten zu sein. Hier sollte der junge Schwabe irren! Am vierten Tag muss sich der Bewerber einer damals noch fünfköpfigen Prüfungskommission stellen. Psychologen der DLR (deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) und Prüfer der Flugsicherung stellten dem Prüfling englische und deutsche Aufgaben. Der ebenfalls schwäbische Prüfungsvorsitzende war von seinem Landsmann sehr angetan und kürzte, nach Matzes Ansicht, das Verfahren sehr ab. Matze bestand auch diesen Test. Überglücklich bestellte er sich bei der Rückkehr ins Hotel an der Hotelbar einen Southern Comfort Whiskey. Der Barkeeper wunderte sich über den jungen Mann, der schon am frühen Nachmittag so freudestrahlend seinen Whiskey mit Eis genoss. Matze beschrieb ihm wie anstrengend die letzten Prüfungstage waren, doch nun ist sein Ziel erreicht und die Ausbildung kann beginnen. Begeistert gab der Barmann einen weiteren Southern Comfort aus, danach schmiss Matze noch mehrere Runden. Am nächsten Morgen wurde, trotz heftiger Kopfschmerzen, noch die Tauglichkeitsuntersuchung beim Fliegerarzt durchgezogen. Einige Tage später dann der Schreckensmoment: Negative Post vom Fliegerarzt! Matze hatte schlechte Leber-Gamma-Werte, die eindeutig Rest-Alkohol anzeigten und somit keine gesundheitliche Tauglichkeit testierten. Reumütige Erklärungsversuche beim Fliegerarzt und ein erneuter Test ermöglichten dem jungen Schwaben dann doch noch die Laufbahn zum Fluglotsen. Matze hatte seine Lektion gelernt: Hast Du in Kürze einen Fliegerarzt-Termin, dann verzichte einige Tage vorher auf Chips, Bier, Schnitzel und ähnliche Leckereien. Danach kannst Du wieder reinhauen.

Die Kernfrage dieses Kapitels lautet: Warum wird man Fluglotse (m/w/d)?

Die klare Aussage der DFS dazu ist in einem ihrer zahlreichen Werbesprüche: WEIL DER HIMMEL UNS BRAUCHT! Dieser Beruf ist ein Traumberuf, für den viele junge Menschen, die sich ausgiebig über diese Profession informiert haben, brennen. Auf einer Party traf ich einen Mittdreißiger mit dem ich mich angeregt unterhielt. Als er meine berufliche Tätigkeit erfragt hatte, erklärte er ganz erstaunt, dass Fluglotse sein absoluter Berufswunsch gewesen sei, er jedoch im Auswahlverfahren durchgefallen wäre. Dies sei aber nicht schlimm, denn heute arbeitet er trotzdem im himmlischen Bereich. Er wurde jedoch nicht Pilot oder Meteorologe, sondern Priester. Wir lachten beide über diesen Vergleich. Er schmunzelte anschließend und sagte: „Der Unterschied zwischen Priester und Fluglotse ist jedoch eindeutig: Wenn ich einen schlechten Job mache, bleibt die Kirche leer und niemand kommt beten. Machst Du einen schlechten Job, dann beten sie alle!“

Oft fragen mich Menschen nach den speziellen Nachteilen in meinem Job. Meist vermuten sie, dass der Schichtdienst, die hohe Verantwortung oder extremer Stresslevel doch eher abratend seien. Dies konnte ich immer beherzt verneinen. Mich persönlich störten zwei Faktoren an meinem Berufsalltag im Kölner Tower:

1. Tägliche Personenkontrolle (siehe Kapitel „Tor A“)

2. Das fehlende tägliche Leistungsergebnis. Letzteres erklärt, warum ich manche Handwerker bewundere. Ich kann den ganzen Tag fehlerfrei richtig viel Flugverkehr abgearbeitet haben, aber kann anschließend meinen Lieben nichts davon zeigen. Ein Maurer errichtet ein Haus und kann dies Jahre später noch seiner Familie präsentieren (zumindest von außen). Genau dies erzählte ich einem guten Freund, der Schreiner- und Tischlermeister ist. Er arbeitete gerade an einem herrlichen Stehpult, mit schnörkeligen Intarsien und einem kleinem Geheimfach. Er hörte sich geduldig mein Gejammer an und sagte mir dann ganz ruhig: „Schmitzi, hör auf zu flennen! Du hast Deinen Traumberuf, gehst sehr gerne arbeiten, erhältst ein Bomben-Gehalt und hast mehr Freizeit für Deine Familie als andere Arbeitnehmer. Ich arbeite seit vielen Tagen an diesem Stehpult, mache mir ein Foto davon und verkaufe das schöne Ding an einen solventen Kunden, der auch Du sein könntest. Ehrlich, ich beneide Dich!“

Demütig musste ich zugeben, dass er recht hatte. Ich habe genug Freizeit, um mich handwerklich zu betätigen und habe dieses vermeintliche Negativ-Argument nie wieder in der Öffentlichkeit geäußert.

DER STEINIGE WEG

„Am 8en Tag erschuf Gott den Fluglotsen und der Teufel räumte seinen Thron.“

(T-Shirt Spruch)

Wie schon erwähnt war mein erstes berufliches Zusammentreffen mit der damaligen Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS) im Jahr 1988. Der Einstellungstest zum Flugdatenbearbeiter fand am Opernplatz in Frankfurt statt. Da ich keine große Erinnerung an dieses Verfahren habe, kann es nicht so schwer gewesen sein. Die meisten „alten“ Lotsenkollegen (m/w/d) sind zu Beamtenzeiten einen anderen Anfangsweg gegangen. Sie mussten sich auf ihr Beamtenleben in Köln/Zollstock (Türnicher Str. 5), zusammen mit Auszubildenden der Post, BKA, Deutsche Bundesbahn, etc., durch den Paragraphen-Dschungel kämpfen, bevor die eigentliche Berufsausbildung begann. Da hier schon knapp 500 junge Menschen zusammengepfercht waren, sind andere BFS-Neulinge im Kolping-Haus in Köln untergebracht worden. Beide Häuser hatten manches gemeinsam:

Partystimmung und angeblich wurde auch Alkohol getrunken. Die mir zugetragenen Geschichten waren nicht immer ganz jugendfrei; lasst sie euch von damaligen Augenzeugen berichten. Heutige DFS-Fluglotsen (m/w/d) sind da natürlich viel anständiger und leben in Abstinenz (Verdammt: Ich sehe ganz genau das Grinsen in Deinem Gesicht, lieber Kollege).

Zurück zum Flugdatenbearbeiter (in Spe) Schmitz. 18 Monate Ausbildung an der Flugsicherungsakademie in Langen folgten. Als Lehrgangssprecher lernte ich strebsam.

Zusammen mit meinem alten Freund Markus waren die geforderten Klausuren und Simulationen kein Problem. Zweiter Teil der Ausbildung war dann an der zukünftigen Dienststelle, dem inzwischen geschlossenen Radar-Center in Düsseldorf. Es gab hier wenige sehr nette Kolleg*innen, aber die damalige Zeit wurde von arroganten Fluglotsen (die sogenannte „Lack-Schuh-EBG“), Flugdatenbearbeitern und Verkehrspiloten beherrscht, die mir meine ersten Wochen sehr erschwerten.

Nach knapp zwei Jahren Zulassungserhalt plante ich vorsichtig den Entschluss, doch einmal diesen verfluchten Fluglotsentest zu machen. „Vergiss es Schmitz, Du hast keinerlei Chancen, denn selbst die alten Top-Flight-Data-Kollegen sind daran gescheitert!“, prophezeiten mir alle netten und doofen Kollegen unisono. Ich hatte doch nichts zu verlieren und würde den Einstellungstest in Hamburg ohne Wissen der anderen während meiner Freizeit machen. Scheitere ich, dann würde es niemand wissen. (Anmerkung.: Natürlich habe ich ein großes Selbstbewusstsein, denn ich war auf dem gleichen Dürener Gymnasium wie unser aktueller Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach).

Der fünftägige Fluglotsen-Eignungstest beim DLR in Hamburg kann nur einmal im Leben gemacht werden. Es gibt keine Wiederholungschance und die Durchfallquote liegt bei 97%! Vorbereiten kann man sich bis heute auf diesen Test kaum, da besondere Schlüsselfähigkeiten wie Teamwork, Multitasking, Langzeitkonzentration und räumliches Vorstellungsvermögen getestet werden. Diese Fähigkeiten hat man oder man hat sie nicht. Hier zwei typische Multitasking Testbeispiele:

a) eine Stunde lang hört man über Kopfhörer im Sekundentakt Buchstaben. Hört man dreimal hintereinander Buchstaben mit der Laut-Endung „e“ (c, w, d, etc.) wird Knopf Eins gedrückt. Zugleich leuchten in einer Anordnung von vier Lampen immer zwei auf.

Erscheint zweimal hintereinander die gleiche Kombination, muss man den zweiten Knopf drücken.

b) Über Kopfhörer hört man abwechselnd Buchstaben und Zahlen, jedoch werden auf jedem Ohr verschiedene Kombinationen zugleich abgespielt. Auf einer Kopfhörerseite erschallt ein Piep-Ton und nun soll man sich nur noch auf dieses Ohr konzentrieren, während der komplette Lärmsalat jedoch weiterläuft. Immer wenn ein Vokal auf dem Masterohr zu hören ist, muss eine bestimmte Aufgabe erfüllt werden.

Zeichnung Scheitel

Die Psychologen des DLR beobachten permanent das Verhalten der Prüflinge.

Bevor am letzten Tag die fliegerärztliche Tauglichkeitsuntersuchung kommt, hat man noch das Vergnügen einer aus vier (damals fünf) Personen bestehenden Prüfungskommission Rede und Antwort zu stehen, deren Endergebnis einstimmig beschlossen werden muss. Nach diversen englischen und deutschen Interviews wurde kurz beraten. Der Vorsitzende meinte zu mir, dass sie nun die Testergebnisse besprochen haben und mir doch nahelegten, kein Lotse zu werden. Schnell fiel jedoch der geistige Groschen und ich fragte, ob ich denn nun bestanden habe oder nicht. Man bejahte meine Frage, aber ich solle den Beschluss doch noch einmal überdenken. Selbstsicher antwortete ich: „Natürlich werde ich Fluglotse!“

Auf einmal lächelten diese hundsgemeinen Kerle und ich bemerkte, dass nun auch dieser letzte Test überstanden war. Kollegen, Wachleiter und Ausbildungsbeamte der Düsseldorfer Dienststelle staunten nicht schlecht, dass der Schmitz einfach so den Test gemacht und bestanden hatte. Natürlich musste ich wieder für knapp ein Jahr an die Flugsicherungsakademie, um später dann erneut zum weiteren Lotsentraining in meinem alten Radar-Center zu landen. Junge Lotsen, die zwei Jahre zuvor ihre Ausbildung begonnen hatten, waren inzwischen voll-lizensiert und hatten sich teilweise der arroganten Arbeitsweise ihrer Kollegen der „Lackschuh-EBG“ mental angepasst. Hier wollte ich nicht mein Leben lang arbeiten und erkundigte mich nach einer möglichen Versetzung in den Kölner Tower, um dort die Ausbildung zu beenden. Wiederum hörte ich von allen Seiten, dass ich in Köln keinerlei Chance hätte, da Hamburg und eben Köln bekannterweise durch den anspruchsvollen Mischverkehr zu den schwersten Tower-Ausbildungsplätzen Deutschlands zählen. Wiederum setzte ich meinen Willen durch und mit Hilfe meines alten Sachbearbeiter-Freundes Peter wechselte ich einen Monat später ins gesegnete Millionen-Dorf mit Dom. Großartige Arbeitsatmosphäre und klasse KollegInnen prägten auf einmal den Arbeitsalltag. Nach monatelangem Training nahte der Tag der Abschlussprüfung, der Check-Out. Montags sollte mich eine Prüfungskommission im „live-traffic“ beobachten und bewerten. Natürlich war ich Tage vorher sehr nervös und konnte schlecht schlafen, denn von dieser Prüfung hing sehr viel ab. Unser Sohn war geboren und Kind Nummer Zwei unterwegs. Der Neubau musste abbezahlt werden und auf gar keinen Fall wollte ich zurück in meinen Job als Flugdatenbearbeiter. Am Sonntag vor dem Check-Out besuchte uns mein älterer Bruder Volker mit seiner damaligen Freundin Stefanie, die heute seine Ehefrau ist. Während in der Küche Waffeln gebacken wurden, hörten wir von der Straße her meinen alten Nachbarn Willi verzweifelt meinen Namen rufen. Volker und ich stürmten hinüber zu dem Haus des Rentner-Ehepaars und entdeckten den aufgewühlten Ehemann bei seiner erhängten Frau. Während er in einem naheliegenden Café einige Kuchenstücke kaufte, hatte sie Selbstmord begangen. Volker ist seit vielen Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr und befahl mir besonnen alle nötigen Handgriffe. Eine Wiederbelebung der alten Dame gelang weder uns noch dem Notarzt. Da es sich um einen unnatürlichen Tod handelte, wurden wir Brüder noch eine Zeit lang von der Kriminalpolizei verhört. Nachts träumte ich von dem Vorfall, vergaß aber total, mich vor dem Check-Out zu fürchten. Am nächsten Morgen begrüßte mich die Prüfungskommission und fragte mich nach meinem Befinden. Lapidar erzählte ich in wenigen Worten von dem Selbstmord, keiner nahm mich Komiker ernst. Kollege Karl-Otto legte mir noch, nach alter Tower-Manier, einige aktuelle Zeitungs-Stellenanzeigen an den Arbeitsplatz und meinte lustig: „Für de` Fall dat et nitt klappt!“ So sind wir halt; immer hilfsbereit und einen Plan B in petto.

Erst später, als ich bestanden hatte, kapierten die Prüfer mein Vortagserlebnis. Entsetzt entschuldigte man sich bei mir. Abends war dann meine Check-Out-Party beim Mexikaner in Deutz. Schwer alkoholisiert hatte ich irgendwann einen Filmriss, doch einige Kollegen erzählten mir von diversen lustigen und verrückten Ereignissen des Abends. Angeblich soll ich mich sogar mit einigen brutal aussehenden Rockern angelegt haben. Ich weiß davon nichts mehr!

Wichtige Vorbereitungslektüre für spätere Fluglotsen (alte Comics von mir)

DIE WILDEN 70ER, 80ER, 90ER

„Interessiert sich hier jemand für Boote?“

(geschäftstüchtiger Ex-Lotse Harry)