Rückkehr aus Liebe? - Tracy Madison - E-Book
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Rückkehr aus Liebe? E-Book

Tracy Madison

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Beschreibung

Daisy ist nur in die Rocky Mountains zurückgekehrt, um für ihre süßen Nichten da zu sein. Und nicht, um Reid Foster jetzt zu gestehen, warum sie ihn damals verlassen musste! Doch warum schlägt ihr Herz so schnell, als er einfordert, was sie ihm einst versprochen hat?

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Seitenzahl: 173

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IMPRESSUM

Rückkehr aus Liebe? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Tracy Leigh Ritts Originaltitel: „Reid’s Runaway Bride“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRABand 53 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Valeska Schorling

Umschlagsmotive: Getty Images / ArthurHidden, johnnya123

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733749835

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

Weniger als zwei Stunden waren vergangen, seit Daisy Lennox am Fenster ihres Zimmers gestanden und den herrlichen Blumenduft, der aus dem Garten ihrer Mutter zu ihr hoch drang, genossen hatte. Eine sanfte Frühlingsbrise kündigte einen schönen Tag in Steamboat Springs, Colorado, an. Einen perfekten Tag für eine Hochzeit.

Für ihre Hochzeit.

Voller Vorfreude und Aufregung hatte sie die Augen geschlossen und sich der wundervollen Gewissheit hingegeben, am Abend Mrs. Reid Foster zu sein. Endlich war es so weit. Endlich würden ihre Träume in Erfüllung gehen.

Es war so einfach gewesen, sich in Reid zu verlieben. So mühelos. Er war schon lange ein Teil ihres Lebens gewesen, auch wenn er absurd lange dafür gebraucht hatte, etwas anderes in ihr zu sehen als die kleine Schwester seines besten Freundes.

Doch als sie endlich zueinandergefunden hatten, war ihre Verbindung so selbstverständlich, als habe sie schon immer existiert. Deshalb hatte Daisy auch sofort Ja gesagt, als Reid ihr letztes Jahr nach ihrer Abschlussfeier an der University of Colorado einen Heiratsantrag gemacht hatte. Sie konnte sich ein Leben ohne ihn einfach nicht mehr vorstellen.

Erst mit Reid fühlte sie sich komplett. Reids Liebe vertrieb das vage Gefühl, irgendwie nicht dazuzugehören – eine Art Fremdkörper zu sein. Dieses seltsame Gefühl, das sie schon seit ihrer Kindheit quälte.

Ja, Daisy hatte absolut keinen Grund gehabt, daran zu zweifeln, dass ihr eine wundervolle Zukunft bestimmt war.

Doch das Schicksal hatte leider andere Pläne mit ihr.

Das Geständnis ihrer Mutter änderte alles. Das, was Clara Lennox ihr gerade erzählt hatte, war eher Stoff für eine trashige Seifenoper und nicht für das Leben einer Frau, die gleich heiraten wollte.

Daisy konnte es immer noch nicht fassen. Aber es war … die Realität.

Eine innere Leere breitete sich in ihr aus und verdrängte ihre Vorfreude. Zitternd versuchte sie, das Unvorstellbare zu begreifen.

„Ich weiß, dass es ein Schock für dich ist“, sagte ihre Mutter. Sie legte Daisy einen Arm um die Schultern. „Alles okay mit dir?“

Okay?! Nein, nichts war okay! Daisy schüttelte ihre Mutter ab und griff blind nach dem Hochzeitskleid, das sie kurz zuvor noch so glücklich auf ihrem Bett ausgebreitet hatte. Sie grub ihre Finger in den glänzenden Stoff und rief sich Reids Gesicht ins Gedächtnis, seine Stimme, seine bloße Gegenwart. Seine Liebe für sie und ihre für ihn.

„Entschuldige, die Frage war ungeschickt von mir. Natürlich geht es dir nicht gut. Wie auch? Aber … wenn das alles erst mal ein bisschen gesackt ist …“

„Gesackt? Wie soll so etwas so schnell sacken?“ Oder überhaupt jemals?

„Es tut mir so schrecklich leid.“

Daisy sah in die hellblauen, vom Weinen verquollenen Augen ihrer Mutter und hob das Kinn. „Warum ausgerechnet heute? Warum nicht gestern oder vor einem halben Jahr oder als ich zehn war?“, stieß sie hervor. „Warum hast du ausgerechnet bis zum glücklichsten Tag meines Lebens gewartet, um mir zu sagen, dass … dass …“, sie schluckte ihre Tränen runter, „… ich nicht der Mensch bin, für den ich mich immer gehalten habe?“

Seufzend rieb Clara sich das Gesicht. „Du bist genau der Mensch, der du immer warst. Aber du hast recht, ich hätte nicht so lange warten sollen. Ich hätte …“ Sie stockte. „Ich wollte es dir wirklich eher sagen, Liebling. Aber ich schien einfach nie die richten Worte zu finden oder … Ich habe immer gehofft, dein Vater würde …“

Wut stieg in Daisy auf. „Welchen Vater meinst du? Den Mann, der mich großgezogen hat, oder den Mann, von dessen Existenz ich bis vor ein paar Minuten keine Ahnung hatte?“

Clara prallte zurück, als habe Daisy ihr eine Ohrfeige verpasst. „Charles Lennox natürlich. Der Mann, der dich akzeptiert hat, als ich ihm meinen Fehler gestand.“

„Er hat mich nie akzeptiert“, flüsterte Daisy mit erstickter Stimme. „Aber jetzt weiß ich wenigstens, warum.“

„Du irrst dich. Er liebt dich.“

„Und warum ist er dann nicht hier?“

„Weil er … Weil wir entschieden haben, dass ich diejenige sein sollte, die es dir sagt.“

Das war nicht besonders überraschend für Daisy. Wenn sie eines über ihren Vater wusste, dann, dass er emotionale Szenen hasste. Trotzdem wünschte sie, er wäre hier, um ihr seine Unterstützung anzubieten und ihr zu versichern, dass er sie liebte. Dass er sie als seine Tochter betrachtete. Doch wozu sich etwas vormachen? Was Charles Lennox bisher nicht fertiggebracht hatte, würde er ganz bestimmt jetzt auch nicht schaffen.

Sie hatte sich immer nach einer besseren Beziehung zu ihrem Vater gesehnt – einer, wie ihr älterer Bruder Parker sie hatte. Im Laufe der Jahre war sie jedoch zu dem Schluss gekommen, dass er einfach mehr Gemeinsamkeiten mit seinem Sohn hatte als mit ihr. Manche Männer kamen eben besser mit Söhnen als mit Töchtern zurecht, wie auch ihre Mutter ihr immer wieder versichert hatte. Diese Erklärung war zwar schmerzhaft, aber auch eine Erleichterung gewesen.

Doch die Beichte ihrer Mutter ließ alles plötzlich in völlig neuem Licht erscheinen. Es war total verstörend. Sie war also nicht Charles Lennox’ Tochter, sondern nur das Resultat einer Affäre. Kein Wunder, dass sie ihm völlig egal war. Für ihn war sie vermutlich nichts weiter als der lebende Beweis für den Betrug seiner Frau.

Mit herzzerreißender Klarheit fügten sich die Puzzleteilchen auf einmal zu einem Gesamtbild zusammen. Plötzlich verstand sie seine distanzierte Art, seine unbeholfenen Umarmungen und warum er nie mit Stolz oder Freude auf ihre Erfolge reagiert hatte. Mehr noch – es erklärte, warum ihr Vater sie nie so geliebt hatte, wie er Parker liebte.

Und Daisy wusste noch nicht mal, ob sie ihm einen Vorwurf daraus machen konnte!

Sie schloss die Augen und versuchte, ihre Emotionen unter Kontrolle zu bringen. „Wer ist mein Vater?“

Clara seufzte tief. „Ist das denn so wichtig?“

„Weiß er von mir?“

„Nein. Wir hatten nie eine echte Beziehung. Ich kannte ihn noch von der Uni, und er … war auf der Durchreise. Dein Vat… Charles war damals oft geschäftlich unterwegs, und dein Bruder war noch klein. Ich war einsam, Daisy. Nur deshalb habe ich den Fehler gemacht.“

Die Worte ihrer Mutter versetzten Daisy einen schmerzhaften Stich. Sie war der Fehler. Nicht die falsche Entscheidung, die ihre Mutter in einem Augenblick der Leidenschaft getroffen hatte, nicht der One-Night-Stand selbst, sondern Daisys bloße Existenz – ein schrecklicher Fehler, der nie wiedergutzumachen war.

„Danke“, sagte sie steif zu ihrer Mutter. „Ich will jetzt allein sein. Ich muss nachdenken und … Geh jetzt einfach. Bitte.“

Nachdem Clara das Zimmer verlassen hatte, rollte Daisy sich auf dem Bett zusammen und brach in Tränen aus. Als sie versiegt waren, blieb sie reglos liegen und versuchte, den Sinn dessen zu begreifen, was sie gerade gehört hatte. Aber sie fand keinen – nichts, woran sie sich festklammern konnte.

Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so allein gefühlt. Sie dachte an Reid und seine Liebe, die ihr bisher immer Halt gegeben hatte … ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Schon allein seine Nähe hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. In seiner Gegenwart fühlte sie sich echt.

Gott, wie sehr sie ihn liebte! Aber ihre Welt war plötzlich zusammengebrochen. Die Welt, wie sie sie bisher gekannt hatte, existierte nicht mehr – eine Erkenntnis, die ihr die Luft abschnürte. Was sollte sie jetzt nur tun?

Sie verspürte den fast verzweifelten Wunsch zu fliehen – irgendwohin, wo sie frei atmen konnte. Nein, nein, nein! Das ging nicht … Sie konnte Reid nicht zurücklassen … oder das Leben, nach dem sie sich so lange gesehnt hatte. Wie auch? Wer war sie schon ohne Reid?

Von dem Moment an, als sie ein Paar geworden waren, hatte sie alles getan, um ihm zu beweisen, dass sie genauso war, wie er sie haben wollte. Und anders als bei ihrem Vater hatte sie bei Reid Erfolg gehabt. Um seine Zuneigung und Anerkennung hatte sie nie kämpfen müssen. Oder um seine Liebe.

Ja, sie hatte nur dem Weg folgen müssen, den er ihr vorzeichnete, egal worum es ging – ihr College, der Zeitpunkt ihrer Verlobung, ihr Hochzeitsdatum und sogar die Organisation der Feier. Sie hatte zu allem Ja und Amen gesagt. Mit Reid war alles so einfach gewesen. Er wusste genau, was er wollte, und Daisy liebte ihn, also wollte sie das Gleiche.

Oder nicht? So war es doch, oder? Natürlich war es so.

Oh Gott, nein. Nein!

Eine Erinnerung nach der nächsten stieg in ihr auf und zwang sie, der Realität ins Auge zu sehen. Dass sie im Grunde genommen gar nicht wusste, was sie wollte oder wer sie war. Sie war die Frau, die Reid Foster liebte, und nur das definierte sie. Nur das gab ihr eine Identität. Sie war seine Freundin, seine Verlobte und bald … seine Frau. Und in ein paar Jahren vielleicht die Mutter seiner Kinder.

Was für ein Mensch wäre wohl aus ihr geworden, wenn sie sich nicht immer angepasst hätte – erst ihrem Vater und dann Reid? Würde Reid sie auch lieben, wenn sie sie selbst wäre?

Daisy fröstelte. Sie wusste die Antworten auf diese Fragen nicht, konnte sich nicht vorstellen, anders zu sein, als Reid sie haben wollte.

Aber wäre es nicht besser, sie selbst zu sein? Sollte sie nicht wissen, wer sie war, ganz egal ob Charles Lennox ihr Vater war oder nicht? Ob sie Reids Frau war oder nicht? Sollte sie nicht aus sich selbst Kraft und Sicherheit und Selbstvertrauen schöpfen?

Die Antwort war so schlicht wie traurig. Ja.

Daisy setzte sich auf und betrachtete wieder ihr Hochzeitskleid. Sie konnte selbst kaum glauben, dass sie drauf und dran war, etwas so Schreckliches zu tun, aber so war es. Im Grunde genommen hatte sie sich bereits entschieden.

Sie brach erneut in Tränen aus. Oh Gott … so war es.

Sie holte tief Luft, wischte sich die Tränen von den Wangen und spürte, wie sich eine tiefe innere Ruhe in ihr ausbreitete. Ja, sie hatte ihre Entscheidung getroffen: Es würde keine Hochzeit geben.

Daisy griff nach dem Telefon, um Reid herzubitten und es ihm von Angesicht zu Angesicht mitzuteilen, zögerte dann jedoch. Ihm jetzt gegenüberzutreten, wo sie sich einsamer fühlte als je zuvor in ihrem Leben, wäre zu gefährlich. Sie würde es dann vielleicht nicht übers Herz bringen, die Hochzeit abzusagen oder Steamboat Springs zu verlassen. Abschied zu nehmen.

Reids starke Persönlichkeit, seine Liebe und seine absolute Überzeugung, dass sie zusammengehörten, würden alles andere überlagern. Wie viel einfacher und weniger schmerzhaft wäre es, weiterhin in seinem Windschatten zu segeln und seine Frau zu werden, anstatt das zu tun, was sie tun musste, und … zu gehen. Von vorn anzufangen. Sich selbst zu finden, ohne ihre Familie. Ohne Reid.

Noch während sie den Brief schrieb und die Seiten mit den Spuren ihrer Tränen sorgfältig zusammenfaltete und ihren Verlobungsring abnahm, noch während sie ihren Koffer packte und leise aus dem Haus schlüpfte, in dem sie aufgewachsen war, wartete sie auf eine innere Stimme, ein Zeichen, irgendetwas, was sie umstimmte. Etwas, was sie davon abhalten würde, den Mann zu verlassen, den sie liebte.

Aber nichts passierte.

Lieber Reid,

seit heute Morgen ist mein Leben nicht mehr das, was es war, denn wie sich herausgestellt hat, ist mein Vater nicht mein leiblicher Vater. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, aber diese Neuigkeit hat mich so erschüttert, dass ich herausfinden muss, wer ich eigentlich bin.

Ich kann selbst kaum fassen, dass ich eine solche Entscheidung treffe und dass sie sich richtig anfühlt, aber so ist es. Es tut mir leid, dass ich nicht die Kraft oder den Mut aufbringe, es dir persönlich zu sagen, aber ich muss gehen. Es liegt an mir, nicht an dir. Ich weiß, wie klischeehaft das klingt, aber in diesem Fall ist es die reine Wahrheit.

Ich liebe dich immer noch. Ich glaube sogar, dass ich dich immer lieben werde, und selbst beim Schreiben dieser Zeilen will ich dich noch heiraten … nur nicht heute. Vielleicht, wenn das Schicksal uns gnädig ist und es dir gelingt, mir zu verzeihen, haben wir ja irgendwann noch eine zweite Chance auf ein gemeinsames Glück.

Eines Tages.

Bitte verzeih mir. Bitte!

Alles Liebe

Daisy

1. KAPITEL

Dicke Schneeflocken wirbelten durch die Luft und hüllten die Welt – oder zumindest diesen Teil der Welt – in eine kalte weiße Schicht.

War ja klar, dass Steamboat Springs bei der Rückkehr der entflohenen Braut von einem heftigen Schneesturm heimgesucht wurde! Alles andere wäre ja auch unpassend. Auf den letzten Meilen zum Haus ihres Bruders konnte Daisy kaum etwas durch das dichte Schneetreiben erkennen.

Sie hatte ihr Zuhause in Los Angeles schon bei Tagesanbruch verlassen und war anfangs gut vorangekommen, abgesehen von ein paar kurzen Pausen, in denen sie mit ihrem Hund spazieren gegangen war. In Grand Junction hatte sie daher beschlossen, die restlichen vier Stunden einfach durchzufahren, anstatt Zeit mit einer Übernachtung zu verlieren.

Aus diesen vier Stunden waren inzwischen leider mehr als sechs geworden. Seufzend bremste sie an einem Stoppschild und versuchte, das lächerliche Gefühl abzuschütteln, dass Mutter Natur sie mit diesem Sturm von ihrer Heimatstadt fernhalten wollte, weil sie dort nach acht Jahren Abwesenheit einfach nicht mehr willkommen war.

Völlig absurd!

Es war Ende Februar, verdammt noch mal, und Schneestürme waren um diese Jahreszeit in Colorado eher die Regel als die Ausnahme. Doch leider vermochte dieses sachliche Argument ihre Nervosität nicht zu vertreiben. Sie folgte den Anweisungen ihres Navis und bog nach rechts ab. Kaum jemand würde sich in Steamboat Springs noch an ihren Namen erinnern, geschweige denn an ihre überstürzte Flucht unmittelbar vor ihrer Hochzeit.

Doch auch dieses Argument war keine Beruhigung. Sie wusste genau, warum sie so nervös war: wegen Reid Foster.

Wegen des Mannes, den sie damals sitzen gelassen hatte.

Sie zitterte schon jetzt bei der Vorstellung, ihn wiederzusehen. Seitdem hatten sie kein Wort miteinander gewechselt, obwohl sie ihm so gern hatte erklären wollen, warum sie zu feige gewesen war, ihm persönlich gegenüberzutreten. Doch sie hatte nie den Mut dazu aufgebracht.

Jetzt war es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis sie einander über den Weg liefen. Wenn nicht irgendwo zufällig auf der Straße, dann spätestens im Krankenhaus, wo Parker sich gerade von einem schlimmen Skiunfall erholte. Die beiden waren immer noch enge Freunde.

Schon schräg, dass sich die letzten acht Jahre in mancher Hinsicht wie ein ganzes Leben anfühlten, während in anderer Hinsicht kaum mehr als ein paar Sekunden vergangen zu sein schienen.

Sie hatte sich ein eigenes Leben aufgebaut, Freundschaften geschlossen und einen Job gefunden. Sie hatte sogar ihren leiblichen Vater ausfindig gemacht, doch der Kontakt mit ihm hatte ihr auch keine Antworten gegeben. Die musste sie ganz allein finden. Und zum größten Teil war es ihr auch gelungen.

Sie wusste inzwischen, wer sie war und was sie tun musste, um sich treu zu bleiben. Reid wiederzusehen würde das vielleicht zunichtemachen.

Als eine heftige Windbö ihren Wagen erfasste und ins Schlingern brachte, nahm sie fluchend den Fuß vom Gaspedal und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Es spielte gerade keine Rolle, was in den nächsten Tagen passieren würde oder was nicht. Hauptsache, sie kam endlich bei Parkers Haus an.

Er hatte sie erst eine knappe Woche nach seinem Unfall angerufen, um sie um Hilfe zu bitten. Das hatte sie nicht weiter überrascht, da sie kaum noch Kontakt zu ihrer Familie hatte. Überraschend war eher, dass er sich überhaupt meldete.

Ihre Schwägerin – Parkers Frau Bridget – war vor drei Jahren an Krebs gestorben, und Daisy und Parkers Eltern lebten inzwischen in Florida. Da Charles sich gerade von einer Hüft-OP erholte, konnten sie sich nicht um ihre Enkeltöchter kümmern. Also war die Wahl auf Daisy gefallen, und natürlich hatte sie sofort Ja gesagt.

Die Vorstellung, die nächsten Wochen allein für Parkers Töchter verantwortlich sein zu müssen, war nicht gerade beruhigend. Sie hatte die beiden erst zwei Mal bei Familienfeiern gesehen und kannte sie daher kaum. Wie sollte sie ihnen den Halt und die Stabilität geben, die sie jetzt brauchten?

Na ja, irgendwie würde sie das schon hinkriegen.

„Ich schaff das schon“, versuchte sie, sich gut zuzureden. „Parker wird wieder vollständig gesund, und die Mädchen werden mich lieben. Ich bin schließlich ihre Tante. Und Reid wiederzusehen wird zwar nicht leicht, aber ich werde es schon überleben.“

Ihr Hund, ein weiß-beige-grauer Whippet, winselte klagend auf dem Rücksitz.

„Gleich, Jinx“, sagte Daisy sanft. „Wir haben es fast geschafft.“

Das Navi verkündete, dass sie an ihrem Zielort angekommen war. Daisy drosselte das Tempo, spähte aus dem Fenster, bis sie die richtige Hausnummer gefunden hatte, und parkte den Wagen so weit am Straßenrand wie möglich. Tief Luft holend betrachtete sie das Haus ihres Bruders. Wegen der Dunkelheit und des Schneetreibens konnte sie nicht viel erkennen, aber die Außenbeleuchtung brannte hell und freundlich. Hier würde sie in Sicherheit sein.

Zumindest vorerst.

Parker hatte ihr erzählt, dass seine Nachbarn die Mädchen bis zu Daisys Ankunft betreuten. Vermutlich schliefen die beiden gerade in einem der anderen Häuser in der Straße. Das Wiedersehen hatte bis morgen Zeit. Und da der Schlüssel unter der Fußmatte lag, würde sie problemlos ins Haus kommen.

„So, Jinx, wir sind da.“

Daisy leinte ihren Hund an, nahm ihre Reisetasche mit dem Nötigsten für eine Nacht – der Rest ihres Gepäcks konnte bis morgen warten – und stapfte durch das heftige Schneetreiben auf das einladende Licht zu.

Erschöpft lehnte Reid sich gegen die Wand im oberen Flur des Lennox-Hauses und hoffte, dass die Mädchen jetzt endlich schliefen und nicht mehr ständig um etwas zu trinken oder eine Umarmung baten. Er beschloss, noch ein bisschen zu warten, bevor er runterging. Nur für alle Fälle.

Erin und Megan hatten Angst, und das zu Recht. Sie hatten vor drei Jahren ihre Mutter verloren und daher schon einmal die bittere Erfahrung machen müssen, dass auch Eltern krank werden und plötzlich nicht mehr da sein konnten. Und jetzt lag ihr Vater in der Klinik. Für Reid war es daher selbstverständlich, sich um die beiden zu kümmern. Was hieß, dass er sie jeden Abend nach der Arbeit bei ihren Nachbarn abholte und sie anschließend in ihrer vertrauten Umgebung betreute.

Aber das schlauchte ganz schön! Während der Wintermonate musste er bei seinem Job bei der Ski-Patrouille ohnehin oft Überstunden machen. Sich noch dazu um zwei verängstigte Kinder zu kümmern und Parker so oft wie möglich im Krankenhaus zu besuchen, war eine enorme Zusatzbelastung.

Der heutige Abend war besonders schlimm gewesen. Wegen des draußen tobenden Schneesturms hatte er früh aufstehen müssen und erst spät Feierabend machen können. Als er die Mädchen dann endlich bei Parkers Nachbarn abgeholt hatte, war ihm sofort aufgefallen, dass sie noch aufgekratzter als sonst waren, und er hatte von ihnen erfahren, dass sie einen ergreifenden Film über ein paar Kinder gesehen hatten, deren Eltern plötzlich gestorben waren. Die nächsten anderthalb Stunden hatten sie ihn mit einer Frage nach der anderen gelöchert.

Die siebenjährige Erin, ein Ebenbild ihrer Tante Daisy, wollte wissen, wer sich um sie und ihre Schwester Megan kümmern würde, wenn ihr Daddy jetzt auch starb. Reid wusste erst nicht, was er darauf antworten sollte, entschloss sich dann aber für die Wahrheit und erklärte, dass Parker aller Wahrscheinlichkeit nach wieder ganz gesund werden würde. Doch Erin hatte nur das Kinn gereckt – eine Angewohnheit, die ihn ebenfalls an Daisy erinnerte – und ihre Frage wiederholt. „Ich will nicht zu Pflegeeltern!“

Dieser verdammte Film! „Schatz, so weit wird es nie kommen“, hatte Reid geantwortet, obwohl er in Wirklichkeit nicht wusste, welche Vorkehrungen Parker für einen solchen Fall getroffen hatte. Er konnte nur die wahrscheinlichen Kandidaten nennen: Parkers Eltern Charles und Clara Lennox, die vor ein paar Jahren nach Florida gezogen waren. Doch Erin war noch nicht zufrieden mit dieser Antwort. „Und wenn die nicht können? Wer kümmert sich dann um uns?“