S.T.A.R.S. Sammelband - Casey Stone - E-Book

S.T.A.R.S. Sammelband E-Book

Casey Stone

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Beschreibung

Dieser Sammelband enthält die ersten drei S.T.A.R.S. Bände (1, 4 & 6) von Casey Stone. Jeder Band ist in sich geschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. Band 1 - Stone: Hunter Stone kann keinen Krieg mehr sehen und quittiert nach seinem letzten Afghanistan Einsatz den Dienst bei der Navy. Kurz entschlossen begibt er sich ins sonnige Kalifornien, um vorübergehend im Haus seiner Mum zu leben, bis er weiß, wie es mit seinem Leben weitergehen soll. Diese Entscheidung bringt ihn jedoch schnell in Schwierigkeiten, wodurch er die Polizistin Julie Wilder kennenlernt, die in ihm mehr sieht als einen launischen Ex-SEAL. Doch was genau ist Hunters Problem und weshalb verweigert er jegliche Hilfe von außen? Band 4 - Zero: Diane Romero, die Tochter des größten Immobilienmoguls Kaliforniens, hat ein mächtiges Problem. Entweder sie ist vom Pech verfolgt, oder es trachtet ihr jemand nach dem Leben, denn die vielen Unfälle der vergangenen Monate können kein Zufall mehr sein. Als sie Zeros Bekanntschaft macht, ist sie von dem schweigsamen Ex Navy-Seal beeindruckt. Zero erkennt recht schnell, dass Diane in großer Gefahr schwebt und Hilfe benötigt. Doch plötzlich steht er den Dämonen seiner Vergangenheit gegenüber. Wird es ihm dennoch gelingen, Diane zu retten? Band 6 - Lana: Lana Caldwell, die quirlige Assistentin im S.T.A.R.S.-Team, ist tough, ehrgeizig und hat oft eine ziemlich große Klappe. Doch ihr Herz sitzt am rechten Fleck, und das lässt sie sich regelmäßig von muskelbepackten Männern brechen. Als Lana die Hoffnung auf Prinz Charming schon beinahe aufgegeben hat, tritt überraschend der sympathische Matthew in ihr Leben. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Beziehung voller frecher Sprüche, Leidenschaft und Romantik. Doch urplötzlich werden sie einer Bedrohung ausgesetzt, die Lanas Traum zum Platzen bringen könnte. Hat sie den Mut und die Kraft, für die große Liebe zu kämpfen?

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S.T.A.R.S.

Sammelband

Enthält die ersten drei S.T.A.R.S. Teile von Casey Stone:

Band 1 – Stone

Band 4 – Zero

Band 6 - Lana

Liebesromane von Casey Stone

Der S.T.A.R.S. Sammelband ist ein fiktives Werk, welches in der aktuellen Zeit spielt und von der Realität inspiriert wurde. Ähnlichkeiten zu tatsächlichen Ereignissen, lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Die Namen, Charaktere und Geschichte wurden allein für Unterhaltungszwecke kreiert.

Markennamen und Warenzeichen, die eventuell in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer. Kopieren, Vervielfältigung, auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Autors.

© Casey Stone

Oktober 2019

Ebook ISBN: 9783750408418

Impressum:

Casey-Stone.com

Wiesengrund 6

17207 Röbel/Müritz

Lektorat: KW Books

Korrektorat: ICT

Covergestaltung: TociljDesigns

Bildnachweis für S.T.A.R.S.

Bild: ©www.depositphotos.com / www.bigstockphoto.com

Wappen: ©Ambassador80, MSSA www.bigstockphoto.com

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis Stone:

S.T.A.R.S.

Impressum

Kurzbeschreibung

Widmung

Prolog

Stone - Monterey, Kalifornien - In irgendeinem Motel

Julie Wilder - Überstunden

Stone - Loser, Ärger & eine scharfe Polizistin

Julie - Wer braucht schon ein freies Wochenende?

Stone - Überraschungen

Julie - Liebenswerter Hitzkopf mit Macke(n)

Stone - Zufälle

Julie - Filmriss und andere Peinlichkeiten

Stone - Familie & Erinnerungen

Julie - Schocksituationen

Stone - Zu Hause

Julie - Das Mysterium namens Hunter

Stone - Albtraum und Realität

Julie - Berufsalltag mit Überraschungen

Stone - Wahnsinn und Unsinn

Julie - Verknüpfungen

Stone - Der richtige Weg?

Julie - Ist Hass die Lösung?

Stone - Wenn sich alles verändert

Julie - In Gedanken

Stone - Gewitterwolken

Julie - Zeitgefühl

Stone - Therapie

Julie - Tage später

Stone - Diese eine Sache ...

Epilog Julie - Monate später

Epilog Hunter - Die Zeit heilt bekanntlich Wunden

S.T.A.R.S. – Stone

Kurzbeschreibung Stone:

Hunter Stone kann keinen Krieg mehr sehen und quittiert nach seinem letzten Afghanistan Einsatz den Dienst bei der Navy. Kurz entschlossen begibt er sich ins sonnige Kalifornien, um vorübergehend im Haus seiner Mum zu leben, bis er weiß, wie es mit seinem Leben weitergehen soll.

Diese Entscheidung bringt ihn jedoch schnell in Schwierigkeiten, wodurch er die Polizistin Julie Wilder kennenlernt, die in ihm mehr sieht als einen launischen Ex-SEAL. Doch was genau ist Hunters Problem und weshalb verweigert er jegliche Hilfe von außen?

Band 1 der S.T.A.R.S. Reihe ist in sich geschlossen.

Widmung

Für meine Leserinnen und Leser, die sich auf jedes neue Buch von mir freuen, mir Feedback geben und auch in schwierigen Zeiten mit netten Worten für mich da sind.

Danke für euer Vertrauen, den Mut und die Geduld!

Euch allen widme ich diesen Neuanfang ...

Prolog

Kurz vor meiner Abreise, auf der Party von Daphne Sanchez – unserer ersten Seal-Lady –, war mir bereits klar, dass ich etwas anderes machen muss. Mit einem Mal hatte ich die Nase von allem voll. Dennoch ging ich wieder zurück. Ganze drei Monate am Stück war ich zuletzt in Afghanistan unterwegs, habe die schlimmsten Sachen gesehen, die sich ein Mensch vorstellen kann, und trotzdem alles gegeben, um den armen Seelen in einem von Krieg gebeutelten Land zu helfen. Ich habe Menschen getötet, die andere Menschen vergewaltigt und gefoltert haben oder gar umbringen wollten. Darauf bin ich nicht stolz, auch wenn es sich in jenen Momenten richtig anfühlte.

Nach der Rückkehr von solch langen Einsätzen mussten wir uns im Hauptquartier in Coronado immer zuerst beim Doc melden, der uns auf Herz und Nieren durchcheckte. Dieses Mal ging ich gleich zum Boss und bat um meine Entlassung aus dem Dienst. Mein Wunsch überraschte ihn, doch ich glaube, er sah mir an, wie leer und ausgebrannt ich war, und dass die Zeit für eine Pause gekommen war. Letztendlich entsprach er meinem Wunsch, leitete alles in die Wege, damit ich meine Papiere erhielt und mit dem Tag meines Austritts hatte ich nur noch den Status eines Ex-Navy Seals. Die Anmerkung, ich könne jederzeit wiederkommen, half nicht wirklich über die Bilder in meinem Kopf oder die seelischen Wunden hinweg.

Ich flog nach Seattle, sammelte meine persönlichen Dinge ein, die absolut überschaubar waren, gab mein Apartment in Downtown auf und machte mich auf den Weg nach Süden. Ich hatte meine Mum seit fast einem Jahr nicht gesehen und weil ich außer ihr keine Familie mehr habe, beschloss ich, für einige Zeit bei ihr im sonnigen Monterey zu leben. Ich musste mir Gedanken machen, was ich mit meinem Leben anfange, wie es weitergehen und wohin das alles führen sollte.

Von den Jungs informierte ich nur unseren Teamleader J., weil ich einfach schnellstmöglich raus wollte. Raus aus Seattle und meiner gewohnten Umgebung. Er sagte, ich solle auf mich aufpassen und ich sei auch weiterhin ein Teammitglied, welches auf jeden einzelnen der Jungs zählen könne. Diese Worte taten gut, wenn auch nur für wenige Augenblicke. Zu sehen, wie sich die Kollegen nach und nach ihre kleinen Familien aufbauten, machte mich nachdenklich. An meine letzte Beziehung konnte ich mich schon gar nicht mehr erinnern, geschweige denn an den Namen der Frau. Ich lebte immer nur für meinen Job; dabei blieb zu viel auf der Strecke. Mit Anfang dreißig lief mir die Zeit davon, das musste sich ändern, ich musste etwas ändern.

Deshalb ist heute Tag eins meines neuen Lebens.

Stone

Monterey, Kalifornien – In irgendeinem Motel

»Hunter, lass mich los«, dringt eine weiblich, krächzende Stimme an meine Ohren. »Hunter!« Als ich meine Lider öffne, schaut mich eine Blondine mit weitaufgerissenen Augen an. Mein Blick wandert hinunter zu ihrem Hals, den ich fest mit meinen Händen umschlungen habe. Fuck! Was mache ich hier? Erschrocken lasse ich von ihr ab und weiche ein Stück zurück. »Tut mir leid, ich muss im Schlaf ...«

»Bist du nicht ganz dicht? Was soll der Scheiß?«, fällt sie mir schreiend ins Wort. Während sie das Bett verlässt und mich dabei wüst beschimpft, kann ich mich wieder erinnern. Ich lernte sie gestern Abend in einer kleinen Bar am Strand kennen. Wir kamen schnell ins Gespräch und am Ende nahm ich sie mit auf mein Motelzimmer. Der Sex war ganz okay, aber der Albtraum, aus dem ich gerade erwacht bin, definitiv nicht.

»Ich wollte dir auf keinen Fall wehtun, Baby«, entschuldige ich mich und überlege krampfhaft, wie sie heißt. Grundsätzlich fällt es mir schwer, mir Namen zu merken, ich bin eher ein Zahlenmensch.

»Du warst echt gut, Hunter, aber das eben macht alles kaputt, leb wohl!« Ich sitze auf dem Bett, beobachte, wie sie sich ihr Kleid überstreift, und bringe kein Wort mehr über die Lippen. Als sie fertig ist, öffnet sie mit Schwung die Zimmertür, geht hinaus und knallt sie lautstark zu. Die werde ich wohl nicht wiedersehen. Schade eigentlich, denn bis zu diesem Punkt hat es mit ihr Spaß gemacht und ich hätte mir eine weitere Runde gut vorstellen können. Gefrustet von der Tatsache, dass ich die erste heiße Nacht seit langer Zeit so richtig in den Sand gesetzt habe, lasse ich mich nach hinten auf die viel zu weiche Matratze fallen. Mum ist an der Ostküste, zumindest laut ihrer Mailboxansage. Ich habe keinen Schlüssel für ihr Haus und musste mich deshalb in diesem Motel nah am Strand einquartieren. Natürlich kann ich ihre Nachbarn fragen, ob sie einen Ersatzschlüssel haben, allerdings bin ich noch nicht bereit, alten Bekannten gegenüber zu treten. Hoffentlich ist Mum bald telefonisch erreichbar, damit ich weiß, wann sie zurück ist und ob ich in mein altes Zimmer einziehen kann.

Nervös reibe ich mir über das Gesicht. Ich habe keine Ahnung, was ich heute mit mir anfangen soll. Monterey ist zwar schön, aber irgendwie habe ich keine Motivation, keinen Antrieb. Schlafen funktioniert wegen dieses beschissenen Albtraums nicht mehr, der mich schon seit Wochen heimsucht.

Schnaufend erhebe ich mich, gehe hinüber ins Badezimmer und steige in die Dusche. Während das Wasser auf mich herabprasselt, höre ich Stimmen ... Hastig drehe ich mich mit geballten Fäusten um, aber da ist niemand. Ich bin seit langem urlaubsreif und sollte irgendetwas unternehmen, was mich entspannt. Ein Angelausflug könnte mich auf andere Gedanken bringen, kommt es mir in den Sinn. Ich liebe das Fischen und war schon viel zu lange nicht mehr draußen auf dem Meer. Mein Plan für heute steht somit, obwohl meine Motivation für so ziemlich alles komplett am Boden liegt. Doch bevor ich mich zu Tode langweile, habe ich wenigstens eine Aufgabe, bei der die Zeit hoffentlich schnell vorbeigeht.

Eine Stunde später erreiche ich den Hafen und betrete Fisherman’s Wharf. Der Pier ist voller Leute, hier scheint es heute irgendetwas umsonst zu geben. Ich bahne mir meinen Weg durch die Menschenmenge, direkt zu einem Gebäude auf der linken Seite, dem Monterey Harbour Bootsverleih.

»Guten Morgen, Sir. Was kann ich für Sie tun?«, begrüßt mich ein älterer Herr mit schütterem grauen Haar.

»Morgen. Ich möchte ein Boot mieten, zum Fischen, inklusive Ausrüstung, wenn möglich.«

»Tut mir leid, der Herr, für heute sind wir bereits ausgebucht«, lautet die Antwort, die ich nicht hören wollte. Als der Mann jedoch auf meinem Oberarm das Tattoo der Navy Seals entdeckt, fängt er an zu lachen und zeigt mir seines.

»Wo warst du zuletzt, mein Junge?«

»Afghanistan, Sir, volle drei Monate.«

»Habe gehört, da unten brennt es ganz schön.«

»Ja, dieses Feuer lässt sich kaum löschen.«

»Das glaube ich dir. Wenn du dich beeilst, erwischst du vielleicht noch eines der Charterboote an Wharf II. Der Kapitän der Princess hat eigentlich immer Platz und genügend Ausrüstung an Bord.«

»Okay, danke«, erwidere ich. Rasch füllt mir der alte Mann eine Lizenz aus, kassiert dafür 26 Dollar und wünscht mir viel Spaß. Diese Art von Ausflug wollte ich nicht unbedingt machen, aber wenigstens komme ich für ein paar Stunden raus.

Als ich das genannte Schiff erreiche, lösen zwei Matrosen gerade die Leinen. Schnell zeige ich meine Genehmigung vor und darf noch mitfahren. Der Kahn ist mit anderen Fischern, die mich skeptisch mustern, gut belegt, was meiner Last-Minute Entscheidung einen Dämpfer verpasst. Im Moment will ich eigentlich allein sein, meine Ruhe haben und mir gelegentlich etwas Spaß gönnen. Wenn das alles nur so einfach wäre.

Auf dem Weg hinaus aufs offene Meer organisiere ich mir eine Ausrüstung, bereite sie vor, suche einen Platz an der Reling und warte, bis wir unseren ersten Spot zum Fischen erreicht haben. In der Zwischenzeit läuft ein Seemann übers Deck, erkundigt sich, wer später etwas essen will und wer Getränke benötigt. Da ich weder an das eine noch an das andere gedacht habe, bestelle ich gerne. Cheeseburger und Coke sind zwar kein sehr nahrhaftes Mittagessen, aber immerhin gibt es was in den Magen.

»Wollen Sie auch beim Jackpot mitmachen, Sir?«, fragt mich ein Bootsjunge, der mit einem Hut herumläuft.

»Klar! Wie groß war denn der letzte Gewinnerfisch?«

»Ein dreieinhalb Fuß großer Zackenbarsch, Sir«, informiert mich der junge Kerl. Das Prinzip des Jackpot-Fischens ist einfach: Jeder, der sich beteiligt, egal ob er einen oder zehn Dollar in den Pott wirft, ist dabei. Wer am Ende des Trips den größten Fisch gefangen hat, bekommt alles. Obwohl ich momentan ziemlich am Arsch und völlig aus der Übung bin, was meine Siegchancen schmälert, lege ich einen 20 Dollar Schein in den Hut, sage meinen Namen an und bin im Pott.

»Viel Glück«, wünscht mir der Bootsjunge und geht zum nächsten Angler. Das kann ich gut gebrauchen, vielleicht hilft es ja.

»Gentlemen, wir haben unseren ersten Hotspot erreicht«, meldet der Kapitän über Lautsprecher wenig später, als der Bootsmotor leiser wird und wir nur noch umherdümpeln. »Tiefe etwa 80 Fuß, sehr felsig, passt auf eure Köder auf.« Dann fange ich mal an und bin gespannt, was da unten unterwegs ist.

Julie Wilder

Überstunden

Mein Feierabend war vor etwas mehr als zwei Stunden. Ich könnte schon zu Hause sein, doch stattdessen sitze ich noch immer in meinem Büro und schreibe Berichte. Die Kehrseite, wenn man die ganze Woche auf Streife unterwegs war. Obwohl es mir missfällt, beiße ich mich durch. Das Wochenende steht vor der Tür und zwei Tage dienstfrei kann ich sehr gut gebrauchen.

Als ich einen weiteren Bericht fertigstelle, ausdrucke, unterschreibe und für die weitere Bearbeitung durch den nächsten Kollegen auf einem Stapel ablege, klingelt mein Telefon.

»Monterey Police Department, Sie sprechen mit Officer Wilder. Was kann ich für Sie tun?«, melde ich mich ordnungsgemäß.

»Hey Süße! Du bist immer noch auf der Arbeit?«, erklingt die erfreute Stimme meines Freundes Nathan.

»Du rufst mich gerade im Büro an, also muss ich ja auf der Arbeit sein«, antworte ich schnippisch. Seit Wochen läuft es in unserer Beziehung nicht mehr rund. Wenn ich Zeit habe, hat er keine. Momentan steht er ohne Job da und ist komischerweise ständig unterwegs. Angeblich mit seinen Jungs, hier und da Dinge erledigen, an irgendwelchen Autos herumschrauben und kleinere Aufträge erledigen. Ich glaube eher, dass er bereits eine neue Freundin hat und nur noch auf den richtigen Moment wartet, es mir schonend beizubringen. Das Indiz dafür lautet Sexabstinenz, denn den letzten körperlichen Spaß hatten wir vor Monaten. Überhaupt gab es in den vergangenen Wochen nichts, was auf eine Beziehung schließen ließe.

»Julie?«

»Ähm, ja. Was hast du gesagt?«, frage ich, weil ich in Gedanken versunken war.

»Du wolltest heute noch etwas machen, ich bin aber später mit Josh unterwegs. Ist das für dich okay, Süße?« Wie ich es hasse, wenn er mich ständig Süße, Baby oder sonst wie nennt. Ich bin eine erwachsene Frau, aber anscheinend erwarte ich von meinem fünf Jahre jüngeren Freund zu viel.

»Alles okay, fahr du zu Josh.« Eigentlich wollte ich nach Feierabend die beiden Garagentore von Grandmas Haus streichen, die haben es dringend nötig. Nathan erklärte sich letzte Woche bereit, mir dabei zu helfen und schon mal die Farbe zu besorgen. Doch anscheinend erwarte ich selbst bei solchen Dingen zu viel von ihm.

»Wirklich, Baby?«

»Viel Spaß. Ich muss weiterarbeiten, sonst komme ich hier heute nie raus«, sage ich, um ihn abzuwimmeln und endlich loszuwerden. Er will meiner Meinung nach nur sein Alibi verkünden, mehr nicht.

»Okay, Süße. Grüß deine Mädels von mir und schönen Feierabend.« Augen verdrehend und ohne weitere Worte lege ich den Telefonhörer einfach auf. Warum er automatisch davon ausgeht, dass ich mich mit meinen Freundinnen treffe, kann ich nicht nachvollziehen. Ich sollte der Sache selbst ein Ende setzen, auch wenn ich dann voraussichtlich wieder eine Weile allein bin. Ich mag Nathan zwar, aber es führt, ohne wirkliche Gefühle für ihn, zu nichts. Wir sind mit der momentanen Situation beide nicht glücklich, behaupte ich jedenfalls. Verdammt! Wenn das alles immer nur so leicht wäre, wie es sich anhört.

Seufzend nehme ich meinen Stapel Berichte und bringe ihn ins Archiv. Natürlich ist dort niemand mehr, weshalb ich den Papierberg auf einen Tresen lege. Der zuständige Kollege wird ihn am Montag abarbeiten und bei Fragen direkt auf mich zukommen. Zu Beginn der neuen Woche muss ich allerdings nur kurz ins Büro, dann darf ich wieder auf Streife gehen, was ich momentan am liebsten mache. Deshalb bin ich Polizistin geworden. Ich will dort draußen sein und den Menschen helfen.

In dem Augenblick, als ich mit einem Kaffee in mein Arbeitszimmer zurückkehre, klingelt erneut das Telefon. Ich mag nicht mehr, geht es mir durch den Kopf. Die Stadt Monterey weiß, dass ich hier heute bis auf wenige Ausnahmen allein bin. Genervt nehme ich den Hörer in die Hand, sage meinen Text und höre dann eine aufgeregte Frau am anderen Ende. »Julie, kannst du schnell vorbeikommen? Wir haben hier einen Notfall reinbekommen, mit dem wir nicht klarkommen und für den wir auch keinen Platz haben.«

»Ganz ruhig, Sonia«, erwidere ich, nachdem ich die beunruhigte Stimme erkannt habe. »Erzähl mir, was passiert ist.« Im Hintergrund ist lautes Hundegebell zu hören. An und für sich nichts Ungewöhnliches, denn Sonia leitet die Monterey County Animal Services und hat geschätzt um die 30 Hunde in ihrer Obhut.

»Das erkläre ich dir am besten vor Ort, sonst glaubst du mir das nicht.« Mein Blick wandert über den Schreibtisch, auf dem ich noch einen Bericht liegen habe, der längst im System sein müsste.

»Sonia, ich komme rüber, gib mir eine halbe Stunde«, sage ich und lege auf. Hoffentlich dauert es nicht zu lange, dann schaffe ich den letzten Report noch. Falls nicht, muss ich morgen Vormittag schnell herkommen. Die Garagentore schaffe ich heute Abend so oder so nicht mehr. Von diesem Gedanken habe ich mich längst verabschiedet.

Unterwegs zum Tierheim, das am Stadtrand von Salinas liegt, der nächst größeren Stadt, rufe ich schnell bei Grandma an, sonst macht sie sich noch unnötig Sorgen. Das dachte ich jedenfalls, bis sie mir versichert, dass sie schon mit meinen Überstunden gerechnet hat. Wie jeden Tag bittet sie mich darum, auf mich aufzupassen, und wünscht mir einen baldigen Feierabend. Ich liebe meine Granni, weil sie die einzige Verwandte ist, die ich noch habe. Die rüstige alte Dame wird dieses Jahr 90, und auch wenn sie noch topfit ist, wie sie selber sagt, werde ich sie nicht ewig bei mir haben. Wann immer ich kann, bin ich für sie da, schließlich wohne ich direkt nebenan. Es war damals ihr Wunsch, als meine Eltern bei einem Zugunglück in Washington starben, die andere Haushälfte, neben ihr, zu beziehen. Ich stelle es mir nicht leicht vor, mein Kind beerdigen zu müssen, und ich will so etwas Schlimmes nie erleben. Grandmas Sohn, meinen Dad, zu Grabe zu geleiten, war einer meiner schlimmsten Wege, den ich je gehen musste. Wir gaben uns gegenseitig Halt und trauerten in der schwersten Zeit unseres Lebens zusammen. Und ich bin Grandma für eine Sache ganz besonders dankbar: ihren Rat, Polizistin zu werden. Mum und Dad wollten immer, dass ich eine Ausbildung zur Krankenschwester mache oder Medizin studiere, doch das konnte ich mir gar nicht vorstellen. Ich wollte den Menschen auf eine andere Art und Weise helfen. Granni ließ nie locker und riet mir stets, das zu tun, was mir mein Herz sagt. Heute denkt sie manchmal anders darüber und dennoch hat sie mir mit ihrer Weisheit den Weg in ein gutes Leben gewiesen.

Verkehrsbedingt bin ich ein paar Minuten später bei Sonia, als ich versprochen hatte. Vor dem Hauptgebäude entdecke ich einen Wagen der Ambulanz, bei dem die hinteren Türen offen stehen. Drinnen sehe ich, wie Sonia von Sanitätern, die ihr gerade einen Verband am linken Unterarm anlegen, behandelt wird. Was ist denn hier passiert?

Ich stelle meinen Streifenwagen ab und gehe zu ihr.

»Gott sei Dank bist du hier!«, ruft mir die Tierheimleitung erleichtert zu.

»Ma’am, wir sind gleich fertig, bitte halten Sie still«, wird sie höflich ermahnt. Erst als ihre Bandage festgeklebt ist, darf sie den Krankenwagen verlassen. Sofort drückt sie mich zur Begrüßung.

»Hey, was ist denn bei euch los?«, möchte ich von ihr wissen.

»Das glaubst du mir nicht, ich muss es dir zeigen. Komm einfach mit.«

»Gib mir noch eine Sekunde«, wende ich ein, um kurz mit den Sanitätern zu sprechen. Die geben jedoch Entwarnung, es gibt nur zwei Leichtverletzte mit je einer Bisswunde am Arm. Dann folge ich Sonia hinein, die heute ein Tempo draufhat, mit dem ich kaum Schritt halten kann. Vor einer Tür bleibt sie stehen, dahinter ist lautes Gebell zu hören.

»Sie haben ihn vor einer Stunde in Sand City eingefangen, zu uns gebracht und wir dachten erst, der Junge ist ganz friedlich, doch dann wurde er aggressiv, biss um sich und seitdem kriegen wir ihn nicht aus diesem Raum heraus«, erklärt sie ohne Punkt und Komma. Sonia versteht ihre Arbeit, kümmert sich liebevoll um alle Tiere, die man ihr anvertraut, aber so aufgeregt wie jetzt habe ich sie noch nie erlebt.

»Ganz langsam. Wer ist er?«, versuche ich mit ruhiger Stimme in Erfahrung zu bringen. Dem lauten Kläffen nach zu urteilen handelt es sich hier um einen größeren Hund.

»Reinrassiger Belgischer Schäferhund«, erzählt Sonia weiter. »Circa fünf oder sechs Jahre alt, macht optisch einen guten Eindruck. Leider hat er es faustdick hinter den Ohren und lässt sich von niemanden anfassen, geschweige denn in einen der Zwinger bringen. Wir müssten ihn dringend untersuchen, haben aber keinerlei Gelegenheit dazu. Du hast doch viel Erfahrung mit Schäferhunden. Kannst du es vielleicht versuchen, Julie?« Schmunzelnd schaue ich sie an und nicke. Unser Police Department hatte einst einen Vertreter dieser Art, um den ich mich immer gern kümmerte. Sein Name war Alpha. Er half uns bei Verkehrskontrollen Drogen aufzuspüren und wurde in seinem vierten Jahr bei der K-9 Staffel inmitten eines Feuergefechts mit einer Gang tödlich verwundet.

»Wenn du es schaffst, leg ihm den an«, bittet Sonia und reicht mir einen Maulkorb.

»Ich versuche es. Gib mir noch ein paar Leckerlis.« Als ich diese habe, öffne ich langsam die Tür, woraufhin das Bellen heftiger wird. Mit einem Handzeichen fordere ich die Tierheimleitung auf, zurückzubleiben. Der Hund nähert sich nicht, sitzt stattdessen nur wenige Meter entfernt in einer Ecke.

»Hallo, mein Hübscher«, spreche ich leise mit ihm und gehe dabei in die Hocke. Sofort verstummt das Kläffen, er stellt die Ohren auf und schaut mich hechelnd mit leicht schiefem Kopf an.

»Braver Junge, so ist’s besser.« Ich vermeide den direkten Augenkontakt, setze mich auf den Boden und warte. Der Hund ist nervös und verunsichert, weshalb er Zeit braucht. Sein Fell sieht gepflegt aus, Verletzungen oder Wunden kann ich keine erkennen.

»Was wisst ihr noch über ihn?«, frage ich Sonia mit ganz ruhiger Stimme. In dem Moment, als sie antwortet, knurrt jemand böse.

»Er wurde am Strand von Sand City aufgegriffen, hat dort Krabben gejagt und gefressen. Wir konnten weder einen Chip noch eine Hundemarke finden.«

»Und ihr wollt ihn nur dazu bewegen, dass er in einen Zwinger geht?«

»Da die Untersuchungen unmöglich erscheinen, wäre das ein toller Anfang. Eigentlich sind wir schon überfüllt, Julie. Ich habe zwei andere Hunde zusammengelegt, aber die beiden vertragen sich nicht und meine Mitarbeiter haben schon jeder mindestens zwei Pflegetiere zu Hause. Ihr habt doch noch Alphas alten Zwinger. Könntest du ihn für uns dort vorübergehend unterbringen?« Sonias Frage lässt mich schmunzeln. In der Tat haben wir den Platz noch, aber um diesen Hund dort einzuquartieren müsste ich meinen Vorgesetzten um Erlaubnis bitten. Der ist momentan allerdings im Urlaub. Während ich darüber nachdenke, wie ich dem Tierheim und unserem nervösen Hund helfen kann, strecke ich meine Hand mit den Leckerlis aus. Es dauert nicht lange, bis ich damit die Aufmerksamkeit des Vierbeiners errege. Schnüffelnd erhebt er sich ganz langsam und nähert sich mir Stück für Stück.

»Er kommt zu mir, das Futter hat sein Interesse geweckt«, sage ich leise, um Sonia ein Bild davon zu vermitteln, was hier gerade passiert.

»Sehr gut. Ich wusste, warum ich dich um Hilfe bitte«, erwidert sie flüsternd.

»Die sind gut, oder? Möchtest du noch mehr?« Überraschend setzt sich der Schäferhund vor mich und wedelt mit dem Schwanz, das Eis ist somit gebrochen. Sonia stellt mir eine Tüte Futter an die Tür, nach der ich behutsam greife. Mit jeder Minute taut der Hund mehr auf, bis ich ihn berühren darf. Dann streichele ich ihn mit dem Maulkorb in der Hand überall am Körper, insbesondere an der Schnauze, sodass er sich an diesen gewöhnen kann. Es dauert nicht lang, bis er ihn mit Zuneigung verbindet und ich ihn anlege.

»Tut mir leid, aber zur Sicherheit aller musst du den jetzt eine gewisse Zeit tragen, und das ist kein Grund zum Schmollen«, spreche ich ruhig mit dem Tier.

»Oh mein Gott, du bist eine wahre Hundeflüsterin«, schwärmt Sonia aus sicherer Distanz.

»Er scheint ein lieber Kerl zu sein.« Ob ich ihn in den eigens für ihn geräumten Zwinger bringen soll, frage ich erst gar nicht, denn als sich einer von Sonias Mitarbeitern zu schnell nähert, knurrt der Hund bedrohlich.

»Was wird mit ihm passieren?«

»Du weißt, was mit Angstbeißern passiert, Julie.«

»Sie werden eingeschläfert«, spreche ich meinen Gedanken laut aus.

»Aber das werden wir nicht zulassen. Er ist so ein hübscher Kerl, den werden wir schon wieder hinkriegen«, verspricht Sonia mit zuversichtlichen Worten. »Bei dir ist er ruhig und fühlt sich offenbar wohl. Wir versuchen herauszubekommen wer ihn vermisst und ob sein Besitzer ihn abholen kann. Würdest du mir einen ganz großen Gefallen tun und dich bis morgen um ihn kümmern?« Als tierlieber Mensch kann ich unmöglich ablehnen. Darüber hinaus habe ich mit der Rasse viel Erfahrung, die in diesem speziellen Fall dringend gebraucht wird.

»Okay, probieren wir es einfach«, stimme ich zu. Sonia sieht erleichtert aus und will sich sofort um Futter und alles andere kümmern. In der Zwischenzeit beschäftige ich mich weiter mit dem Schäferhund, der nun schon seinen Kopf auf meine Oberschenkel gelegt hat und sich hinter den Ohren kraulen lässt.

»Warum bist du so durcheinander? Was ist dir zugestoßen?«, frage ich ihn, woraufhin er mich anschaut, ohne den Kopf zu heben.

Es vergeht einige Zeit, bis Sonia sich wieder meldet. Sie hat schon mal Futter in meinen Streifenwagen gelegt und steht nun im Flur mit einer Leine bereit. Diese scheint der Hund überhaupt nicht zu mögen, denn auf einmal geht er wieder in Angriffsposition.

»Ist draußen alles zu, Sonia?«

»Die Jungs schließen gerade das Tor, er kann das Gelände nicht verlassen.«

»Okay, dann gib mir die Leine, öffnet die Türen und haltet euch zurück«, schlage ich vor. Es sieht so aus, als würde er nur mir vertrauen, das sollte auch bis zum Wagen funktionieren. Ich warte geduldig, bis er sich wieder beruhigt hat, dann stehe ich auf und gehe langsam hinaus auf den Flur.

»Komm, Süßer«, rufe ich ihm zu. Wieder legt er seinen Kopf leicht schief und hechelt. Ich gebe ihm mit der Hand ein Zeichen und plötzlich bewegt er sich, folgt mir langsamen Schrittes hinaus, bis zum Haupttor.

»Sitz«, lautet mein Kommando, welches er prompt befolgt. Das muss wohl in der Vergangenheit bereits jemand mit ihm trainiert haben. »Ich öffne jetzt den Kofferraum und nehme dich mit«, sage ich leise. Daraufhin versucht er zu bellen, was mit dem Maulkorb schwierig ist, aber er wedelt wieder mit dem Schwanz. Der Rest ist ganz leicht, denn ich kann hinausgehen und die Heckklappe meines Streifenwagens öffnen, ohne dass der Hund davonläuft.

»Komm«, muss ich nur sagen. Er nähert sich freudig, springt sofort in den Kofferraum und setzt sich hin. »Guter Junge«, lobe ich, als ich ihn mit Streicheleinheiten belohne. Er genießt meine Berührungen und drückt sich richtig gegen meine Hand. In diesem Moment bin ich froh, mich vor Monaten für den Geländewagen von Ford, statt für die klassische Crown Victoria Limousine als Streifenwagen entschieden zu haben. Hinten drin ist genug Platz und den braucht der Hund jetzt auch.

»Wow! Das hat tatsächlich funktioniert«, schwärmt Sonia überglücklich.

»Ich denke, wir kommen miteinander aus. Melde dich, wenn du Neuigkeiten hast, und sag mir, wann ich ihn dir vorbeibringen soll.«

»Du hörst auf jeden Fall von mir. Danke, Julie.« Zum Abschied umarmen wir uns kurz, dann mache ich mich auf den Weg zurück zum Department.

Unterwegs richte ich meinen Blick immer wieder in den Rückspiegel. Der Schäferhund schaut hechelnd aus dem Fenster und verhält sich soweit ruhig. Ich hoffe, Sonia findet heraus, wo er vermisst wird, sodass er bald zu seiner Familie zurückkehren kann. Bis dahin werde ich mich um ihn kümmern. Mal schauen, wie er sich bei mir zu Hause macht.

Gerade als ich am Hafen vorbeifahre, erreicht mich ein Funkspruch. »Wagen sieben-eins-eins-sieben-neun, bitte kommen. Over.«

»Zentrale, Wagen sieben-eins-eins-sieben-neun hört«, antworte ich und verdrehe dabei die Augen, weil mir klar ist, dass noch Arbeit auf mich zukommt.

»Schlägerei auf Fisherman’s Wharf. Vier Männer haben einen Navy Seal angegriffen, eine Ambulanz ist bereits unterwegs. Over.«

»Verstanden, Zentrale. Ich bin gleich vor Ort. Over.« Wenn die Typen sich den falschen Kerl ausgesucht haben, brauchen wir gleich mehr als einen Krankenwagen, fährt mir der Gedanke durch den Kopf.

Ich schalte die Sirene ein, wende an der nächsten Kreuzung und steuere meinen Wagen auf den belebten Pier. Die Besucher machen Platz, sodass ich bis zum Ort des Geschehens fahren kann. Dort angekommen entdecke ich tatsächlich vier Männer, die auf dem Boden liegen. Daneben hat sich eine kleine Menschentraube gebildet, aus der ein ziemlich großer Kerl mit dunklen Haaren, Dreitagebart und blutiger Lippe hervorsticht. Der Hund in meinem Kofferraum knurrt und bellt wieder, das Ganze gefällt ihm genauso wenig wie mir.

Als ich aussteige, hält hinter mir eine Ambulanz, mehrere Sanitäter eilen herbei. Sofort kümmern sie sich um die verletzten Männer. Ich sehe nach, ob ich irgendwo helfen kann, werde dann jedoch lediglich darum gebeten, einen weiteren Krankenwagen zu rufen.

»Wagen sieben-eins-eins-sieben-neun an Zentrale. Wie ich bereits befürchtet habe, brauchen wir eine weitere Ambulanz. Fisherman’s Wharf, Abschnitt Wharf II. Over.«

»Verstanden, Wagen sieben-eins-eins-sieben-neun, wir kümmern uns darum. Over«, melden sie mir zurück.

»Treten Sie bitte beiseite«, fordere ich die Schaulustigen rund um die Szene auf. Die Helfer sollen ungestört ihre Arbeit machen können. »Sir, kommen Sie bitte zu mir«, fordere ich den riesigen Kerl auf, der an der Wand eines Cafés lehnt. Auf einem seiner muskulösen Oberarme entdecke ich ein Tattoo der Navy Seals. Das ist der Typ, den sie verprügeln wollten. Während er sich langsam in Bewegung setzt, beobachte ich ihn aufmerksam, bis er neben meinem Streifenwagen steht.

»Soll ich jemanden anrufen, der mit mir spricht, oder darf ich Sie direkt befragen?«, erkundige ich mich. Vor gut einem Jahr verhaftete ich einen betrunkenen Autofahrer. Er war Major bei der U.S. Army, und obwohl er sich falsch verhalten hatte, bekam ich wegen der Zuständigkeit fürchterlich eine auf den Deckel. Seitdem weiß ich, dass wir bei solchen Jungs immer erst ihre Kontaktperson informieren müssen.

»Ich bin auf mich gestellt. Schießen Sie los, Officer«, antwortet der Kerl. Seine tiefe, aber sanfte Stimme jagt mir einen wohligen Schauer über den Rücken. Er sieht verdammt gut aus und ich bin gespannt, was er mir zu erzählen hat.

»Können Sie mir sagen, was hier passiert ist?«

»Die Jungs haben den Jackpot verloren und konnten diese Niederlage nicht ertragen«, sagt er.

»Welchen Jackpot?«

»Beim Fischen.«

»Bitte etwas präziser, Sir.« Er verdreht die Augen und verschränkt seine kräftigen Arme vor der Brust. Bei diesem unverschämt heißen Anblick wird mir ein klein wenig warm.

»Wir waren zum Fischen draußen auf dem Meer. Jeder kann ein paar Dollar in den Pott werfen. Wer am Ende des Trips den größten Fisch gefangen hat, bekommt alles«, erklärt er mir in genervtem Tonfall.

»Okay, so verstehe auch ich das. Sie haben den größten Fisch gefangen, nehme ich an?«

»Korrekt, Officer.«

»Und wie kam es dann zu dieser Schlägerei?«

»Ich hatte einen jungen Tigerhai von etwa fünf Fuß am Haken, brachte ihn an Bord, um den Haken zu entfernen und damit zählt er als Fang. Die Typen da«, er deutet mit seinem Blick auf die Männer, die die Sanis gerade einsammeln, »sind der Meinung, dass ein Hai kein Fisch ist.«

»Biologisch betrachtet sind Sie aber im Recht, Sir. Demnach waren die Jungs pissig und wollten den Gewinn auf andere Art und Weise einstreichen?«, führe ich seine Erklärungen aus.

»Selbst der Kapitän hat den Fang bestätigt und anerkannt, Officer.«

»Glück für Sie. Wurde der Fisch in die Freiheit entlassen?«

»Selbstverständlich, Ma’am. Er gehört zu einer gefährdeten Art und ich mag keine Haifischflossensuppe.« Dieser Kerl hat einen sehr trockenen Humor, doch ich mag ihn irgendwie. Außer seinem Angelerlebnis erläutert er mir noch den Angriff der vier Männer, die er ohne Schwierigkeiten abwehren konnte. Laut seiner Aussage verteidigte er sich, was die anderen Beteiligten ganz sicher dementieren werden.

»In Ordnung, Sir. Ich muss Sie bitten, mich zum Department zu begleiten, damit ich Ihre Aussage aufnehmen und den Bericht dazu schreiben kann.«

»Muss das sein?«, fragt er mit bösem Blick nach.

»Glauben Sie mir, es ist besser für Sie. Nur durch Ihre Aussage wird das Thema hier nicht erledigt sein.« Freiwillig streckt er seine Arme nach vorne aus, doch Handschellen brauchen wir in diesem Fall nicht, er ist ja kooperativ.

»Steigen Sie einfach ein«, sage ich deshalb und öffne ihm eine der hinteren Türen. »Hinsetzen und ruhig verhalten, ich muss noch ein paar Zeugen befragen«, weise ich ihn an. Erneut kommt er meiner Aufforderung, ohne zu zögern, nach. Als er dicht an mir vorbeigeht, steigt mir ein starker Fischgeruch in die Nase. Dieser Mann ist heiß, aber er braucht dringend eine Dusche.

»Den Hund nicht beachten und nicht ansprechen«, sage ich, weil der Schäferhund wieder Alarm macht. Dann schließe ich die Tür und höre mich unter den Leuten um, wer etwas gesehen hat.

Stone

Loser, Ärger & eine scharfe Polizistin

Der Köter hinten im Kofferraum geht mir auf den Sack. Knurrt und bellt in einer Tour, dabei mache ich genau das, was die heiße Polizistin von mir verlangt hat, nämlich nichts. Ich beobachte, wie sie die Leute befragt, die mich noch vor einigen Minuten davon abhielten, diese Wichser zu Brei zu verarbeiten. »Ein Hai zählt nicht«, meinten sie und wollten die 476 Dollar aus dem Pott abgreifen. Es ging mir weniger um das Geld, dafür mehr ums Prinzip. Ich brachte den Tigerhai an Bord, um ihm den Haken zu entfernen und somit zählte er als Fang, auch wenn er danach unversehrt wieder in die Freiheit entlassen wurde. Manche Typen haben anscheinend nicht nur wegen ihrer kleinen Schwänze Komplexe, sondern auch wegen zu großer Fische, die andere fangen.

Officer Sexy war zwar höflich und ruhig, dennoch wirkt sie gestresst auf mich. Nachdem sie ein paar Leute befragt und mit den Sanitätern gesprochen hat, steigt sie zu mir in den Wagen. Nach einem kurzen »Psst« von ihr gibt der nervtötende Hund endlich Ruhe.

»Danke, Officer, das ist ja schlimmer als ein Tinnitus.« Sie dreht sich zu mir um, schaut mich mit ihren graublauen Augen an und lächelt kurz.

»Anschnallen, Mr., es geht los«, sagt sie. Ihre langen blonden Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat, erinnern mich an die Frau, die ich heute Morgen durch meinen beschissenen Albtraum beinahe erwürgt hätte. Ich weiß nicht warum, aber Frauen mit dieser Haarfarbe sprechen mich einfach an. Und ich halte Blond keineswegs für blöd. Meine Mum hat die gleiche Haarfarbe wie Officer Sexy und ist eine sehr clevere Frau.

Auf dem Weg zum Polizeirevier sprechen wir nicht ein Wort miteinander, dafür bin ich viel zu sehr damit beschäftigt, die heiße Polizistin, die den bulligen Streifenwagen absolut souverän durch die Straßen steuert und dabei aufmerksam andere Verkehrsteilnehmer im Auge hat, zu beobachten. Die ganze Fahrt hat dennoch wohl nur den Zweck, mich einzulochen. Warum sollte sie mich sonst mitnehmen? Ich habe mich nur verteidigt, also quasi in Notwehr gehandelt. Dieser Gedanke lässt mich seit der Befragung nicht los. Die ganze Situation kann nur bedeuten, dass ich in Schwierigkeiten stecke. Sicherlich werden die vier Idioten gegen mich aussagen, da ich sie ja schließlich in ihrer Fischerehre verletzt habe. Eigentlich wollte ich einen entspannten Tag haben, um auf andere Gedanken zu kommen, der mir bis zu diesem Fang auch gegönnt war.

»Kommen Sie mit«, fordert mich der weibliche Officer, deren Namen ich immer noch nicht kenne, auf, als der Streifenwagen vor dem Monterey Police Department zum Stillstand kommt. Sie öffnet mir die Tür und bringt mich ins Gebäude.

»Setzen Sie sich. Kaffee oder etwas anderes?«

»Kaffee«, erwidere ich gähnend. Wie gern würde ich jetzt auf diesem viel zu weichen Bett im Motel liegen – mit ihr. Während sie sich um mein Getränk kümmert, schaue ich mich aufmerksam in ihrem Büro um. An der Wand neben dem Schreibtisch entdecke ich ein paar Fotos. Eines zeigt sie mit einem Schäferhund, der ihrer sein muss. Auf einem weiteren posiert ein Typ neben ihr, hat einen Arm um sie geschlungen und den anderen zur Präsentation seiner Armmuskeln in die Höhe gestreckt. Der scheint viel von sich zu halten, zumindest entsteht bei mir dieser Eindruck.

»Milch oder Zucker?«, fragt die Polizistin, als sie zurück ist und mir eine Tasse mit dampfenden Kaffee auf den Tisch stellt.

»Schwarz und fünf Stück Zucker, aber nicht umrühren, ich mag es nicht so süß.« Lachend schaut sie mich an und schüttelt ihren Kopf.

»Sie sind witzig, Mr., dennoch geht es um ein ernstes Thema. Haben Sie Ihre ID-Card oder etwas anderes dabei, mit dem sie sich ausweisen können?«

»Klar, Ma’am«, antworte ich, greife in die Seitentasche meiner Hose, ziehe die Brieftasche heraus und halte ihr meinen Ausweis entgegen.

»Hunter Stone, interessanter Name. Wo sind Sie derzeit wohnhaft, Mr. Stone?«

»Pacific Inn Motel. Ich glaube in der Fremont Street«, antworte ich.

»Sie wohnen in einem Motel?«

»Ja. Was ist daran verkehrt?«

»Nichts, Mr. Stone. Was verschlägt Sie ins schöne Monterey?« Während ich ihr erzähle, dass ich meine Mum besuchen will, die blöderweise nicht zu Hause ist, macht sie sich fleißig Notizen. Ich wüsste gerne, wie sie heißt, weil mir das kleine Verhör ziemlich unpersönlich vorkommt.

»Mr. Stone?«, reißt sie mich aus meinen Gedanken.

»Ja?«

»Ich fragte, wo Ihre Mutter wohnt und wo sie sich momentan aufhält.«

»1273 Ocean View Boulevard, im Stadtteil Pacific Grove. Wo sie genau steckt, weiß ich nicht, sie hat nur ihre Mailbox mit Grüßen von der Ostküste besprochen.«

»Und Sie warten darauf, dass sie zurückkommt?«

»Ja, Ma’am. Ohne Schlüssel bliebe mir nur der Einbruch.«

»Dann sähen wir uns sehr schnell wieder, Mr. Stone.« Ich zucke kurz mit den Schultern und hätte nichts dagegen.

»Wieso bist du immer noch hier, Julie?«, fragt ein Cop, der mit einem Mal wie aus dem Nichts neben ihr steht. Sie heißt also Julie, hübscher Name.

»Heute gab es viel zu tun, Alex. Ich kümmere mich nur noch um diesen Herrn und mache dann endlich Feierabend.«

»Okay. Draußen wartet noch ein junger Mann, der eine Anzeige erstatten möchte. Ich muss leider auf Streife. Kannst du ihn übernehmen?« Julie verdreht unbemerkt von ihrem Kollegen die Augen. Der Kerl hat ihr nicht zugehört, was sogar mir auffällt.

»Wenn niemand gestorben ist, dann soll er morgen wiederkommen«, antwortet sie in genervtem Tonfall.

»Gestorben nicht, aber irgendein Typ hat mit seiner Freundin die letzte Nacht in einem Motelzimmer verbracht und sie dabei beinahe erwürgt.«

»Okay, er soll noch einen Moment warten, ich kümmere mich gleich darum«, sagt Julie und richtet ihren Blick auf mich. So, als wüsste sie, dass ich gemeint bin. Scheiße! Jetzt bin ich erst recht am Arsch.

Nachdem dieser Alex verschwunden ist, lässt Julie ihren Kugelschreiber fallen, verschränkt ihre Arme und legt sie auf dem Tisch ab. Ihr durchdringender Blick, der in mir das Gefühl weckt, ertappt worden zu sein, sagt mehr als es Worte tun könnten.

»In welchem Motel wohnen Sie derzeit, Mr. Stone? Oh, Moment, ich habe es doch aufgeschrieben, Pacific Inn, Fremont Street.« Wie sie ihre Ausführungen betont, gefällt mir gar nicht. Wenn die Kleine von letzter Nacht mir gegenübersteht und mich identifiziert, habe ich ein großes Problem. Dabei war es nicht meine Absicht, sie zu verletzen oder ihr auf irgendeine Art und Weise wehzutun. Doch wird mir Julie die Geschichte auch so abkaufen?

»Korrekt, Ma’am«, antworte ich knapp. Sie funkelt mich mit ihren Augen wütend an. Ab jetzt sollte ich besser die Klappe halten. Ich ärgere mich darüber, beim General um meine Suspendierung gebeten zu haben. Normalerweise konnte ich ihn in solchen Fällen anrufen, damit er mir aus der Patsche half. Als Ex-Seal genieße ich diesen Bonus nicht mehr. Selten dämlich, tadele ich mich im Stillen.

»Ich hoffe für Sie, dass der Vorfall mit der jungen Dame nichts mit Ihnen zu tun hat. Andernfalls sollten Sie vielleicht doch Ihren Vorgesetzten anrufen, Mr. Stone.« Julie schnappt sich ihr Telefon, dreht es herum und stellt es mir vor die Nase. »Bleiben Sie sitzen«, fordert sie mich eindringlich auf. Verdammter Dreck! Als wäre es nicht schon genug, dass ich mich mit einer Frau eingelassen habe, die vergeben ist. Nein, ich habe sie auch beinahe umgebracht. Und alles nur wegen diesem verfluchten Albtraum.

Regungslos starre ich auf den Apparat und überlege, ob ich den General anrufen sollte, auch wenn er mir vermutlich nicht helfen kann. Als Zivilist sind in solchen Fällen die Cops für mich zuständig. Überraschenderweise ist Julie nach nur wenigen Minuten zurück, setzt sich auf ihren Stuhl und verschränkt erneut die Arme vor der Brust. Sie mustert mich auffällig. Vermutlich versucht sie herauszufinden, ob ich dieser Kerl bin, der ihr sicherlich gerade beschrieben wurde.

»Madison Jackson, Mr. Stone. Können Sie mir etwas zu diesem Namen sagen?«, nimmt sie mich wieder ins Verhör. Sie weiß es, da bin ich mir ganz sicher.

»Den Vornamen habe ich schon einmal gehört. Den Nachnamen kenne ich nicht«, antworte ich wahrheitsgemäß.

»Vielleicht kann ich Ihnen auf die Sprünge helfen, Mr. Stone. Madison verbrachte die letzte Nacht mit einem Mann, dessen Beschreibung auf Sie zutrifft. Die Kleine hat Würgemale am Hals, die ihren Freund dazu veranlasst haben, gegen jenen Mann Anzeige wegen Körperverletzung zu stellen. Wie passt das alles zusammen?«

»Also, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll ...«, fange ich an.

»Kein aber, also, vielleicht oder was auch immer, Mr. Stone!«, fällt Julie mir lautstark ins Wort. Wütend erhebt sie sich und schlägt mit ihren flachen Händen auf den Tisch. »Ich sitze seit sechs Uhr heute Morgen an diesem Arbeitsplatz, will seit Stunden in den Feierabend gehen und muss mich mit Menschen wie Ihnen beschäftigen. Reden Sie Klartext oder ich stecke Sie sofort in eine Zelle und wir unterhalten uns bei meinem nächsten Dienstbeginn am Montagmorgen wieder.« Fuck! Officer Sexy kann auch ganz anders, wie sie mir gerade demonstriert.

»Ich habe mit Madison die besagte Nacht verbracht, konnte mich nur heute früh nicht an ihren Namen erinnern. Als ich aus einem Albtraum erwachte, hielt ich sie am Hals fest. Es tut mir leid, ich wollte sie keinesfalls verletzten, ehrlich«, erkläre ich. Julie nimmt kopfschüttelnd wieder Platz und holt hörbar Luft. »Es tut mir auch leid, dass ich Sie so lange von Ihrem Feierabend abhalte, ich wäre auch viel lieber im Bett.«

»Ich schlage vor, Sie rufen Ihren Vorgesetzten an, und dann soll sich die Navy um Sie kümmern, Mr. Stone.« Sie hat die Nase voll und will mich loswerden.

»Geht nicht«, sage ich knapp. Da ihr wohl meine knappe Antwort nicht ausreicht, fordert sie mich mit einem in der Luft kreisenden Zeigefinger auf, fortzufahren. »Ich habe mich suspendieren lassen.«

»Interessant. Dann könnte ich Sie jetzt einsperren und für den Bullshit, den Sie hier am laufenden Band abliefern, in der Zelle einfach vergessen. Würden Sie das fair finden, Mr. Stone?«

»Bullshit? Ich kann nichts für ein paar Idioten, die sich auf den Schlips getreten fühlen, weil sie nur kleine Fische fangen, und die Sache mit der Kleinen war keine Absicht. Ich habe mich bei ihr entschuldigt, auch wenn es das nicht wiedergutmacht.«

»Und das ist Ihr Glück, Mr. Stone. Madison führt eine offene Beziehung, will selbst keine Anzeige erstatten und das müsste sie, um mir einen Grund zu liefern, Sie jetzt auf der Stelle zu verhaften und wegsperren zu können. Wir sind hier fertig, Sie dürfen gehen. Verlassen Sie auf keinen Fall die Stadt, wir unterhalten uns wieder, wenn ich mit Madison Jackson persönlich gesprochen habe.« Puh, die ist gerade echt sauer und dabei trotzdem so unglaublich sexy.

»Den Stadtteil darf ich aber wechseln, oder?«

»Raus! Sofort!«, brüllt sie mich ungehalten an. Ich deute das als ein Ja, schnappe mir meinen Ausweis, stehe auf und verlasse ihr Büro. Die Nacht in einer Zelle bleibt mir erspart, vorerst. Wie die Sache am Montag aussieht, darüber will ich mir eigentlich keine Gedanken machen.

Draußen vor dem Department sehe ich mich um. Ich habe keinen wirklichen Plan davon, wie ich zum Motel kommen soll. Deshalb laufe ich die Straße entlang, bis ich eine Kreuzung erreiche. Das nächste Taxi gehört mir. Während ich warte, denke ich nach. War es vielleicht doch ein Fehler so überstürzt zu Mum aufzubrechen? Bisher hatte ich hier in Monterey nichts als Probleme.

Eine Viertelstunde später sitze ich endlich in einem Taxi und lasse mich zum Hafen fahren. Dort angekommen, steige ich in meinen Wagen und fahre rüber zum Motel. Nachdem ich meine Sachen eingesammelt habe, checke ich aus und setze mich wieder in meinen Wagen. Ich kann in diesem Schuppen nicht länger bleiben. Wer weiß, wann ich mir sonst den nächsten Ärger einfange. Nach Seattle kann und will ich nicht zurück. In der Hoffnung, Mum würde bald wieder heimkommen, mache ich mich auf den Weg zu ihrem Haus. Heute Nacht werde ich im Wagen schlafen. Morgen früh bleibt mir nichts anderes übrig, als über meinen Schatten zu springen und herauszufinden, ob vielleicht einer der Nachbarn einen Schlüssel hat, weil er auf das Haus aufpasst oder die Pflanzen gießt.

Julie

Wer braucht schon ein freies Wochenende?

Der Kerl sieht echt schnuckelig aus und scheint auch etwas im Schädel zu haben. Warum er sich nur Ärger einhandelt, will sich mir nicht erschließen. Und trotzdem geht er mir nicht aus dem Kopf. Er macht einen aufrichtigen Eindruck, hat einen Sinn für trockenen Humor und dennoch stimmt mit ihm irgendetwas nicht.

Bevor ich endlich Feierabend machen kann, erledige ich zügig zwei Anrufe und packe nebenbei meine Sachen zusammen. Weil ich nicht weiß, ob der Schäferhund, der den Rest meiner Schicht friedlich im Kofferraum saß, in meinem Cabriolet mitfahren wird, entscheide ich mich, heute mit dem Streifenwagen nach Hause zu fahren. Offiziell haben wir dazu die Erlaubnis und Grandma freut sich immer darüber. Sie fühlt sich einfach sicherer, wenn das Fahrzeug vor dem Haus steht, obwohl bei uns in der Straße noch nie etwas Schlimmes passiert ist.

Zu Hause öffne ich den Kofferraum und setze mich auf die Kante. Der Hund ist ganz ruhig und wirkt entspannt.

»Wir sollten dir das Ding abnehmen«, sage ich mit Blick auf den Maulkorb. »Wenn wir ins Haus gehen, musst du mir aber versprechen keinen Krach zu machen, weil Grandma bestimmt schon schläft. Okay?« Er fiept kurz, nähert sich ein kleines Stück, sodass ich ihn von diesem Ding befreien kann. Sofort leckt er eine meiner Hände und kuschelt sich an.

»Du bist ein süßer Kerl. Komm, du hast sicher Hunger.« Ich schnappe mir das Hundefutter, die Leine und mache einen Schritt. Der Schäferhund springt aus dem Wagen und folgt mir. Über die Fernbedienung schließe ich die Heckklappe und gehe mit ihm ins Haus. Sowohl Granni als auch ich haben einen eigenen Eingang. Somit werden wir sie nicht stören, vorausgesetzt, es gibt kein Gebell.

Als ich meine große offene Küche betrete, folgt er mir noch immer auf Schritt und Tritt. Normalerweise schauen sich Hunde eine neue Umgebung erst einmal an und erschnüffeln alles. Dieses Exemplar ist nur auf mich fokussiert, was bestimmt am Futter liegt. Deshalb hole ich rasch eine Metallschale heraus, öffne eine Dose Hundefutter und zerkleinere den Inhalt.

»Ich weiß, dass du ein ganz cleveres Kerlchen bist. Mal schauen, was du noch so alles kannst«, spreche ich mit dem Hund. Er sitzt vor mir, hält den Kopf schief und hechelt. »Bleib«, befehle ich ihm, als ich das Futter vor ihm abstelle. Natürlich möchte er sofort fressen, allerdings lasse ich ihn noch einen Moment warten. Plötzlich nimmt er eine Pfote hoch und hält sie sich über die Schnauze, fast so, als würde er sich die Augen zuhalten. Ein herzerweichendes Bild. Erst mit dem Kommando zum Fressen stürzt er sich auf die Schale. Sein Hunger muss riesengroß sein, denn in nur wenigen Augenblicken hat er alles aufgefressen. Ich stelle ihm noch eine Schale mit Wasser hin, die er auch gerne annimmt. Danach bahnt er sich mit der schnüffelnden Nase voraus seinen Weg durch meine Räume. Soll er sich in Ruhe umsehen, in der Zwischenzeit mache ich mir etwas zu essen, wobei ich an diesen Ex-Navy Seal denken muss und mich frage, was er wohl gerade macht. War ich vielleicht zu hart zu ihm?

Nachdem auch ich satt bin, zeige ich dem Hund unseren Garten, den er sofort für sein Geschäft nutzt. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass er mir einen Haufen hinlegt, für den ich eine Schaufel benötige, um ihn zu entsorgen. Na ja, immerhin hat er sich erleichtert, gerade weil das Thema Leine irgendwie nicht sein Ding ist, und ich nicht weiß, ob ein normaler Spaziergang mit ihm funktioniert hätte.

»Lass uns reingehen, wir sollten eine Runde schlafen, Kraft tanken und uns erholen«, sage ich zu ihm. Nach einem kurzen Wuff folgt er mir, ohne zu zögern, ins Haus.

Grandma ist morgens immer sehr früh auf und frühstückt im Garten. Aus diesem Grund schließe ich die Verandatür und ziehe die Vorhänge zu. Nicht dass der Hund sie sonst noch erschreckt.

Während ich mich im Badezimmer von meiner Uniform befreie und erfrische, liegt er im Flur und wartet. Hoffentlich kann ich nach diesem hammerharten Tag schlafen. Wie so oft bin ich nämlich gerade richtig wach und habe das Gefühl, die Nacht durchmachen zu können. In solchen Fällen lege ich mich immer auf die Couch, mache den Fernseher an und wechsele kurz bevor ich am einnicken bin, rüber ins Schlafzimmer. Das sollte auch heute funktionieren.

»Mach Platz«, sage ich zu meinem Gast, der sich auch prompt neben das Sofa legt. So gut wie er auf meine Kommandos reagiert, muss er ein Herrchen haben, das sich viel mit ihm befasst.

Ein hämmerndes Geräusch und ein bellender Hund reißen mich aus dem Schlaf. Oh Mann! wie spät ist es? Irritiert schaue ich mich um, bis ich Grandma höre, die draußen auf der Veranda steht und an meine Scheibe klopft. Doch da ist noch etwas anderes, ein sehr übler Geruch.

»Scheiße«, kommt es über meine Lippen, als ich diesen großen Haufen entdecke. »Du warst heute Nacht draußen und legst mir trotzdem so ein Ding hin?«, frage ich den Schäferhund, der neben der Couch liegt und sich wieder mit der Pfote die Augen zuhält.

»Julie, bist du schon wach?«, dringt Grannis Stimme an meine Ohren.

»Ich bin gleich da«, rufe ich. Verdammt, ich bin auf dem Sofa eingeschlafen und fühle mich wie gerädert.

Nach einer Runde ausgiebig strecken erhebe ich mich, um als erstes die stinkende Hinterlassenschaft zu entsorgen. Meine Güte, wie kann ein Hund nur so viel kacken?

»Grandma?«, rufe ich fragend in den Garten hinaus.

»Ich bin hier, mein Schatz.«

»Erschrick bitte nicht, ich habe einen Gast«, informiere ich sie, obwohl sie das Gebell sicher schon mitbekommen hat. Mit Alpha hatte ich nie Probleme, mit Ausnahme, wenn ich ihn von Grandma nicht zurückbekam. Sie liebt Hunde genauso wie ich. Trotzdem sage ich ihr Bescheid, dass gleich jemand im Garten unterwegs sein wird.

»Und du bist nett zu Granni«, weise ich den Schäferhund an. Nach ein paar Streicheleinheiten lasse ich ihn hinaus. Schnüffelnd läuft er über den Rasen und schenkt Grandma zunächst keinerlei Beachtung. Wenn das so bleibt, wird das ein entspannter Morgen. Für einen kurzen Moment gehe ich mit hinaus und setze mich zu meiner Oma an den Tisch.

»Du hast gestern lange gearbeitet, mein Kind«, sagt sie.

»Es gab leider ständig neue Problemfälle und in der Urlaubszeit sind wir immer chronisch unterbesetzt.«

»Dieser Problemfall ist aber sehr hübsch«, merkt sie mit einem Blick auf den Hund an. Ich erzähle ihr in Kurzform, was passiert ist. Zu meiner Überraschung kommt unser Besucher zu uns gelaufen und freut sich sogar, als Granni ihn streichelt. Kein Knurren, kein Bellen, einfach nur ein braver und glücklicher Hund.

»Wirst du ihn behalten?«, fragt sie neugierig nach.

»Nein, ich soll nur auf ihn achtgeben, bis sie wissen wo er hingehört.«

»Schade, er macht den Eindruck, ein ganz lieber Kerl zu sein. Ich mag ihn.«

»Und er mag dich, das ist nicht zu übersehen.«

»Möchtest du frühstücken?«

»Du weißt, dass ich morgens nichts weiter brauche als einen Kaffee, Grandma.« Sie versucht es immer wieder, weil das Frühstück ihrer Meinung nach die wichtigste Mahlzeit des Tages ist. »Wenn ich später in die Stadt fahre, kaufe ich gleich im Supermarkt ein. Brauchst du irgendwas?«

»Das ist lieb von dir, Julie, aber Eileen will mit mir Einkaufen fahren, und heute ist doch großer Bingo-Samstag, drüben im Jacks Peak Park.«

»Hatte ich fast vergessen.«

»Du bist überarbeitet und musst mal wieder Urlaub machen, meine Liebe«, ermahnt sie mich. »Wenn du los möchtest, kannst du deinen Freund gerne hierlassen. Wir fahren erst nach dem Mittagessen.«

»Okay, dann gehe ich erst noch duschen.«

»Mach das, ich kümmere mich so lange um deinen Kaffee. Bis später.« Aber bevor ich mich erfrische, stelle ich dem Hund noch eine Schale mit Futter raus.

Unter der Dusche mache ich mir Gedanken, was ich heute alles erledigen muss. Sobald ich meinen Kühlschrank aufgefüllt habe, kann ich mich um die beiden Garagentore kümmern. Eigentlich wollte Nathan mir dafür bereits Anfang der Woche die Farbe vorbeibringen, doch anscheinend hat er das genauso vergessen wie alles andere. Sollte ich die Zeit dazu finden, werde ich gleich bei ihm vorbeifahren und unserer Beziehung ein Ende setzen. Als ich darüber nachdenke, schleicht sich Hunter Stone in meinen Kopf. Der ist ein ganz anderes Kaliber als Nathan und wenn er nicht so verkorkst wäre, könnte ich mir vorstellen, mit ihm auszugehen. Sofern er denn fragen und dabei nicht so übel nach Fisch riechen würde. Vergiss es, der Typ steht gar nicht auf dich, sagt mir eine innere Stimme. Kopfschüttelnd verlasse ich die Dusche, trockne mich ab und ziehe mich an. Draußen ist Gebell zu hören, was mich in Sorge versetzt. Hoffentlich vertragen sich Grandma und der Hund.

Als ich wieder auf die Veranda trete, muss ich lachen. Granni wirft gerade einen Ball, den der Schäferhund brav apportiert.

»Dieser Hund ist hervorragend trainiert, Julie.«

»Ich sehe es«, erwidere ich schmunzelnd.

»Geh ruhig, wir kommen klar und vergiss deinen Kaffee nicht.« Versucht sie mich gerade loszuwerden? Auf jeden Fall haben die beiden ihren Spaß. Also gut, dann sollte ich losfahren und mich um alles kümmern. Auf dem Weg hinaus zum Streifenwagen höre ich mein Handy klingeln.

»Wilder«, sage ich, als ich das Gespräch annehme.

»Alex hier, guten Morgen. Sonia sagte, du hast gestern einen Schäferhund mitgenommen. Richtig?«

»Ähm, ja, der ist bei mir. Wieso?«

»Das erkläre ich dir am besten vor Ort. Kannst du nach Sand City kommen?« Was ist da los?

»Wohin genau und soll ich den Hund mitbringen?«

»Nein, den brauchen wir hier nicht. Mar Vista Drive, der Dünenabschnitt.«

»Okay, ich bin schon unterwegs.« Wenn mein Kollege von der Nachtschicht mich anfordert, dann scheint es ein größeres Problem zu geben. Ich hoffe, der will nicht einfach nur die Arbeit abgeben, wie er es gestern Abend mit dem jungen Mann gemacht hat.

So schnell es geht, fahre ich nach Sand City, runter zum Strandabschnitt, wo ich zwei Streifenwagen und den schwarzen Van unseres Gerichtsmediziners entdecke. Das sieht nicht gut aus, geht es mir durch den Kopf.

»Hey, Julie. Danke, dass du so schnell kommen konntest. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt«, begrüßt mich mein Kollege.

»Passt schon. Erzähl, was ist hier los?«

»Lass uns ein paar Schritte gehen«, schlägt er vor. »Eine Joggerin hat diesen Kerl heute früh gefunden, als ihr Hund dabei war, ihn zwischen den Dünen auszugraben.« Er reicht mir eine Brieftasche in der ich den Ausweis eines Captain James C. Woodland von der U.S. Army finde. Dahinter steckt ein Foto, das ihn mit einem Schäferhund zeigt.

»Ist das der Hund, den Sonia dir anvertraut hat?«, möchte Alex von mir wissen.

»Ja, das ist er. Aber woher weißt du, dass er bei mir ist?«, hinterfrage ich neugierig.

»Wir haben die Leute in der Umgebung befragt und ein alter Mann sah ihn gestern Nachmittag. Weil er stundenlang allein unterwegs war, hat er die Monterey County Animal Services angerufen, die ihn abholten. Ich habe mit Sonia gesprochen«, klärt mein Kollege mich auf.

»Ich verstehe. Wisst ihr schon etwas mehr?«

»Na ja, wie es aussieht, hat der gute Captain sich zu Tode gesoffen. Neben seiner Leiche haben wir drei leere Whiskeyflaschen gefunden, der richtig harte Stoff. Der muss so viel intus gehabt haben, dass nicht einmal die Krabben an ihm herumknabbern wollten. Dann kam noch der Wind dazu, sodass der Sand seinen leblosen Körper relativ schnell in der Düne verschwinden ließ. Wir haben direkt bei der Army um Informationen über ihn gebeten, aber alles, was die sagten, war, dass er seit sechs Monaten außer Dienst sei. Wir sollen uns am Montag wieder melden.« Noch einmal schaue ich auf die ID-Card, der Mann ist erst Ende dreißig gewesen.

»Seinen Hund wird er wohl nicht mehr abholen«, sagt Alex sarkastisch, was ich aber für unangemessen halte.

»Lass den Quatsch. Wie geht es jetzt weiter?«, frage ich, obwohl ich es weiß. Bevor mein Kollege blöde Witze reißt, soll er lieber erklären, wie er gedenkt, weiterhin vorzugehen.

»Der Gerichtsmediziner wird ihn noch heute obduzieren und uns die genaue Todesursache mitteilen. Ich werde den Bericht dazu schreiben und würde dich bitten, am Montag bei unserem Army Kontakt mehr Infos über den Captain einzuholen. Kriegst du das hin?« Augen verdrehend stimme ich zu. Seit dieser Sache mit dem betrunkenen Major darf ich bei jeder Sache, die das Militär betrifft, nachhaken, weil sich keiner mit denen herumschlagen will.

»Kannst du dich um den Hund kümmern, bis Sonia einen geeigneten Platz gefunden hat?«

»Das war so eigentlich schon ausgemacht. Sofern es aber über das Wochenende hinausgeht, musst du es dem Boss beibringen«, spiele ich auf unser altes K-9-Gehege an.

»Dem habe ich schon eine Nachricht geschrieben und ich denke, er wird nichts dagegen haben. Du weißt, wie viele Freunde Alpha damals im Department hatte, unter anderem auch ihn. Und nach dem, was ich so gehört habe, könnt ihr beide gut miteinander. Also du und Captain Woodlands Schäferhund, nicht der Boss.«

»Du hast hier gerade eine Leiche ausgegraben und bist dafür noch ziemlich gut drauf«, stelle ich schmunzelnd fest. Alex Sprüche bin ich gewöhnt, auch wenn sie heute etwas frecher sind als sonst. Obwohl ich außer Dienst bin, informiert er mich über die Einzelheiten. Er kennt mich genau und ahnt vermutlich schon, dass ich später selbst recherchieren werde.

»Du sollst Sonia anrufen, wenn du Fragen hast. Schönes freies Wochenende«, verabschiedet mich mein Kollege. Die Leiche habe ich mir nicht angesehen, darauf bin ich so früh am Morgen überhaupt nicht scharf. Wenigstens weiß ich jetzt, wo unser Findelkind hingehört und warum man ihn am Strand aufgegriffen hat.

Nachdem ich wieder in meinem Streifenwagen Platz genommen habe, grübele ich noch einen Moment. Ich sollte zuerst mit Sonia sprechen, danach kann ich mich um die Einkäufe und die Farbe kümmern, damit Grandma später zu ihrem Bingo-Samstag fahren kann. Doch vorher muss ich mehr über diesen Captain in Erfahrung bringen.

Auf einer Social-Media-Seite im Internet entdecke ich das Profil eines J.C. Woodland. Dort kann ich nachlesen, dass er aus Monterey ist, wann er geboren wurde und was er zuletzt beruflich gemacht hat. In seinen Fotoalben finde ich verschiedene Fotos, unter anderem auch das, welches Alex mir gezeigt hat. Somit bin ich mir zu einhundert Prozent sicher, den richtigen Woodland gefunden zu haben. Beim Durchblättern seiner Fotos sticht mir eines ganz besonders ins Auge. Darauf ist der Captain in Army-Uniform mit seinem Hund zu sehen, der etwas im Maul hält, das wie eine Granate aussieht. Darunter lese ich: »Hero findet Blindgänger in irakischer Schule. Entschärft, gesichert und fast 50 Kinder gerettet. Er ist der wahre Held! Ich bin so stolz auf ihn!« Oh mein Gott! Sie waren beide im Krieg ...

Stone

Überraschungen

»Ja, Sekunde«, knurre ich sauer, als mich jemand, mit hämmernden Geräuschen auf das Dach meines Wagens, weckt. Zur gleichen Zeit höre ich mein Handy klingeln. Was für ein Stress am frühen Morgen. Die Sonne blendet mich, sodass ich nicht sehen kann, wer da draußen steht. Mühsam rappele ich mich auf, öffne die Beifahrertür und steige aus.

»Guten Morgen, Hunter«, begrüßt mich Mums Nachbar.

»Morgen, Jim. Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?«

»Es gibt gleich Lunch, mein Junge. Was ist mit deiner Hand passiert?« Jetzt, wo er danach fragt, spüre ich ein leichtes Drücken in meinen linken Fingern.

»Ich hatte einen schlechten Traum und muss irgendwo gegengeschlagen haben«, antworte ich mit Blick auf meine blutige Hand. Und dann fällt es mir schlagartig wieder ein. Nach Mitternacht erreichte ich Mums Haus, parkte gegenüber, direkt an der Küste, und lief noch eine Weile die Straße auf und ab. Als ich mich dann auf einem der umgelegten Sitze hinlegte, konnte ich nicht einschlafen. Nachdem es mir doch gelungen war, wachte ich irgendwann auf, schlug auf etwas ein und schlief einfach weiter.

»Das sollte sich auf jeden Fall ein Arzt anschauen, da steckt noch Glas drin. April ist gerade zu Besuch, komm mit rein, sie wird sich das ansehen. Dann bekommst du auch gleich den Schlüssel für euer Haus. Anna hat mich nämlich gerade angerufen und darüber informiert, dass du in der Stadt bist.« Mum weiß, dass ich hier bin?

»Ich komme gleich, gib mir einen Moment.« Jim nickt mir zu und kehrt in sein Haus zurück. Was stinkt hier so abartig? Fuck, das bin ja ich! Murrend suche ich nach meinem Handy. Als ich es gefunden habe, entdecke ich auf dem Display zwei Anrufe in Abwesenheit. Beide kamen von Mum, weshalb ich zurückrufe ...

»Hi, Mum.«