Sagen aus Vorpommern - Ernst Moritz Arndt - E-Book

Sagen aus Vorpommern E-Book

Ernst Moritz Arndt

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Geschichte von den sieben bunten Mäusen Prinzessin Svanvithe Der Riese Balderich Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin Abenteuer des Johann Dietrich Das Silberglöckchen Der gläserne Schuh Der Alte von Granitz Der Falscheid Rattenkönig Birlibi Das brennende Geld Kater Martinchen Thrin Wulfen De Kröger van Poseritz De Brügg bi Slemmin Schipper Gau un sin Puk De witte Fru to Löbnitz De Prester un de Düwel De Wewer un de Steen Die alte Burg bei Löbnitz Der Rabenstein Bitte beachten Sie vor dem Kauf dass einige Sagen im Pommerschen Dialekt belassen worden sind.

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Sagen aus Vorpommern

Ernst Moritz Arndt

Inhalt:

Ernst Moritz Arndt – Biografie und Bibliografie

Geschichte von den sieben bunten Mäusen

Prinzessin Svanvithe

Der Riese Balderich

Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin

Abenteuer des Johann Dietrich

Das Silberglöckchen

Der gläserne Schuh

Der Alte von Granitz

Der Falscheid

Rattenkönig Birlibi

Das brennende Geld

Kater Martinchen

Thrin Wulfen

De Kröger van Poseritz

De Brügg bi Slemmin

Schipper Gau un sin Puk

De witte Fru to Löbnitz

De Prester un de Düwel

De Wewer un de Steen

Die alte Burg bei Löbnitz

Der Rabenstein

Sagen aus Vorpommern, Ernst Moritz Arndt

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849603434

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Ernst Moritz Arndt – Biografie und Bibliografie

Deutscher Patriot, wurde 26. Dez. 1769 in Schoritz auf der Insel Rügen geboren, die noch schwedisch war, und starb 29. Jan. 1860 in Bonn. Sein noch als Leibeigner geborner Vater, damals Inspektor auf einem Gute des Grafen Malte-Putbus, ließ ihn die gelehrte Schule zu Stralsund besuchen. Seit 1789 studierte er zuerst in Greifswald, dann in Jena, neben der Theologie mit Vorliebe Geschichte, Erd- und Völkerkunde, Sprachen und Naturwissenschaften. Nachdem er eine Zeitlang in der Heimat als Kandidat und Hauslehrer zugebracht hatte, machte er 1798–99 eine größere Reise nach Österreich, Oberitalien, Frankreich und zurück durch Belgien und einen Teil von Norddeutschland, die er in den »Reisen durch einen Teil Deutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs« (Leipz. 1804, 4 Bde.) beschrieb, nachdem er schon 1800 eine Schrift »Über die Freiheit der alten Republiken« herausgegeben hatte. Nach seiner Rückkehr habilitierte sich A. Ostern 1800 in Greifswald als Privatdozent der Geschichte und Philologie, verheiratete sich mit der Tochter des Professors Quistorp, die ihm aber bald wieder durch den Tod entrissen ward, und erhielt, nachdem er sich ein Jahr (1803/1804) in Schweden aufgehalten, 1805 eine außerordentliche Professur. Die 1803 erschienene »Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen« zog ihm zwar Klagen mehrerer adliger Gutsbesitzer zu, bestimmte aber den König von Schweden. 1806 die Leibeigenschaft und die Patrimonialgerichte in Vorpommern aufzuheben. Aus derselben Zeit datiert das Schriftchen »Germanien und Europa« (1803), worin A. die von Frankreich drohenden Gefahren beleuchtete. Andre Schriften aus diesen Jahren handeln über die Sprache und die Erziehung. Unter dem Druck der politischen Verhältnisse gab er 1806 den ersten Teil seines großen Werkes: »Geist der Zeit« (6. Aufl. des Ganzen Altona 1877) heraus, der die kommenden Ereignisse prophetisch voraus verkündete und das deutsche Volk zum Kampf gegen Napoleon aufrief. A. selbst arbeitete damals in der schwedischen Kanzlei zu Stralsund. In jener Zeit hatte er mit einem schwedischen Offizier, der geringschätzig von Deutschland gesprochen, einen Zweikampf, in dem er schwer verwundet wurde. Nach der Schlacht bei Jena floh er nach Schweden und fand dort eine Anstellung, die ihm Zeit ließ, den zweiten Teil des Werkes »Geist der Zeit« auszuarbeiten, der 1809 in London erschien und im feurigsten patriotischen Schwung auf die Wege hinwies, auf denen allein Deutschland aus der Erniedrigung erlöst werden könne. Der Sturz seines geliebten Königs Gustav IV. bewog ihn 1802, nach Deutschland zurückzukehren und sich nach Berlin zu begeben. In dem patriotischen Kreise des Buchhändlers Reimer empfing er hier mannigfache Anregung, doch lebte er, da er von Napoleon geächtet war, nicht ohne Gefahr. 1810 konnte er zwar nach dem Friedensschluß zwischen Frankreich und Schweden sein altes Amt in Greifswald wieder antreten, aber schon im Januar 1812 begab er sich wieder nach Berlin, Breslau, Prag und knüpfte überall mit den hervorragendsten preußischen Patrioten enge Beziehungen an. Er war, erfüllt von der Vorstellung, daß Preußen seinen politischen und patriotischen Forderungen gerecht werden könne, ganz Preuße geworden. Stein berief ihn zur Förderung seiner auf die Befreiung Deutschlands gerichteten Pläne zu sich nach Petersburg, und mit ihm kehrte A. nach der Niederlage Napoleons nach Deutschland zurück. Jetzt begann erst eigentlich seine durchgreifende Wirksamkeit. In zündenden Worten, in immer neuen Gedichten, Flugschriften und Ausrufen aller Art rief er das Volk zu den Waffen. Unermeßlich ist der Einfluß, den er auf die Befreiung Deutschlands gewann durch: »Was bedeutet Landwehr und Landsturm?«, den »Deutschen Volkskatechismus«, »Über Entstehung und Bestimmung der deutschen Legion«, »Grundlinien einer deutschen Kriegsordnung« und die Schrift »Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze«, »Über Volkshaß und über den Gebrauch einer fremden Sprache« (1813), »Über das Verhältnis Englands und Frankreichs zu Europa« (1813), »Noch ein Wort über die Franzosen und über uns« (1814). In dem Schriftchen »Das preußische Volk und Heer« (1813) schildert er mit beredten Worten, wie Preußen aus tiefstem Sturz wieder auferstanden sei durch zwei Mittel, welche die Staatsleiter mit wahrer Umsicht angewendet: »den Geist freizulassen und das Volk kriegsgeübt zu machen«. Seine schönen Kriegs- und Vaterlandslieder, erschienen in zwei Sammlungen: »Lieder für Deutsche« (1813) und »Kriegs- und Wehrlieder« (1815), sachten die Begeisterung mächtig an. Sie gingen später in die vollständigern Ausgaben seiner »Gedichte« (zuerst Frankf. 1818, 2 Bde.; Ausgabe letzter Hand, Berl. 1860; 2. Aufl. 1865; Auswahl 1889) über. Noch 1813 veröffentlichte er einen dritten Teil seines Werkes »Geist der Zeit«, worin er die Grundzüge eines neuen, zeitgemäßen Verfassungszustandes in Deutschland gab, die er weiter ausführte in der Schrift »Über künftige ständische Verfassungen in Deutschland« (1814). Der Vertretung des Bauernstandes widmete er eine besondere Schrift (1815). Während die deutschen Heere auf französischem Boden kämpften, ließ er Flugblatt auf Flugblatt ausgehen, so: »über Sitte, Mode und Kleidertracht«, »Entwurf einer deutschen Gesellschaft«, »Blicke aus der Zeit in die Zeit«, »Über die Feier der Leipziger Schlacht«, sämtlich von 1814, dann »Friedrich August von Sachsen«, »Die rheinische Mark und die deutschen Bundesfestungen«, beide von 1815. Seine publizistische Tätigkeit konzentrierte er in der Zeitschrift »Der Wächter«, die er 1815–16 zu Köln herausgab. 1817 veröffentlichte er seine »Märchen und Jugenderinnerungen« und den 4. Teil vom »Geist der Zeit«. 1818 wurde er Professor der Geschichte an der neubegründeten Universität zu Bonn, nachdem er 1817 die Schwester Schleiermachers, Nanna (gest. 16. Okt. 1869), als zweite Gattin heimgeführt hatte. Seine akademische Wirksamkeit war indessen von kurzer Dauer. Nach Beginn der Demagogenverfolgungen infolge von Kotzebues Ermordung wurden wegen des vierten Bandes des »Geistes der Zeit« und wegen Privatäußerungen im September 1819 Arndts Papiere in Beschlag genommen, er selbst im November 1820 von seinem Amt suspendiert und im Februar 1821 die Kriminaluntersuchung wegen demagogischer Umtriebe gegen ihn eröffnet.

Sie hatte kein Resultat: Arndts Forderung einer Ehrenerklärung wurde nicht erfüllt, er ward aber auch nicht für schuldig erklärt, sein Gehalt ihm gelassen, die Erlaubnis, an der Universität Vorlesungen zu halten, jedoch nicht wieder erteilt. Eine Schilderung des Prozesses gab A. später selbst in dem »Notgedrungenen Bericht aus meinem Leben, aus und mit Urkunden der demagogischen und antidemagogischen Umtriebe« (Leipz. 1847, 2 Bde.). In den folgenden Jahren schrieb er: »Nebenstunden, Beschreibung und Geschichte der Shetländischen Inseln und Orkaden« (Leipz. 1826); »Christliches und Türkisches« (Stuttg. 1828); »Die Frage über die Niederlande« (Leipz. 1831); »Belgien und was daran hängt« (das. 1834); »Leben G. Aßmanns« (Berl. 1834); »Schwedische Geschichten unter Gustav III. und Gustav IV. Adolf« (Leipz. 1839); »Erinnerungen aus dem äußern Leben« (3. Aufl., das. 1842). Ein tiefer Schmerz traf ihn 1834 durch den Verlust seines Sohnes Wilibald, eines blühenden Knaben von 9 Jahren, der in den Fluten des Rheins ertrank. Es war einer der ersten Regierungsakte Friedrich Wilhelms IV., A. wieder in sein Amt einzusetzen und ihm seine Briefe und Papiere zurückgeben zu lassen. Die Universität wählte A. 1841 zum Rektor. Es erschienen nun: »Versuch in vergleichenden Völkergeschichten« (2. Aufl., Leipz. 1844); »Schriften für und an seine lieben Deutschen« (das. 1845–55. 4 Bde.), eine Sammlung seiner kleinen politischen Schriften; »Rhein- und Ahrwanderungen« (Bonn 1846). 1848 ward A. von dem 15. rheinpreußischen Wahlbezirk in die deutsche Nationalversammlung gewählt und hier durch feierliche Huldigung der ganzen Versammlung begrüßt. Doch beschränkte sich seine Beteiligung an den Verhandlungen auf kurze, aber kräftige Reden im Sinne der konstitutionell-erbkaiserlichen Partei; er war auch Mitglied der großen Deputation, die dem König von Preußen die deutsche Kaiserkrone anbieten sollte. Am 30. Mai 1849 trat er mit der Gagernschen Partei aus der Versammlung aus und zog sich wie der in die Stille seines akademischen Lebens zurück. Aber den Glauben an eine bessere Zukunft Deutsch lands verlor er nicht; dieser Glaube leuchtete aus seinen »Blättern der Erinnerung, meistens um und aus der Paulskirche in Frankfurt« (Leipz. 1849), der letzten größern poetischen Gabe von ihm, sowie aus seinem »Mahnruf an alle deutschen Gauen in betreff der schleswig-holsteinischen Sache« (1854), dem Büchlein »Pro populo germanico« (Berl. 1854), der an mutigen »Blütenlese aus Altem und Neuem« (Leipz. 1857) und der Schrift »Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn H. K. Fr. vom Stein« (Berl. 1858, 3. Aufl. 1870). Wegen einer angeblich den General Wrede und das bayrische Militär beleidigenden Stelle in letzterm Werk ward A. vor das Schwurgericht in Zweibrücken geladen und, da er nicht erschien, in contumaciam zu Gefängnisstrafe verurteilt. Noch völlig rüstig, feierte er unter allgemeiner Teilnahme 1859 seinen 90. Geburtstag. – A. war kein Genie, kein großer Dichter und Gelehrter, auch kein großer Staatsmann, aber voll Begeisterung für die erhabensten Interessen der Menschheit und voll edelster Hingebung für die Sache des Volkes, ein mannhafter Charakter, der noch als Greis den Idealen seiner Jugend mit Jünglingsfeuer anhing. Wie er durch seine Schriften und Lieder die Befreiung Deutschlands von der Fremdherrschaft höchst wirksam unterstützt hatte, so suchte er in der Zeit der Reaktion das Verlangen und Streben des Volkes nach dem großen Ziel der nationalen Einheit furchtlos und mit Feuereifer aufrecht zu erhalten, »wie ein altes gutes deutsches Gewissen« die Verzagenden stärkend, die Schwankenden in der Treue befestigend, die Feinde des Rechten und Guten mit der Wucht seines heiligen Zornes niederschmetternd. Daher blieb er, obgleich die Zeit viele seiner Ansichten überflügelt hatte, gleichsam das Banner, um das auch die jüngern Generationen der Vaterlandsfreunde sich scharten. Sein Inneres und Äußeres spiegelte in seltener Reinheit die Eigenschaften, die den deutschen Mann zieren: eine feste, energische Gestalt, ein reiches, poetisch gestimmtes Gemüt, sittlichen Ernst und Strenge, heiße Liebe zu Freiheit und Vaterland. 1865 wurde ihm in Bonn ein Bronzedenkmal (von Afinger) errichtet; seinem Andenken ist auch der 111 m hohe Turm auf dem Rugard auf der Insel Rügen (1873) gewidmet. Von einer Sammlung seiner Hauptschriften erschienen 6 Bände (Leipz. 1892–96). Arndts Biographie schrieben Langenberg (neue Ausg., Bonn 1869), Baur (5. Aufl., Hamb. 1882), Rehbein u. Keil (Lahr 1861), Schenkel (2. Aufl., Elberf. 1869), Thiele (Gütersl. 1894). Seine »Briefe an eine Freundin« (Charlotte v. Kathen) wurden herausgegeben von Langenberg (Berl. 1878), die »Briefe W. v. Humboldts und Arndts an Johanna Motherby« von H. Meisner (Leipz. 1892). Vgl. auch »E. M. A., Lebensbild in Briefen« (hrsg. von Meisner u. Geerds, Berl. 1898).

Geschichte von den sieben bunten Mäusen

Vor langer, langer Zeit wohnte in Puddemin ein Bauer, der hatte eine schöne und fromme Frau, die fleißig betete und alle Sonntage und Festtage zur Kirche ging, auch den Armen, die vor ihre Türe kamen, gern gab. Es war überhaupt eine freundliche und mitleidige Seele und im ganzen Dorfe und Kirchspiele von allen Leuten geliebt. Nie hat man ein hartes Wort von ihr gehört, noch ist ein Fluch und Schwur oder andere Ungebühr je aus ihrem Munde gegangen. Diese Frau hatte sieben Kinder, lauter kleine Dirnen, von welchen die älteste zwölf und die jüngste zwei Jahr alt war: hübsche, lustige Dingelchen. Diese gingen alle übereins gekleidet, mit bunten Röckchen und bunten Schürzen und roten Mützchen; Schuhe aber und Strümpfe hatten sie nicht an, denn das hätte zuviel gekostet, sondern gingen barfuß. Die Mutter hielt sie nett und reinlich, wusch und kämmte sie morgens früh und abends spät, wann sie aufstanden und zu Bett gingen, lehrte sie lesen und singen und erzog sie in aller Freundlichkeit und Gottesfurcht. Wann sie auf dem Felde was zu tun hatte oder weit ausgehen mußte, stellte sie die älteste, welche Barbara hieß, über die andern; diese mußte auf sie sehen, ihnen was erzählen, auch wohl etwas vorlesen. Nun begab es sich einmal, daß ein hoher Festtag war (ich glaube, es war der Karfreitag), da ging die Bauerfrau mit ihrem Manne zur Kirche und sagte den Kindern, sie sollten hübsch artig sein; der Barbara aber und den nächst älteren gab sie ein paar Lieder auf aus dem Gesangbuche, die sie auswendig lernen sollten. So ging sie weg. Barbara und die andern Kinder waren anfangs auch recht artig; die älteren nahmen die Bücher und lasen, und die kleinsten saßen still auf dem Boden und spielten. Als sie so saßen, da erblickte das eine Kind etwas hinter dem Ofen und rief: "O seht! Seht! Was ist das für ein schöner und weißer Beutel!" Es war aber ein Beutel mit Nüssen und Äpfeln, den die Mutter des Morgens da hingehängt hatte und den sie des Nachmittags einem ihrer kleinen Paten bringen wollte. Die meisten Kinder sprangen nun alsbald auf und guckten danach, und auch Barbara, die älteste, stand auf und guckte mit. Und die Kinder flüsterten und sprachen dies und das über den schönen Beutel und was wohl darin sein möchte. Und es gelüstete sie so sehr, es zu wissen, und da riß eines den Beutel von dem Nagel, und Barbara öffnete die Schnur, womit er zugebunden war, und es fielen Äpfel und Nüsse heraus. Und als die Kinder die Äpfel und Nüsse auf dem Boden hinrollen sahen, vergaßen sie alles, und daß es Festtag war, und was die Mutter ihnen befohlen und aufgegeben hatte; sie setzten sich hin und schmausten Äpfel und knackten Nüsse und aßen alles rein auf. Als nun Vater und Mutter um den Mittag aus der Kirche zu Hause kamen, sah die Mutter die Nußschalen auf dem Boden liegen, und sie schaute nach dem Beutel und fand ihn nicht. Da erzürnte sie sich und ward böse zum ersten Male in ihrem Leben und schalt die Kinder sehr und rief: "Der Blitz! Ich wollte, daß ihr Mausemärten alle zu Mäusen würdet!" Der Schwur war aber eine große Sünde, besonders weil es ein so heiliger und hoher Festtag war; sonst hätte Gott es der Bäuerin wohl vergeben, weil sie doch so fromm und gottesfürchtig war. Kaum hatte die Frau das schlimme Wort aus ihrem Munde gehen lassen, so waren alle die sieben niedlichen Kinderchen weg, als hätte sie ein Wind weggeblasen, und sieben bunte Mäuse liefen in der Stube herum mit roten Köpfchen, wie die Röcke und Mützen der Kinder gewesen waren. Und Vater und Mutter erschraken so sehr, daß sie hätten zu Stein werden mögen. Da kam der Knecht herein und öffnete die Türe, und die sieben bunten Mäuse liefen alle zugleich hinaus und über die Flur auf den Hof hin; sie liefen aber sehr geschwind. Und als die Frau das sah, konnte sie sich nicht halten, denn es war ihr im Herzen, als wären die Mäuse ihre Kinder gewesen; und sie stürzte sich aus der Türe hinaus und mußte den Mäusen nachlaufen.

Die sieben bunten Mäuse aber liefen den Weg entlang aus dem Dorfe heraus, immer sporenstreichs; und so liefen sie über das Puddeminer Feld und das Günzer Feld und das Schoritzer Feld und durch die Krewe und die Dumsevitzer Koppel. Und die Mutter lief ihnen außer Atem nach und konnte weder schreien noch weinen und wußte nicht mehr, was sie tat. So liefen die Mäuse über das Dumsevitzer Feld hin und in einen kleinen Busch hinein, wo einige hohe Eichen standen und in der Mitte ein spiegelhellen Teich war. Und der Busch steht noch da mit seinen Eichen und heißt der Mäusewinkel. Und als sie in den Busch kamen und an den Teich im Busche, da standen sie alle sieben still und guckten sich um, und die Bauerfrau stand dicht bei ihnen. Es war aber, als wenn sie ihr Adje sagen wollten. Denn als sie die Frau so ein Weilchen angeguckt hatten, plump! Und alle sieben sprangen zugleich ins Wasser und schwammen nicht, sondern gingen gleich unter in der Tiefe. Es war aber der helle Mittag, als dies geschah. Und die Mutter blieb stehen, wo sie stand, und rührte keine Hand und keinen Fuß mehr, sie war auch kein Mensch mehr. Sie ward stracks zu einem Stein, und der Stein liegt noch da, wo sie stand und die Mäuslein verschwinden sah; und das ist dieser große runde Stein, an welchem wir sitzen. Und nun höre mal, was nach diesem geschehen ist und noch alle Nacht geschieht! Glocke zwölf, wann alles schläft und still ist und die Geister rundwandeln, da kommen die sieben bunten Mäuse aus dem Wasser heraus und tanzen eine ganze ausgeschlagene Stunde, bis es eins schlägt, um den Stein herum. Und sie sagen, dann klingt der Stein, als wenn er sprechen könnte. Und das ist die einzige Zeit, wo die Kinder und die Mutter sich verstehen können und voneinander wissen; die übrige Zeit sind sie wie tot. Dann singen die Mäuse einen Gesang, den ich dir sagen will, und der bedeutet ihre Veränderung, oder daß sie wieder in Menschen verwandelt werden können. Und dies ist der Gesang:

Herut! herut! Du junge Brut! Din Brüdegam schall kamen; Se hebben di Doch gar to früh Din junges Leben namen.

Sitt de recht up'n Steen, Wat he Flesch un Been, Und wi gan mit dem Kranze: Säven Junggesell'n Uns führen schäl'n Juchhe! to'm Hochtidsdanze.

Und nun will ich dir sagen von dem Gesange, was er bedeutet. Die Mäuse tanzen nun wohl schon tausend Jahre und länger um den Stein, wann es die Mitternacht ist, und der Stein liegt ebensolange. Es geht aber die Sage, daß sie einmal wieder verwandelt werden sollen, und das kann durch Gottes Gnade nur auf folgende Weise geschehen:

Es muß eine Frau sein gerade so alt, als die Bäuerin war, da sie aus der Kirche kam, und diese muß sieben Söhne haben gerade so alt, als die sieben kleinen Mädchen waren. Sind sie eine Minute älter oder jünger, so geht es nicht mehr. Diese Frau muß an einem Karfreitage gerade um die Mittagszeit, als die Frau zu Stein ward, mit ihren sieben Söhnen in den Busch kommen und sich auf den Stein setzen. Und wenn sie sich auf den Stein setzt, so wird der Stein lebendig und wird wieder in einen Menschen verwandelt, und dann steht die Bauerfrau wieder da, leibhaftig und in eben den Kleidern, die sie getragen, als sie den Mäusen nachgelaufen zu diesem Mausewinkel. Und die sieben bunten Mäuse werden wieder zu sieben kleinen Mädchen in bunten Röcken und mit roten Mützen auf dem Kopf. Und jedes kleine Mädchen geht zu dem kleinen Knaben hin, der sein Alter hat, und sie werden Braut und Bräutigam. Und wann sie groß werden, so halten sie Hochzeit an einem Tage und tanzen ihre Kränze ab. Und es sollen die schönsten Jungfrauen werden auf der ganzen Insel, sagen die Leute, und auch die glücklichsten und reichsten, denn alle diese Güter und Höfe hier umher sollen ihnen gehören. Aber ach, du lieber Gott, wann werden sie verwandelt werden?

Prinzessin Svanvithe

Du hast wohl von der Sage gehört, daß hier bei Garz, wo jetzt der Wall über dem See ist, vor vielen tausend Jahren ein großes und schönes Heidenschloß gewesen ist mit herrlichen Häusern und Kirchen, worin sie ihre Götzen gehabt und angebetet haben. Dieses Schloß haben vor langer, langer Zeit die Christen eingenommen, alle Helden totgeschlagen und ihre Kirchen umgeworfen und die Götzen, die darin standen, mit Feuer verbrannt; und nun ist nichts mehr übrig von all der großen Herrlichkeit als der alte Wall und einige Leuschen, welche die Leute sich erzählen, besonders von dem Mann mit Helm und Panzer angetan, der auf dem weißen Schimmel oft über die Stadt und den See hinreitet. Einige, die ihn nächtlich gesehen haben, erzählen, es sei der alte König des Schlosses, und er habe eine güldene Krone auf. Das ist aber alles nichts. Daß es aber um Weihnachten und Johannis in der Nacht aus dem See klingt, als wenn Glocken in den Kirchen geläutet werden, das ist wahr, und viele Leute haben es gehört, und auch mein Vater. Das ist eine Kirche, die in den See versunken ist, andere sagen, es ist der alte Götzentempel. Das glaub' ich aber nicht; denn was sollten die Helden an christlichen Festtagen läuten? Aber das Klingen und Läuten im See ist dir gar nichts gegen das, was im Wall vorgeht, und davon will ich dir eine Geschichte erzählen. Da sitzt eine wunderschöne Prinzessin mit zu Felde geschlagenen Haaren und weinenden Augen und wartet auf den, der sie erlösen soll; und dies ist eine sehr traurige Geschichte.

In jener alten Zeit, als das Garzer Heidenschloß von den Christen belagert ward und die drinnen in großen Nöten waren, weil sie sehr gedrängt wurden, als schon manche Türme niedergeworfen waren und sie auch nicht recht mehr zu leben hatten und die armen Leute in der Stadt hin und wieder schon vor Hunger starben, da war drinnen ein alter, eisgrauer Mann, der Vater des Königs, der auf Rügen regierte. Dieser alte Mann war so alt, daß er nicht recht mehr hören und sehen konnte; aber es war doch seine Lust, unter dem Golde und unter den Edelsteinen und Diamanten zu kramen, welche er und seine Vorfahren im Reiche gesammelt hatten und welche tief unter der Erde in einem schönen, aus eitel Marmelsteinen und Kristallen gebauten Saale verwahrt wurden. Davon waren dort ganz große Haufen aufgeschüttet, viel größere als die Roggen- und Gerstenhaufen, die auf deines Vaters Kornboden aufgeschüttet sind. Als nun das Schloß zu Garz von den Christen in der Belagerung so geängstet ward und viele der tapfersten Männer und auch der König, des alten Mannes Sohn, in dem Streite auf den Wällen und vor den Toren der Stadt erschlagen waren, da wich der Alte nicht mehr aus der marmornen Kammer, sondern lag Tag und Nacht darin und hatte die Türen und Treppen, die dahin führten, dicht vermauern lassen; er aber wußte noch einen kleinen heimlichen Gang, der unter der Erde weglief, viele hundert Stufen tiefer als das Schloß, und jenseits des Sees einen Ausgang hatte, den kein Mensch wußte als er, und wo er hinausschlüpfen und sich draußen bei den Menschen Speise und Trank kaufen konnte. Als nun das Schloß von den Christen erobert und zerstört ward und die Männer und Frauen im Schlosse getötet und alle Häuser und Kirchen verbrannt wurden, daß kein Stein auf dem andern blieb, da fielen die Türme und Mauern übereinander, und die Türe der Goldkammer ward gar verschüttet; auch blieb kein Mensch lebendig, der wußte, wo der tote König seine Schätze gehabt hatte. Der alte König aber saß drunten bei seinen Haufen Goldes und hatte seinen heimlichen Gang offen und hat noch viele hundert Jahre gelebt, nachdem das Schloß zerstört war; denn sie sagen, die Menschen, welche sich zu sehr an Silber und Gold hängen, können vom Leben nicht erlöst werden und sterben nicht, wenn sie Gott auch noch so sehr um den Tod bitten. So lebte der alte, eisgraue Mann noch viele, viele Jahre und mußte sein Gold bewachen, bis er ganz dürr und trocken ward wie ein Totengerippe. Da ist er denn gestorben und auch zur Strafe verwandelt worden und muß nun als ein schwarzer magerer Hund unter den Goldhaufen liegen und sie bewachen, wenn einer kommt und den Schatz holen will. Des Nachts aber zwischen zwölf und ein Uhr, wann die Gespensterstunde ist, muß er noch immer rundgehen als ein altes graues Männlein mit einer schwarzen Pudelmütze auf dem Kopf und einem weißen Stock in der Hand. So haben die Leute ihn oft gesehen im Garzer Holze am Wege nach Poseritz; auch geht er zuweilen um den Kirchhof herum. Denn da sollen vor alters Heidengräber gewesen sein, und die Helden haben immer viel Silber und Gold mit sich in die Erde genommen. Das will er holen, darum schleicht er dort, kann es aber nicht kriegen, denn er darf die geweihte Erde nicht berühren. Das ist aber seine Strafe, daß er so rundlaufen muß, wann andere Leute in den Betten und Gräbern schlafen, weil er so geizig gewesen ist.

Nun begab es sich lange nach diesen Tagen, daß in Bergen ein König von Rügen wohnte, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hieß Svanvithe; und sie war die schönste Prinzessin weit und breit, und es kamen Könige und Fürsten und Prinzen aus allen Landen, die um die schöne Prinzessin warben. Und der König, ihr Herr Vater, wußte sich kaum zu lassen vor allen den Freiern und hatte zuletzt nicht Häuser genug, daß er die Fremden beherbergte, noch Ställe, wohin sie und ihre Knappen und Staller ihre Pferde zögen; auch gebrach es fast an Hafer im Lande und Raum für alle die Kutscher und Diener, die mit ihnen kamen, und war Rügen so voll von Menschen, als es nie gewesen seit jenen Tagen. Und der König wäre froh gewesen, wenn die Prinzessin sich einen Mann genommen hätte und die übrigen Freier weggereist wären. Das läßt sich aber bei den Königen nicht so leicht machen als bei andern Leuten, und muß da alles mit vieler Zierlichkeit und Langsamkeit hergehen. Die Prinzessin, nachdem sie wohl ein ganzes halbes Jahr in ihrer einsamen Kammer geblieben war und keinen Menschen gesehen, auch kein Sterbenswort gesagt hatte, fand endlich einen Prinzen, der ihr wohl gefiel, und den sie gern zum Mann haben wollte, und der Prinz gefiel auch dem alten Könige, daß er ihn gern als Eidam wollte. Und sie hatten einander Ringe geschenkt, und war große Freude im ganzen Lande, daß die schöne Svanvithe Hochzeit halten sollte, und hatten alle Schneider und Schuster die Fülle zu tun, die schönen Kleider und Schuhe zu machen, die zur Hochzeit getragen werden sollten. Der verlobte Prinz aber und Svanvithens Bräutigam hieß Herr Peter von Dänemarken und war ein über die Maßen feiner und stattlicher Mann, daß seinesgleichen wenige gesehen wurden.

Da, als alles in lieblicher Hoffnung und Liebe grünete und blühete und die ganze Insel in Freuden stand und nur noch ein paar Tage bis zur Hochzeit waren, kam der Teufel und säete sein Unkraut aus, und die Luft ward in Traurigkeit verwandelt. Es war nämlich allda an des Königs Hofe auch ein Prinz aus Polen, ein hinterlistiger und schlechter Herr, sonst schön und ritterlich an Gestalt und Gebärde. Dieser hatte manches Jahr um die Prinzessin gefreit und sie geplagt Tag und Nacht; sie hatte aber immer nein gesagt, denn sie mochte ihn nicht leiden. Als dieser polnische Prinz nun sah, daß es wirklich eine Hochzeit werden sollte und daß Herr Peter von Dänemarken zum Treuliebsten der schönen Svanvithe erkoren war, sann er in seinem bösen Herzen auf arge Tücke und wußte es durch seine Künste so zu stellen, daß der König und alle Menschen glaubten, Svanvithe sei keine züchtige Prinzessin und habe manche Nächte bei dem polnischen Prinzen geschlafen. Das glaubte auch Herr Peter und reiste plötzlich weg; und der polnische Prinz war zuerst weggereist, und alle Könige und Prinzen reisten weg. Und das Schloß des Königs in Bergen stand wüst und leer da, und alle Freude war mit weggezogen und alle Geiger und Pfeifer und alles Saitenspiel, die sich auf Turniere und Feste gerüstet hatten. Und die Schande der armen Prinzessin klang über das ganze Land; ja in Schweden und Dänemark und Polen hörten sie es, wie die Hochzeit sich zerschlagen hatte. Sie aber war gewiß unschuldig und rein wie ein Kind, das aus dem Mutterleibe kommt, und war es nichts als die greuliche Bosheit des verruchten polnischen Prinzen, den sie als Freier verschmäht hatte.

So ging es der armen Svanvithe, und der König, ihr Vater, war einige Tage nach diesen Geschichten wie von Sinnen und wußte nicht von sich, und ihm war so zumute, daß er sich hätte ein Leid antun können von wegen seiner Tochter und von wegen des Schimpfes, den sie auf das ganze königliche Haus gebracht hatte. Und als er sich besann und wieder zu sich kam und die ganze Schande bedachte, worein er geraten war durch seine Tochter, da ergrimmte er in seinem Herzen, und er ließ die schöne Svanvithe holen und schlug sie hart und zerraufte ihr Haar und stieß sie dann von sich und befahl seinen Dienern, daß sie sie hinausführten in ein verborgenes Gemach, daß seine Augen sie nimmer wiedersähen. Darauf ließ er in einen mit dichten Mauern eingeschlossenen und mit dunklen Bäumen beschatteten Garten hinter seinem Schlosse einen düstern Turm bauen, wo weder Sonne noch Mond hineinschien, da sperrte er die Prinzessin ein. Der Turm, den er hatte bauen lassen, war aber fest und dicht und hatte nur ein einziges kleines Loch in der Türe, wodurch ein wenig Licht hineinfiel und wodurch der Prinzessin die Speise gereicht ward. Es war auch weder Bett noch Tisch oder Bank in dem traurigen Gefängnis; auf harter Erde mußte die liegen, die sonst auf Sammet und Seiden geschlafen hatte, und barfuß mußte die gehen, die sonst in goldenen Schuhen geprangt hatte. Und Svanvithe hätte sterben müssen vor Jammer, wenn sie nicht gewußt hätte, daß sie unschuldig war, und wenn sie nicht zu Gott hätte beten können. Sie aber war ein sehr junges Kind, als sie eingesperrt ward, erst sechzehn Jahre alt, schön wie eine Rose und schlank und weiß wie eine Lilie, und die Menschen, die sie liebhatten, nannten sie nicht anders als des Königs Lilienstengelein. Und dieses süße Lilienstengelein sollte so jämmerlich verwelken in der kalten und einsamen Finsternis.