Sagen und Märchen aus Mecklenburg - Karl Bartsch - E-Book

Sagen und Märchen aus Mecklenburg E-Book

Karl Bartsch

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung.

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9.

Vor etwa 50 Jahren ward von dem Pachthofe Schwiesow, in der Nähe von Bützow, in der Abenddämmerung ein Dienstmädchen nach dem eine halbe Stunde entfernten Hofe Lüssow geschickt. Das Mädchen langt, ohne daß ihm etwas passirt, dort an, richtet seinen Auftrag aus und begibt sich wieder auf den Rückweg. Am Wege von Lüssow nach Schwiesow lag eine Mergelgrube, bei der, wie man glaubte, es nicht recht geheuer war. Als sie bei derselben angekommen ist, hört sie ganz plötzlich ein Geheul und ›Gezawwel‹ von vielen Hunden. Plötzlich ruft eine Stimme vor ihr ›Bleib auf der Mittelstraß', dann beißen dich meine Hunde nicht!‹ Heftig erschrocken blickt sie auf; vor ihr steht ein Mann ohne Kopf. Wie angewurzelt steht sie da und starrt die Erscheinung an. Das Geheul der Hunde kommt immer näher und näher. Endlich sieht das Mädchen etwas in ihrer unmittelbaren Nähe im Wege sich bewegen. Es sind lauter ›Pottbuddeln‹, die immer ›jickel, jackel‹ neben einander hertrollen und gerade auf sie lossteuern. Das Bellen und Heulen dauerte fort, und wieder rief der kopflose Mann ihr zu: ›Bleib auf der Mittelstraß', dann beißen dich meine Hunde nicht!‹ Das Mädchen will nun auch in der Mitte des Weges weiter gehen; die bellenden und kläffenden ›Pottbuddeln‹ verfolgen sie jedoch und drängen sie unter dem Hohnlachen des Kopflosen in die mit Dornengestrüpp bestandene Mergelgrube hinein, in der sie sich an den Dornen Hände und Gesicht blutig ritzt. Als sie wieder zur Besinnung kam, war Alles verschwunden. Zu Hause angekommen, erzählte sie ihr Begegniß, da sagten die Leute: ›Dat is nicks anners as de Wod west.‹

Aufgezeichnet von Lehrer Weber in Schwaan.

10.

Dei Waur, dei röppt ümmer ›Hollt 'n Mittelweg! hollt 'n Mittelweg! denn daun di min Hunn' nix‹; un sin Hunn', dei seggen ümmer ›jiff! jaff! jiff! jaff!‹ Wenn men dit nu hürt, denn möt 'n em jo nich napaug'n (d.h. mit der Stimme nachäffen).

Up dat ein Flach hett dei Waur ok mal eins jagt. Dunn hett ein Scheper, dei in sin Hütt uppen Felln bi dei Hört'n (Hürden) legen hett, em ümmer napaugt. As nu dei Jagd vörbi is, hett em dei Düwel wat vör sin Hütt hensmęten un dorbi seggt: ›Hest du mit jagen hulpen, denn frett ok man mit.‹ As dei Scheper nu ut sin Hütt krüpt un dat bisüht, dunn ist dat 'n Frugensbein mit 'n blagen Strump. Dei Scheper leggt dat hen bet 'n annern Morgen, dunn is dat 'n grot'n Büdel mit Geld west.

Küster Schwartz in Bellin.

11.

Dei Waur harr ok jagt, dor hen uppen Wautrummer Fell. Ho ho, harr hei raupen, dei Hunnen harrn blękt un gickjacht. Einer ist ihm begegnet, da hat er gerufen: ›Blif innen Middelweg, denn biten di dei Hunn' nich.‹

Aus Zierstorf, durch Pogge-Pölitz.

12.

De Wool is twe Dirns ut 'n Dörp (Hinrichshagen) klock twe des Namiddags begegent. De een wir dat as 'n Kirl to Pird met 'n Hund bi sik, æwer de anner seg, dat he up den Hund riden ded'.

Katmann Peters aus Hinrichshagen, durch Pastor Dolberg.

13.

Vör dissen güng ne Schneis' vant Baukholt bi Kunsterar (Consrade) den Barg hendal, un nasten kem en Damm, de güng bet an de Stör. Diss Schneis' un dissen Damm tröck ümmer de Waur entlang. Toirst kemen de groten Hunn', de bellten ümme ganz groff ›Hau, wau! hau, wau!‹ Denn kemen de lütten Fixköters, de bellten ganz fin ›Jick, jack! Jick, jack!‹ un achter an jögen ne ganz Haud Jägers in 'n Galopp. Dicht an de Stör wir ein Slagbom, dor hölln se still. ›Upgemakt!‹ reep dat denn; denn dreiht sik de oll Slagbom rüm, dat man dat Knarr'n wit hüren künn. Un ræwer güng 't æwer de Stör.

Up disse Sid was ein Damm, de noch hüt un dissen Dag de Profoß (Parforce)-Damm heit – dissen Damm güng 't henlang, all wat sei lopen künn'n, na 't Holt herin und denn so weg.

Bi enen Buern in Sukow haddens 's abends grad denn Deig insüert, un de een oll Diern hadd jo wol de Kœkendör uplaten. Hei! wart dat en Larm – se kam'n herut, un all min Lęw! sünd all de Hunn' bi den Backeltrog un fręten den Deig up. Se jammern æwer den schönen Deig un de een Diern is so drist, un fröcht: ›Wat krig wi nu dorvör?‹ Dei Een ut de Haud' seggt: ›O kik't man för de grote Dör tau!‹

As se all wegjagt sünd, gan se ok hen, un wat liggt dor? Eenen groten Hümpel Pirdmess.

Dunn warden se argerlich un de Een nimmt den Bein un stött dor wat von na de Dęl herup. As se den annern Morgen hengan, liggt dor einen schönen Hümpel Geld.

De Jägers, sęden se ümmer, wiren all verwünschte Eddellüd, de vör dissen so unvernünftig jagt haddn.

Nach mündlicher Erzählung des Altentheilers Johann Helms zu Rabensteinfeld aufgezeichnet von Präpositus Schencke in Pinnow.

14.

Eine arme Frau in Klein-Sien saß am Sylvesterabend allein in ihrem Gedinge und wünschte sich, doch auch etwas zu haben, was sein Bett bei ihr hätte und das tägliche Brot mit ihr äße. Da tönte es mit einemmale vom Groß-Tessiner See wie Hundegekläff herüber. Allerhand Hunde, Rekel, Töle und Wölpse wufften, bellten und heulten durcheinander. Das Getümmel kam immer näher. Wie nun die Frau auf die Straße schaute, hörte sie ein schwarzes, lahmes Hündlein am Zaune erbärmlich wimmern. Sie lief hin, holte den Hund und trug ihn an die warme Ofenecke. Der Hund aber näherte sich dem Backtrog und fraß die sieben hausbackenen Brote der Frau wie einen Bissen. Da erkannte die Frau, daß es kein gewöhnlicher Hund war; sie behielt ihn aber doch bei sich und nahm ihn Nachts in ihr Bett und theilte ihr Brot mit ihm; sie konnte aber das ganze Jahr Brotes nicht satt werden, denn der Hund war gar nicht zu befriedigen. Am nächsten Sylvesterabend hörte sie die wilde Jagd wiederkommen, der Wod warf ihr einen Schoß voll blanker Goldgulden durch's Fenster in den Backtrog und sagte ›Dat is dorvör, dat du minen Hund 'n ganz Jor utfod't hest.‹ Dann jagte er weiter und der Hund, der bei der Frau geblieben, lief mit.

Lehrer Lübstorf in Raddenfort.

15.

In der Klützer Gegend ist die Sage vom Nachtjäger oder Waul ziemlich allgemein verbreitet. Er soll, wie man mir erzählte, ein alter Jäger sein, der bei Lebzeiten gewünscht hat, ewig jagen zu können. Andere sprechen von mehreren alten Jägern, die sich dies gewünscht haben. Er jagt von Warnkenhagen bis Brook. Früher zog er durch den sogenannten Wunderkaten, welcher jetzt nicht mehr steht. Dieser Katen stand auf dem Brooker Felde nicht weit von der Warnkenhäger Feldscheide an der See. Wenn er durch diesen zog, gingen die Thüren von selbst auf und er tobte durch, that aber niemals Einem was zu Leide. Kleine Hunde hat er stets bei sich.

Ein Mann, welcher allerlei Zauberkünste verstand und auch die Zauberruthe besaß, ging einst im Felde. Als er in der Ferne den Waul herantoben hörte, schlug er mit seiner Ruthe einen Zauberkreis um sich, damit der Waul nicht an ihn kommen könnte. Als er den Kreis um sich gezogen hat, kommt der Waul immer näher und näher. Mit einemmale erscheint eine weiße Frau vor dem Kreise und bittet den Mann im Kreise um Himmelswillen, sie durchzulassen, damit der Waul sie nicht zu fassen kriegt; denn er hätte sie nun schon sieben Jahre gejagt, und wenn er sie zu fassen kriegt, muß sie nochmal sieben Jahre sich vom Waul jagen lassen. Kriegt er sie aber nicht zu fassen, so sei sie erlöst, wenn die sieben Jahre um wären, und diese wären beinahe um. Da läßt er sie durch. Als er sie eben durchgelassen und den Kreis wieder geschlossen hat, da springt der Waul schon vor und sagt ›er soll ihm Platz machen‹. Da macht er Platz und läßt ihn auch durch; aber die weiße Dame ist schon verschwunden.

Gymnasiast Ludwig Kröger aus Klütz, nach Mittheilung des Arbeitsmannes Pleß in Klütz.

16.

Auch soll der Waul früher den Leuten in Christinenfelde, wenn diese backen wollten, das Feuer im Backofen angezündet haben. So soll es einem Knechte von Christinenfelde, als eines Morgens die Reihe an ihm ist, das Feuer anzuzünden – dieses geschieht aber Morgens zwischen 3 und 4 Uhr – begegnet sein, daß es aus dem Ofen, wie er die Thür aufgemacht hat, herausgetobt hat und auf dem Fußsteige vom Backofen nach dem Herrenhause fortgebraust ist. Das Kläffen kleiner Hunde will der Knecht ganz deutlich gehört haben. Auch will er etwas Schwarzes gesehen haben.

Die kleinen Hunde des Waul sollen den Leuten auch häufig den Teig ausfressen, so in Oberklütz.

Früher haben die Leute öfter noch bis 11 Uhr Abends auf dem Felde gebunden, und da soll auch einst der Waul mit seinen Hunden herangetobt gekommen sein. Diese kleinen Hunde fangen mit einemmale in den Garben an zu rascheln, und da sind die Leute gezwungen gewesen, die Garben wieder aufzubinden, um die kleinen Hunde wieder frei zu lassen. Nachdem sie dies gethan haben, sei der Waul erst wieder weiter getobt.

Wenn der Waul vorbeitobt, darf man nicht sprechen, höchstens ›brrr‹ sagen. Er selber ruft immer ›ho! ho!‹ und seine Hunde ›jick, jack‹, oder nach Anderen ›jick, jick‹. Sehen läßt er sich nicht.

Gymnasiast Ludwig Kröger aus Klütz, nach Mittheilung der Wahrsagerin Dorothea Werner in Klütz.

Der wilde Jäger.

17.

Der wilde Jäger zieht auf weißem Roß, ohne Kopf, mit vielen Hunden und großem Halloh einher.

Ein Graf, der die Jagd über Alles liebte und auch an Sonn- und Festtagen durch Alles, was ihm in den Weg kam, hindurchjagte, traf einst an einem hohen Festtage auf eine Heerde Kühe. Der Hirt bat ihn, sie zu schonen, es seien auch die Kühe der Taglöhner dazwischen, aber er achtete nicht darauf und setzte hindurch, daß Alles auseinanderstob. Sofort jagt er in die Luft hinein und muß nun fort und fort jagen.

In Melz ist es ein Herr v. Zepelin, der zu Anfang des 18. Jahrhunderts Verwalter der Melzer Güter war, der durch die Luft zieht, zumal im Morin'schen Holze, und die Leute in Schrecken setzt.

Einmal ist die wilde Jagd gegen den Kambzer Thurm gefahren, daß er seitdem ganz schief ist. Auch ist die Peitsche daran hängen geblieben. Am heiligen Dreikönigstag zieht die wilde Jagd. Zwei Vipperower, Vater und Sohn, holten an dem Tage einen Schlitten voll Holz; da haben sie es wie Kettengerassel über sich herziehen hören.

Pastor Behm in Melz.

18.

In der Penzliner Gegend hält man für den Veranlasser der wilden Jagd einen Jäger, der wegen seines ruchlosen Wandels auf Erden nicht zur Ruhe kommen kann, sondern ohne Rast in der Luft als Spuk sein Unwesen treiben muß, sich zur Strafe, Menschen und Thieren zum Schrecken und den Gottlosen zur warnenden Mahnung an die göttlichen Strafgerichte. Auch will man hier nicht bloß in den Zwölften, sondern auch zu jeder anderen Zeit das Toben der wilden Jagd vernommen haben. Es sind aber besonders nur einige Oerter, an denen sie vorüberfährt; und diese soll man nicht zur Nachtzeit passiren, und noch weniger sich dann dort aufhalten, wenn man sich nicht Unfällen mancherlei Art aussetzen will. Solche Stellen sind in der Penzliner Gegend besonders die Iserpurt im Hohenzierizer Gehölze und die Schwanenheide, ein Theil der Penzliner Feldmark, unweit des Klein-Vielener und des Wodensees. Die Schwanenheide, welche jetzt beackert wird, lag früher noch in Rusch und Busch und wurde, soweit sie nicht mit Holz bewachsen war, fast nur zur Weide für die Pferde der Penzliner Ackersleute benutzt. So hüteten auch einst vor vielen Jahren die beiden längst verstorbenen Penzliner M... und T... dort in unmittelbarer Nähe des Vielener Sees des Nachts ihre Pferde. Es war im Sommer und die Nacht nicht dunkel. Als sie eine Weile gehütet hatten, wurde T. schläfrig und legte sich unter einen Baum, um ein wenig zu ruhen; M. aber machte sich eine Pfeife an, um sich munter zu halten und auf die Pferde zu achten. T. hatte noch nicht lange sein Lager aufgesucht, als M. aus weiter Ferne her ein eigenthümliches Toben hörte, das schnell näher kam und immer lauter und toller wurde. Da fiel ihm ein, was er öfter von der wilden Jagd gehört hatte, und voller Angst und Furcht suchte er Schutz unter einem großen Dornbusche, von wo aus er aber doch recht gut sehen konnte, was um ihn her vorging. Eben war er erst in Sicherheit, als auch schon die wilde Jagd dahergesaust kam, vorauf ein Jäger zu Pferde und hintendrein eine ganze Meute schwarzer Hunde.

M. zitterte am ganzen Leibe. Doch schien man ihn nicht gewahr zu werden, vielmehr hielt der Zug bei seinem Kameraden T. still. Dort sprang der wilde Jäger vom Pferde, nahm sein Waldhorn, hielt es dem Schlafenden vor sein Ohr und stieß hinein, daß es nur so schallte und dem nicht weit davon entfernten M., der alles das mit ansah, die Ohren gellten. T. aber rührte sich nicht. Als der wilde Jäger also seinen Muthwillen ausgelassen hatte, bestieg er wieder sein Pferd, und weiter ging's mit Blasen und Hundegeklaff durch die Luft.

Ein andermal, es war im Herbste um die Zeit, wenn die Kartoffeln aufgenommen werden, kamen bei anbrechender Nacht zwei Penzliner Bürger, die aber beide jetzt schon längst todt sind, von Strelitz gefahren. Wie sie auf der Schwanenheide, durch welche der Weg nach Strelitz führt, ankommen, lassen sie ihre Pferde ein wenig sich ruhen und grasen. Es war aber zu der Zeit gerade Holz auf der Schwanenheide, unweit des Wodensees, geschlagen und unter Anderem lagen dort auch viele Achshölzer, d.h. Holz zu Wagenachsen.