Sajo und ihre Biber - Wäscha-kwonnesin (Graue Eule) - E-Book

Sajo und ihre Biber E-Book

Wäscha-kwonnesin (Graue Eule)

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Beschreibung

Sajo und ihr Bruder Schapian gehören zu einem Indianerstamm, der in Einklang mit der Natur lebt. Sie nehmen sich nur so viel von der Natur, wie sie auch wirklich zum Leben brauchen. Der Vater von Sajo und Schapian, er heißt 'Große Feder' - 'Gitschi Megwon' - rettet eines Tages zwei kleine Biber und bringt sie mit nach Hause. Da seine Tochter Sajo an diesem Tag Geburtstag hat, schenkt er sie seinen Kindern. So verleben sie eine schöne Zeit miteinander bis der Vater kein Geld mehr hat und einen der Biber bei einem Händler gegen Essen eintauschen muss. Dieser verkauft ihn an einen Zoo. Und am nächsten Tag muss er aufbrechen und Geld verdienen. Doch die Kinder können nicht ohne den anderen Biber leben und deshalb machen sie sich auf den Weg in eine Stadt, wo sie hoffen, den Biber zurück zu bekommen. Ein sehr schönes Buch das einem einen verspielten Einblick in das Leben der Indianer in Kanada gewährt. Es ist zwar ein Kinder-/Jugendbuch aber es ist auch sehr schon für ältere Menschen zu lesen

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Seitenzahl: 207

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Impressum

Copyright: Chiara-Verlag im vss-verlag Her,mann Schladt

Jahr: 2020

Lektorat/ Korrektorat: Chris Schilling

Illustrationen: Wäscha-Kwonnesin

Covergestaltung: Hermann Schladt unter Verwendung eines Fotos von

Verlagsportal: www.vss-verlag.de

Gedruckt in Deutschland

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie

Vorwort

 

Diese schöne und spannende Geschichte spielt nicht in der heroischen Zeit der roten Rasse, es ist Frieden eingekehrt in den Wäldern Kanadas – soweit es sich wenigstens um den Krieg der Waffen zwischen Mensch und Mensch handelt.

Aber die tragische Zeit der Rothäute ist noch nicht vorbei. Hat man früher die indianischen Menschen ausgerottet, so vernichtet Unverstand und Geldgier heute die Waldgebiete des Nordens und damit die Pelztiere, die den weißen und den roten Jägern, den Nachfahren der stolzen Häuptlinge der Wildnis und ihrer weißen Gegner, mit Fleisch und Pelz die Mittel zum Leben liefern.

Wie einst in wenigen Jahren die Millionenherden der Bisons vernichtet wurden, so sind neuerdings in gleich kurzer Zeit die Biber Kanadas fast ausgerottet worden. Waldbrände haben ungeheure Gebiete kahlgefressen, andere Riesenstrecken fielen der Axt der Holzfäller und damit den Rotationsmaschinen der Zeitungen Amerikas zum Opfer, und dort, wo noch Wälder stehen, sammeln sich die aus den übrigen Gebieten vertriebenen Scharen der Pelzjäger und schießen und töten – nicht aus Gewinnsucht oder Mordlust, sondern aus bitterer Not –, denn wer keine Pelze zu verkaufen hat, dem liefert der Händler kein Mehl, keinen Tee, keine Milch, kein Schießpulver, und er kann auswandern oder verhungern.

Der Indianer Wäscha-kwonnesin hat das alles mit angesehen. Er kehrte aus dem Weltkrieg verwundet in die verödeten Wälder seiner Heimat zurück. Er suchte die Biber, deren Pelze ihm früher das Leben fristen halfen, und fand sie nicht mehr. Mehr zufällig als gewollt nahm er sich kleiner Biberkinder an, um sie vor dem Tod zu retten, und er ahnte nicht, zu welchem Ende das führen sollte. Denn nun geschah eine Wandlung in ihm: Im ständigen Verkehr mit den jungen Tieren wurden die alten Sagen seines Volkes in ihm wach. Er begann sich zu erinnern, dass die Biber in der Sprache der roten Männer »Kleine Brüder«, »Kleine Menschen« und ähnliche seltsame Namen haben, dass die indianischen Mütter, wenn sie ihre Kinder verloren hatten, junge Biber aufzogen und sich mit ihnen trösteten. Er begann vor allem zu begreifen, warum gerade diese Tiere eine so große Rolle in der Sagen- und Märchenwelt seines Volkes spielen, der rote Mann Wäscha-kwonnesin kehrte zurück in die seelische Heimat seines Volkes und wurde Indianer auch wieder mit dem Herzen.

Und nun erzählt er uns die Geschichte von Sajo und ihren beiden Bibern Großklein und Ganzklein. Es ist eine sehr spannende, eine geradezu aufregende Geschichte, sie fängt ganz ruhig, ganz so an, als sei das alles nichts Besonderes, was dort oben am Fluss der Gelben Birken vor sich geht – es wird ohne jeden Aufwand an künstlichen Mitteln erzählt, und wir lesen das alles in uns hinein ..., bis wir auf einmal merken, wie sehr uns Sajo und Schapian ans Herz gewachsen sind – vor allem Sajo, die Schwester, und noch mehr fast die beiden drolligen, unglücklichen, tapferen und am Schluss so mordsfrohen Biberburschen, die vor Freude einen Ringkampf ausfechten, als sie – – ja, aber das wird nicht verraten.

Und der stille, einfache rote Mann, der uns das alles erzählt, Wäscha-kwonnesin, Die Graue Eule – er hat uns wieder einmal ein Bild von dem noblen, schlichten Volke der Wälder und Seen des Nordens gegeben, das unverwischbar gerade in den Herzen der deutschen Knaben und Mädchen ruht. Denn nirgends wurde und wird das rote Volk der Prärien und Wälder so geliebt, wie in der Jugend, die die deutsche Sprache spricht. Das Leben in der heroischen Wildnis, in dem sich nicht der bewährt, der die besten Zeugnisse, den reichsten Vater oder das größte Mundwerk hat, sondern nur, wer ein tapferes Herz, ein scharfes Auge und eine sichere Hand hat – dieses Leben wird immer seinen unauslöschlichen Reiz auf junge Menschen ausüben.

Darum wird die tapfere kleine Sajo und ihr heldenhafter Bruder sich für immer dem Gedächtnis aller derer einprägen, die von ihnen gelesen haben.

So sei es. Ich habe gesprochen.

 

 

Das Land im Nordwesten

 

Weit hinter Stadt und Ackerland, hinter den letzten Niederlassungen Nordkanadas liegt ein wildes, fast unbekanntes Land. Wer es erreichen will, muss über Berge und Täler in fernste Fernen wandern; dort gibt es keine Eisenbahnen, keine Straßen, weder Häuser noch Hütten, weder Weg noch Steg. Und zuletzt müsste der Wanderer in ein Kanu steigen und sich der führenden Hand eines Indianers anvertrauen und durch ein unermesslich großes, aus Wäldern, Seen und Flüssen bestehendes Reich ziehen, in dem Elch und Hirsch, Bär und Wolf wild und frei hausen und große Karibuherden (Kanadisches Rentier) über Land wandern, viele, viele, unzählige Karibus.

Und dort in jenem herrlichen Nordland tritt uns Nordamerika entgegen wie es war, ehe der weiße Mann kam und wie es – hoffentlich – noch viele kommende Jahre bleiben wird. Nur wenige Weiße leben dort, meistens Fallensteller und Pelzhändler, und außer ihnen da und dort ein paar Indianersippen vom Stamm der Odschibwä. Sie haben sich dieses Land zur Heimat erkoren und nennen es Ki-wä-din, das Land des Nordwestwindes. Die Odschibwä sind ein Teil einer Menschenrasse, die so alt ist und so lange in diesem Land wohnt, dass niemand, nicht einmal sie selbst, wissen, woher und wie sie hereingekommen sind. Dort oben kann sie die Zivilisation, der Fortschritt nicht mehr erreichen, dort leben und sterben sie wie ihre Vorväter, als Jacques Cartier vor 400 Jahren an den Nordlandgestaden landete. Ihre Dörfer mit den spitzen Tipis und den vereinzelten, länglich-niederen Blockhütten kann man heute noch finden. Sie liegen in windgeschützten Hainen und sonnigen Waldblößen oder an klaren Waldseen, oft viele, viele Kilometer voneinander entfernt. In jenen kleinen Dörfern leben die indianischen Familien, jede in ihren eigenen vier Wänden. Sie sind glücklich und gut genährt in fetten Zeiten und hungrig, wenn die Tage schlecht sind und mager. Es geht ihnen genau wie den Menschen in den Städten, heute Fülle, morgen Not.

 

In solchen kleinen, an freundlichen Seeufern errichteten Dörfern leben die Indianer

 

Im Indianerdorf muss jeder arbeiten, sogar die Kinder. Arbeit hängt meistens mit Reisen und Wandern zusammen, denn die Indianer sind immer auf dem Wanderpfad. Es gibt Zeiten, da die Tiere, von denen der Indianer abhängt, aus der Gegend fortziehen, einfach verschwinden, und dann müssen die roten Menschen ihnen folgen, wenn sie nicht verhungern wollen, oder ganz neue Jagdgründe suchen. So kommt es, dass das Dorf immer wieder abgebrochen werden muss. Die wenigen Blockhütten bleiben natürlich stehen, aber sonst wird alles abgebaut und in die Kanus gepackt oder – im Winter – auf die Toboggans geladen. Und dann geht das Wandern an, oft viele, viele Kilometer weit. Auf den Winterreisen helfen Buben und Mädchen den Pfad bahnen. Sie schnallen sich die Schneereifen an die Füße und bahnen den nachfolgenden Hundeschlitten und den von den Erwachsenen gezogenen Toboggans einen Weg durch den tiefen Schnee. Sie brechen den Pfad und sind stolz darauf. Im Sommer paddeln sie mit den Großen in den Kanus, und jedes Kind hat seine Last, sein Stück Gepäck, das es über die Portages (auf deutsch Tragestellen befördern muss. Sie freuen sich ihrer Arbeit und verrichten sie so ernst und gewissenhaft wie ihre Eltern.

Die Indianerkinder, die den Sommer in der Nähe einer Pelzhandels-Niederlassung oder in einer Reservation verbringen, können in die Schule gehen und sind oft sehr gute Schüler. Gar mancher Indianerjunge ist später Rechtsanwalt oder Schriftsteller oder Künstler geworden. Diejenigen jedoch, die das ganze Jahr draußen in der wilden, freien Natur leben, gehen auch in die Schule, aber in eine ganz andere. Ihre Schule ist der Wald, und dort lernen sie alles, was sie auf ihrem Lebensweg brauchen. Erdkunde, Geschichte, Rechnen oder Englische Sprache nützen ihnen im Wald gar nichts; dafür beobachten und lernen sie, was im Pflanzenreich vorgeht, wie die Tiere sich verhalten, wie man sie beschleicht, wie man den Fisch fängt und wann. Und dann noch das Allerwichtigste: die Kunst, bei jedem Wetter Feuer zu machen, mag es regnen, schneien oder stürmen. Sie lernen Vogel- und Tierstimmen kennen und nachahmen. Die Großen lehren ihre Kinder, die Bewegungen, Launen und Strömungen des Wassers in den Flüssen und Seen beobachten. Man unterweist sie, wie man mit den Schneereifen, mit Axt und Gewehr umgeht, wie man ein Hundegespann lenkt, wie man Mokassins näht, Häute gerbt und Feuerholz findet, auch dort, wo scheinbar gar keins vorhanden ist. Und alle, Knaben und Mädchen, müssen kochen können! Ein Kompass ist ihnen unbekannt, und trotzdem können sie kreuz und quer durch die Wälder und durchs Land ziehen, denn sie richten sich nach Sonne, Mond und Sternen, nach der Gestalt der Bäume, nach den Umrissen der Berge, nach dem Benehmen der Tiere und nach vielen anderen Zeichen. Ihr Wissen vom Wald ist so groß, dass sie bald selbständig werden und auf eigene Faust lange Reisen machen und vielen Gefahren mutig ins Auge blicken, so wie Schapian und seine Schwester Sajo, von denen ich berichten will.

Ein Indianerleben ist hart und mühsam, darum kann man müssiggänger im Indianerdorf nicht brauchen. Wer zu faul ist, um auf die Jagd zu gehen, steht bald ohne Nahrung und ohne Kleider da und ohne ein Dach über seinem Kopf. Gewiss, der Indianer hilft seinem Nebenmenschen mit allem, was er hat, aber Faultiere kann er einfach nicht ertragen. Obwohl das junge Volk viel Arbeit hat, finden Knaben und Mädchen trotzdem Zeit für ihre einfachen, aber lebhaften Spiele. Und wenn der Arbeitstag zu Ende ist, sitzen sie draußen unter dem glitzernden nördlichen Sternhimmel rund um das Feuer gelagert und lauschen den Erzählungen der Großen.

Diese Geschichten berichten von Jagdzügen, von andern, fernen Indianerstämmen, von großen Männern der Vergangenheit, von seltsamen Abenteuern und Erlebnissen in den dunkeln Wäldern. Doch die seltsamsten Geschichten erzählen diejenigen, die das Wunderland im fernen Süden besucht haben, das Land, aus dem die Weißen kommen, wo es große, große Räderschlitten gibt, die schnell wie der Wind über eine eiserne Spur sausen, wo rauchende Kanus – die Dampfschiffe – beinahe ebenso schnell wie der Räderschlitten durchs Wasser flitzen, und wo es keine Indianer, wenig Bäume, dafür aber Reihen und Reihen großer Steinhütten gibt. So viele Steinhütten, zwischen denen die Weißen allein, zu zweien und in großen Klumpen gehen, eilen und jagen. Welch ein Land, o welch ein Land, wo man ohne Geld weder schlafen kann, noch etwas zu essen bekommt! Und das können sie nicht fassen, denn der Waldwanderer ist immer erwünscht, wenn er ruhen oder essen möchte. Der weiße Fallensteller heißt ihn an seinem Feuer ebenso willkommen wie der Indianer, und der Gast hat nichts zu bezahlen. Diese Indianerkinder wissen vom Stadtleben ebenso wenig wie ihre Eltern. Und ihr wißt nichts vom Leben in der Wildnis.

Und nun will ich, der ich einer der ihren bin, eine Geschichte aus der Wildnis erzählen.

Ehe ich beginne, müsst ihr wissen, dass diese große, geheimnisvolle Waldwildnis mit ihren seltsamen Menschen und Tieren von vielen gewaltigen Strömen und Flüssen durcheilt wird. Diese Wasserwege dienen nicht nur den Indianern und ihren flinken Kanus als »Landstraße«, sondern auch vielen wasserliebenden Tieren wie Biber, Fischotter, Nerz und Bisamratte. Dieses herbe, strenge Waldland wird von zahllosen Pfaden durchzogen, Pfaden, die ihr nie finden würdet und auf denen dennoch die Landtiere wandern wie auf einer angelegten Straße. Sie wandern immer, diese Geschöpfe Gottes, und sind, wie die Menschen des Landes, immer beschäftigt. Sie müssen ihre Nahrung suchen, ihre Jungen füttern und aufziehen. Die einen leben für sich allein ohne ständiges Zuhause, andere halten zusammen und bewohnen große, unterirdische Städte mit Familienhöhlen, die durch Gänge oder Straßen miteinander verbunden sind. Die klügsten unter ihnen, die Biber, bauen sich warme Häuser, legen Wasserbehälter an, in denen sie umherschwimmen können, sammeln große Nahrungsvorräte für den langen Winter und schaffen und werken fast wie die Menschen. Und wenn sie von der Arbeit ausruhen, sprechen sie miteinander. Und so haben alle Tiere, jedes nach seiner Art, viel zu tun und zu sorgen.

Weil sie so klug und fleißig sind, hat sie der Indianer achten gelernt. Leider muss er sie manchmal töten, aber nur, weil auch er leben muss. Er nimmt großen Anteil an ihrem Tun und Treiben und sieht sie fast wie einen andern Menschenstamm an. Und ganz besonders die Biber, die haben es ihm angetan. Mancher rote Mann kann bis zu einem gewissen Grad ihre Sprache verstehen, denn ihre Stimme ist der des Menschen nicht ganz unähnlich. Alle Tiere, mögen sie noch so klein und wertlos scheinen, haben ihren Platz auszufüllen. Keines ist umsonst da.

Das weiß der Indianer, und darum lässt er sie, wenn er es nur irgendwie kann, in Ruhe und Frieden. Und weil sie mit ihm die Mühsal des Lebens in der Wildnis teilen, heißt er sie »Kleine Brüder«. Wie oft sieht man einen kleinen Bären, einen jungen Biber, ein Fischotterchen oder ein Elchkälbchen frei durchs Indianerdorf toben. Sie könnten gehen, wenn sie wollten, niemand würde ihnen die Freiheit verwehren, aber sie bleiben, wo sie sich zuhause und geborgen fühlen. Eines Tages sind sie erwachsen, und dann ist der Ruf der Wildnis stärker als alle Bande, und sie ziehen fort, ihrem eigenen Leben entgegen. Und das Indianerdorf? Oh, das hat bald wieder irgendeinen kleinen Liebling.

Nun wisst ihr, wie das Land aussieht und wie die Indianer leben. Ihr habt etwas von den Tieren des Landes erfahren, und nun will ich von dem »kleinen Volk der Wälder« berichten. Eine wahre Geschichte; sie begann an einem kleinen Gewässer, an dem eine glückliche Biberfamilie lebte.

Ich werde von einem indianischen Jäger, von seinem Sohn und von seiner Tochter erzählen und von zwei kleinen Biberkindern, die ihre Freunde waren. Ihr sollt hören von ihren Abenteuern in den großen Nordlandwäldern und in der fremden Stadt. Ihr sollt erfahren, welch gute Freunde diese vier waren, wie einer der Kameradschaft verloren ging und wiedergefunden wurde. Ich werde berichten von den Gefahren, die sie bestanden, von den Freuden, die sie erlebten, und wie alles zu Ende ging.

Und nun lasst uns Automobil und Rundfunk vergessen, löschet aus eurem Gedächtnis das Kino und alle Dinge, ohne die wir nicht leben zu können glauben. Wir wollen anderes denken: Kanu, Zelt, Schneereifen und Hundegespann. Lasst uns aufbrechen in jenes ferne, zauberhafte Nordland, wo große Ströme rauschen und stille, klare Seen funkeln, wo dunkle Wälder wogen und seltsame Tiere wohnen, Kleine Brüder, die sprechen und arbeiten. Lasst uns in jenes Reich ziehen, wo aus den Wassern singende Geisterstimmen tönen.

Und dann wollen wir uns in einem braunverräucherten Wigwam am flackernden Feuer niederlassen und der Geschichte lauschen. Höret!

 

Gitschie Megwon, Die Große Feder

Dort, wo die Strömung des Flusses der gelben Birken besonders stark und flink dahinrauschte, paddelte ein einsamer Indianer in seinem Birkenrindenkanu durch das kühle, klare Wasser. Damals hatte der weiße Mann jenen Fluss noch nicht entdeckt. Der Indianer war ein großer, hagerer Mensch; sein langes, straffes Schwarzhaar fiel in zwei Zöpfen über seine Schultern. Die dunklen Augen blickten scharf und forschend drein. Er trug einen befransten Hirschlederanzug von schöner brauner Rauchfarbe und sah genau so aus wie die Indianer in den Büchern.

Das Kanu war mit Erlenblättersaft leuchtend gelb gefärbt, so dass es mit den goldfarbenen Stämmen der Gelb-Birken ringsumher in eins zusammenfloss. Die Nähte des Kanus waren mit glänzendschwarzem Baumharz gedichtet. Vorne am Bug starrte ein großes, gemaltes Vogelauge in die Welt, und am Heck wedelte eine Fuchsrute im sanften Wind lustig hin und her. Der Indianer betrachtete sein Kanu wie etwas Lebendiges, das wie alle Geschöpfe Kopf und Schwanz besaß und scharfäugig wie ein Raubvogel und flink wie ein Fuchs war. Im Fahrzeug lagen ein sauber gefaltetes Zelt, ein kleiner Sack mit Vorräten, eine Axt, ein Teekessel und eine langläufige, alte Büchse.

Von den Birkenwipfeln an den Berghängen flüsterte es leise herüber, ein leichtes, nie verstummendes Rauschen. Der Wind spielte in den Blättern. Darum gaben die Indianer jenem Hochland einen besonderen Namen, sie nannten es »Hügel der Flüsternden Blätter«. An den Uferrändern rechts und links reckte sich hoher, dunkler Kiefernwald. Die weit ausladenden Äste hingen schwer über dem Wasser. Rotkehlchen und Amseln huschten umher und suchten sich zwischen dem jungen Gras emsig ein Frühstück zusammen. Die Luft war schwer vom süßen Duft der Salbeibüsche und wilden Rosen, und da und dort schossen kleine, kolibriähnliche Vögelchen wie glänzende rote Pfeile von einer Blüte zur andern, denn es war Mai, den die Indianer »Blütenmonat« heißen.

Gitschie Megwon, die Große Feder, war ein Odschibwä. Er hatte schon tagelang gegen die starke Strömung gepaddelt und befand sich jetzt weit vom heimischen Dorf. Tag um Tag hatte er seine Kraft der Gewalt des Flusses entgegengestemmt, manchmal durch ruhiges Wasser, manchmal gegen das anstürmende Brausen zwischen zackigen, gefährlichen Felsen hindurch. Doch Gitschie Megwon verstand sein Handwerk wie wenige Weiße und nicht alle Indianer.

An jenem Morgen versperrte ein großer Wasserfall ihm den Weg, ein Fall, wild und schön und höher als die höchste Kiefer im Umkreis. Die Sonne brach durch tausend und abertausend Wasserstäubchen und schuf einen schillernden Regenbogen am Fuß des Falles. Dort legte Gitschie Megwon an, er ging nicht dicht an den Fall heran, sondern hielt sein Fahrzeug außerhalb des wütend schäumenden Strudels, der so gierig zog und saugte, um das kleine Boot unter den mächtigen Wassersturz zu ziehen. Große Feder sprang ans Ufer, tat die Last aus dem Boot, das er hoch riss, über den Kopf stülpte und auf einem schmalen, kaum erkennbaren Pfad unter den rauschenden Bäumen dahin trug. Es war ein alter, uralter Pfad, der die Sonne noch nie gesehen hatte, so überschattet war er von ragenden Bäumen. Nach einem längeren Marsch bergan setzte Große Feder das Kanu ab, holte die leichte Last, lud sie

Große Feder stand im Mondlicht

 

 

wieder ein, schob das Boot oberhalb des Falles in ruhigeres Wasser und setzte die Reise fort.

Einmal erblickte er einen silbrig schimmerneden Luchs ..

Scharf umherblickend steuerte er um die jähen Krümmungen des Wasserlaufs und sah vieles, was nur ein Jäger sehen kann. Dort zeigten ein paar Pelzohren die Richtung an, mehr ließ das Tier, dem sie gehörten, nicht von sich sehen. Drüben funkelten zwei Augen aus den Schatten, und einmal sah der scharfe Jägerblick einen silberpelzigen Luchs wie einen grauen Geist im Unterholz verschwinden. Hin und wieder eilte ein Reh oder ein Hirsch in langen Fluchten warnend dem dichten Wald zu. Wie ein rotes Wiegenpferd setzte es durch den Wald und sein weißer Spiegel glänzte wie ein Licht zwischen den Stämmen auf. Einmal überraschte er einen Elchbullen, so groß wie ein Pferd. Der stand bis an die Brust im Fluss und hatte den Kopf gerade unter Wasser, wo er nach Lilienwurzeln suchte. Große Feder hielt an, um den Elch zu beobachten, der, ganz seiner Arbeit hingegeben, den Menschen nicht bemerkte. Doch nun tauchte das geweihte Haupt mit mächtigem Plätschern auf. Da stand er, der Riese, und starrte, während ihm das Wasser über Gesicht und Hals rann, überaus erstaunt auf das fremde Wesen, plötzlich wandte er sich um, watete ans Ufer und verschwand in den dunkeln Waldesgründen. Fast eine ganze Minute lang konnte Große Feder den schweren Aufschlag der Hufe, das scharfe Knacken und Krachen des niederbrechenden Unterholzes verfolgen.

Trotz dieser Gesellschaft fühlte Gitschie Megwon sich ein bisschen einsam. Im Dorf daheim warteten seine zwei Kinder auf seine Rückkehr, ein Junge und ein Mädchen. Die Mutter war schon lange tot. Die Dorffrauen waren gut zu den beiden, und doch vermissten sie die Mutter, und Gitschie Megwon wusste, dass sie genau so einsam waren wie er. Sie hielten zusammen, die drei. Sie waren große Freunde und trennten sich selten. Gitschie Megwon nahm sie sonst überall mit, nur diesmal ging es nicht anders, die Reise war gefährlich. Gitschie Megwon war auf Zusammenstöße mit einigen Wilderern gefasst, die seinen Jagdgrund ausraubten. Er hatte für sich und die Seinen eine schöne Blockhütte als Sommerwohnung gebaut. Dort lebten sie glücklich und erholten sich von der mühseligen Winterjagd. Die Ruhe nahm ein Ende, als ein befreundeter Indianer vom Stamm der Kri von einer Bande umherziehender Halbblut-Indianer berichtete, die aus dem besiedelten Gebiet aufgebrochen und in die Heimatgegend Gitschie Megwons eingedrungen war und alle Biber totschlug und fing, deren sie habhaft werden konnte.

Der echte Waldindianer achtet die Jagdgründe seines Nächsten, und wer das ungeschriebene Gesetz bricht, ist ein gemeiner Dieb. Aber die stadtgeborenen Halbblut-Menschen, diese Mischlinge, haben die Art der Ahnen vergessen oder aufgegeben und machen sich gar nichts daraus, einen andern zu bestehlen. Die Sache war ernst, Gitschie Megwon brauchte seine Pelztiere, wenn er seine kleine Familie nicht verhungern lassen wollte. Keine Pelze – kein Geld, das war eine einfache Rechnung. Darum hatte er sich aufgemacht, tief hinein in seine Winterjagdgründe, um die Tiere vor den Räubern zu schützen. Bis jetzt hatte er noch nichts bemerkt, kein Zeichen, keine Spur. Und da es inzwischen Mai und damit warm geworden war und die Pelztiere ihr Haarkleid wechselten und nicht länger zum Stehlen verlockten, hielt er seine Arbeit für getan und beschloss, sich am nächsten Tag auf die Heimfahrt zu machen.

Mit diesen und anderen freundlichen Gedanken im Kopf fuhr Gitschie Megwon geruhsam am Ufer entlang und hielt nach fremden Spuren Ausschau, plötzlich stach ihm ein scharfer Duft in die Nase – an dieser Stelle musste vor ganz kurzer Zeit jemand vorübergegangen sein – Tier oder Mensch hatte im Vorüberwandern einige Blätter der streng riechenden Pfefferminze zerquetscht. Gitschie Megwon paßte scharf auf, rasch schweiften seine Blicke über die Uferbank – –. Plötzlich sprang ein gedrungenes, plumpes, dunkles Tier gerade vor dem Kanu ins Wasser und sank wie ein Stein in die Tiefe. Und gleich darauf tauchte wenige Meter weiter vorne ein nasser Kopf und ein dunkelbrauner Pelzrücken auf; das Tier umkreiste das Boot mit schnellen, kraftvollen Zügen, bis es eine günstige Stelle gefunden hatte, woher der Wind von dem Menschen in seine Nase wehte. Menschengeruch, den das Waldvolk so sehr fürchtet! Und dann reckte sich ein breiter, flacher Schwanz und peitschte das Wasser, dass es platschte und aufschäumte und in alle Himmelsrichtungen spritzte. Und das Tier tauchte wieder und kam nicht mehr zum Vorschein.

Gitschie Megwon schüttelte die Wassertropfen von den Ärmeln seines Lederrocks und lächelte. Ah, das war schön, das hatte er sehen wollen. Ein Biber war's! Kaum war das Echo des Alarmwirbels verklungen, als es um die Flussbiegung herum noch einmal scharf und laut wie ein Büchsenschuss knallte. Dort unten waren noch zwei andere.

Gut, gut. wieder lächelte der Indianer. Nein, hier hat bestimmt niemand gejagt. Er hätte die Biber nur zu leicht fangen können. Wenn dieser leichtsinnige Bursche ihn hier, in dieser »Verkehrsstraße«, so nahe herankommen ließ, mussten auch die andern sicher sein. Nein, hier hatte sie niemand gestört.

Oder doch? Gitschie Megwon wollte es genau wissen und beschloss, ihren Bau aufzusuchen. Den zu finden war nicht schwer, denn der Biber hat die Gewohnheit, auf seinen Spaziergängen kleine grüne Erlen- und Pappelschößlinge abzuschälen und Rinde zu fressen; die weißen Stöcke, die dann herumliegen, zeigen deutlich genug den Weg.

Kurz darauf geriet Gitschie Megwon an einen kleinen, dem Fluss zueilenden Bach. Richtig, an der Mündung fand er, wonach er gesucht hatte: glatte, weiße Stöcke, die Reste einer Bibermahlzeit. Ihr Haus musste also nicht weit davon, irgendwo an dem kleinen Bächlein stehen, an einer ruhigen Stelle, wie die Biber es lieben.

Die Tiere hatten es sich am Rand einer hübschen, von mächtigen Kiefern umgebenen Bucht schmecken lassen. Die Bäume standen, wie wenn sie aus dem Wald fortgelaufen wären und nicht mehr heimgefunden hätten. Hier machte Gitschie Megwon ein Feuer an und kochte sein Mittagessen. Die Indianer pflegen auf ihren Wanderungen viel Tee zu trinken; auch Große Feder wählte einen sauber geschälten Stock, stieß ihn fest in die Erde und hängte am andern Ende den Teekessel über die fröhlich prasselnden Flammen. Dann schnitt er Hirschfleisch in Streifen, spießte sie auf gegabelte Stöcke vor die Glut und legte Indianerbrot darunter, um den vom Fleisch herabtropfenden vorzüglichen Saft aufzufangen. Nach dem Essen rauchte er ein Weilchen still vor sich hin, lauschte dem Wind, der leise durch das Gezweig strich, wie einer schönen Musik, blickte dem schwankenden, kräuselnden Rauch nach, der bald in dieser, bald in jener Richtung Figuren in die Luft zeichnete.

Diese Dinge liebte Gitschie Megwon, die waren ihm Buch und Musik zugleich. Er hatte nie etwas anderes gekannt.