Sandstürme - Tanja Korf - E-Book

Sandstürme E-Book

Tanja Korf

0,0

Beschreibung

Während der Hochzeitsreise kann Domis kleine Familie endlich mal entspannen und Zeit miteinander verbringen. Als nach der Rückkehr aber das Beachtraining wieder losgeht und ein Trainingslager mit Hayden und Taylor absolviert wird, geht es Dominik noch viel besser. Komisch ist nur, dass die Sandhausgang bei jedem Turnier von einem seltsamen Typen gestalkt wird, der allen ziemlich unheimlich ist. Wer ist der Kerl? Und was will er vor allem von Robin? Wie verkraftet Linda einen schrecklichen Schicksalsschlag und warum muss Angelika schon wieder so entsetzlich nerven? Die Karibik-Erholung ist jedenfalls schnell vergessen, als Domi sich auch noch mit Johannes verkracht. Ella nörgelt pausenlos über das Wetter, Caroline macht mit Robin Schluss und Bens Familie erlebt ein wahres Desaster, das schwere Folgen hat. Die Situation wirft viele Fragen auf: Was wird aus dem Beachteam? Kann Linda irgendwann wieder Chaos verbreiten? Wieso ziehen so viele aus dem Sandhaus aus? Ist die Nordgren-Ehe noch zu retten? Wen verprügelt Ella und womit will Domi sie besänftigen? Was passiert, als Domi und Ben sich ziemlich eindrucksvoll mit den Medien anlegen? Und wie kommt es dazu, dass ein Sandhaus-Familienmitglied Timmendorfer Ehrenbürgerin wird?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 440

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bisher in dieser Reihe erschienen:

Sandspiele – Mein Leben im Beachvolleyball-Sportinternat (Teil 1)

ISBN-10: 3848200392 - ISBN-13: 978-3848200399

Strandjungs – Zwei Beachvolleyballer auf dem Weg nach oben (Teil 2)

ISBN-10: 3848216027 - ISBN-13: 978-3848216024

Sommerträume – Zwei Beacher – ein Ziel (Teil 3)

ISBN-10: 3732253287 - ISBN-13: 978-3732253289

Sandhaus: Teil 4 der Sand-Strand-Sommer-Reihe

ISBN-10: 373229417X - ISBN-13: 978-3732294176

Strandgut: Teil 5 der Sand-Strand-Sommer-Reihe

17. April 2015

ISBN-10: 3734784778 - ISBN-13: 978-3734784774

Sommerziele: Teil 6 der Sand-Strand-Sommer-Reihe

21. September 2016

ISBN-10: 3741227129 - ISBN-13: 978-3741227127

INHALTSVERZEICHNIS

Strandpiraten

Erinnerungen

Sternenkind

Guten Morgen, Sandhauswelt

Leere Schränke

Ein ewiger Kreis

Das Rundum-Sorglos-Paket

Nichts von Bedeutung

Arktische Kälte

Zusammen

Ein mieser Trick

Nicht gut genug

Familienrituale

Auf Punktejagd

Was bisher geschah

SANDSPIELE

Als der 14-jährige Dominik sich den Forderungen des Stiefvaters widersetzt, wird das Leben zu Hause unerträglich. Halt gibt dem Jungen nur der Gedanke an seinen Vater, einem schwedischen Volleyballer namens Jonas. Viel Unterstützung erfährt er durch die Familie seines besten Freundes. Nach dem Rauswurf aus der Volleyballmannschaft bilden Ben und Dominik ein starkes Duo. Schon bald wechseln beide nach Kiel in ein Sportinternat.

Im Internat stellen sich schnell die ersten Erfolge ein. Privat ist es dagegen schwer für Dominik: Zur Mutter besteht kaum noch Kontakt und dann gibt es auch noch Stress mit seiner Freundin Kerstin. Sportlich geht es aber immer weiter voran, bald wird der Bundestrainer auf das talentierte Duo aufmerksam. Bei einem internationalen Jugendturnier in Frankreich trifft Dominik zum ersten Mal seinen Vater Jonas, seine Halbschwester Linda und seine Stiefmutter Ida. Nach anfänglichen Problemen rauft sich die Familie zusammen.

STRANDJUNGS

Sportlich läuft alles nach Plan, doch privat steht die Stimmung auf Sturm: Als sein Stiefvater Dominik absichtlich die Treppe herunterstößt, bricht Domi den Kontakt zu seiner Mutter ab. Die Herbstferien verbringt er bei seinem Vater und die Stimmung ist wieder auf dem Höhepunkt: Jonas bekommt einen Trainerposten in Hamburg. Als Vater und Sohn aber endlich mehr Zeit miteinander verbringen können, wird ihr Verhältnis immer schlechter.

Leider verunglücken Ben und Laura bei einem Autounfall; Laura stirbt und Ben verletzt sich so schwer, dass die gesamte Beachsaison für ihn gestrichen wird. Dominiks Saison verläuft nicht sonderlich erfolgreich und seine Freundin beendet die Beziehung.

Bens Vater und Jonas übernehmen das Training und sofort läuft alles deutlich besser. Auch privat ändert sich eine Menge: Domi kommt mit Kerstin zusammen und Ben mit Domis Schwester Linda.

Mit dem Volleyballteam gelingt der Aufstieg in die zweite Bundesliga und als endlich die eigene Beachhalle eingeweiht wird und es wieder ins Sandtraining geht, ist allen klar: Das wird ein Superjahr! Leider gibt es privat schon wieder Turbulenzen: Jonas ist krank.

SOMMERTRÄUME

Jeden Tag nervt Kerstin mit Eifersuchtsanfällen und in Domis Träumen taucht regelmäßig ein schwarzer Hund auf. Ablenkung bietet neben dem Training für die Zweitligasaison auch der Beginn der Bauarbeiten für die Halle und die Gästewohnungen. Linda und Ben verloben sich, Domis Mutter und Johannes heiraten. Bens Vater erleidet einen Schlaganfall, Domi und Kerstin trennen sich und es passiert ein schrecklicher Unfall, bei dem Maja stirbt. Aufgrund eines Missverständnisses schlägt Jonas seinen Sohn, der unglücklich stürzt und sich schwer verletzt.

SANDHAUS

Im Sandhaus bereiten sich alle auf Martins Rückkehr vor, Domi kann wieder ins Training einsteigen und die Hallen-Mannschaft will den Sprung in die erste Bundesliga schaffen. Während eines Aufenthalts auf Mallorca trifft Domi Ella, mit der er als 15-Jähriger kurz zusammen war. Die eifersüchtige Kerstin reagiert heftig und nimmt sich das Leben. Nach einer langen Zeit der Trauer versucht Domi sein privates Glück mit Ella.

STRANDGUT

Nach dem Gewinn der Jugendweltmeisterschaften ist das Interesse der Medien am Beachvolleyball geweckt. Es wird sogar noch größer, als sie die Jungs während einer Inlinertour stürzen und Ben wieder einmal für längere Zeit ausfällt. Mit wem wird Dominik spielen und kann er sich überhaupt mit einem neuen Spielpartner arrangieren? Ein alter Rivale zündet in seinem Hass Dominiks Trainingshalle und die Scheune mit den Gästewohnungen an. Das Sandhaus bleibt vom Feuer verschont, aber Dominik verliert allen Mut: Wie geht es jetzt weiter?

SOMMERZIELE

Nach dem Brand auf dem Sandhausgrundstück steht Dominik vor dem finanziellen Ruin, aber das ist nicht Domis einziges Problem. Robin möchte seinen Vater finden, Joni spielt mit seiner Gesundheit und der sportlichen Zukunft, Ella und Mimo fliegen nach Mallorca zu einer Hochzeit und das Schicksal schlägt auch hier wieder zu.

Während die Jungs bei den Deutschen Meisterschaften um eine gute Platzierung kämpfen, kämpft Martin um sein Leben. Doch es gibt auch schöne Momente: Domi und Ella heiraten ein zweites Mal.

Kapitel 1 Strandpiraten

Unsere Hochzeitsreise geht in die Karibik und unser Gepäck besteht aus nicht viel mehr als Badezeug, ein paar schicken Klamotten für den Abend und Mimo samt Piratenschiff. Das Schiff musste natürlich mit, denn als Mimo erfuhr, wohin die Reise geht, hat er es als Erstes in unseren großen Koffer gepackt. Die anschließende Diskussion haben Ella und ich in einem Satz verloren, aber Mimo war hartnäckig fordernd und wir hatten keine Chance. Woher er diesen Dickkopf hat, ist wohl jedem klar … von mir jedenfalls nicht.

Den ersten Tag verbringen wir mit der Erkundung der Umgebung, einer Döse-Einheit auf dem Himmelbett im mega-coolen Schlafzimmer und mit der Prüfung der Karibiktauglichkeit des Piratenschiffs, dann stürzen wir uns in die seichten Wellen. Mimo ist überrascht, dass das Wasser so warm ist. Er taucht immer wieder unter und ruft beim Auftauchen jedes Mal staunend: „Badewanne!“

Unser Sohn will unbedingt Schaum schlagen, wie es sich in einer Badewanne gehört, sieht aber bald ein, dass da nichts zu machen ist. Das Schiff ankert an einer langen Leine, aber es kann sowieso nicht wegschwimmen, da es bereits auf Grund gelaufen ist. Für Mimo ist dieser Aufenthalt unvergleichlich, er darf den ganzen Tag ein Pirat sein und hat seine Eltern ständig um sich. Das kommt zu Hause selten vor, weil ich wegen der Uni und der vielen Trainingseinheiten von früh morgens bis spät am Abend aus dem Haus bin. Deshalb hängen Mimo-Baby und Mimo-Boss wie die Kletten aneinander, zumindest am ersten Tag. Denn bereits am zweiten Tag hat unser Sohn sich verliebt. In Elin. Elin Sjörgren, bald zwei Jahre alt und ein zuckersüßes Schwedenmädchen, das genau weiß, was es will. Sie ist die perfekte Piratenbraut und hat schon allein deshalb bei Mimo einen dicken Stein im Brett. Die Sjörgrens, die zwei Tage vor uns angereist sind, sind froh, mit mir sozusagen einen Landsmann unter den Gästen gefunden zu haben, aber wir klären sie schnell auf, dass wir Deutsche sind. Warum wir uns so gut mit ihnen verständigen können, ist ebenfalls schnell erklärt und die Freundschaft ist bereits geschlossen. Mimos zukünftige Schwiegereltern sind Studenten und genau wie wir auf Hochzeitsreise. Tilda wird Grundschullehrerin, Linus soll später einmal die Firma seines Vaters in Göteborg übernehmen.

Göteborg ist ein gutes Stichwort: Farmor und Farfar, meine Großeltern, wohnen nämlich dort und deshalb ist schnell die Idee geboren, dass wir die Sjörgrens bei unserem nächsten Schwedenbesuch treffen. Das bringt uns gleich auf die Idee, Mimos schwedischen Urgroßeltern eine Postkarte zu schicken.

Unser Sohn nimmt die Sache mit der Postkarte sehr ernst, er sucht eine mit einem Schiff. Aber die achtzehntausend Stück, die wir finden, mag er nicht, deshalb suchen wir weiter. Schließlich finden wir eine Karte, die Mimos hohen Ansprüchen genügt, schreiben ein paar nette Worte, lassen dem Piraten noch ein wenig Platz für eine Krakelzeichnung und ab geht die Post.

Jede freie Sekunde verbringen wir mit den Sjörgrens, was vor allem auch daran liegt, dass Elin und Mimo unzertrennlich sind. Die Tage verbringen wir gemeinsam am Strand und die Nächte auf unserer Terrasse. Wir haben hier nämlich das größte Zimmer gebucht, die Honeymoon-Suite versteht sich.

Nicht nur Mimo und seine zukünftige Braut weinen heiße Tränen, als wir uns schließlich von unseren neuen Freunden verabschieden müssen, auch Ella und Tilda lassen ganze Gebirgsströme fließen. Natürlich tauschen wir E-Mailadressen und Telefonnummern aus und ich würde mich nicht wundern, wenn unser nächster Besuch in Schweden schneller kommt als gedacht. Wäre cool!

Der Rückflug ist ziemlich anstrengend, das liegt vor allem daran, dass Mimo sich einfach nicht beruhigen will. Er vermisst seine neue Freundin, aber vielleicht kann ihn der Besuch bei Oma Angelika in Hamburg ablenken. Ella plant während der Heimreise schon unseren nächsten Winterurlaub. Mich macht das nervös, denn sie schlägt mir völlig selbstbewusst vor, von nun an jedes Jahr an einem warmen Ort zu überwintern. Auf meine Frage hin, wie wir das Ganze denn finanzieren sollen, zuckt sie nur die Schultern, deshalb nehme ich ihre Pläne leichtsinnigerweise nicht richtig ernst. Aber natürlich kann es sein, dass sich das eines Tages noch rächen wird.

Es ist der Donnerstag vor Ostern, als wir in Hamburg landen und von Johannes am Flughafen abgeholt werden. Auf direktem Weg geht es zur Wohnung, wo der Mittagstisch gedeckt ist. Nach dem Essen geht Mimo ins Bett, wir setzen uns in den Wintergarten und erzählen von unserer Reise. Mama erkundigt sich interessiert nach unseren Plänen für Ostern und hofft, dass wir die Tage hier bei ihr verbringen, aber das geht natürlich nicht. Schließlich geht die Beachsaison bald wieder los und es wird Zeit, dass wir endlich vernünftig in die Hufe kommen. Ben ist mir immerhin schon um drei Wochen voraus und ich will nicht, dass er mich als alten Opa beschimpft, weil ich seiner Meinung nach keine Kondition habe und ich nicht die richtige Leistung bringe. Außerdem bin ich neugierig, was im Sandhaus so los ist und deshalb fahren wir am Karfreitag nach dem Frühstück nach Schilksee. Ella überredet mich allerdings, die Hamburger am Ostersonntag einzuladen und zumindest Mama wird dafür sorgen, dass ich nicht die ganze Zeit in der Halle verbringe. Was das Training angeht, ist Mama nämlich eine richtige Spaßbremse. Sie macht sich immerzu Sorgen, dass ich es sportlich übertreibe und merkt überhaupt nicht, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

Weil Osterferien sind, wurde unser Gästehaus hauptsächlich von Schülergruppen gebucht, die diesmal größtenteils aus den südlichen Bundesländern angereist sind. Das weiß ich von Linda, mit der ich gerade telefoniere, als Ella unsere Familienkutsche in die Einfahrt lenkt. Wir haben nicht viel Gepäck, deshalb geht das Ausräumen ganz schnell und weil Ella mit Lisa verabredet ist und Mimo sie unbedingt begleiten will, habe ich den Rücken frei und verziehe mich zu Ben in die Halle. Er trainiert allein mit Jonas, aber jetzt bin ich wieder da und es kann endlich richtig losgehen. „Hey, Urlauber“, begrüßt mich Ben und wirft mir den Ball zu. „Gut erholt?“

„Klar“, erwidere ich grinsend.

„Erzähl mal“, fordert mein Kumpel mich auf, aber Jonas sagt: „Später.“

Ich umarme meinen Dad und frage: „Wo sind denn die Kleinen?“

„In der großen Halle. Sie trainieren mit ein paar Teams aus Bayern.“

„Und wie sieht’s aus?“

„Super. Am letzten Wochenende haben wir ein kleines Turnier ausgespielt. Sie stecken alle in die Tasche.“

„Lasst uns anfangen“, schlage ich vor, aber Jonas achtet natürlich darauf, dass ich mich vernünftig aufwärme. Ich soll mich nämlich nicht gleich verletzen und deshalb steht erst mal Athletik auf dem Plan. Mein Vater schickt uns durch den Sand und mich danach aufs Sofa. Ich habe es auch nötig, denn ich bin total erledigt. Trotzdem fühle ich mich richtig gut. Endlich wieder Beachtraining! Jawollo!

Auch am Samstag trainieren wir, aber am Ostersonntag sprechen unsere Frauen ein Machtwort. Sowohl Ida und Frauke als auch Ella und Linda verordnen uns heute einen freien Tag und wenn wir nicht spuren, ist morgen am Ostermontag ebenfalls Langeweile angesagt.

Langweilig ist es aber nur bis zu dem Moment, als Mamas Auto am Horizont auftaucht. Sie kämpft mit Greta, die einfach nicht aussteigen will, sondern schmollend im Auto sitzen bleibt. Ich lehne mich gespannt ans Treppengeländer und bin schon ganz neugierig, wie meine Mutter dieses Problem lösen wird, aber als selbst Bestechung nicht hilft, nehme ich die Sache selbst in die Hand. Ich gehe auf meine Mutter zu, begrüße sie, schlage die Autotür mit einem Knall zu und sage: „Komm mit, Mama.“

„Aber Greta …“

„Sie hat keine Lust, das siehst du doch.“

„Aber wir können sie doch nicht einfach im Auto lassen.“

„Und wieso nicht? Sie will es doch so!“

„Aber …“

„Nun komm schon. Ich wette, wenn sie merkt, dass sie dich nicht mehr herumkommandieren kann, läuft sie dir hinterher. Wo ist übrigens Johannes?“

„Er musste heute für einen kranken Kollegen einspringen. Morgen leider auch, deshalb bleibt er in Hamburg.“

„Oh“, sage ich enttäuscht. „Das ist aber schade.“

„Ja, er hat sich sehr auf das Osterfrühstück gefreut.“

Wie im letzten Jahr haben Ida und Linda eine schwedische Festtafel im Garten aufgebaut und fordern uns jetzt auf, uns endlich hinzusetzen, bevor der Käse schmilzt und die Milch sauer wird. Mir scheint, es gerät gerade ein ominöser Zeitplan durcheinander und ich frage mich, ob hier irgendjemand irgendetwas plant, von dem ich nichts weiß und von dem zumindest Ben und ich nichts wissen sollen, denn alle anderen grinsen nur wissend und weiden sich an unserer Neugier. Auch Robin und Timm scheinen nicht eingeweiht zu sein, denn sie sind genauso ratlos wie Ben und ich. „Ella?“, frage ich mit meinem besten Ich-bin-ein-kleiner-Junge-Blick, aber Ella lacht nur: „Sei nicht so neugierig.“

Ich reiße mich wirklich zusammen und nehme mir felsenfest vor, jetzt einfach abzuwarten, denn eines ist sicher: Es gibt heute noch eine Überraschung und es ist eine gute, sonst würde sich mindestens einer der Michaufdiefolterspanner als ziemlich nervös outen, aber alle sind ruhig und grinsen.

Nach dem Frühstück beginnen die Damen des Hauses mit dem Tischabräumen, während Mama noch einmal nach Greta sieht. Greta ist inzwischen im Auto eingeschlafen und Mama trägt sie in den Garten. Langsam wacht die kleine Kröte auf und fängt sofort wieder an zu zetern.

„Wenn Greta weiterhin so ein Theater macht, nehmen wir sie nicht mit nach Kiel“, plappert Linda in ihrer typischen Art.

„Ah! Wir fahren nach Kiel?“, fragt Ben.

„Ja, und dreimal darfst du raten, was wir dort machen“, stichelt sie.

„Mittagessen?“

„Bist du noch nicht satt, Dicker?“, grinse ich.

„Muss ja nicht sofort sein“, lacht Ben.

„Mittagessen ist sowieso ganz kalt“, erklärt Ella und gibt uns einen Tipp: „Wir besuchen einen interessanten Ort.“

„Wir gehen in die Kirche?“, frage ich dümmlich.

„Quatsch“, lacht Linda. „Ganz, ganz kalt.“

„Nun sagt schon“, quengele ich und Ella gibt uns noch einen Tipp: „Wir treffen jemanden, den ihr schon ganz lange kennt.“

„Hm!“, überlegt Ben.

„Es ist jemand, der euch seit Jahren verrückt macht“, hilft Frauke weiter.

„Linda ist doch schon hier!“, grinst Robin.

„Hey“, antwortet sie entrüstet.

„Also?“, frage ich.

„Rate!“, nervt Linda.

„Mir fällt nur Christopher ein.“

Das stimmt nicht ganz. Mir fällt auch noch meine Mutter ein, aber sie ist ja schließlich schon hier, deshalb kann es eigentlich nur Christopher sein. Ich frage mich nur, warum mich das freuen sollte. „Christopher ist es jedenfalls nicht“, sagt Ella und gibt mir noch einen Tipp: „Sie gehören zu euren besten Freunden.“

Ben und ich sehen uns ratlos an, aber dann macht es sowohl bei ihm als auch bei mir auf einmal Klick und wir rufen gleichzeitig: „Hayden und Taylor?“

„Bingo!“, freut sich Linda.

„Cool!“, ruft Ben, aber ich überlege: „Die nerven uns doch nicht?“

„Klar tun sie das“, lacht Linda. „Schließlich besiegen sie euch andauernd.“

„Mieser Trick!“, grinse ich und kitzele meine kleine Schwester. Ihr Kreischen schmerzt in meinen Ohren. „Wie lange bleiben sie?“

„Zwei Wochen.“

„Wird ja immer besser!“

„Wie müssen los!“, mahnt mein Vater und winkt mit den Autoschlüsseln. „Wer kommt mit?“

Wir machen uns zu viert auf den Weg: Jonas, Linda, Ben und ich. Unser Ziel ist der Bahnhof.

„Wir klinken uns lieber aus“, sagt Mama bedauernd. „Mit Greta kann man sich heute nirgendwo sehen lassen.“

„Schade“, heuchle ich, aber meine Mutter habe ich schließlich erst vor ein paar Tagen gesehen, bei Hayden und Taylor ist es ein paar Wochen her. Sie waren Gäste auf meiner Hochzeit. Robin und Timm bleiben auch im Sandhaus und es würde mich nicht wundern, wenn wir sie nach unserer Rückkehr in der Halle treffen. Diese gerissenen kleinen Luder!

Während Mama und Greta nach Hamburg zurückreisen, fahren wir zum Kieler Bahnhof und holen unsere Londoner Freunde ab. Natürlich sind wir überrascht, dass Johannes bei ihnen ist, denn Mama sprach doch von einer Vertretung im Krankenhaus, aber das sollte wohl ein Trick sein. Jedenfalls erfahren wir, dass Johannes die Jungs am Hamburger Flughafen abgeholt und sich mit ihnen in den Zug nach Kiel gesetzt hat.

„Warum so umständlich?“, frage ich irritiert und Johannes erklärt: „Wieso umständlich? Wir wären sonst mit zwei Autos hier und …“

„Aber Mama ist doch längst nach Hamburg zurückgefahren.“

„Was? Wieso das denn?“

„Greta hat herumgezickt und Mama dachte, da wäre es wohl besser, wenn …“

„Aber sie wusste doch, dass ich mit den Jungs herkomme.“

„Hm, sie ist wohl nicht ganz sortiert im Moment, was?“

„Ja, in letzter Zeit ist sie ziemlich zerstreut. Ich rufe sie mal an.“

Während Johannes mit Mama telefoniert, warten wir auf einer Bank und tauschen die letzten Neuigkeiten aus. Hayden und Taylor nutzen den Rest der Semesterferien, um mit uns zu trainieren, dann geht’s für sie zurück nach London, wo sie in der höchsten englischen Turnierserie mitspielen. Genau das haben wir dieses Jahr in Deutschland vor, deshalb kommen die Jungs wie gerufen; sie sind im Moment die perfekten Trainingspartner für uns. Was für ein Glück, dass die Londoner zwei Wochen länger Ferien haben als wir, wir selbst müssen nämlich schon am Dienstag zurück in die Tretmühle.

Johannes ist ratlos, als er das Telefonat beendet: „Angelika will nicht zurückkommen, deshalb setze ich mich jetzt in den Zug. Macht’s gut, Leute. Wir sehen uns.“

„Komm mal vorbei, ja?“, bitte ich ihn. Es ist wirklich schade. Wir sehen uns so selten und ich habe mich riesig gefreut, als er vorhin aus dem Zug gestiegen ist. Aber Greta ist die Chefin im Hause Lessing und deshalb fährt mein Stiefvater zurück nach Hamburg. Wir umarmen uns lange, dann verabschieden wir uns.

Als wir ins Sandhaus zurückkehren, haben Benni-Two und Mimo draußen den Sandkasten geentert. Das steckt ihnen in den Genen, schließlich sind sie Strandjungs wie ihre Papas. Mimo hat natürlich sein Schiff dabei und Benni-Two einen Ball. Zuerst spielen sie mit dem Schiff im Sandkasten, später werfen sie sich den Ball hin und her. Mit dem Fangen klappt es noch nicht so gut, aber es ist ein Schaumstoffball und deshalb machen wir uns um blaue Flecke, Beulen oder gar Blut keine Sorgen.

Die Londoner Jungs kommen im Internat unter, die Internatsschüler haben Ferien und Lisa hat genug Platz. Gegessen wird natürlich im Sandhaus und trainiert auch … allerdings erst am Dienstag. Der Montag steht hier nämlich ganz unter dem Motto „Wer sich rührt, der hat verloren!“, so jedenfalls bestimmt es Linda und ein Vetorecht hat hier niemand, schließlich ist sie schwanger und somit die Chefin in allen Bereichen. Als Chefin schlägt sie sofort einen Entspannungstag vor.

Entspannen ist ätzend. Vor allem, wenn man die besten Trainingspartner der Welt bei sich und einen langen Urlaub hinter sich hat. Außerdem stößt das, was Linda entspannend findet, bei uns schnell auf Langeweile. Zum Glück ist Ella ebenfalls schwanger und als Chefin Nummer zwei hat sie irgendwann ein Einsehen: „Pause, Jungs.“

„Wir haben schon den ganzen Tag Pause“, mault Ben.

„Und jetzt habt ihr Pause von der Pause. Ihr dürft zwei Stunden in die Halle.“

„Wieso?“, schmollt Linda.

„Weil sie ganz besonders brav waren“, grinst Ella und damit hat sie sich einen dicken Kuss verdient. Bevor Linda Amok läuft, springen wir in unsere Klamotten und stehen augenblicklich in der Halle. Kurz aufgewärmt und los geht’s.

Völlig ausgepowert kommen wir nach genau einer Stunde und neunundfünfzig Minuten zurück ins Sandhaus, um uns bloß keine Standpauke von Linda abzuholen. Allerdings müssen wir jetzt duschen und anschließend gibt es auch schon Abendessen. Der Tag ist bald um und die Semesterferien leider auch. Morgen beginnt in Kiel das Sommersemester, während die Londoner noch zwei freie Wochen haben. Die Welt ist wirklich ungerecht.

An der Uni hat sich nichts verändert und obwohl mir das Lernen bisher meistens Spaß gemacht hat, erwische ich mich jetzt zum ersten Mal dabei, dass ich überhaupt keine Lust habe, dort heute aufzutauchen. Das Gute an diesem Tag ist allerdings, dass wir zwei Trainingseinheiten haben und zwar einmal direkt vor der Uni und einmal danach. Während meiner Abwesenheit hat Jonas nämlich eigenmächtig unseren Terminplan umgebastelt und dabei nicht nur unsere Joggingzeiten halbiert, sondern auch noch angeordnet, dass wir morgens vor der Uni in Kiel trainieren. Da Kiel aber immer noch keine Trainingshalle hat, ist morgens Krafttraining angesagt. Aber das ist nicht die einzige Katastrophe. Er hat uns nämlich nicht nur das Joggen versaut, sondern lässt uns nur noch dreimal wöchentlich in die Sandhalle. Das Schwimmen am Donnerstagabend hat er uns komplett gestrichen, aber jetzt gehen wir auf die Barrikaden. Nach einer hitzigen Diskussion gibt er nach und ich korrigiere unseren Trainingsplan. Montags haben wir jetzt komplett frei, das freut zwar die Mädchen, aber ich ahne Schlimmes. Ella und ich sind es nämlich nicht gewöhnt, ständig aufeinanderzuhocken. Was ist, wenn wir uns irgendwann gegenseitig auf den Keks gehen? Oder was ist, wenn Mama merkt, dass ich einmal in der Woche frei habe? Taucht sie dann etwa jeden Montag hier auf und geht mir auf die Nerven? Darauf kann ich wirklich verzichten.

Was den Trainingsplan angeht, duldet Jonas übrigens keinen Widerspruch, so sehr wir auch meckern und maulen … er bleibt hart. Ich bin richtig sauer, dass ich nur noch eine halbe Stunde täglich joggen darf und für montags hat er es uns sogar komplett gestrichen. Als ich deswegen eine neue Diskussion starten will, wird er laut: „Verdammt noch mal, was ist denn los mit euch? Ist euch vielleicht schon mal zu Ohren gekommen, dass ich als Trainer die Verantwortung für eure Fitness habe? Könnt ihr mir mal erklären, warum ihr hier so einen Wind macht?“

„Das ist so ätzend!“, maule ich. Ich hasse es, wenn mein Vater den starken Macker markiert und vor allem hasse ich, wenn er hier den Chef spielt. Das ist schließlich mein Haus, mein Grundstück, meine Halle und ich bin hier der Boss … Mimo-Boss! Wird Zeit, dass das hier mal alle kapieren!

Weil wir uns die letzten Tage des Aufenthalts unserer Londoner Freunde aber nicht vermiesen lassen wollen, verschieben wir die Diskussion auf später, obwohl wir eigentlich ganz genau wissen, dass wir sowieso schon verloren haben.

Die zwei Wochen mit Hayden und Taylor vergehen wie im Flug und als wir sie am Bahnhof verabschieden, überreichen sie uns die Einladung zu ihrer Hochzeit. Die Jungs planen eine Doppelhochzeit und zumindest die Einladungskarten lassen auf ein Mega-Event schließen. Termin ist der 19. Mai. Das ist ein Samstag und der Tag ist perfekt, an diesem Wochenende haben wir nämlich kein Turnier.

Ben und ich stecken während der nächsten Wochen ziemlich im Uni-Stress. Weil wir montags Zeit haben, hängen wir nachmittags über unseren Büchern und kümmern uns danach um unsere Zwerge. Wir hatten spontan denselben Einfall, mit den Kindern Schwimmkurse zu besuchen, aber die Mamas haben gleich Lunte gerochen und uns diesen Spaß gestrichen. Montag ist Ausruhen angesagt! Blablabla!

Aber nicht alles ist Trott im Moment, denn am 16. April, als Benni-Two zwei Jahre alt wird, ist hier richtig was los. Das liegt nicht nur daran, dass Ella und Linda die halbe Nacht damit verbracht haben, hunderte von Luftballons aufzupusten und das ganze Haus damit zu schmücken, nein, es liegt vor allem daran, dass es zum Frühstück bereits Torte gibt. Das ist auch der Grund, warum wir einfach unsere Joggingrunde auf die gewohnte Zeit von einer Stunde ausdehnen und die eineinhalb Stunden Krafttraining in Kiel schwänzen. Jonas ist überhaupt nicht begeistert, aber es kann ja schließlich nicht immer nach seiner Nase gehen, oder? Benni-Two jedenfalls genießt seinen Ehrentag und Mimo-Baby freut sich mit seinem besten Kumpel über die Geschenke. Dieses Jahr können wir draußen feiern; es ist sogar warm genug für einen kleinen Pool, in dem bereits Mimos Piratenschiff schwimmt. Leider müssen wir nach dem Frühstück zur Uni und am Nachmittag haben wir Training. Aber die Kleinen dürfen zur Feier des Tages so lange aufbleiben, bis wir zurück sind, sodass wir am Abend noch einmal gemeinsam Torte essen können. Benni-Two plappert die ganze Zeit, das hat er eindeutig von seiner Mutter, aber Mimo schläft erschöpft beim Essen ein, sodass ich ihn ins Bett tragen muss. Ich wasche ihm nur Hände, Gesicht und Füße, decke ihn warm zu und lösche das Licht. „Gute Nacht, Pirat!“, sage ich leise, bevor ich die Tür schließe.

Weil es noch immer warm ist, setzen wir uns noch ein wenig mit einem Glas Wein in den Garten. Frauke stellt Knabbersachen bereit und erzählt uns, was wir den Tag über so verpasst haben. Benni-Two hatte nämlich eine kleine Party mit Freunden aus dem Kindergarten, den er und Mimo seit ein paar Wochen besuchen. Insgesamt haben sechs Kinder das Sandhaus unsicher gemacht und von den Ballons sind kaum noch welche heil. Es ist schade, dass wir den ganzen Spaß verpasst haben!

Nach und nach verschwinden alle, nur Ben und ich sitzen noch hier draußen und starren ins Leere, dann geht auch Ben ins Haus. „Mir wird langsam kalt“, sagt er „Ich gehe rein.“

„Ich komme bald nach“, antworte ich. Ich will einen Gedanken verfolgen, der mir heute ganz früh kam, als wir die Torte angeschnitten haben. Ich habe an Maja gedacht, die bald ihren achten Geburtstag feiern würde. Nun ist sie schon so viele Jahre nicht mehr bei uns, aber es gibt Tage, da geht sie mir einfach nicht aus dem Kopf. Vielleicht liegt es daran, dass bald ihr eigener Geburtstag ist. Wie wir diesen Tag wohl verbringen?

Ich friere und sollte wirklich langsam ins Haus gehen, aber der Gedanke an Maja lässt mich nicht los. Im Stillen halte ich Zwiesprache mit ihr und deshalb merke ich nicht, dass es immer kälter und kälter wird. „Du wirst noch krank!“, ruft Ida vom Küchenfenster aus und holt mich aus meiner gedanklichen Tiefe. Ich gehe ins Haus, trinke den Tee, den Ida mir anbietet und wache am nächsten Tag mit Halsschmerzen auf. Herzlichen Glückwunsch! Während mir aber alle im Sandhaus eine gute Besserung wünschen, dreht Jonas gleich wieder am Rad: „Was musstest du gestern auch so lange im T-Shirt in der Kälte sitzen?“

Als Antwort niese ich ihn an und überlasse Linda die Erklärung: „Er wird schon seine Gründe gehabt haben, Papa.“

„Ach ja?“, mosert mein Vater, aber Linda ist nahe an der Wahrheit: „Ich bin sicher, mein Bruderherz hatte etwas zu klären, stimmt’s?“

„Hmmm“, nuschele ich und will das Thema eigentlich schon beenden, aber Linda sieht mir mal wieder mitten ins Herz: „Oma, ganz kleine Schwester, Quasi-Papa oder – wollen wir es mal nicht hoffen – Ex-Freundin?“

„Maja“, sage ich leise.

„Ja!“, schnieft Linda. „Das habe ich mir beinahe gedacht.“

„Sie hat bald Geburtstag.“

„Ja, ich weiß.“

„Du warst wegen Maja draußen?“, fragt mein Vater entschuldigend.

„Hmmm.“

„Tut mir leid, Großer“, entschuldigt sich mein Vater und will mich umarmen, aber ein neuer Niesanfall trennt uns sofort wieder.

„Bleib heute im Bett“, bestimmt er deshalb schon deutlich ruhiger.

„Tja, Hannover sagen wir dann wohl ab, oder?“, fragt Ben, aber Jonas zieht gleich ein Ass aus dem Ärmel: „Du spielst mit Timm.“

Ben wirft mir einen fragenden Blick zu und ich zucke die Schultern: „Ja, macht das!“

„Und Robin?“

„Robin und Timm sind gar nicht für Hannover gemeldet.“

„Ich melde euch an“, macht Jonas gleich wieder einen auf Supertrainer.

„Vielleicht solltest du sie erst mal fragen, Papa“, mischt sich Linda ein, aber Jonas winkt nur ab. Typisch! Als Jonas verschwunden ist, kuschelt sich meine kleine Schwester an mich: „Ich wusste, dass du mit Maja sprichst.“

„Ich habe nur an sie gedacht“, stelle ich gleich richtig.

„Weiß ich doch. Gehen wir wieder zusammen zum Friedhof?“

„Natürlich.“

„Ich lasse dich jetzt schlafen, Bruderherz.“

„Hmmm.“

Ich bin wirklich müde, aber kaum hat Linda mein Bett verlassen, kuschelt sich Ella an mich. „Ich schmuse dich jetzt gesund“, flüstert sie mir ins Ohr.

„Hmmm.“

„Pass mal auf, du Held, du wirst jetzt ganz schnell gesund und wir fahren einfach als Touristen nach Hannover. Dann kannst du mal schön von der Tribüne aus verfolgen, wie die anderen so schwitzen.“

„Zusehen ist ätzend.“

„Ich weiß, Kleiner, aber diesmal hast du keine andere Wahl, also mach das Beste daraus.“

„Bleibt mir ja auch nichts anderes übrig.“

„Oh, der Patient kann schon wieder meckern. Es geht also aufwärts.“

„Du bist eine schlechte Trösterin.“

„Aber ich bin diesmal eine gute Schwangere, oder?“

„Was?“

„Sagt dir der Name Cinderella etwas?“

„Bitte nicht, ich bin kurz vor dem Sterben.“

„An einer Erkältung stirbt man nicht, du Lusche. Außerdem halte ich dich jetzt schön warm und am Freitagmorgen fahren wir alle nach Hannover. Wie hört sich das an?“

„Wie ein Wunder“, maule ich, aber Ella ignoriert meine Laune: „Siehst du? Und jetzt schlaf schön und träume süß.“

Ich kann allerdings nicht einschlafen, denn dafür bin ich viel zu hungrig, das ist doch ein gutes Zeichen, oder? Während Ben und unsere Kleinen noch joggen, setze ich mich also zum Rest der Sandhausbewohner an den großen Küchentisch und widme mich meinem Müsli. Ich schiebe mir gerade den letzten Löffel in den Mund, als die Jungs zurückkehren. Sie haben den Doc mitgebracht. „Wo ist der Patient?“, fragt er mit seiner lauten Stimme.

„Hier“, krächze ich und winke ihn in die Küche.

„Fieber?“

„Nein.“

„Symptome?“

„Hals kratzt, Nase ist zuzementiert, Laune geht so.“

„Hmmm, komm mal mit in dein Zimmer.“

Ich folge dem Halbgott und lasse mich untersuchen, dann hole ich mir die Diagnose ab, die sich mit meiner eigenen deckt: Kein Fieber, also keine Grippe, sondern nur eine harmlose Erkältung. Mit so was kann man noch nicht einmal angeben und schon gar nicht lässt man mit so was ein Turnier aus, aber Jonas sieht das Ganze natürlich anders: „Du spielst am Wochenende nicht.“

Mein genervtes Stöhnen ignoriert er.

Meine Quasi-Großeltern empfangen uns am Freitagmittag mit der besten Laune und einer ziemlich schrägen Idee. Maria hat nämlich alte Betttücher bemalt und glaubt allen Ernstes, dass wir darüber jubeln. Zum Glück haben wir sie aber noch nicht über meine tödliche Krankheit aufgeklärt und jetzt ist sie natürlich etwas enttäuscht, denn Timms Name steht nicht auf den Bannern und er heißt nun mal nicht Dominik. Wir tun eine Weile lang so, als hätten wir großes Mitleid mit ihr, aber dann sind wir doch erleichtert, als sie die Tücher zusammenrollt und in die Mülltonne stopft – glücklicherweise kommt sie nicht auf die Idee, die Laken bis zum nächsten Jahr aufzubewahren.

Da Ben ursprünglich mit mir als Teampartner gemeldet war und Timm gar nicht auf der Liste stand, muss das Team durch die Qualifikation und ist deshalb schon am Freitag am Start. Wir fahren allerdings nur mit einer kleinen Gruppe zum Steintor: Ben und Timm, Jonas, Klaus, Robin und ich. Ida und Ella bleiben bei Maria, Frauke und Linda sind im Sandhaus geblieben.

Freitags ist üblicherweise am Court noch nicht allzu viel los, so auch in Hannover. Die Zuschauer verlieren sich auf den Tribünen und von den Spielern sind nur die da, die durch die Qualifikation müssen. Wäre dies jetzt ein Fußballturnier, wären die Ränge mit Sicherheit überfüllt; nicht nur von Zuschauern, sondern auch mit den Mannschaften, die erst morgen ins Turnier einsteigen. Beachvolleyballer sehen aber nicht gern anderen Beachern beim Spielen zu; sie wollen selber spielen, weil es so unendlich geil ist. Zusehen ist ätzend, aber ich glaube, ich wiederhole mich.

Ben als ehemaliger und Timm als aktueller Jugendnationalspieler sind hier als Team natürlich hoch gesetzt und gewinnen die Qualifikation ohne große Mühe. Als das Turnier aber am Samstag so richtig losgeht, sind ganz andere Kaliber am Start und die Siege nicht mehr selbstverständlich. Selbst auf Platz zehn gesetzt, schlagen sie in der ersten Runde das auf Rang fünfzehn eingruppierte Team, haben in der nächsten Runde Losglück und in der dritten Runde mehr Glück als Verstand. Ben ist nämlich überhaupt nicht auf der Höhe, was daran liegt, dass er kurz vor Spielanpfiff unbedingt noch einmal bei Linda in Schilksee anrufen musste. Und Linda musste ihrem Goldstück unbedingt erzählen, dass es ihr heute nicht besonders gut geht. Jetzt ist Bennilein natürlich etwas beunruhigt und das merkt man seinem Spiel auch an. Zum Glück ist Timm mutig genug, ihn nach dem ersten Satzverlust so richtig zusammenzufalten, was anscheinend wirkt. Die Sätze zwei und drei werden zumindest gewonnen und das Team steht im morgigen Halbfinale.

Für heute ist jedenfalls Schluss mit lustig. Ben lässt sich noch einmal von seinem Schwiegervater abkanzeln, ist dementsprechend für den Rest des Tages ziemlich bockig und lässt seine Laune auch noch an mir aus: „Deine Schwester nervt!“

„Ich habe dich nicht gezwungen, sie zu heiraten“, ärgere ich ihn.

Zum Glück haben wenigstens die Hannoveraner gute Laune, aber sie haben nicht nur gute Laune, sondern auch eine sensationelle Idee: wir grillen! Ich helfe Klaus im Garten, während Ida und Ella meiner Quasi-Oma in der Küche zur Hand gehen, und zucke kurz zusammen, als Ella plötzlich aufgeregt nach mir ruft: „Chico!“

Besorgt laufe ich zu ihr, aber sie strahlt mich nur an, greift meine Hand, legt sie auf ihren Bauch und sagt: „Johanna ist wach.“

Wir grinsen uns an und Maria wird sofort hellhörig: „Es wird ein Mädchen?“

„Zu hundert Prozent“, antwortet Ella.

„Das könnt ihr schon so genau sagen?“

„Ja, absolut.“

„Endlich darf ich Puppenkleider nähen!“, schwärmt Maria. „Ich fahre am Montag sofort in die Stadt und kaufe Stoffe.“

„Das könnt ihr gleich morgen erledigen“, mischt sich Klaus ein. „Es ist verkaufsoffener Sonntag.“

„Das boykottiere ich aus Prinzip“, lehnt Maria aber sofort ab und mir ist klar, dass über dieses Thema schon oft in diesem Hause diskutiert wurde. Klaus schmunzelt nämlich nur hinterhältig und Maria glüht!

Der Abend ist gemütlich, aber es wird schnell kühl und deshalb sitzen wir bald drinnen im Wohnzimmer und plaudern locker über unsere Pläne für dieses Jahr, was Klaus auf die Idee bringt, mich ein wenig zu ärgern: „Wenn Chico sich jetzt aber mit jedem kleinen Schnupfen ins Bett legt, sammelt ihr nicht sonderlich viele Punkte.“

„Du bist so witzig, Klaus“, maule ich genervt, aber Robin muss gleich noch einen draufsetzen: „Chico geht jetzt nur noch im Schneeanzug vor die Tür, dann verkühlt sich der Kleine nicht.“

„Wo wir gerade von Kindern reden … wollen wir irgendetwas spielen?“, stichelt Klaus weiter und kramt schon in der Schublade nach einem Kartenspiel. Ben und ich stöhnen auf. Beide sind wir ziemlich schlechte Kartenspieler und auch heute gibt es für uns nichts zu gewinnen.

Zu gewinnen gibt es auch am Sonntag nichts. Ben und Timm verlieren nämlich beide Spiele und werden Vierte und für den vierten Platz gibt es noch nicht einmal Geschenke, was mich schon immer geärgert hat. Sollte ich jemals ein eigenes Turnier ausrichten, führe ich gleich die Regelung ein, dass es auch für die Viertplatzierten Preise gibt. Schließlich ist es schon ätzend genug, zwei Spiele hintereinander zu verlieren, da muss man nicht auch noch mit leeren Händen nach Hause fahren.

Nach der Siegerehrung, die in diesem Jahr ohne Sandhausbeteiligung stattfindet, verabschieden wir uns von Maria und Klaus und fahren auf direktem Weg nach Hause.

Der nächste Tag beginnt wieder mit Schluckbeschwerden. Nicht, weil ich mich schon wieder erkältet habe, sondern weil heute Majas Geburtstag ist. Weil wir jetzt montags zwangsfrei haben, treffe ich mich direkt nach der Uni mit Linda, Ida und Jonas vor dem Friedhof. Wir halten stumm Zwiesprache mit meiner ganz kleinen Schwester und natürlich ist es Linda, die die Stille unterbricht: „Stell dir vor, Maja, dein Bruderherz hat sogar eine Erkältung in Kauf genommen, weil er dir nahe sein wollte.“

„Linda“, stöhne ich und warte auf die Reaktion meines Vaters, aber er sagt nichts. An Majas Grab kann er einfach nicht reden, dafür redet er am Abend im Sandhaus umso mehr: „Nächstes Jahr kommt ihr Mörder schon wieder frei. Es ist unglaublich, oder? Unser kleines Schwedenmädchen ist für immer verloren, aber dieser Raser hat nur noch eineinhalb Jahre.“

„Nächstes Jahr schon?“, hakt Linda nach.

„Ja, die Verhandlung war im September vor vier Jahren, er hat fünf Jahre bekommen, also ist er im nächsten September schon wieder auf freiem Fuß.“

„Vielleicht sogar schon eher“, sagt Ida traurig. „Wegen guter Führung und so …“

„Du meinst, er könnte schon wieder draußen sein?“, fragt Jonas entsetzt und Ida nickt. „Können wir das irgendwo erfahren?“, will mein Vater wissen. Er sieht mich an, ich zucke die Schultern und antworte: „Was soll das bringen?“

„Ich weiß nicht“, resigniert Jonas. „Ich weiß es nicht, aber die Vorstellung, dass er vielleicht wieder durch die Straßen rast, macht mich verrückt. Meint ihr, er könnte schon wieder frei sein?“

Mein Vater ist wirklich aufgeregt, das sieht man ganz deutlich und man hört es auch an seiner Stimme. Ich will ihn beruhigen, aber er fragt noch einmal: „Glaubt ihr das?“

„Das müsste man doch rauskriegen“, sage ich. „Ich hole meinen Laptop.“

Nach einer kurzen Recherche haben wir Gewissheit. Ja, wenn sich dieser arrogante Kerl im Knast von seiner besten Seite gezeigt hat, dürfte er schon wieder die Straßen unsicher machen.

„Einfach so?“, fragt Jonas geschockt und ich kläre ihn auf: „Nein, die Reststrafe wird auf Bewährung ausgesetzt, so steht es hier.“

„Es ist so ungerecht.“

„Denk nicht mehr dran!“, bitte ich meinen Vater.

„Aber es ist nicht fair. Er hat sein Leben noch vor sich, aber Majas Leben ist vorbei und wir haben kaum etwas, was uns an sie erinnert, nur diesen Grabstein.“

„Und die Postkarte“, sage ich, hole Majas letzte Karte an mich aus London aus meiner Tasche und reiche sie meinem Vater.

„Sie wollte unbedingt zu dir“, schnieft er leise.

„Ich weiß“, erwidere ich traurig, während Ida nach der Karte greift.

„Ich finde es schön, dass du sie immer bei dir hast“, sagt sie und ist überrascht, als ich noch eine weitere Karte aus meiner Tasche ziehe. Es ist die Kommunionskarte meines Vaters. Ida liest sie und weint: „Das hast du wunderschön geschrieben, Jonas. Ich hätte nie gedacht, dass du solche schönen Worte findest.“

„Ich habe Tage dafür gebraucht.“

„Und du hast alles in Deutsch geschrieben.“

„Es war nicht leicht.“

Linda ist natürlich sofort neugierig: „Was hast du denn geschrieben, Papa?“

„Darf ich vorlesen?“, bittet Ida, Jonas nickt, Ida räuspert sich und liest vor:

„Lieber Dominik,

weißt du, wer ich bin? Ich bin dein Vater, heiße Jonas und lebe in London mit deiner kleinen Schwester und meiner Frau. Dass du nicht auch bei uns lebst, haben wir Umständen zu verdanken, die ich selbst nicht ganz verstehe. Ich denke oft an dich und habe mir schon mehrmals vorgenommen, dich einmal zu besuchen, aber ich habe Angst davor. Vielleicht lehnst du mich ab? Das zumindest behauptet deine Mutter und ich muss ihr glauben, oder? Ich weiß nicht, warum du mich nicht sehen willst, ich weiß nur, dass ich dich unbedingt treffen möchte, um einmal in Ruhe mit dir zu reden. Vielleicht änderst du dann deine Meinung über mich und wir können uns anfreunden. Ich habe dir deshalb meine Telefonnummer aufgeschrieben und warte mit klopfendem Herzen auf deinen Anruf. Falls du dich nicht traust, mich persönlich zu sprechen, dann schreib mir doch bitte. Ich möchte dich endlich kennenlernen, wir haben schon genug Zeit verpasst. Ich wünsche dir eine schöne Kommunionsfeier und hoffe, so schnell wie möglich von dir zu hören.

Dein Vater Jonas.“

„Aber du hast nicht angerufen, oder?“, fragt Linda leise.

„Nein.“

„Und geschrieben hast du auch nicht, oder?“

„Nein.“

„Aber … warum nicht?“

„Angelika hat die Karte an sich genommen“, erklärt mein Vater.

„Im Ernst?“ Linda ist wirklich geschockt.

„Ja, es ist wirklich tragisch. Ich habe Wochen und Monate auf eine Nachricht gewartet.“

„Deine Mutter ist wirklich eine hohle Nuss“, sagt Linda.

„Hmmm.“

„Ich wette, für deine kleine Schwester plant sie jetzt schon die Party.“

„Hmmm.“

„Ich wette, sie mietet ein ganzes Hotel und …“

„Das macht sie wahrscheinlich schon zu ihrer Einschulung“, antworte ich frustriert.

„Du bist eifersüchtig?“, wundert sich Ida.

„Ja … manchmal“, gebe ich zu.

„Weiß das deine Mutter?“

„Ich weiß nicht … ich glaube nicht … wisst ihr noch? Damals … die Sache mit ihren Winterjacken …“

„Ja, da hast du ihr mehr als deutlich gemacht, was du von ihren Erziehungsmaßnahmen hältst.“

„Und? Hat sie daraus gelernt?“, frage ich sarkastisch.

„Vorübergehend“, stänkert Linda. „Aber … wie gesagt … sie ist ja auch eine hohle Nuss.“

„Ich glaube eher, sie ist genau das Gegenteil. Sie verstellt sich nur, wisst ihr? Es ist reiner Selbstschutz. Es war bei meinem Opa so, es war bei Rübe so …“

„Wie meinst du das?“

„Na ja, sie hat alles geschluckt, aber jetzt hat sie den Spieß umgedreht. Johannes frisst ihr aus der Hand und Greta manipuliert sie. Sie lässt Greta gewähren, weil sie weiß, dass sie sich auf Johannes verlassen kann.“

„Ich kann dir nicht folgen“, sagt Ida.

„Egal“, antworte ich. „Auf solche Gedanken komme ich nur, weil ich heute nicht trainieren darf und außerdem geht es hier schließlich um Maja und nicht um Greta.“

Wir verstummen für ein paar Minuten und kommen erst wieder zu uns, als Geräusche von der Tür zu hören sind. Ella und Ben waren mit unseren Krümeln unterwegs und kehren jetzt ins Sandhaus zurück. „Alles gut bei euch?“, fragt Ben. Wir nicken. Ja … alles ist gut …

„Sieht mir nicht danach aus“, zweifelt Ella und kontrolliert die Farbe meiner Augen, ich weiche ihrem Blick aus und sage leise: „Uns ist gerade klargeworden, dass …“ Ich suche nach den richtigen Worten, die Linda schon gefunden hat: „Es könnte sein, dass Majas Mörder schon wieder frei ist.“

„Hmmm“, überlegt Ben. „Vorzeitige Entlassung nennt man das. Wenn man sich halbwegs benimmt und so …“

„Oh!“, sagt Ella nur. „Wie kommt ihr damit klar?“

„Wir können es nicht ändern“, antworte ich. „Und außerdem hat jeder eine zweite Chance verdient. Wenn wir den Paragraphen richtig verstanden haben, muss er für den Rest der Zeit Bewährungsauflagen erfüllen, das ist auch nicht leicht. Im Knast hatte er zumindest genug Zeit, um über seinen Fehler nachzudenken.“

Linda holt protestierend Luft, aber ich fahre ihr über den Mund: „Ich weiß, damals im Gerichtssaal war er nervig arrogant und ich hätte ihm am liebsten die Zähne eingeschlagen, aber vielleicht hat er sich geändert? Woher sollen wir das wissen? Vielleicht ist er ein besserer Mensch geworden? Wir sollten nicht weiter über ihn urteilen, okay? Lasst uns das Ganze einfach vergessen.“

„Wir sollen Maja vergessen?“, fragt Linda aufgebracht.

„Nein, wir sollten die Umstände ihres Todes vergessen. Lasst uns doch einfach so tun, als sei sie friedlich eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht.“

„Ich weiß nicht“, zweifelt meine kleine Schwester, aber ich gebe nicht nach: „Ich bin sicher, der Typ hat sich geändert. Dreieinhalb Jahre gehen bestimmt nicht spurlos an einem vorbei. Er wird bis an sein Lebensende mit dieser Schuld leben müssen. Das ist gut so, aber es sollte auch reichen, meint ihr nicht?“

„Doch“, stimmt Jonas mir zu und Ella küsst mich: „Mein Großer ist wieder in der Spur, ja?“

„Bin ich immer“, antworte ich mit einem schiefen Grinsen.

„So, Jungs, dann packt mal eure Koffer“, lenkt Frauke uns ab, als sie die Küche betritt.

Beim Thema Kofferpacken ist Mimo sofort am Start. Er glaubt wahrscheinlich, dass wir zu seiner Verlobten nach Schweden fliegen, aber ich muss ihn enttäuschen. Unser erstes Trainingslager liegt an, was zwei ganz besondere Vorteile hat: Wir treffen Jessica und Trixie und die Uni kann uns mal!

Kapitel 2 Erinnerungen

Das Trainingslager auf Teneriffa ist nicht nur Schweiß treibend sondern auch spaßig und abwechslungsreich. Mit Jessica und Trixie haben wir nämlich starke Trainingspartner dabei, aber Jonas hat noch zwei Teams aus Italien eingeladen. Die Trainingseinheiten sind cool, wir spielen direkt am Strand und haben immer Zuschauer. Aber außerhalb der Courts schließen wir keine Freundschaft mit den Italienern und gehen uns gegenseitig aus dem Weg. Dafür verbringen wir den größten Teil unserer knappen Freizeit mit Jessica und Trixie, die uns ständig wegen Ella und Linda aushorchen. Vor allem Linda ist ein Thema, denn in wenigen Wochen erwartet sie ihr nächstes Kind. Ben ist natürlich glücklich, vor allem, weil die behandelnde Ärztin inzwischen bestätigt hat, dass jetzt eigentlich nichts mehr passieren dürfte. Wir erinnern uns nämlich nicht gern an Lindas letzte Schwangerschaft, die mit einer Fehlgeburt endete.

Die Mädchen jedenfalls planen einen Kurzbesuch in Schilksee, sobald wir sie anrufen, also etwa eine Minute nach der Geburt. Es soll ein Junge werden, so die Voraussage des Arztes. Und dieses Kind hat schon vor seiner Geburt richtig großes Glück; der Namenstagskalender präsentiert nämlich einen Namen, mit dem im Sandhaus jeder leben kann: Christian.

Wir schütten uns gerade aus vor Lachen über diesen verflixten Namenstagskalender, als Jessica plötzlich ganz still wird und allein den Weg zum Hotel einschlägt. „Jessica?“, rufe ich ihr hinterher, aber Trixie hält mich zurück: „Lass sie.“

„Was ist denn los?“, fragt Ben.

„Lasst sie einfach.“

„Ist es wegen Laura damals?“, hake ich nach.

„Laura? Was? Nein, Laura hat damit überhaupt nichts zu tun.“

Trixie folgt ihrer Freundin ins Hotel und lässt uns ratlos am Strand zurück.

„Weißt du, was da los ist?“, wundert sich Ben und ich schüttle den Kopf: „Nein, keine Ahnung.“

„Und wie kommst du auf Laura?“

„Sie war doch auch schwanger damals.“

„Ach so, du meinst, sie hat Angst um Linda?“

„Nein, ich denke eher, sie hat gerade an Laura gedacht.“

„Oh!“

Samstag und Sonntag gibt Jonas uns frei, wir verabreden uns mit den Mädchen am Samstagabend in der Stadt und gehen schon mal vor, um gute Plätze klarzumachen. Als die Mädchen endlich auftauchen, ist von Jessicas Kummer nichts mehr zu spüren. Wir trinken jeder zwei Cocktails, dann zieht es die Mädchen an den Strand. Sie wollen den Sonnenuntergang beobachten und haben sogar ihre Fotoapparate dabei. Auf dem Weg wird Jessica plötzlich langsamer, sie nimmt meine Hand und lässt Ben und Trixie ein paar Meter vorausgehen, dann folgen wir ihnen langsam. Ich erwarte, dass Jessica mir jetzt erzählt, was mit ihr los ist, aber anscheinend braucht sie einen Anstoß und ich schlüpfe sofort in die mir zugedachte Rolle: „Was ist denn los mit dir?“

„Du erzählst es niemanden, okay?“, geht sie sofort auf mich ein.

„Was denn?“

„Ich habe mich von meinem Freund getrennt.“

Oha! Meine Alarmantennen sind sofort in Bereitschaft. Wenn Jessica mir nämlich jetzt erzählt, dass sie sich wieder in mich verliebt hat oder immer noch in mich verliebt ist oder wie auch immer, stehe ich ziemlich blöd da. Ich will nämlich schon lange nichts mehr von ihr; wir sind Freunde – mehr nicht. „Warum?“, frage ich deshalb nur hilflos.

„Weil …“, sagt sie stockend.

„Hm? Warum?“

„Weil ich mich in einen anderen verliebt habe.“

Verdammt! Also doch! Was mache ich denn jetzt? Soll ich sie einfach direkt fragen? Aber was ist, wenn sie mich wirklich meint? Was soll ich denn dann sagen? Und was ist, wenn sie mich nicht meint? Das wäre doch total peinlich, oder? Eigentlich muss ich sie ja auch nur fragen: „In wen denn?“

Jessica starrt auf ihre Schuhspitzen, kickt ein Stein gegen einen Laternenpfahl, atmet einmal tief ein und aus und sagt dann: „In Florian.“

„In … oh … in Florian? Cool!“ Sie springt sofort darauf an: „Wieso cool? Hat er dir irgendwas gesagt?“

„Nein, aber … ich finde es wirklich cool. Ihr kennt euch schon so lange und …“

„Aber er wohnt so weit weg und ich weiß gar nicht … also, seine Freundin war so nett bei eurer Hochzeit und … er wirkte glücklich mit ihr …“

„Stimmt. Sara ist wirklich klasse, aber du selbst hast auch nicht gerade den Eindruck gemacht, als ob …“

„Ich weiß, es ist verrückt. Ich habe es erst hinterher gemerkt. Als wir wieder zu Hause waren, musste ich ständig an ihn denken.“

„Hm, soll ich ihn mal anrufen?“

„Nein!“

„Aber wie soll er denn wissen, was los ist?“

„Ist doch sowieso egal!“

„Wieso das denn?“

„Er lebt in Konstanz, schon vergessen?“

„Das ist ja nicht gerade in Südostasien.“

„Trotzdem weit genug weg.“

„Ach, Jessica.“

„Was soll ich denn tun?“

„Ich weiß nicht. Bespricht man so was nicht eigentlich mit seiner Freundin?“

„Ist es dir etwa peinlich?“

„Nein, aber ich weiß wirklich nicht, was ich da machen soll.“

„Hmmm.“

„Linda hätte bestimmt eine Idee.“

„Das glaube ich auch.“

„Soll ich Linda auf ihn ansetzen? Was meinst du?“, grinse ich und Jessica lacht: „Gute Idee. Bei Linda ist immerhin jeder auf eine Panne gefasst. Wenn es nicht funktioniert, behaupte ich einfach, sie hätte sich das Ganze ausgedacht.“

„Sie macht dich kalt, das weißt du, oder?“

„Ich bin hoffentlich nicht in ihrer Nähe, wenn es rauskommt.“

„Aber ich wahrscheinlich.“

„Dir tut sie doch nichts, du bist doch ihr Bruderherz.“

Wir holen die anderen ein, die sich an einem Kiosk an der Strandpromenade ein Eis gekauft haben. Während Trixie jetzt mit Jessica vorauseilt, quetscht mich Ben aus: „Und?“

„Und was?“

„Was hat sie?“

„Wer?“, stelle ich mich dumm.

„Jessica, Mensch.“

„Ach so – weiß ich nicht.“

„Aber ihr habt doch die ganze Zeit gequatscht.“

„Haben wir nicht.“

„Hä?“

„Wir haben nicht gequatscht, jedenfalls nicht darüber, warum sie heute so komisch ist.“

„Echt nicht?“

„Nein“, lüge ich. Jessica will bestimmt nicht, dass ich ihr Geheimnis ausplaudere.

„Aha!“, zweifelt Ben dann auch richtig, aber das ist mir jetzt egal.

Die Mädchen bauen schon ihre Stative auf, um das ultimative Sonnenuntergangsfoto zu schießen, während wir uns in den Sand legen und ihr Bemühen beobachten. Sie machen ein paar Probefotos und warten dann auf den richtigen Moment. Nachdem sie die Sonne beim Verschwinden abgelichtet haben, packen sie ihr Zeugs zusammen und ziehen uns in die nächste Bar. Es soll zum Abschluss noch einen Cocktail geben.

Am nächsten Morgen komme ich kaum aus dem Bett, aber das macht nichts. Es ist Sonntag, wir haben frei und uns mit den Mädchen zu einem Von-morgens-bis-abends-Strandtag verabredet, der direkt nach dem Frühstück beginnt. Zuerst machen wir uns ein paar Sonnenliegen klar, dann mischen wir uns unter die Wasserratten und machen uns gegenseitig nass, danach werden wir unfreiwillige Paparazzo-Opfer. Die Mädchen bewaffnen sich nämlich mit ihren Knipsmaschinen und machen Jagd auf uns. Wir sollen posen! Im lässigen Joboutfit sozusagen - in Beach-Shorts … mit Sonnenbrille. Wir tun den Mädchen den Gefallen und finden die coolsten und verrücktesten Fotos am Abend auf ihrer Homepage wieder … mit unzähligen Kommentaren … von Mädchen, die wir nicht kennen. Ein paar Minuten durften Ben und ich sogar selbst Fotos schießen. Unsere Opfer sind natürlich Jessica und Trixie und aus Rache stellen wir jetzt diese Fotos auf unserer Teamhomepage ein. Die Kommentare sind cool, aber am besten gefällt mir der von Florian: „Die süßesten Strandnixen, die ich kenne.“

Ben kommentiert sofort: "Das sind keine Nixen, das sind Nervensägen!"

Weil Jessica und Trixie allerdings schon in ihrem Hotelzimmer sind, schicke ich ihr schnell eine Nachricht: „Florian findet dich süß!“

„Woher weißt du das?“, kommt sofort die Antwort.

„Geh mal auf unsere Team-Seite!“

Sekunden später steht unter Florians Kommentar eine Nachricht von Jessica: „Die Strandnixe rechts auf dem Bild ist noch zu haben! Aber erst geht sie ins Zimmer nebenan und vermöbelt Ben!"

Schüchtern ist sie nicht, das muss man ihr lassen! Die Message ist zumindest eindeutig und Florian wäre nicht mehr zu retten, wenn er sie nicht versteht.

Ich versuche, Jessica anzurufen, aber ihr Handy ist eine ganze Stunde lang besetzt, deshalb gebe ich auf. Am nächsten Morgen frage ich sie, mit wem sie so lange telefoniert hat.

„Mit Florian“, antwortet sie kess.

„Du hast ihn angerufen?“

„Nein, er hat mich angerufen. Verrückt, oder?“

„Und?“

„Er kommt am Wochenende nach Hamburg zum Turnier.“

„Ihr spielt das Premium-Turnier in Hamburg?“

„Ja, wir landen doch sowieso dort, dann sind wir quasi vor Ort.“

„Genialer Schachzug“, staune ich.

„Seid ihr nicht angemeldet?“

„Nein.“

„Dann macht das mal.“

„Nein“, widerspricht Ben. „Ich bleibe lieber bei Linda.

„Aber ich komme mit, vielleicht fehlt irgendwo ein kleiner Junge.“

„Cool“, freut sich Jessica. „Du darfst dich dann um Trixie kümmern, ich bin nämlich mit Florian beschäftigt.“

„Ich habe eine viel bessere Idee: Ich rufe Ella an, vielleicht möchte sie ihre Eltern besuchen. Wir könnten bei denen schlafen.“

„Wir haben schon ein Hotel gebucht.“

„Ich meine ja auch meine Süße und mich.“

„Und Klein-Mimo?“

„Klar, Mimo-Baby auch.“

Ich telefoniere kurz mit Ella, die uns sofort bei ihren Eltern anmeldet. Margot holt uns sogar am Flughafen ab, bringt Trixie und Jessica in ihr Hotel, Ben zum Bahnhof und mich direkt in Ellas Arme. Meine Frau wartet schon sehnsüchtig in ihrem Elternhaus auf mich und Mimo freut sich, endlich einen Spielkameraden zu haben. Der beste Piraten-Papa der Welt ist nämlich wieder da.