Schlicht: Freiheit. - Stefanie Nickel - E-Book

Schlicht: Freiheit. E-Book

Stefanie Nickel

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Beschreibung

Tom Drachenfels ist 17 Jahre alt, ziemlich ergraut und ordentlich genervt. Weder in der voll öden Kleinstadt, noch zwischen den total verstaubten Wänden seiner Schule findet er Freiheit und Raum für Kreativität. Allzu hoher Erwartungsdruck, hierarchische Strukturen und Notenzwang drängen ihn hinaus. An den Wänden eines stillgelegten Güterbahnhofs tobt sich Tom beim Sprayen aus... und ist plötzlich nicht mehr allein. Wer ist das ordentlich seltsame Mädchen mit dem viel zu krass intensiven Blick? Was lässt Tom so eskalieren? Und was verbirgt das Mädchen? Eine Novelle in moderner Jugendsprache auf Basis von Johann Wolfgang von Goethes Die Leiden des jungen Werther. Kernkonflikt: Umgang mit Tod, Entfaltung der eigenen Potentiale, Streben nach Autonomie. Geeignet für Leser:innen ab 13 Jahren.

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Seitenzahl: 61

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Inhaltsverzeichnis

#Fantasy

#Betäubt

#Karmaisabitch

#Freiheit

#Lost

#Gameover

Für Eric. Unvergessen.

Hansestadt Hamburg, 29. August 2019

Max,

ich weiß immer noch, dass es weh tat. An sie zu denken, tat weh. “Komm, folge mir in meine Welt”, hatte sie gesagt und mir ihre Hand gereicht.

Und ich? Ich habe sie genommen. Einfach so. Da lag sie, diese Hand. So klein und fein, wie ihre Welt tief und voller Wunder war. Mein Herz hatte einen Satz gemacht. Dabei wollte ich doch nur…! Bloß was, das hatte ich längst vergessen, als sich erst meine Hände in den ihren verfingen. Dann meine Augen. Nein. Sie tauchten vielmehr in ihre ein, wie zwei Perlentaucher auf der Suche nach einem kostbaren Schatz. Doch, ihrem Blick war ich nicht gewachsen. Etwas spiegelte sich darin. An den meisten Tagen die Sonne. An manchen erschienen sie mir wie der Mond; dunkel und geheimnisvoll. Dann musste ich mich selbst zwicken, um mich zu erinnern, dass es mich gab. Da und Dort. Weil ich mich in ihrer Nähe immer ein kleines bisschen wie diese undurchdringliche Scheibe am Firmament fühlte. Jene, die ihr Strahlen überhaupt erst durch die Sonne erhält.

Heute weiß ich: Ihr zu begegnen war unvermeidlich! Genau wie jene Ereignisse, die das erste Treffen nach sich zog. Sie folgten, wie der Schweif dem Kometen. Und rissen mich mit sich hinfort wie ein nachtschwarzer Strudel, in dem ich unterzugehen drohte. Ja, ich weiß noch immer, dass es weh tat. An sie zu denken, tat weh. Tut es noch. Denn das, was folgte, war Schicksal. Es zwang mich zu erkennen, wer ich bin.

Und sie? Die Wände der Häuser vom Regen gesäubert, lief sie durch die Straßen, als wären sie der Golden Pathway ihres Lebens. Sie schien so einfach voranzuschreiten. Begleitet von einem leisen Rauschen, als fühlte sie einen stillen Song in ihrem Ohr. Sie schien die Angst, die Angst schien sie zu kennen. Und dennoch lief sie weiter voran. Den Grund unter ihren Füßen, kam sie schließlich von dort, wo der Wind stürmend durch die Äste weht. Doch, was wusste ich schon davon?

„Ein Geheimnis bestimmt den Weg, der deine Füße trägt. Sag, hast du kurz Zeit? Dann lass uns reden, über etwas, das nur wir verstehen. Es könnte den Lauf deiner Welt verändern. Vom Kleinen zum Großen und umgekehrt. Sag, glaubst du auch, dass das nicht der Platz ist, von dem wir träumten? Dann könnte dies der Beginn von allem sein. Und das Ende. Ist das nicht kurios?”, hatte sie zu mir gesagt.

Ihre Augen funkelten silbern und herausfordernd.

Also folgte ich ihr, um mich dem Kernschatten zu stellen.

Tom

#Fantasy

»(…) was ist das Herz des Menschen! O was ist der Mensch, daß er über sich klagen darf! Ich will, lieber Freund, ich verspreche dirs, ich will mich bessern, will nicht mehr ein bißchen Übel, das uns das Schicksal vorlegt, wiederkäuen, wie ichs immer getan habe; ich will das Gegenwärtige genießen, und das Vergangene soll mir vergangen sein. Gewiß, du hast recht, mein Bester, der Schmerzen wären minder unter den Menschen, wenn sie nicht – mit so viel Emsigkeit der Einbildungskraft sich beschäftigen, die Erinnerungen des vergangenen Übels zurückzurufen, eher als eine gleichgültige Gegenwart zu ertragen.«

(Johann Wolfgang Goethe, Die Leiden des jungen Werthers, Erstes Buch)

Lange Zeit geschah nichts. Zumindest gefühlt. Die Welt drehte sich wie eh und je. Und die Stunden zogen dahin, wie ein frischer Kaugummi am Schuh.

Tom saß in der Schule. Wie jeden Tag; ein bisschen gelangweilt, ein bisschen desinteressiert. So jedenfalls hätte man meinen können. Er schaute aus dem hohen Fenster des Backsteingebäudes. Sein Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet, als suche er dort etwas. Er hörte weder das Rauschen des Windes zwischen den Ästen, noch den Verkehr auf den Straßen. Auch dem Geschehen im Klassenraum schenkte er wenig Beachtung.

»… und dann schreiben Sie ein paar Sätze darüber, was Freiheit für Sie bedeutet.«

Die tief tönende, raue Stimme des Deutschlehrers erfüllte den Raum mit Klang, drang jedoch nicht bis zu ihm hindurch.

»Es wird geschehen. Sei bereit!«

Tom zuckte zurück. Alle Farbe aus dem Gesicht weichend, flog ihm zudem das Smartphone aus der Hosentasche. Es landete krachend und daher wenig geräuschlos auf dem Boden.

Die gesichtslose Stimme!, dachte Tom überrascht; und nicht zum ersten Mal in diesen Tagen.

»Herr Drachenfels, schön, dass wir wieder Ihre wohl geschätzte Aufmerksamkeit haben!«

Die Köpfe seiner Mitschüler wanderten automatisch in die letzte Reihe. Ein paar Mädchen kicherten.

»Packen Sie das Ding bitte unverzüglich in die Tasche, ansonsten muss ich es Ihnen abnehmen. Sie kennen die Regeln!« Der missbilligende Blick aus tiefliegenden Augen unter gerunzelten Brauen in dem kleinen, runden Gesicht, duldete keine Widerrede.

Tom verdrehte die Augen. Und ob er die kannte! Jeder wusste schließlich, dass am Gymnasium Freiherr zu Stein im Unterricht von Dr. Wagner das Buch dem digitalen Endgerät vorgezogen wurde. Wirklich jeder wusste das!

Sich das kurze, glatte, ungewöhnlich helle Haar aus dem Gesicht streichend, hob Tom sein Smartphone auf und schob es zurück in die Tasche seiner Jeans.

Was ist das? Diese Stimme …?, überlegte er nach der kurzen, recht ungewollten Unterredung mit Dr. Wagner.

Sei bereit, hatte sie gesagt. Und das nicht zum ersten Mal! Wozu bereit? Was wird geschehen? Als ob…! Tom schüttelte seinen Kopf; verärgert und so, als wolle er diese seltsame Stimme abwimmeln.

Ganz sanft hatte sie geklungen. Und doch auch irgendwie bestimmend.

Tom starrte auf den Skizzenblock vor sich. Gedankenversunken hatte er der Stimme abermals ein Gesicht verliehen. Jener, die einige Tage zuvor das erste Mal aufgetaucht war. Aus dem Nichts. Seitdem dieselbe Botschaft: Es wird geschehen. Sei bereit!

Nun schaute sie ihn an, diese Stimme. Zwar anders, als die letzten Male. Aber auch diesmal wieder schwarz auf weiß gezeichnet, beinah lebendig: Herzförmig und glatt. Hohe Wangenknochen. Durchdringende Augen. Sie wirkten so unglaublich lebendig, als hätten auch sie eine Botschaft. Für ihn. Eine, die Tom allerdings nicht verstand.

Oder, verstehen wollte?!

»Alter, gönn dir! Die sieht übelst nice aus«, drang es anzüglich flüsternd zu ihm.

Schnell schlug Tom seinen Block zu und versperrte seinem allzu neugierigen Sitznachbarn Hannes die Sicht auf seine Graphic Novels.

»Chill deine nuggets.« Tom winkte genervt ab. »Is bloß fantasy!« Er wollte es selbst so gerne glauben. Zugegeben - wieder so eine, die ordentlich aufwühlt!

»Bleib cremig, Alter.« Hannes verdrehte die Augen und machte ein eindeutiges Handzeichen.

Endlich klingelte die Schulglocke. Erleichtert stopfte Tom Block und Stifte in seinen Rucksack. Gerade als er gehen wollte, wurde die Tür geöffnet. Herein trat die groß gewachsene, üppige Gestalt der Schulleiterin. Mit dem für sie typischen Zahnpasta-Werbe-Lächeln grüßte sie ihren Kollegen und positionierte sich direkt vor der Klasse. Während ihre steinplattengrauen Adleraugen einen nicht existenten Punkt im Raum fixierten, hob sich ihr perfekt sitzendes Kostüm ab von der roten Backsteinwand wie ein grauer Fleck. Frau Dr. Dr. Henriette Kleist sah aus, als wäre sie ein Fels in der Brandung orientierungsloser Jugendlicher im Ozean der Bits und Bites. Einzig ein Windstoß fehlte, der ihrem Haar den nötigen Auftrieb gegeben hätte.

Tom verharrte wie ein Zinnsoldat mit seinem Rucksack in der Hand vor dem wenig gemütlichen Stuhl, zwischen den martialisch anmutenden Sitzreihen im Klassenraum.

»Entschuldigen Sie die Störung so kurz vor Schulschluss. Doch möchte ich Ihnen schnell noch Ihre neue Mitschülerin vorstellen, bevor Sie ins Wochenende entschwinden.« Sie wandte sich mit einer einladenden Handbewegung zur Tür und nickte auffordernd.