Schluss mit dem Brainfuck - Faith G. Harper - E-Book

Schluss mit dem Brainfuck E-Book

Faith G. Harper

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Beschreibung

Unser Gehirn tut sein Bestes, um uns zu helfen, aber hin und wieder kann es sich als echtes Arschloch erweisen – es hat Aussetzer, wird süchtig nach Dingen oder schaltet im ungünstigsten Moment komplett ab. Ihm ist klar, dass das nicht gut ist, aber manchmal kann es einfach nicht anders – vor allem, wenn es von einem Trauma besessen ist, über das es nicht hinwegkommen kann. Hier kommt dieses lebensverändernde Buch ins Spiel. Mit Wissenschaft, Humor, Geduld und jeder Menge Schimpfwörtern erklärt Dr. Faith Harper, was in unserem Schädel vor sich geht, wenn da oben etwas durcheinandergeraten ist. Mit wirkungsvollen Techniken lässt sich das aus dem Gleichwicht geratene Gehirn wieder umschulen, damit es angemessen auf die Nicht-Notfälle des Alltags reagieren und alte oder neu erworbene Traumata, insbesondere die posttraumatische Belastungsstörung, erfolgreich überwinden kann.

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Seitenzahl: 210

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FAITH G. HARPER

SCHLUSS MIT DEM BRAINFUCK

FAITH G. HARPER

SCHLUSS MIT DEM BRAINFUCK

Befreie dich von Angst, Depression, Wut, Trauma und Triggern

Aus dem Englischen von Max Limper

1. Auflage 2023

© 2023 by Yes Publishing – Pascale Breitenstein & Oliver Kuhn GbR

Türkenstraße 89, 80799 München

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 bei Microcosm Publishing unter dem Titel Unfuck Your Brain. Getting Over Anxiety, Depression, Anger, Freak-Outs, and Triggers with Science. © 2017 by Faith Harper. All rights reserved.

Übersetzung: Max Limper

Redaktion: Caroline Kazianka

Umschlaggestaltung: Marija Džafo

Layout und Satz: Müjde Puzziferri, MP Medien, München

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-96905-260-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96905-261-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96905-262-4

Inhalt

Einführung

1. Teil Trauma im Kopf

1 Wie unser Gehirn durcheinandergerät

2 Wie Traumata uns umprogrammieren

3 Brainfuck beseitigen

4 Gute Besserung

5 (Professionelle) Hilfe: verschiedene Ansätze

2. Teil Das Gehirn und das Leben

6 Ängste

7 Wut

8 Sucht

9 Depression

10 Trauer

Schluss Die neue Normalität

Anhang

Einführung

Was bringt unser Gehirn komplett durcheinander? Zählen wir doch einfach mal die Möglichkeiten auf.

Wut, Depression, Angst, Stress, traumatische Erfahrungen, Drogenkonsum, beknackte Verhaltensmuster, dämliche Beziehungsentscheidungen ...

Oder wie es jemand kürzlich zu mir gesagt hat: »Was an einem normalen Tag eben so vorkommt.«

Vieles, was wir als psychische Krankheit bezeichnen, ist in Wirklichkeit ein Fall von durcheinandergeratenen chemischen Vorgängen im Gehirn. Und meistens kommt das von stressigen und traumatischen Ereignissen, mit denen wir im Leben fertigwerden müssen.

Früher wurden die schlechten Gene dafür verantwortlich gemacht, wie Menschen auf Stress und Traumata reagieren. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass nur zwei bis fünf Prozent der psychischen Beschwerden, die Menschen zu schaffen machen, auf ein einzelnes fehlerhaftes Gen zurückzuführen sind. Wir wissen also, dass die Ursache unserer Probleme viel eher in unserer Umwelt und unserem Umgang mit ihr liegt.

All diese Beschwerden – Angst, Depression und so weiter – sind Anpassungsstrategien. Wenn du mir auch sonst nichts glauben magst, das solltest du mir unbedingt abnehmen. All diese Gefühle sind normal. Selbstschutz und Überlebenstrieb sind uns fest einprogrammiert und genau diese Ziele verfolgt das Gehirn, wenn es sich total beschissen verhält.

Unser Verhalten ist eine Reaktion auf all den Mist, mit dem wir tagtäglich zu kämpfen haben. Unser Gehirn reagiert nicht nur auf große, lebensverändernde traumatische Ereignisse, sondern auch auf toxische Beziehungen und Interaktionen im Alltag, auf all die Kleinigkeiten, mit denen andere uns triggern, unsere Grenzen verletzen und unser Bedürfnis nach Sicherheit missachten. Es ist eine explosive Mischung aus diesen beiden Mechanismen.

Und DANN wird aus dem Gefühl, im Arsch zu sein, ein Teufelskreis. Wir fühlen uns komisch und verwirrt, weil wir uns komisch und verwirrt fühlen. Wir haben das Gefühl, dass wir schwach sind. Oder kaputt. Oder durch und durch verkorkst. Und das ist das schwierigste Gefühl der Welt. Denn durch und durch verkorkst bedeutet: unreparierbar. Warum also überhaupt eine Reparatur versuchen?

Aber wie wäre es, wenn du verstehen würdest, woher all diese Gedanken und Gefühle kommen? Und wenn du begreifen könntest, wie der ganze Scheiß in deinem Kopf zustande kommt? Wie wäre es, wenn das alles wirklich total nachvollziehbar wäre? Das würde doch bedeuten, dass es vielleicht tatsächlich REPARIERBAR ist.

Das ist echt wichtig. Mit Sicherheit geht es uns besser, wenn wir wissen, warum wir ein bestimmtes Problem haben, anstatt uns nur auf die Symptome zu konzentrieren. Behandeln wir beispielsweise Stress, Angstzustände oder Depressionen, ohne die Ursachen für den Stress, die Angstzustände und die Depressionen zu untersuchen, dann tun wir nicht alles, was wir können, damit es WIRKLICH BESSER wird.

Das ist, wie wenn man einen Ausschlag bekommt (ich weiß, ekliger Vergleich, aber lies trotzdem weiter). Man kann den Ausschlag behandeln und womöglich verschwindet er ja sogar. Aber wenn man nicht herausfindet, worauf man allergisch reagiert hat, bekommt man ziemlich sicher immer wieder Probleme.

Dasselbe gilt für das Gehirn. Wenn man besser versteht, warum man sich so verhält, wie man sich verhält, ist es viel einfacher, etwas zu tun, damit es einem besser geht. Und das Ganze muss nicht superkompliziert erklärt werden, damit es sinnvoll und nützlich ist.

Ich bin Therapeutin. Mit Zulassung und zusätzlichen Zertifizierungen in Sexologie, Lebenscoaching und Ernährung. Außerdem arbeite ich als Supervisorin und unterrichte im ganzen Bundesstaat. Als traumabewusste Therapeutin behandle ich neben allem anderen immer auch das Trauma. Das hat zweierlei zur Folge:

Zum einen geht man mir auf Partys gerne aus dem Weg.

Zum anderen scheint es meinen Klient:innen oftmals schneller besser zu gehen als den Klient:innen meiner Kolleg:innen, die nicht bewusst Traumaarbeit miteinbeziehen.

Das soll kein Selbstlob sein. All die SCHWIERIGE Arbeit leisten meine Klient:innen, ich bin nur der Coach. Ich halte lediglich jenseits der Ziellinie ein riesiges Schild mit der Aufschrift »Hier entlang!« hoch.

Ich bin wirklich schon sehr lange im Bereich der psychischen Gesundheit tätig, vielleicht denkst du deshalb: Boah, die ist ja alt. Aber glaub mir: Die Art, wie wir heute Traumata begreifen und behandeln, ist ziemlich neu. Vor einigen Jahren habe ich für eine Initiative gearbeitet, die in meiner Umgebung erstmals Gruppentherapie zur Traumabewältigung angeboten hat.

In diesen Gruppen habe ich erlebt, dass es vielen besser geht, wenn sie sich auf die Aufarbeitung ihres ganz persönlichen Traumas konzentrieren und nicht auf die Etiketten, die wir ihnen aufkleben (Depression, Angst, Sucht usw.). Seitdem habe ich mich in verschiedenen Spielarten der Traumatherapie weitergebildet und mehrere Einrichtungen und Initiativen dabei unterstützt, ein traumabewusstes Behandlungsmodell einzuführen.

Zurzeit arbeite ich selbstständig mit dem Schwerpunkt Beziehung und Intimität. Und rate mal, was dabei das Problem ist, auf das ich am häufigsten stoße? Verschleppte Traumata. Die tauchen überall auf. Meiner Erfahrung nach sagen Klient:innen, wenn ich ihnen bestimmte Zusammenhänge ganz einfach erkläre: »Ach du Scheiße, das ergibt echt Sinn!« Dieses Buch gibt es nur deshalb, weil bisher noch niemand diesen ganzen Kram gut verständlich und simpel zusammengefasst hat. Und eine einleuchtende Erklärung hilft erfahrungsgemäß Menschen sehr dabei, an sich zu arbeiten, sodass es ihnen bald besser geht.

Das mag vielleicht schlecht fürs Geschäft sein, aber ich glaube nicht, dass jeder Mensch eine Therapie braucht. Ich hoffe, dass jeder von uns irgendeine Art von Selbstfürsorge in seinem Leben unterbringen kann, aber jeder muss auch den Weg finden, der für ihn am sinnvollsten ist. Manche Menschen meditieren, andere treiben Sport, einige haben einen Lifecoach und manche gehen eben zum Therapeuten. Und es gibt welche, die etwas ganz anderes machen. Alles ist gut und richtig.

Denn, hey … jeder, wie er will. Egal, worum es dabei geht, ich bin davon überzeugt, dass alles besser funktioniert, wenn man die Ursachen verstanden hat. Und eingesehen hat, was man anders machen sollte, was auch immer das im Einzelnen bedeutet.

Für wen ist dieses Buch gedacht?

Dieses Buch ist für Leute gedacht, die sich ständig »Aber WIESO?« fragen. Für Leute, die als kleine Kinder die Erwachsenen um sich herum genervt haben, weil sie nachfragten, wie die Welt funktioniert, um ihren Platz darin zu verstehen. Denn das Warum ist eine ECHT NOTWENDIGE INFORMATION.

Dieses Buch ist für all diejenigen, die es hassen, von anderen gesagt zu bekommen, was sie tun sollen. Die einfach nur die nötigen Werkzeuge und Informationen haben möchten, um dann selbst das Richtige zu tun. Vielleicht findest du den ganzen Mist allein heraus oder aber mit einer raffinierten Therapeutin, die schlau genug ist, dir keine Vorschriften zu machen. In beiden Fällen hast du verstanden, dass du, wenn es darauf ankommt, dein Leben selbst in die Hand nehmen musst, denn letztlich bist du für alle Konsequenzen verantwortlich.

Dieses Buch ist für all jene gedacht, denen es zum Hals heraushängt, dass sie ständig denken oder zu hören bekommen, sie seien einfach verrückt. Oder dumm. Oder faul. Oder »zu sensibel«. Oder dass sie einfach nur »darüber hinwegkommen« müssten. Die es satthaben, sich schlecht zu fühlen, aber die es noch mehr satthaben, dass andere Leute meinen, sie würden sich gerne schlecht fühlen. Als ob jemand freiwillig leiden möchte. Als ob sich irgendjemand weigern würde, gesund zu werden. Als ob irgendjemand unglücklich sein wollte. Natürlich willst du das nicht. Aber du steckst fest und du weißt nicht, warum.

In diesem Buch gehen wir also der Frage nach, warum du unglücklich bist, damit du etwas dagegen tun kannst.

Was passiert in diesem Buch?

Na gut. Du denkst jetzt: Das ist ja alles schön und gut, Frau Seelendoktor. Aber wie soll dieses Buch mir helfen? Was macht es besonders und anders als die Milliarden anderen Selbsthilfebücher, die bereits in meinem Bücherregal stehen? Da bin ich doch verdammt skeptisch.

Stimmt. Das solltest du auch sein. Mein Bücherregal ist genauso vollgestopft. Ich habe wahrscheinlich fast alles gelesen, was du gelesen hast.

Aber dieses Buch ist anders, echt wahr.

Wieso? Erst einmal: Ich knalle dich mit Wissen zu. Keinem schwierigen, trockenen, langweiligen Wissen, sondern Wissen der Sorte »Heilige Scheiße, das ergibt Sinn, warum hat mir das noch nie jemand so erklärt?«. Meiner Erfahrung nach braucht man nämlich KEINE zwölf Jahre Studium und 200 000 Euro Schulden, um das alles zu verstehen. Ich kann dir in der Regel in fünf bis zehn Minuten (oder der gleichen Anzahl von Seiten, je nachdem) erklären, was du über die Vorgänge in deinem Gehirn wissen musst.

Zweitens: Ich werde dir nicht diesen ganzen hirnwissenschaftlichen Scheiß auftischen, dann sagen: »Ja, das ist echt mies. Ist bestimmt doof, du zu sein« und dich damit alleinlassen. Stattdessen gebe ich dir eine Menge Verbesserungsratschläge, die tatsächlich gut umzusetzen und machbar sind.

Für so eine Selbstfindungsreise wie in dem Buch Eat, Pray, Love haben nicht alle Leute Zeit (und ich bin auch gar nicht neidisch oder so). Die meisten von uns müssen jeden Tag aufstehen, mit dem echten Leben fertigwerden und währenddessen irgendwie herauskriegen, wie das mit dem »besser gehen« hinhauen könnte. Denn Besserung bedeutet ja nicht, dass du nicht weiterhin deine eigene Wäsche waschen musst. Du musst alles selbst machen und das kriegen wir hin wie echte Superstars. Denn weißt du was? Die Situation ist nicht hoffnungslos. DU bist nicht hoffnungslos. BESSERUNG kann gelingen. Wenn du Klient:in in meiner Praxis wärst, würden wir diese Dämonen gemeinsam zu Boden ringen. Die nächstbeste Lösung ist dieses Buch. Und es funktioniert.

Drittens: Ich gehe ganz verschiedene Behandlungsmöglichkeiten durch. Ich habe kein Problem mit Medikamenten und von der Kasse bezahlten Behandlungen, ABER: Ich finde, sie sind nur ein Teil von vielen Möglichkeiten. Ganzheitliche Gesundheitsfürsorge bedeutet, den ganzen Menschen zu sehen. Und wir brauchen einen Behandlungsplan, der individuell funktioniert. Für mich zum Beispiel besteht die beste Strategie darin, mich gesund zu ernähren, ab und zu Sport zu treiben, pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen und mich an ein Wellnessprogramm aus Akupunktur, Meditation, Massage und Pediküre zu halten. Und wer meine Überzeugung, dass Pediküre einen therapeutischen Nutzen hat, infrage stellt, wird von mir bis aufs Blut bekämpft. Bei meinem Sohn sind die Mittel der Wahl Fußball, Krafttraining, Erdungsübungen, Meditation, eine stark strukturierte Lernumgebung, Neurofeedback und eine Kombination aus Nahrungsergänzungsmitteln und westlichen Medikamenten. Pediküre steht merkwürdigerweise nicht auf seiner Liste, die Bedürfnisse sind eben doch verschieden. Ich werde dir also eine Reihe von Möglichkeiten vorstellen, von denen du vielleicht noch nie gehört hast, um dir zu helfen, deinen eigenen Angriffsplan zu erstellen.

Im Buch verteilt findest du kleine Übungen, die dich dabei unterstützen sollen, das Erarbeitete zu bewältigen. Das sind keine dummen Hausaufgaben und du musst auch keine Abschlussprüfung ablegen. Aber es ist wichtig, dass du es schaffst, all das zu verarbeiten, was bei dir möglicherweise hochkommt. Schließlich möchte ich nicht, dass du wegen meines Buchs mit heraushängenden Eingeweiden herumläufst, weil es dich völlig umgekrempelt hat. Nimm es nicht in die Hand, wenn du es nicht brauchst. Aber wenn du es brauchst, ist es für dich da.

Tu was:eine Art FIEBERMESSEN

Wie oft im Leben durftest du wirklich fühlen, was du fühlst? Verdammt selten bis gar nicht, wette ich.

In diesem Buch geht es darum, die ganze Scheiße zu verarbeiten, die uns daran hindert, das Leben zu führen, das wir uns wünschen, und das Gefühl von Erfüllung und Frieden zu spüren, nach dem wir uns sehnen. Die Art von Scheiße, die wir Trauma nennen. Das Buch ist auch für Menschen mit enormen Stressreaktionen, Ängsten, Trauer, Wut, Depression und/oder Suchtverhalten gedacht – lauter Bewältigungsstrategien, die wir entwickeln, um ohne ständige Selbstmordgedanken durchs Leben zu kommen.

Und das macht das Lesen anstrengend. Der eine oder andere Absatz boxt dir womöglich mit Wucht in den Bauch, weil er eine grundlegende Wahrheit über dein Leben und deine Erfahrungen trifft. Und dein Hirn wird sich über diese Gefühle nicht gerade freuen. Dein Hirn sagt dann vielleicht: »Scheiß auf den Quatsch und schmeiß das Buch weg.«

Denn im Allgemeinen bekommen wir beigebracht, dass wir keine negativen Gefühle hochkommen lassen sollen. Sie sind schlecht und müssen vermieden werden. Wir werden später noch darauf eingehen, warum das völliger Schwachsinn ist.

Aber in der Zwischenzeit kann es wirklich hilfreich sein, sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen. Bei sich selbst Fieber zu messen sozusagen. Und einen Aktionsplan für den Fall zu haben, dass das Fieber zu hoch ist. Später in diesem Buch lernst du weitere Übungen kennen. Aber lass uns zunächst mit der einfachsten beginnen.

Schließ jetzt die Augen und spür in dich hinein:

Was geht in deinem Körper vor?

Was denkst du? (Es sind vielleicht keine echten Gedanken, sondern vorbeihuschende Erinnerungsfetzen.)

Was fühlst du als Reaktion darauf? Benenne diese Gefühle. Bewerte die Schwere dieser Gefühle.

Was spürst du dabei tatsächlich im Körper?

Außerdem: Womit beschäftigst du dich in deinem Alltag, das dir entweder hilft oder die Lage noch verschlimmert?

Diese Übung mag für dich vielleicht schwierig sein. Denn viele Menschen haben keinen blassen Schimmer davon, wie sie sich eigentlich fühlen. Und das ist in Ordnung. Dir wurde beigebracht, Gefühle wegzuschieben. Dir wurde gesagt, dass das, was du fühlst, falsch ist. Dass du es nicht fühlen darfst.

Wenn du also nicht weißt, was du fühlst … dann nimm das so hin. Führst du diese Übung immer wieder durch, wirst du feststellen, dass du wieder mit deinen Gefühlen in Kontakt kommst. Unklarheit in Bezug auf deine Gefühle bedeutet NICHT, dass du im Psychotest durchgefallen bist. Es ist nur eine weitere wichtige Information darüber, wie es dir gerade geht.

Sinn und Zweck dieser Übung ist, dir die Macht über das zurückzugeben, was in dir vorgeht.

Du hast die Erlaubnis zu fühlen, was du fühlst.

Wenn du lernst, dich wieder mit der Wirklichkeit deiner Erfahrung zu verbinden, verschaffst du dir die nötigen Mittel, um voranzukommen. Denn das hast du verdient. Wir sollten die Vergangenheit respektieren, uns an sie erinnern und Lehren aus ihr ziehen. Aber wir müssen nicht weiter darin leben. Das alte Haus ist baufällig, mit Schadstoffen belastet und viel zu klein, um dir Schutz zu bieten. Es hilft dir in deinem gegenwärtigen Erleben nicht und es passt überhaupt nicht zu deinen Zielen für die Zukunft.

1. Teil Trauma im Kopf

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Wie unser Gehirn durcheinandergerät

Kurze Antwort? Trauma.

In diesem Buch geht es hauptsächlich um Traumata. Und um unsere Reaktion darauf, um den Mist im Leben und die Blödheit der anderen – um all den Kram, der uns daran hindert, so richtig abzuräumen im Leben. Es geht um die Bewältigungsstrategien, die wir entwickeln, um mit dem ganzen Scheiß umzugehen, den Leute in weißen Kitteln Angst, Depression, Sucht, Aggression usw. nennen.

Diese Strategien sind im Wesentlichen Teil des komplizierten Verfahrens, mit dem dein Gehirn auf Schieflagen im Leben reagiert. Dein Hirn versucht wirklich nur, seine Aufgabe zu erfüllen, indem es dich so gut wie möglich beschützt. Aber statt dich tatsächlich zu beschützen, ist das Gehirn oft ein nicht gerade besonders hilfreiches Arschloch. Es ist wie ein Freund, der jedem, der dich ärgert, Prügel androht. Das ist zwar nett von ihm gemeint, aber auf lange Sicht nicht hilfreich.

In diesem Buch geht es auch um die grundsätzlicheBeschissenheit des Lebens und die Blödheit der Mitmenschen. Also um den Shit, der vielleicht nicht per se traumatisch ist, die Sache aber auch nicht einfacher macht. Um den Umgang mit bestimmten Dingen, die nicht wirklich traumatisch sind … aber auch ganz sicher nicht süß und watteweich daherkommen. Wie bei echten Traumata sind die Bewältigungsstrategien, die wir für SOLCHE Situationen entwickeln, mit der Zeit immer weniger nützlich und geradezu anstrengend.

Die gute Nachricht ist: Egal, wie lange du schon in diesem Treibsand feststeckst, du KANNST deine Reaktion umprogrammieren und den Brainfuck beseitigen.

Warum ist in meinem Hirn so ein Kuddelmuddel?

Wir neigen dazu, die seelische Gesundheit von der körperlichen zu trennen. Als ob sich nicht beide gegenseitig in einer ständigen blöden Rückkopplungsschleife beeinflussen würden.

Was wir über das Gehirn an sich wissen, fällt im Allgemeinen unter die Kategorie »körperliche Gesundheit«. Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen fallen in die Kategorie »seelische Gesundheit«.

Wo also sind dieses Denken und Fühlen in unserem Körper angesiedelt? Unsere Psyche scheint ein Heliumballon zu sein, der ständig über unserem Kopf schwebt. Wir halten sie vielleicht an der Schnur fest, aber sie ist nicht wirklich ein Teil von uns (obwohl wir für alle ihre Entscheidungen verantwortlich gemacht werden).

Dieses Bild einer körperlosen Psyche ist nicht hilfreich. Es ergibt nicht den geringsten Sinn.

Was wir tatsächlich über das Gehirn wissen, ist Folgendes: Es gibt eine Verbindung zu unserem Darm. Dort leben einzigartige Mikroorganismen, die so eng mit unserem Gehirn kommunizieren (über die Darm-Hirn-Achse … die gibt es wirklich), dass man sie als zweites Gehirn bezeichnen kann. Eines, das eine große Rolle bei der Steuerung unserer Emotionen spielt. Hast du schon mal was aus dem Bauch heraus entschieden? Jup, das war tatsächlich dein Bauch.

Unsere Psyche ist also nicht etwas, das kaum mit uns verbunden ist und uns ständig in Schwierigkeiten bringt. In Wirklichkeit liegt sie mittendrin im Körper und fungiert als Kontrollzentrum, das tonnenweise Informationen aufnimmt und Entscheidungen trifft, bevor wir uns überhaupt bewusst sind, dass eine Entscheidung getroffen werden muss.

VON HIER kommen unsere Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen. Sie sind tief in unserem physischen Körper verwurzelt, in der Art und Weise, wie unser Gehirn, basierend auf vergangenen Erfahrungen und aktuellen Informationen, die Welt um uns herum wahrnimmt. Es wäre also die Untertreibung des Jahrzehnts, zu behaupten, dass es ein RIESENDING ist zu verstehen, was in deinem Gehirn vor sich geht und wie das Ganze funktioniert. Wenn wir das erst mal durchschaut haben und die Funktionsweise des Gehirns und unsere früheren Erfahrungen berücksichtigen, kapieren wir, dass die Art und Weise, wie wir mit der Welt um uns herum interagieren, eine völlig normale Reaktion ist. Läuft alles gut und die Landung klappt einwandfrei, bemerken wir keine Probleme. Doch wenn die Landung eher unsanft ist? Funktioniert die Steuerung im Gehirn nicht richtig, dann erleben wir die Auswirkungen:

Wir flippen aus.

Wir gehen wichtigen Angelegenheiten aus dem Weg, um die wir uns eigentlich kümmern müssten.

Wir fühlen uns die ganze Zeit mies und verhalten uns Menschen gegenüber, die uns wichtig sind, wie ein Arschloch.

Wir stopfen uns Scheiß in den Körper, von dem wir wissen, dass er nicht gut für uns ist.

Wir tun Dinge, von denen wir wissen, dass sie dumm, sinnlos oder zerstörerisch sind.

Nichts davon ist hilfreich. Aber alles ergibt Sinn.

Auf deinem Lebensweg passieren unangenehme Dinge. Das Gehirn speichert Informationen darüber, um sie in Zukunft zu vermeiden. Dein Gehirn hat sich an die Umstände in deinem Leben angepasst und ergreift bestimmte Maßnahmen, um dich zu schützen. Zum Glück, denn manchmal sind diese Reaktionen echt hilfreich. Manchmal erzeugen sie aber ein größeres Problem als das, um das es eigentlich geht. Dein Gehirn WILL dich nicht verarschen (auch wenn es das manchmal durchaus tut).

Was ist, wenn du nicht an einem bestimmten Trauma zu knabbern hast? Anpassungs- und Bewältigungsstrategien, schlechte Gewohnheiten und schräge Verhaltensweisen lassen sich alle ähnlich erklären. Und Forschungen haben ergeben, dass solche Probleme leichter zu therapieren sind, wenn wir darauf schauen, was wirklich los ist, und nicht nur auf die Symptome.

Das Hilfreichste, was ich als Therapeutin tun kann, ist meiner Erfahrung nach zu erklären, was im Gehirn vor sich geht, und mit der therapeutischen Arbeit zu versuchen, die Reaktionen auf bestimmte Situationen zu verändern.

Die Strategien, an denen wir in der Therapie arbeiten (und die Strategien und Fähigkeiten, auf die die Menschen von selbst kommen), sollen das Gehirn wieder dazu bringen, Informationen zu verarbeiten, ohne irgendeine verrückte Überreaktion auszulösen. Solche Überreaktionen sind die Mittel, mit denen sich unser Gehirn anpasst und uns schützt, wenn es eine Situation als Bedrohung wahrnimmt. Durch Überreaktionen bereitet es uns darauf vor, alles zu tun, was wir tun müssen, um am Leben zu bleiben. Achtung, Kampfhirn AKTIVIEREN! Selbst wenn der »Feind« nur ein Typ ist, der neben dir im Buchladen steht und keine Ahnung hat, dass er dich gerade getriggert hat.

Wenn wir die Kontrolle wiedererlangen, können wir auf solche scheinbaren Bedrohungen weitgehend entspannt und rational reagieren.

Lass mich nun genauer erklären, was ich damit meine.

Hirnkunde für Anfänger

Wenn irgendein Abschnitt dieses Buches kompliziert ist, dann ist es dieser hier. Denn ein Gehirn ist nun mal verdammt kompliziert. Aber dieser Abschnitt wird nur so kompliziert wie nötig, um zu erklären, was du wissen musst. Also bleib dran, wir schaffen das.

Der präfrontale Cortex (nennen wir ihn PFC) ist im Wesentlichen der vordere Teil deines Gehirns. Er ist die Ecke, die für die exekutiven Funktionen zuständig ist, also unter anderem für Problemlösung, zielorientiertes Verhalten und die Steuerung sozialer Interaktionen im Rahmen dessen, was »sich gehört«. Im Grunde genommen bedeutet exekutive Funktion einfach: denken.

Das findet sozusagen direkt hinter der Stirn statt. Diese Region ist der evolutionär jüngste Teil des Gehirns. Er unterscheidet uns am meisten von anderen Spezies. Es ist der Teil des Gehirns, der die Aufgabe hat, Informationen aus der Außenwelt zu empfangen und unsere Gedanken und Handlungen entsprechend zu steuern.

Der präfrontale Cortex ist auch der Teil, dessen Entwicklung bei Heranwachsenden am längsten braucht. Er ist erst mit Mitte 20 voll funktionsfähig. Das heißt aber nicht, dass er bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht vorhanden wäre. Und es bedeutet ganz sicher nicht, dass man einen Freifahrtschein für Unfug hat, wenn man jünger ist. Aber es bedeutet, dass unsere gesamte Gehirnverdrahtung neue Kommunikationswege und komplexere Kommunikationsnetze einrichtet, wenn wir älter und weiser werden. Wenn alles gut geht, funktioniert der PFC immer besser – ein eindeutiger Vorteil des Alterns.

Achtung, nicht vergessen, ich habe gesagt: »Wenn alles gut geht.«

Der präfrontale Cortex ist also der Teil, der theoretisch das Sagen hat. Und er ist verständlicherweise stark mit dem Rest des Gehirns verbunden. Der ventrale Teil des PFC (sozusagen die Rückseite, also quasi der PFC-Po) ist mit einem ganz anderen Bereich des Gehirns verbunden, nämlich mit dem Teil, der die Emotionen speichert (mehr zu diesem Mistkerl gleich). Außerdem erhält der gesamte PFC Rückmeldungen von den Erregungssystemen des Hirnstamms (keine Sorge, auch dazu später mehr).

Alles, was von diesen anderen Ecken des Gehirns an den PFC gesendet wird, wirkt sich also auf das gesamte Denken aus. Es gibt eine Region des PFC, den sogenannten vorderen Gyrus cinguli (VGC). Diese Region hat die Aufgabe, den Dialog zwischen dem PFC (dem Denkhirn) und dem limbischen System (dem Fühlhirn) zu moderieren. Der VGC vermittelt im Gehirn zwischen dem, was wir wissen, und dem, was wir fühlen – und macht dann Vorschläge, wie wir mit dem ganzen Schlamassel umgehen sollen.

Und in diesem Bereich ist die neuronale Verdrahtung komplett SONDERBAR. Die Gehirnzellen heißen dort Spindelneuronen. Sie sind nicht kurz und buschig wie überall sonst, sondern langbeinig wie Supermodels. Außerdem haben diese Vollidioten echt was drauf. Signale senden sie viel schneller als der Rest der Neuronen. Deswegen sind emotionale Reaktionen immer superschnell am Start.

Wozu gibt es sie und warum dort? Nur Menschen und Menschenaffen haben Spindelneuronen. Viele Wissenschaftler glauben, dass sie ein Ergebnis unserer Evolution zu höherer Denkfähigkeit sind.

Um mehr denken zu können, müssen wir mehr fühlen. Und dann bei der Entscheidungsfindung beides berücksichtigen. Emotionen sind für unser Überleben genauso wichtig wie Gedanken. Und jetzt erkennst du bestimmt schon, worauf ich hinauswill.

Amygdala, das Arschloch

Dieser Teil des Gehirns, den ich erwähnt habe, der mit dem PFC-Po Tango tanzt, das ist das limbische System. Dieser Teil versteckt sich ein wenig in den Falten des Gehirns, hinter dem PFC. Während der PFC für das Denken zuständig ist, übernimmt das limbische System den emotionalen Teil. Und ein großer Bereich dieser Emotionen hat damit zu tun, wie wir Erinnerungen speichern.

Zwei wichtige Bestandteile des limbischen Systems sind die Amygdala und der Hippocampus. Das meiste, was wir heute über die Wirkung von Traumata auf das Gehirn wissen, haben Forschungen an der Amygdala ergeben. Aufgabe der Amygdala ist es, Erinnerungen mit Emotionen zu verbinden. So weit, so gut. Aber genau genommen speichert die Amygdala nur eine bestimmte Art von Erinnerungen, nicht alle. Der Amygdala ist es scheißegal, wo du deine Autoschlüssel hingelegt hast. Sie hat die Aufgabe, das episodisch-autobiografische Gedächtnis (EAG) zu verwalten. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um das abgespeicherte Wissen über Ereignisse. Zeiten, Orte, Personen. Nicht das Puddingrezept deiner Großtante. Deine Geschichten über die Welt und wie sie funktioniert. Die Scheiße, die dir passiert.

Warum zum Teufel ist das so wichtig? Episodische Erinnerungen werden im Hippocampus als unsere eigenen Geschichten gespeichert, als unsere eigene Interpretation von Ereignissen, verbunden mit unseren emotionalen Reaktionen. Es sind Erinnerungen, die mit ernsthaften emotionalen Reaktionen verknüpft sind. Wenn in deinem Leben etwas passiert ist, das für dich wirklich bedeutsam war, bleiben die mit dieser Erinnerung verbundenen Emotionen haften wie Katzenhaare am Lieblingspulli. Erlebst du also in der Zukunft eine emotionale Reaktion, zieht die Amygdala sofort diese EAG-Akte aus dem Schrank, um zu entscheiden, wie du handeln sollst.