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Als die Geschwister Nico und Nele an der Wolfsgrube vorbeikommen, stürzt Nico rücklings hinein. „Aua“, ruft da eine hohe Stimme, und gleich darauf taucht aus dem Nichts ein kleines Wesen mit langen grünen Haaren, einem Umhang aus Blättern und Rindenschuhen auf: Jasinack, der Schnack. Schnacks sind Waldgeister, die sich um Pflanzen und Tiere kümmern. Um ihre Vorräte gegen die diebischen Trolle zu schützen, bauen Schnacks Fallen, in denen die langen und empfindlichen Trollnasen in Dornen geraten. Früher sind die Schnacks auf Schleifsteinen ins Tal gerollt oder haben sich mit den Bergleuten um die besten Höhlen gestritten, aber heute meiden sie die Menschen und veranstalten ihr Lichterfest nachts an einem Waldsee. Dies und noch viel mehr erfahren Nico und Nele allmählich bei gemeinsamen Unternehmungen mit Jasinack und dessen Cousine Pianack. Umgekehrt staunen die beiden Schnacks über verschiedene Annehmlichkeiten, die den beiden Kindern selbstverständlich sind, wie weiche Taschentücher oder Fahrräder. Allmählich wächst die Freundschaft zwischen Geistern und Menschen und schließlich ist das Vertrauen so fest geworden, dass die Schnacks einwilligen, Nico und Nele mithilfe eines Feenzaubers in die Jahresversammlung der Schnacks einzuschleusen.
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Seitenzahl: 72
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Für Samuel und Anna
Nico und Nele
Jasinack
Pianack
Tannenfels
Rollschabernack
Sankenbachsee
Lichterfest
Bergwerke
Glasbrunnen
Kauderwürfe
Feenzauber
Rinkenberg
Ortsregister
Eigentlich sollten Nele und Nico Hausaufgaben machen, aber an diesem Tag hatten sie keine Lust. Das Wetter war viel zu schön dafür. Deshalb gingen sie hinaus in den Garten hinter ihrem efeubewachsenen, alten Haus und spielten Verstecken. Sie wussten tolle Verstecke in dem großen, etwas verwilderten Garten mit den vielen Büschen, dem Apfelbaum und der alten Hecke ringsherum.
Einmal versteckte sich Nico in der Regentonne. Er stellte einen leeren Eimer auf eine Holzkiste neben die Tonne, stieg darauf und sprang mit einem Satz in die Tonne. Aber, oh Schreck, er hatte vergessen, dass es zwei Tage zuvor geregnet hatte. Seine blaue Lieblingshose war nun bis über die Knie nass. Schon wollte er aufspringen und hinausklettern, doch da hörte er die Schritte seiner großen Schwester und duckte sich schnell. Zum Glück hatte sie seinen blonden Schopf nicht aus der Tonne herausragen sehen. Lange suchte sie ihn vergeblich, doch als sie zum dritten Mal an der Tonne vorbeilief, konnte er nicht mehr an sich halten und musste laut lachen.
„Hier steckst du also!“, rief Nele und guckte in die Tonne. Und dann musste auch sie laut lachen. „Wie siehst du denn aus? Du bist ja ganz nass und deine Haare sind noch verstrubbelter als sonst! Komm, ich helfe dir heraus, damit deine Hose trocknen kann.“
Ein anderes Mal kroch Nico in den großen Laubhaufen, den Papa an diesem Tag zusammengerecht hatte. Es war gar nicht so einfach gewesen, sich flach auf dem Boden liegend mit den Händen voran hineinzutasten, ohne die Blätter in alle Richtungen zu zerstreuen. Unter dem Laubhaufen war es warm, etwas feucht und weich. Fast hatte er es geschafft, nur ein Bein musste er noch in den Haufen ziehen.
Doch plötzlich schrie er laut auf: „Aua, aua, autsch!“ Wie wild sprang er auf und hielt sich sein linkes Knie. Da war es mit dem Verstecken vorbei, Nele hatte ihn gleich gefunden. Trotzdem wollten die beiden wissen, was da so Stacheliges im Laubhaufen versteckt war. Vorsichtig durchwühlten sie gemeinsam die Blätter und fanden einen Igel, der genüsslich an einem Apfel knabberte.
Auch Nele kannte tolle Verstecke. Ihr bestes Versteck befand sich im Gartenhäuschen. Dort hing nämlich Papas großer, gelber Regenmantel an der Wand und seine Gummistiefel standen immer in der Ecke. Wenn Nele die Stiefel anzog, sich an die Wand stellte und sich in den Mantel einhüllte, der immer noch an der Wand hing, war von ihr gar nichts mehr zu sehen. Tief steckte sie ihr sommersprossiges, rundes Gesicht in den Mantel, der ein bisschen nach Gummi, nach Papa und nach Regen roch.
Als sie sich das erste Mal so versteckte, schaute ihr kleiner Bruder viermal im Gartenhäuschen nach, ohne sie zu entdecken, und Nele, die sich ihr Kichern verkniff, verriet sich nicht. Doch als er sie nach einer Stunde immer noch nicht gefunden hatte und ihr allmählich die Beine wehtaten, trat sie schließlich ganz steif aus der Hütte heraus und begann nun ihrerseits, Nico zu suchen. Sie fand ihn in der Küche mit einem Kirschkuchen in der Hand. Ihr Bruder hatte die Suche aufgegeben. Nun hielt er ihr grinsend ein Stückchen Kirschkuchen hin.
„Willst du auch? Ich habe dir noch eines übrig gelassen.“
Einmal versteckte sich Nico in der Regentonne. Er stellte einen leeren Eimer auf eine Hofzkiste neben die Tonne, stieg darauf und sprang mit einem Satz in die Tonne.
Wortlos nahm sie den Kuchen, drehte sich schwungvoll um, warf die langen braunen Zöpfe nach hinten und ging auf ihr Zimmer. Sie wollte ihm zeigen, dass sie verärgert war, weil er sie einfach hatte stehen lassen. Aber insgeheim war sie auch ein bisschen stolz darauf, sich solch ein gutes Versteck ausgedacht zu haben. Das würde sie ihm nicht so schnell verraten.
Aber heute wollten sich einfach keine solch famosen Verstecke auftun. Und so beschlossen die beiden nach einer Weile, im Wald Heidelbeeren zu sammeln und danach Vanilleeis mit den heiß gemachten Früchten zu essen. Sie kannten in der Nähe sonnige Lichtungen, auf denen besonders große und süße Beeren wuchsen. Dorthin liefen sie und füllten ihre Eimer. Auf dem Rückweg schwang Nico voller Vorfreude seinen Eimer hin und her, sang und drehte sich im Kreis.
Auf ihrem Rückweg vom Heidelbeerensammeln kamen die Geschwister an die Stelle, wo am Wegesrand die Wolfsgrube zu finden ist. Noch heute ist diese Grube immerhin so groß, dass sich ein erwachsener Mensch problemlos der Länge nach hineinlegen oder hineinstellen kann. In früheren Tagen aber, als es noch Wölfe gab, war die Grube noch viel tiefer gewesen. Die Menschen hatten sie ausgehoben, mit Ästen verdeckt und Köder ausgelegt, sodass die Wölfe in die Grube stürzten und nicht mehr herauskamen. So jedenfalls hatten es Nele und Nico gehört.
Seit sie Jasinack kennenlernten, wissen sie es besser. Und das kam so: Gerade als sie an der Wolfsgrube vorbeikamen, stolperte Nico und stürzte rücklings in die Grube hinein. Er hatte Glück, dass nichts Schlimmeres passierte, aber der Aufprall war doch schmerzhaft und die Heidelbeeren waren alle verschüttet.
„Aua“, schrie er, „mein armer Rücken!“
„Was heißt da Rücken, mein Bein!“, rief gleich darauf eine hohe Stimme. „Was bist denn du für ein Trampel, pass doch auf, wo du hintrittst!“
Nico drehte sich erstaunt um, denn er hatte in der Grube niemanden gesehen. Auch Nele, die gleich herbeigeeilt war, sah sich überrascht um, aber auch sie konnte niemanden entdecken.
„Was starrt ihr denn so blöd, entschuldigt euch wenigstens, wenn ihr mich bei meiner Arbeit stört!“
„Wer …“, sagte Nico.
„Was …“, sagte Nele, aber beide brachen gleich wieder ab, weil sie eigentlich gar nicht wussten, was sie sagen sollten.
„Wer und was ist keine Entschuldigung“, sagte die Stimme. „Ach so, ihr könnt mich ja gar nicht sehen“, fuhr sie fort und dabei tauchte plötzlich ein kleines Wesen neben Nico in der Grube auf. Es hatte lange grüne Haare, war mit bunten Blättern behangen und trug Rindenschuhe an den Füßen.
„Schambimba, jetzt habe ich mich auch noch gezeigt und das darf ich doch nicht! Heute geht aber auch alles schief!“ und das Wesen fing an zu heulen.
Nele fand als Erste wieder zu sich.
„Jetzt hör doch auf zu weinen“, sagte sie. Das war nicht besonders klug, denn man kann ja nicht einfach so aufhören zu weinen, wenn einen etwas bedrückt. Aber was soll man auch sagen, wenn vor einem plötzlich ein weinender Wicht in einer Wolfsgrube sitzt? Und weil Nele fand, dass man Tränen abtrocknen sollte, zog sie ihr Taschentuch heraus, stieg in die Grube und reichte es dem kleinen Wesen. Dieses wischte sich mit dem Tuch über die Wangen und ein Strahlen ging über sein Gesicht.
„Das ist aber weich! Und es trocknet ja alles auf! Mama sagt immer, die Menschen hätten nur schlechte Erfindungen, aber das hier ist wundervoll! Wir nehmen immer Blätter, aber die saugen einfach kein Wasser auf. Ich habe schon oft überlegt, was ich zum Abwischen am besten verwenden könnte, aber ich habe noch nichts gefunden, was auch nur annähernd so toll gewesen wäre wie das hier. Ich bin übrigens Jasinack.“
Während er sprach, hatte er das Taschentuch unter seinem Blätterumhang verschwinden lassen, und nun streckte er Nele die Hand hin.
Dabei tauchte plötzlich ein kleines Wesen neben Nico in der Grube auf. Es hatte lange grüne Haare, war mit bunten Blättern behangen und trug Rindenschuhe an den Füßen.
„Nele“, antwortete diese überrascht, wobei sie die kleine Hand nahm.
Auch Nico stellte sich stockend vor und fragte, noch mit offenem Mund: „Und was bist du?“
„Ich bin ein Schnack!“, sagte das Männlein und schaute sie erwartungsvoll an. Aber Nele und Nico konnten damit nichts anfangen.
„Ein Schnack?“, fragten sie.