Schulabschluss geschafft! Und jetzt? - Ulrike Bentlage - E-Book

Schulabschluss geschafft! Und jetzt? E-Book

Ulrike Bentlage

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Beschreibung

Nach dem Schulabschluss stehen viele Jugendliche und junge Erwachsene ratlos vor einem Meer von Möglichkeiten und der Frage, wie es nun für sie weitergehen soll: Studium oder Ausbildung? Vernunftfach oder Leidenschaft? Langfristig die Karriere planen oder Raum lassen für Experimente? Dieser Ratgeber macht mit einem Geleitwort von Anselm Grün "Mut zur Entscheidung": Entlang der in der Zukunftsforschung etablierten Delphi-Methode zeigt das Buch, wie Schulabgänger basierend auf der Befragung ihrer eigenen "Experten" (z. B. Verwandte, Freunde, Nachbarn, Lehrer, Trainer) mit wenigen Schritten eine Orientierung im Dschungel der Möglichkeiten und Meinungen finden können. Angereichert mit vielen Beispielen, praktischen Tipps und spannenden Hintergrundinformationen hilft das Buch dabei, das eigene persönliche Profil mit passenden Berufsbildern und Ausbildungswegen in Zusammenhang zu bringen. Im Vordergrund steht dabei nicht ein "Mehr" an Informationen, sondern die Fähigkeit, zu filtern, sich selbst in einer Außen- und Innensicht kennenzulernen und mit diesem "Kompass" loszugehen.

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Ulrike Bentlage

Schulabschluss geschafft! Und jetzt?

Ein Ratgeber zur Studien- und Berufswahl

Mit einem Geleitwort von Anselm Grün

Ulrike Bentlage, geb. 1970. 1989 – 1995 Studium der Germanistik, Romanistik und Mathematik in Münster und Nantes (Frankreich). 1995 Erstes Staatsexamen. 1995 – 1997 Referendariat für das Lehramt an Gymnasien in Bochum und zweites Staatsexamen für das Lehramt der Sekundarstufe I und II. 1998 – 2001 Projektleiterin für Bildungsprojekte der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh. 2001 – 2005 Strategieberaterin bei der Boston Consulting Group in Düsseldorf mit Schwerpunkt HR und Organisation. 2007 – 2013 Director Management Development im Bertelsmann-Konzern mit Verantwortung für die internationale Entwicklung von Führungskräften. Seit 2014 selbstständig in der Karriereberatung mit Schwerpunkt auf der Berufsorientierung für Abiturienten.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / baona

Satz: Sina-Franziska Mollenhauer, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Illustrationen: Rumi Benecke

Format: EPUB

1. Auflage 2021

© 2021 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3042-3; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3042-4)

ISBN 978-3-8017-3042-0

https://doi.org/10.1026/03042-000

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Anmerkung:

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Schulabschluss geschafft! Und jetzt?

1.1 Wer die Wahl hat …

1.2 Das Orakel von Delphi und die Delphi-Methode

1.2.1 Erkenne dich selbst: das Orakel von Delphi

1.2.2 Zusammen sind wir klüger: die Delphi-Methode

1.2.3 Eine Mini-Delphi-Studie für dich

2 So findest du deinen Weg – die acht Schritte deiner Delphi-Studie

2.1 Schritt 1: Bestimme deinen Expertenrat

2.2 Schritt 2: Stell die richtigen Fragen

2.3 Schritt 3: Sammle Antworten in Interviews

2.4 Schritt 4: Befrage dich selbst

2.5 Schritt 5: Setz das Puzzle zusammen

2.6 Schritt 6: Finde die passenden Berufsfelder

2.7 Schritt 7: Sprich mit Menschen, die sich in deinem Zielberuf auskennen

2.8 Schritt 8: Triff deine Entscheidung – und dann los!

3 Pater Anselm Grün: Mut zur Entscheidung

3.1 Vier Gründe für die Schwierigkeit, sich zu entscheiden

3.2 Vier Hilfen für die Entscheidung

3.3 Bei sich selbst bleiben

4 Wenn du noch mehr wissen möchtest

4.1 Zu Schritt 1: Was bringen Selbsttests?

4.2 Zu Schritt 2: 10 Tipps für Berater, Eltern und andere Unterstützer

4.3 Zu Schritt 3: Von der Kunst, gute Gespräche zu führen

4.4 Zu Schritt 4: Das kleine 1×1 der Motivation

4.5 Zu Schritt 5: Wie du deine Neigungen entdecken kannst

4.6 Zu Schritt 6: Beispiele aus der Beratungspraxis – vom Profil zum Ziel

4.7 Zu Schritt 7: Tipps, wie du dein berufliches Zielfeld näher kennenlernst

4.8 Zu Schritt 8: Anfangen, statt aufzuschieben

Nachwort

Literatur

|7|Vorwort

Warum ich dieses Buch schreibe

Wenn du diese Seite aufschlägst, hast du schon eine erste gute Entscheidung getroffen: dich mit der Frage zu beschäftigen, wie es nach der Schule für dich weitergehen soll, und dir Gedanken darüber zu machen, welcher Weg der richtige für dich sein könnte. Diese Überlegungen sind wichtig, daher solltest du sie in Ruhe weiterverfolgen. Nach dem Schulabschluss den nächsten Schritt in Richtung Ausbildung und Beruf zu gehen, das ist heute viel schwieriger geworden, als es noch in der Generation deiner Eltern und Lehrer war. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Ausbildungswege und -möglichkeiten haben sich verändert und erweitert und auch die Zahl der Studiengänge hat sich vervielfacht. Das Angebot, vor dem du heute stehst, ist selbst für Experten kaum noch überschaubar, und es kommt ständig etwas Neues dazu. Abgesehen davon, dass du mit einer längeren Auszeit oder Orientierungsphase – dem berühmten „Gap Year“ – oder einem freiwilligen sozialen Jahr die Entscheidung auch erst einmal vertagen kannst. Was also tun? Wie findest du heraus, was jetzt aus dir werden soll? Wo ist der Anfang für den roten Faden, der dich durch die nächsten Jahre leiten könnte?

Mit diesen Fragen kommen seit vielen Jahren junge Menschen zu mir, die in der gleichen Situation sind wie du. Ich kann dir also erst einmal versichern, dass es vielen so geht wie dir. Manche stehen kurz vor dem Schulabschluss, andere kommen nach der Abschlussparty – oder später, wenn auch die Auszeit nach dem Prüfungsstress keinen rettenden Einfall hervorgebracht hat. Das ist dann aber schon die größte Gemeinsamkeit. Denn jeder von ihnen kommt mit einer ganz eigenen Geschichte, mit ganz persönlichen Talenten und Schwächen, Wünschen, Träumen und Fragen: Studium oder Ausbildung? Vernunftfach oder Leidenschaft? Langfristig die Karriere planen oder Raum lassen für Experimente?

Noch vor zwei Generationen waren solche Fragen der reinste Luxus. Die wenigsten konnten es sich erlauben, in ihrer Berufswahl den eigenen Neigungen nachzugehen. Der Sohn oder die Tochter folgte beruflich dem, was die Eltern machten oder was die Umstände bestimmten. Bis heute gibt es Arztfamilien, Juristenfamilien und Handwerksbetriebe in |8|der dritten Generation. Erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts hat sich mit der sogenannten Bildungsexpansion ein breiter Zugang zur Schul- und Hochschulausbildung eröffnet und entsprechend die Freiheit, sich seinen späteren Beruf selbst zu wählen – oder wählen zu müssen. Zwar hat das Elternhaus bis heute, gerade in Deutschland, einen enormen Einfluss auf die Entscheidungen und späteren Berufswege. Doch die Verantwortung hat sich auf das Individuum verschoben. Heute gilt: „Jeder ist seines Glückes Schmied!“ Jeder ist auch seiner Entscheidungen und Berufswege Schmied. Und wo es viele Wege gibt, kann man sich leicht und lange verirren, sich zum Beispiel in falsch eingeschätzten Studiengängen, in abgebrochenen Ausbildungen und in dauerhaften Nebenjobs verzetteln.

Nichts gegen verschlungene Berufswege. Wie aber lässt sich vermeiden, dass du zu lange im falschen Film unterwegs bist? Was kann dir helfen, eine Entscheidung zu treffen, die wirklich deine ist? Das war für mich der Grund, dieses Buch zu schreiben: Ich glaube nicht daran, dass es den einzig richtigen Weg in die Berufs- und Arbeitswelt gibt. Ich glaube, dass es für dich einen Weg gibt, der dich in die richtige Richtung führt und der zu dir passt. Auf große Expeditionen soll man sich gut vorbereiten. Ich bin überzeugt, dass du mit einem gut angelegten Entscheidungsprozess deine Antwort auf die große Frage finden kannst: „Was soll ich jetzt machen? Was ist der Plan, wenn ich noch keinen Plan habe?“

Zwar sitzen wir uns nicht direkt gegenüber, wie das in der persönlichen Beratungssituation der Fall ist. Dafür erfährst du hier, wie du dir viele andere „gute Geister“, Helfer, Berater, Experten an deine Seite holen kannst, die dir auf unterschiedliche Weise bei deiner Entscheidung helfen können.

Du findest in diesem Ratgeber weder Erfolgstipps noch ein Ranking der besten Berufsfelder. Es geht in diesem Buch nicht um ein „Mehr“ an Informationen. Davon gibt es genug. Du findest stattdessen eine erprobte Methode, wie du zu einer guten Entscheidung kommst. Und ich habe hier bewusst das Wort „Beruf“ weggelassen. Denn viele der Schritte, die du hier mit mir gehen kannst, lassen sich genauso gut auf andere Entscheidungen übertragen, die du vor dir hast.

Bevor es losgeht, will ich dir Mut machen: Entscheidungen zu treffen, erfordert immer Mut. Mit deiner Bereitschaft, dich der Unsicherheit zu stel|9|len und dich mit der Frage nach deinem weiteren Weg auseinanderzusetzen, hast du schon den ersten großen Schritt getan, um dein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Also fangen wir an!

Gütersloh, im Mai 2020

Ulrike Bentlage

|10|1 Schulabschluss geschafft! Und jetzt?

1.1 Wer die Wahl hat …

Beispiel: Luise

Luise reicht mir ihr Handy und zeigt mir ein Foto vom Bodensee. Dort hat sie die letzten Monate verbracht, die bisher letzte Station ihrer Ausbildungsodyssee. „Tanzen war mein großes Hobby, also dachte ich, Tanzlehrerin ist eine gute Idee“, erzählt sie. Luise ist 22 und es ist die dritte Ausbildung, die sie begonnen und nach einigen Monaten abgebrochen hat. Nach dem Abi studierte sie erst Geowissenschaften – „Das war aber viel Physik und Mathe …“ –, danach wechselte sie in den Studiengang Gesundheitsmanagement („Lieber was mit Menschen“). Auch da fühlte sie sich fehl am Platz. Schließlich entschied sie sich, ihr Hobby zum Beruf zu machen – das Tanzen. Die Ausbildung am Bodensee war weit weg von zu Hause, es sollte auch so sein. Anfangs war alles gut, dann fühlte sie sich von den Ausbildern zu streng beurteilt („Die haben mich dauernd kritisiert“) und kehrte zurück nach Düsseldorf. Ihre Eltern machen sich Sorgen. Luise hat im Moment keine Idee, was sie als Nächstes machen will, und jobbt in einem Bistro.

Luise ist ein Beispiel für viele, die sich nach dem Schulabschluss im Dschungel von Ausbildungs- und Studienangeboten verirren. Inzwischen bricht fast die Hälfte der Studierenden den ersten Studiengang ab, bei den Auszubildenden sieht es ähnlich aus. Die Gründe sind leicht nachzuvollziehen: In der Schule gelten klare Anforderungen, und je näher der Abschluss rückt, desto höher ist der Zeitaufwand für Lernen, Klausurenschreiben, Punktesammeln, Praktika. Es bleibt kaum genug Zeit, sich noch um Freunde und Hobbys zu kümmern. Das Ziel ist immer klar: die nächste Klausur, das nächste Referat, der Abschluss. Wie es danach weitergeht? Das steht auf einem anderen Blatt. Und das ist trotz dicker Broschüren und uferloser Informationen im Netz oft ein ziemlich leeres.

|11|Was will ich, was kann ich, was passt zu mir? Darauf haben die wenigsten Schulabgänger eine klare Antwort. Wann soll man denn darüber nachdenken? Es gibt Lieblingsfächer und Problemfelder – „Ich hasse Mathe!“ –, es gibt Vorstellungen der Eltern („Am besten wirst du Lehrerin!“), und in der Zeitung stehen immer neue Prognosen („Diese Berufe werden durch KI bald verschwinden“). Nichts davon hilft dir wirklich weiter. Denn es geht mit der Entscheidung für deinen Einstieg in eine Berufslaufbahn um mehr als die nächste Qualifikationsstufe. Die Entscheidung, welchen beruflichen Weg du nach dem Abschluss einschlägst, markiert den ersten Schritt in dein Erwachsenenleben. Schon deshalb lohnt es sich, einmal in Ruhe darüber nachzudenken, was eine gute und kluge Entscheidung ausmacht, und wie du die Antworten finden kannst, die du brauchst.

Anders als früher verlaufen die allermeisten Berufswege heute weit weniger geradlinig, planbar und überschaubar. In den meisten Branchen und Feldern öffnen sich für dich im Lauf der Zeit noch viele Verzweigungen, weitere Karriere- und Lebenswege. So lassen sich praktische Ausbildung und Studium parallel oder nacheinander kombinieren sowie Qualifikationen auf allen möglichen Wegen erwerben. Und immer mehr Firmen sind offen für „Auszeiten“, sogenannte Sabbaticals, oder bieten flexible Modelle für verschiedene Lebensphasen. Vielfalt also, wohin du schaust. Auch die noch in meiner Generation oder der deiner Eltern relativ abgegrenzten Berufsbilder haben sich erweitert und täglich kommen neue Kombinationen, Spezialisierungen und Varianten dazu, fantasievolle Jobtitel inklusive. Was macht eine UX-Designerin den ganzen Tag? Und was ein Zerspanungsmechaniker? Wie wird man Key-Account-Manager und was muss man da können? Oder Kriminalkommissarin?

Womit wir bei einem weiteren Punkt wären, der die Entscheidung für dich um einiges schwieriger macht, als sie für deine Eltern war: Facebook, Instagram, YouTube und die vielen anderen neuen und alten Medien vermitteln durchaus auch (Berufs-)Bilder, die der Realität mal mehr, mal weniger nahekommen. Da haben Superman und Superwoman die perfekten Jobs, erleben aufregende Abenteuer, sind rundum glücklich und zufrieden. „Lebe deinen Traum!“ und „Folge deiner Berufung!“, fordern die Bilder. Tja, wenn es so einfach wäre. Wer schon in der Grundschule wusste, dass er in der siebten Generation Arzt oder Anwalt werden will (oder soll), hat es auch nicht immer leicht – aber ein ganz anderes Problem als Luise.

|12|„Wenn ich wüsste, was ich wirklich will, dann würde ich bestimmt auch durchhalten“, sagt sie. Gut möglich. Aber mit dem Wollen allein ist es, wie man in jeder Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Das Supertalent“ beobachten kann, auch nicht getan. Wenn die Jury mal mehr, mal weniger feinfühlig bescheinigt, dass die Töne nicht getroffen wurden und die Stimme wie Froschquaken klingt, hilft weder der mitgereiste Fanclub weiter noch die Selbstüberzeugung, der nächste Stern am Schlagerhimmel zu sein. Neigung und Eignung sind zwei sehr verschiedene Dinge, und beides spielt eine Rolle. Wenn du dein Hobby zum Beruf machst, sind andere Eigenschaften oft genauso wichtig wie Talent oder Spaß, das „Gesamtpaket“ heißt es in den Casting-Shows. Wenn du dein Hobby unter ganz anderen Bedingungen ausübst – macht es dann noch genauso viel Spaß? Woher weißt du eigentlich, welche Talente in dir schlummern?

Ein Meer von Möglichkeiten vor dir, ein Labyrinth von Fragen in deinem Kopf. Wie schön wäre es, du könntest es machen wie die Könige in der Antike. Wenn sie nicht mehr weiterwussten, begaben sie sich auf die Reise nach Delphi. Dort konnten sie mit der weisen Apollopriesterin einen Blick in die Zukunft werfen, um aus dieser Perspektive die aktuell beste Entscheidung zu treffen. Die gute Nachricht ist, so etwas Ähnliches kannst du auch tun: mit der Delphi-Methode, die ihren Namen vom berühmten Orakel von Delphi geliehen hat, weil sie auf anderem Weg das gleiche Problem lösen kann.

1.2 Das Orakel von Delphi und die Delphi-Methode

Beispiel: Jonas

„Delphi?“ Oft begegnen mir am Anfang von Vorträgen, bei Schülerworkshops zur Berufsorientierung oder im konkreten Beratungsgespräch erstmal fragende Blicke, wenn ich die Delphi-Methode erläutere. So auch bei Jonas, der ein halbes Jahr vor dem Abitur steht. Geschichte war nie sein Lieblingsfach. Von den Römern und Griechen hat er natürlich gehört, aber die meisten Details sind im Dunkel der Mittelstufe verschwunden. Muss man auch nicht wissen, wo|13|zu gibt es Google, Wikipedia und Smartphones? Auch Jonas würde direkt sein Smartphone befragen, aber das bleibt in den Gesprächen ausgeschaltet. Schwer vorstellbar, dass etwas so alt ist und doch damit zu tun haben könnte, dass er einer Antwort auf seine Frage nach dem „Wie weiter?“ näherkommt. „Orakel klingt schräg“, stellt er fest, nach Kaffeesatzlesen und Horoskopen, was für ihn so ziemlich das Letzte ist, „meine Oma glaubt noch an sowas“. Ich erzähle ihm trotzdem kurz die Geschichte vom Orakel von Delphi und von der Delphi-Methode. Mir geht es dabei um etwas ganz anderes als das Vorhersagen seiner Zukunft. Es geht mir um zwei Besonderheiten, die die Delphi-Methode von den meisten anderen Testverfahren und Beratungsangeboten unterscheiden.

1.2.1 Erkenne dich selbst: das Orakel von Delphi

Wenn du nicht weiterweißt …

… gehe nach Delphi, hätten die alten Griechen dir geraten. Delphi liegt am Hang des Berges Parnass in Griechenland. Dort befand sich das bedeutendste Heiligtum des antiken Griechenlands, ein Tempel, der Apollo geweiht war. Sprachrohr des Orakels war die einzige Priesterin dort, Pythia. Außer in den Wintermonaten gab sie an jedem Monatssiebten zu Fragen aller Art Auskunft. Sie empfing die göttlichen Eingebungen, wenn sie zuvor im Wasser der heiligen Quelle Kastalia gebadet hatte. Dann stieg sie auf einen Dreifuß, der über einer Erdspalte stand, und begann zu reden. Allerdings war, was sie sagte, ziemlich wirr. Ihre Reden wurden deshalb von den Priestern interpretiert und oft in Form eines Reimes wiedergegeben.

Die Weissagungen des Orakels waren über jeden Zweifel erhaben. Alle, die bei einem wichtigen und wirklich kniffligen Problem nicht weiterwussten, suchten das Orakel von Delphi auf und bekamen dort eine Antwort. Dazu gehörten der sagenhafte Krösus, König Laios und Alexander der Große, um nur ein paar zu nennen. Aber man musste nicht reich, mächtig oder berühmt sein, um beim Orakel vorzusprechen, auch einfache Bauern konnten sich nach Delphi begeben, um sich die Zukunft vorhersagen zu lassen. Allerdings durften diese nur Fragen stellen, die mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten sind. Die Antwort bekamen sie auch |14|nicht von Pythia, sondern von den Priestern – diese nahmen aus einem Tonkrug mit schwarzen und weißen Bohnen dann eine Bohne heraus. Weiß für „Ja“, schwarz für „Nein“, – schon war die Sache entschieden.

Ein Rätsel und seine Auflösung

Ganz anders lief es mit Pythias Orakelsprüchen. Denn was sie sagte, war gerade nicht schwarz oder weiß, ja oder nein. Es war auch nicht annähernd so klar formuliert wie heute ein Eintrag bei Wikipedia. Man musste das, was sie von sich gab, erst noch richtig deuten. Das konnte auch schiefgehen und dann direkt in eine Katastrophe führen.

Berühmt ist die Geschichte von Krösus, eigentlich Kroîsos, dem sprichwörtlich reichen letzten König der Lydier, der wissen wollte, ob er den Feldzug gegen die Perser beginnen sollte. Er zog mit der doppeldeutigen Antwort ab, er werde ein großes Reich zerstören. Krösus nahm an, dass das Reich der Perser gemeint war. War es aber nicht: Im Krieg gegen die Perser verlor er selbst Land und Leben.

Natürlich gehört vieles, was vom Orakel von Delphi bekannt ist, ins Reich der Sagen, Legenden und Märchen. Warum es über so lange Zeit eine solche Bedeutung für die Menschen hatte, lässt sich – zum Teil jedenfalls – aber auch aus heutiger Sicht erklären, und zwar so: Die Könige und Feldherren erzählten den Priestern von ihren Plänen, ihren Träumen, ihren Geheimnissen. Diese Informationen konnten die Priester nutzen und daraus Schlüsse ziehen, vor allem, weil sie von so vielen Menschen aus dem ganzen Land aufgesucht wurden. Sie waren in gewisser Weise mit den Trends und den Problemen viel besser vertraut, weil sie den Menschen ihr Ohr liehen. Und damit lagen sie in ihren Antworten oft genug auch richtig.

Der Blick in den Spiegel

„Schöne Geschichte“, magst du jetzt wohl denken, „aber was hab ich nun davon?“ Das Orakel ist ja längst geschlossen. Dabei habe ich ein wichtiges Detail noch gar nicht erwähnt: Der Überlieferung zufolge sollen am Eingang des Tempels von Delphi zwei Inschriften angebracht worden sein. Die erste besagte: „Erkenne dich selbst!“ und die zweite empfahl: |15|„Nichts im Übermaß“. Aus der ersten Inschrift – die keine Aussage, sondern eine Aufforderung ist – wird der wahre Clou des Orakels erkennbar: Die Lösung von individuellen Problemen und Fragen liegt in der Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit. Wer in der Außenwelt ein wichtiges und kniffliges Problem lösen will, kann aus der Innenwelt seiner Persönlichkeit einen Zugang dazu finden.

Die weisen Griechen wussten, dass die Frage, wie man sich an einem bestimmten Punkt im Leben entscheiden soll, viel damit zu tun hat, sich zu fragen, wer man selbst ist, was man will, was man kann. Und sie wussten auch, dass wir von uns selbst oft nur ein untaugliches Zerrbild haben aus dem, was wir gerne wären, was wir befürchten zu sein, und dem, was wir meinen, was wir eigentlich sein sollten. Deshalb lohnt sich ein Blick in den Spiegel. Und diesen Spiegel finden wir in den Augen der anderen. Vor allem, wenn wir uns mit mehreren Spiegeln und Sichtweisen befassen – statt mit nur einer einzigen Betrachtungsweise, der eigenen oder der eines einzelnen Experten –, erhalten wir ein reicheres und besseres Bild von uns selbst. Das ist das zweite große Erfolgsgeheimnis des Orakels.

1.2.2 Zusammen sind wir klüger: die Delphi-Methode

Pythias Sprüche wurden von den Priestern gedeutet. Die Zukunft vorherzusagen war also Teamwork, schon in der Antike. Auf dieser Idee gründete viele Hundert Jahre später dann die Delphi-Methode. Sie zeigt dir noch viel besser, warum du damit in deiner Entscheidungsfindung ein großes Stück weiterkommen wirst, wenn du dich auf den Weg machst, anstatt im stillen Kämmerlein auf eine Eingebung zu warten.

Die Delphi-Methode ist, lange nach den alten Griechen, in den 1950er und 1960er Jahren entwickelt worden. Sie heißt so, weil sie das gleiche Ziel verfolgt wie damals das Orakel von Delphi: den Ratsuchenden etwas über die Zukunft mitzuteilen. Ursprünglich eingesetzt wurde die Delphi-Methode in den 1950er Jahren in den USA von der RAND Corporation im Rahmen von geheimen Studien für die Planung strategischer Waffensysteme (Ammon, 2005). Um gute Antworten zu langfristigen Zukunftstrends zu bekommen, wurde eine strukturierte Expertenbefragung konzipiert, die heute den Kern der Delphi-Methode ausmacht. Dabei kommt |16|es auf zwei Punkte an: Erstens, die Experten werden zu den einzelnen Themen getrennt voneinander befragt. So kann sich keine Gruppendynamik bilden. Jeder, der schon mal Teamwork gemacht hat, weiß, wie leicht man sich an den Antworten von anderen orientiert. Wenn dreimal das Gleiche gesagt wird, fällt es deutlich schwerer, etwas anderes zu sagen – auch wenn man selbst anderer Meinung ist. Dieses Phänomen ist in vielen Studien immer wieder bestätigt worden. Der zweite Punkt ist: Die Antworten der Experten werden zusammengefasst und anonymisiert in die gesamte Runde zurückgegeben, damit jeder seine Einschätzung im Lichte der anderen Antworten nochmal prüfen kann.

Richtig bekannt geworden ist die Delphi-Methode erst später, Mitte der 1960er Jahre in der zivilen Zukunftsforschung. Es waren die Jahre großer Fortschrittsträume, von der Mondlandung bis zur Unterwasserstadt schien technisch gesehen damals alles möglich – aber wie sollte man erkennen, was von den vielen Ideen zu halten ist? Worauf sich einstellen und in welche Visionen investieren? Kurz: Wie lässt sich etwas über die Zukunft herausfinden, ohne sich auf Spekulationen zu verlassen? Am ehesten, wenn wir von schon Vorhandenem ausgehen und die Möglichkeiten, Einflüsse und Entwicklungen in die Zukunft fortschreiben. Das dachten sich zwei Wissenschaftler der Denkfabrik RAND, Olaf Helmer und Norman Dalkey, und entwickelten eine neue Methode, um die Wahrscheinlichkeit prognostischer Aussagen zu erhöhen. Sie nannten sie Delphi-Methode und stellten sie beim Kongress für Internationale Zukunftsforschung im September 1965 in Oslo vor.