SCHÜSSE IM CANYON - Theodore V. Olsen - E-Book

SCHÜSSE IM CANYON E-Book

Theodore V. Olsen

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Beschreibung

Er trug keine Waffe, aber sie schossen ihn dennoch nieder. Dann rissen sie seinen Zaun ein und trieben ihr Vieh auf seine Weide.

Calem Gault musste hilflos mit ansehen, wie sein Vater starb. Ihn töteten sie nicht, denn sie hielten ihn für zu jung und für zu harmlos, um gefährlich zu sein.

Sie hatten ihm alles abgenommen, was er besaß. Geblieben war nur die Erinnerung an den feigen Mord an einem Wehrlosen. Calem wusste, dass es sein sicherer Tod war, wenn er sich gegen die mächtigen Dembrows stellte - doch lieber wollte er sterben, als deren Verachtung noch länger ertragen zu müssen...

 

Theodore Victor Olsen (25. April 1932 in Rhinelander, Wisconsin – 13. Juli 1993 in Rhinelander) war ein US-amerikanischer Western-Autor. Der Roman Schüsse im Canyon erschien erstmal im Jahre 1965; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1970.

Schüsse im Canyon erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX WESTERN.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Ähnliche


 

 

 

 

THEODORE V. OLSEN

 

 

Schüsse im Canyon

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex Western, Band 43

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

SCHÜSSE IM CANYON 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

 

Das Buch

 

Er trug keine Waffe, aber sie schossen ihn dennoch nieder. Dann rissen sie seinen Zaun ein und trieben ihr Vieh auf seine Weide.

Calem Gault musste hilflos mit ansehen, wie sein Vater starb. Ihn töteten sie nicht, denn sie hielten ihn für zu jung und für zu harmlos, um gefährlich zu sein.

Sie hatten ihm alles abgenommen, was er besaß. Geblieben war nur die Erinnerung an den feigen Mord an einem Wehrlosen. Calem wusste, dass es sein sicherer Tod war, wenn er sich gegen die mächtigen Dembrows stellte - doch lieber wollte er sterben, als deren Verachtung noch länger ertragen zu müssen...

 

Theodore Victor Olsen (25. April 1932 in Rhinelander, Wisconsin – 13. Juli 1993 in Rhinelander) war ein US-amerikanischer Western-Autor. Der Roman Schüsse im Canyon erschien erstmal im Jahre 1965; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1970. 

Schüsse im Canyon erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX WESTERN. 

  SCHÜSSE IM CANYON

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Calems Finger schlossen sich mit der Leichtigkeit langer Übung um den Coltgriff. Zwischen dem leisen Geräusch von Stahl auf Leder beim Ziehen und dem harten Knacken des gespannten Hahns lag nur ein Zwischenraum von Zehntelsekunden. Er brachte das Eisen mit instinktiver Sicherheit in Anschlag und steckte es dann wieder in den Halfter.

Das war schon ganz gut, dachte Calem lächelnd. Was wohl Jesse dazu sagen würde? 

Er wurde wieder ernst, griff in die Hemdtasche und zog einige der kostbaren Patronen heraus. Nachdenklich spielte er damit. Sie haben gesagt, dass sie den ganzen Tag fort sein würden, dachte er. Also - warum nicht?

Er zog noch einmal seinen Colt und schob drei Patronen in die gut geölte Trommel. Dann drehte er die erste geladene Kammer vor den Lauf und halfterte die Waffe wieder. Lässig ging er ein paar Schritte zur Seite.

Mit neunzehn Jahren hatte Calem schon seine volle Größe schon gut über sechs Fuß erreicht. In den letzten paar Jahren war er wie Unkraut in die Höhe geschossen. Sein grobknochiger Körper deutete darauf hin, dass sich hier und da noch ein wenig Fleisch ansetzen musste. Aber er war jetzt schon breiter in der Brust als sein Vater, und er konnte einen Futtersack von einem Zentner Gewicht mühelos über den Kopf stemmen, ohne die leiseste Anstrengung zu spüren. Aus seinen Sachen war er längst herausgewachsen. So bewegte er die breiten Schultern sehr vorsichtig, denn wenn die Nähte an dem groben Leinenhemd wieder rissen, dann bedeutete das zusätzliche Arbeit für Ma.

Calem blickte mit engen Augen zu seiner Zielscheibe hinüber und musterte die leere Blechbüchse wie einen bösen Feind. Sein knochiges Gesicht war ruhig und fest, wenn es auch noch nicht die harten Linien des Lebens trug. Die rauchgrauen Augen wurden unter ihren buschigen Brauen eng. Der schwarze Haarschopf wirkte wie eine struppige Muli-Mähne. Sein eckiges Kinn deutete auf ein gewisses Maß an Hartnäckigkeit hin, und die volle Unterlippe verlieh seinen Zügen etwas Hungriges, auch wenn sie sonst ganz entspannt waren.

Du musst das Eisen als einen verlängerten Zeigefinger betrachten, hatte Jesse immer gesagt. Ziele nach dem Gefühl, aber lass dir eine Sekunde Zeit dabei. Du bist nicht der berühmte Revolverschütze Stuart, und es wird noch dauern, bis du seinen Schießkünsten nahekommst.

Der Colt sprang ihm fast von allein in die Hand. Ein kurzes Zögern, dann rollte das Echo des Schusses über den Hof. Die Blechbüchse machte einen Satz und fiel vom Pfosten in den leeren Corral. Calem schickte einen zweiten Schuss hinterher und ließ sie noch einmal zwanzig Fuß weit wegspringen. Beim dritten Schuss verschwand die zerbeulte Dose in hohem Bogen in einem Schlammloch.

Lächelnd senkte Calem den Revolver, leckte sich zufrieden über die Lippen und blinzelte durch den Pulverdampf.

Doch dann fuhr er beim Geräusch eines näherkommenden Wagens zusammen. Er knöpfte sein Hemd auf und ließ den Colt verschwinden. Ohne sich umzudrehen, schlenderte er pfeifend auf die Scheune zu, aber in seinem Magen bildete sich ein dicker Knoten.

Sie mussten die Schüsse gehört haben!

Am liebsten hätte er laut geflucht, aber das war ihm verboten. Warum kamen sie auch so früh zurück! Normalerweise blieben sie am Samstag immer bis zum Abend aus.

Calem huschte in die Scheune und schob den Colt in ein offenes Fass mit Körnerfutter. Als er wieder auf den Hof trat, rollte gerade der Wagen an ihm vorbei. Sein Vater streifte ihn mit einem harten, warnenden Seitenblick.

Der Knoten in Calems Magen wurde härter. Zögernd ging er aufs Haus zu. Pa zügelte das Gespann vor der Tür und stieg steifbeinig vom Bock. Dann half er seiner Frau herunter. Sie sagte leise und eindringlich »Jared!« zu ihm, doch er überhörte die Mahnung und ging direkt auf seinen Sohn zu.

Jared Gault war ein hagerer, grobknochiger Mann, der sich sehr aufrecht hielt. Das handgewebte Leinenhemd und die blauen Hosen schlackerten um seine Glieder wie um den Stock einer Vogelscheuche. Unbeugsame Strenge ging von den harren Linien seines wettergegerbten Gesichts aus.

Er blieb mit leicht gespreizten Beinen stehen. Auch Calem hielt inne.

»Wo ist der Colt?«, fragte Jared knapp.

»In der Scheune.«

Jared machte eine kurze Handbewegung. Calem trottete vor ihm her. In der Scheune beugte er sich über das Futterfass, griff tief in die Körner hinein und zog den Revolver heraus. Jared nahm ihn mit spitzen Fingern entgegen, als sei er vergiftet. Dann legte er ihn auf eine Arbeitsbank und richtete sich auf.

»Woher hast du ihn?«

»Von Jesse. Er hat ihn mir gegeben, bevor er abhaute.«

»Also vor gut zwei Jahren. Und die Patronen?«

Calem wurde rot, er senkte den Blick. Da fuhr sein Vater fort:

»Scheint so, als ob ich hin und wieder ein paar Patronen vermisst hätte, wie? Die Gewehrpatronen passen auch in dieses Eisen, denke ich. Aber ich hab nie einen Schuss gehört.«

»Ich - weißt du, der Platz draußen in den Bergen - wo Jesse und ich immer - ich hab manchmal ein paar Schüsse da draußen abgefeuert«, stammelte Calem.

»Zieh das Hemd aus!«

»Pa!«

»Zieh das Hemd runter, mein Sohn!«

Ein seltsam müder Ausdruck lag in den Augen des alten, hageren Mannes. Calem schaute ihm in die Augen, dann drehte er sich langsam um, zog sich das Hemd über den Kopf und stützte sich mit den Händen gegen die Wand der Scheune. Die Scham ließ ihn zittern. Es war schon vier Jahre her, seit Pa zuletzt den Riemen benutzt hatte.

Calem hörte trockenes Lederzeug scheuern. Pa holte den Riemen von der Wand, schloss die Scheunentür und kam näher. Calem machte die Augen zu. Der erste Schlag entlockte Calem ein leises Stöhnen, doch dann hielt er die Luft an, biss die Zähne zusammen und zählte nach alter Gewohnheit die restlichen neun Schläge leise mit. Nach dem letzten Hieb ließ er die Luft heraus. Er zog sich das Hemd vorsichtig über den brennenden Rücken und knöpfte es zu.

Pa nahm den Revolver und sagte: »Komm mit!«

Draußen warf er den Colt in weitem Bogen weg. Das blitzende Eisen funkelte und fiel auf die Pferdeweide. Es sprang noch einmal hoch und blieb dann im Schmutz liegen.

»Dort lass es verrosten, Calem. Warum tust du das? Kannst du mir sagen, warum?« Er schüttelte müde den Kopf.

»Das kann ich dir auch nicht sagen, Pa.«

»Vielleicht hab ich's dir zu lange nicht mehr erklärt«, fuhr Jared Gault sanft fort. »Ein Colt ist nicht wie ein Gewehr, das man zum Jagen oder zum Abschießen von Raubwild benutzt. Mit einem Gewehr kann man sich notfalls sogar verteidigen. Aber wer sich einen Colt an den Gürtel hängt, der ist auf Streit aus, ohne es nötig zu haben.« Sein Gesicht verzerrte sich vor Arger. Hart kamen seine nächsten Worte:

»Ich bin mit Quantrill geritten, und mit George Todd, mit Bloody Bill Aderson, mit Cole Younger und den Brüdern James. Von dem kleinen Dingus James hat dein Bruder seinen Namen - ich wollte ihn nie Jesse nennen. Ich hab sie alle gekannt. Jeder von ihnen hatte einen Colt am Gürtel hängen, und...«

Jared brach schwer atmend ab. Calem hatte ihn noch nie so reden gehört. Er starrte seinen Vater mit offenem Mund an.

»Ich hab dir davon nie etwas erzählt, und ich wollte es eigentlich auch nicht tun. Aber eines solltest du wissen: Ich hab mich ihnen während des Krieges als grüner Junge angeschlossen, und es hat eine Weile gedauert, bis ich den Unterschied zwischen einem Soldaten und einem Killer erkannt habe. Als Präsident Jeff Davis im Jahr 63 Quantrill für vogelfrei erklärte, da bin ich gegangen. Seitdem bemühe ich mich, nicht mehr daran zu denken. Jesse hab ich manches davon erzählt, aber anscheinend nicht genug, sonst hätte er sich anders verhalten.«

»Du hast ihn dazu getrieben!«, sagte Calem heftig.

»Was war das?!« Jared machte einen Schritt nach vorn, packte seinen Sohn am Hemd und schüttelte ihn. »Bei Gott, \h hör deine Mutter aus dir sprechen! Aber versuch nie...«

Er brach ab und stieß Calem weg. Seine Stimme bekam einen bitteren Klang.

»Reden wir nicht mehr davon, mein Sohn. Ein paar Hiebe haben Jesses Stolz nicht gebrochen, und bei dir wird's auch nicht so sein, denke ich. In euch beiden steckt zu viel von mir. Aber du bist trotzdem nicht wie dein Bruder. In dir steckt mehr Verstand, und du hast Augen im Kopf. Denk drüber nach, Calem - denk über das nach, was ich dir gesagt habe.«

Er drehte sich um und ging auf das Haus zu. Calem folgte ihm langsam. Er kannte seinen Vater als einen harten Mann, der aber nie brutal wurde. In seiner Brust stritten Härte und Milde, und dabei kam eine verwirrende Mischung heraus.

Quantrill!

Lag hier die Erklärung für so manches Unverständliche? Calem hatte die Fähigkeiten seines Vaters nur ein einziges Med angezweifelt und sich dann überzeugen lassen müssen, dass niemand einen Colt schneller und sicherer ziehen konnte als Jared Gault. Auch Martha Gault hatte an Jared gezweifelt. Und nachdem Jared seinen älteren Sohn Jesse nach einer harten Auseinandersetzung für immer verjagt hatte, war es ihr schwergefallen, ihm zu vergeben.

Jesse war wild - wild und ohne Reue. Ständig gab es Ärger wegen irgendwelcher Mädchen, aber das war noch nicht das Schlimmste gewesen. Erst als Jesse im Saloon einen betrunkenen Cowboy verwundet hatte, war Jareds Geduldsfaden gerissen.

Seitdem hatten sie nichts mehr von Jesse gesehen, sondern nur noch gelegentlich Gerüchte vernommen, nach denen sich Jesse bei einer Bande in der Pima-Ebene, nicht weit östlich von hier, aufhalten sollte. Erst in der vergangenen Woche war einer der Banditen als Pferdedieb öffentlich gehenkt worden.

Jared Gault verlor kein Wort über diese Gerüchte und hatte das Verbot ausgesprochen, unter seinem Dach niemals wieder den Namen Jesse Gault zu erwähnen.

Calems Mutter wartete in der Haustür. Sie war eine füllige, untersetzte Frau mit einem grauen Haarschopf. Mit den Jahren hatten ihre Gesichtszüge etwas von der eisernen Härte ihres Mannes angenommen. Ihre mütterliche Milde drückte sich mehr in den sanften Augen und der ruhigen Stimme aus.

»Calem, komm rein und zieh dein Hemd aus.«

Jared war dabei, einen Futtersack vom Wagen zu heben. Stirnrunzelnd rief er herüber: »Zuerst wird er mir helfen, die Säcke abzuladen und zur Scheune zu tragen.«

Ihr Mund wurde schmal. »Nein, Mr. Gault!«, widersprach sie.

Sie kamen immer gut miteinander aus, auch wenn dieses Zusammenleben Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten erforderte. Jared hatte seinen Willen gehabt - er hatte seinem Sohn die Tracht Prügel verabreicht. Jetzt war sie dran.

Jared gab achselzuckend nach, lud sich den Futtersack selbst auf die Schulter und trug ihn zur Scheune hinüber.

Calem saß vornübergebeugt auf einem Stuhl. Das heiße Wasser brannte auf den Striemen, bis Martha Gault die kühlende Salbe darauf strich. Da trat Jared ein und hängte seinen schwarzen Hut an den Haken.

»Du hättest ihn nicht so zu demütigen brauchen, Mr. Gault«, sagte sie vorwurfsvoll. »Er ist jetzt ein Mann.«

»Dann soll er sich gefälligst wie ein Mann benehmen!«, sagte Jared gereizt und setzte sich an den Tisch. »Ach – zum Teufel damit, Martha!« Er wischte sich müde mit der Hand übers Gesicht.

»Du treibst es etwas zu weit, Mr. Gault!« Ihre Lippen wurden schmal.

Sie aßen in tiefem Schweigen. Danach zog Jared seine Stummelpfeife aus der Tasche und riss ein Streichholz an.

»Hast du zufällig nebenbei noch Zeit gefunden, das zu tun, was ich dir aufgetragen habe?«, fragte er undeutlich.

»Ja«, murmelte Calem.

Jared starrte stirnrunzelnd in den Pfeifenkopf. Als der Tabak endlich glomm, blies er das Streichholz aus und warf es in die leere Kaffeetasse.

»Ich hab's heute auf dem Markt kurz gemacht, weil ich mit dem Zaun anfangen wollte.«

Martha klapperte mit dem schmutzigen Geschirr. Sie fragte besorgt: »Du meinst, an der Blue-Horse-Quelle? Ich dachte, das wäre noch nicht entschieden.«

»Ich hab's lange genug aufgeschoben«, knurrte Jared. Er stand auf und nahm den Hut vom Haken. »Wenn's dabei wirklich Ärger geben sollte, dann bringen wir die Sache lieber gleich als später hinter uns.«

Sie trat wortlos an die Wand und nahm sein Gewehr vom Haken. Jared räusperte sich leise.

»Nein, Martha! So würden wir's herausfordern. Erst will ich, dass der Zaun steht. Dann werden wir weitersehen.«

Er setzte den Hut auf und ging mit festen, entschlossenen Schritten hinaus.

Calem trank seinen Kaffee aus, wischte sich den Mund ab und erhob sich. Martha hielt ihm das Gewehr hin. Calem zögerte.

»Nimm es mit, Calem«, sagte sie. »Weißt du, bei ihm staut sich manchmal der Zorn auf. Wenn er den Dampf abgelassen hat, dann ist's wieder gut. Nimm es mit.«

Er nahm das Gewehr, öffnete den Verschluss und prüfte die Ladung.

»Sei vorsichtig, Calem«, sagte sie besorgt. Er spürte die Besorgnis in ihrer Stimme.

Sie hatte auch allen Grund, besorgt zu sein. Im Coyotero Valley gab es noch wenige Zäune, Gute Wasserstellen waren rar, und die Rancher ließen die Zugänge aufgrund stillschweigender Übereinkunft offen, damit die Rinder ans Wasser konnten.

Die Blue-Horse-Quelle lag halbwegs zwischen den dürren Gault-Weiden und dem wesentlich reicheren Besitz von Major Jeffrey Dembrow im Norden. Bisher hatte es im Tal noch nie Streit wegen der Wasserrechte gegeben, denn Dembrows Ranch lag dicht neben der einzigen ergiebigen Wasserstelle, den Ten Mile Tanks unterhalb der Mesa Amarillo.

Vor einem Monat war jedoch ein kleiner Stamm kriegerischer Coyotero-Apachen aus ihrer Reservation ausgebrochen und hatte in der Nähe der Ten Mile Tanks sein Lager errichtet. Seitdem trieb Major Dembrow seine Herden näher an die sicheren Wasserstellen weiter südlich heran und benutzte unter anderem auch die Blue-Horse-Quelle. Die vielen Rinderhufe hatten das Wasserloch, auf das die Gault-Ranch angewiesen war, zu einem schlammigen Pfuhl zertrampelt.

Jared Gault war nicht als Bittsteller zum Major gegangen, sondern hatte ihm seinen Standpunkt klargemacht. Doch in dem kleinen, ausgemergelten Körper des ehemaligen Kavallerieoffiziers steckte ein unbeugsamer Wille. Er hatte Gault nur eine ausweichende Antwort gegeben und kurz nach der Unterredung noch mehr Rinder an die Blue-Horse-Quelle getrieben.

Da war Jared Gault der Geduldsfaden gerissen. Auch er hatte einen dicken Schädel, und so war ihm der Gedanke gekommen, die wichtige Quelle für seine Rinder einzuzäunen. Sein Entschluss stand nun fest. Er wollte herausfinden, wie weit der Major zu gehen wagte.

»Mach dir keine Sorgen, Ma«, sagte Calem und ging. Er sprang auf den Wagen, den sein Vater gerade vom Hof kutschierte. Drüben an der Wand des Stalles lehnten frisch angespitzte Zedernpfosten, die für den neuen Zaun bestimmt waren. Erst als Jared dort anhielt, bemerkte er das Gewehr.

Er zog die Stirn kraus, sagte aber nichts dazu.

Sie luden die Zaunpfähle auf. Während Jared zwei Rollen Draht holte, besorgte Calem Schaufeln, Hacken, Drahtspanner und das andere Werkzeug. Dann setzte er sich mit dem Gewehr zwischen den Knien auf den Kutschbock. Sein Vater nahm neben ihm Platz und trieb das Gespann an.

Calem sog tief die milde Luft des warmen Nachmittags ein und versuchte, seine Besorgnis zu verscheuchen. Über ihren Köpfen zog ein Habicht seine Kreise. Der Wind wehte von den roten Hängen der Mesa Amarillo herab und versetzte das braune Gras in wellenförmige Bewegung.

Am Horizont erstreckte sich die gezackte Silhouette der Gebirgskette, die für seine Vorstellung noch genauso jungfräulich und unbezwungen war wie zur Zeit des alten Großvaters Ephraim Gault, der die Berge zusammen mit Old Bill Williams, Tom Fitzpatrick, Bridger, Glass und dem jungen Kit Carson durchstreift und dort gejagt hatte. Calem erinnerte sich an lange Winterabende, an denen er und Jesse auf dem Boden vor dem offenen Kamin im alten Farmhaus in Missouri gesessen und den Geschichten des alten Mannes gelauscht hatten. Mit weitaufgerissenen Augen, die Hände um die Knie geschlungen, hatten sie Abenteuer aus den silbernen Bergen seiner Jugend gehört, Geschichten von großen Biberjagden, von berghohen Stapeln glitzernder Felle, von gefährlichen Überfällen und Erlebnissen mit seltsamen Nachttieren.

Wenn Mutter die beiden Jungen dann ins Bett geschickt hatte, dann waren sie immer noch stundenlang wachgelegen und hatten von den Abenteuern geflüstert.

Der wilde Geschmack dieser Geschichten war nie ganz von Calems Zunge gewichen. Sein Vater hatte wohl auch etwas davon zurückbehalten, denn gleich nach dem Tod des alten Mannes hatte er seine Sachen auf einen Wagen gepackt und war nach Westen gezogen. Jared war allerdings schweigsamer und nüchterner veranlagt als Ephraim. Der Träumer in ihm musste hinter dem fleißigen Ernährer einer Familie zurückstehen.

Der Funke Wildheit im Blut der Gaults war auf Jesse übergesprungen. Bei Calem handelte es sich nicht um eine Rebellion gegen die väterliche Vernunft, sondern mehr gegen die aufrührerischen Impulse in der eigenen Brust. Ein Ventil seiner jugendlichen Träume und seines ungefestigten Temperaments waren die Schießübungen gewesen. Doch das Gefühl für Pflichterfüllung war noch stärker in Calem. Seine Eltern waren nicht mehr jung. Sie brauchten seine kräftigen Glieder, seine starken Fäuste.

Calem wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als sein Vater sagte:

»Geh nicht zu hart mit mir zu Gericht, mein Sohn. Vielleicht hab ich bei Jesse manches falsch gemacht - wenn du das allerdings Ma erzählst, dann kriegst du noch eine Tracht Prügel. Weißt du, Jesse hat immer nach hott gezogen, wenn man hü sagte. Und je mehr man sich bemühte, ihn nach einer Richtung zu schieben, umso heftiger hat er sich gewehrt. Er war wie wild hinter allen Frauen her, die er kriegen konnte. Er hat immer gesagt, der Revolver ist eine Teufelswaffe. Aber er hat sie gebraucht, so wie eine Ente das Wasser braucht.« Jared suchte spürbar nach den richtigen Worten. Er machte eine Pause, dann gab er zu: »Auch zu Jesse muss es einen Zugang gegeben haben. Vielleicht habe ich ihn nur nie gefunden.«

Lange Zeit blieb es still zwischen den beiden. Dann sagte der Alte langsam: »Ich weiß, dass du auch hast Weggehen wollen. Und ich denke, ich weiß auch, warum du's dann doch nicht getan hast. Dafür bin ich dir dankbar. Ich hab noch nicht vergessen, wie einem manchmal die Faust nach einem Eisen juckt.«

Er presste die Zähne zusammen und schwieg. Calem spürte seine Verlegenheit und achtete sie. Heute war ihm Pa zum ersten Mal innerlich nähergekommen, ein Teil seiner Reserve war niedergebrochen. Calem ahnte, welche Überwindung ihn das gekostet hatte.

Kurz darauf verließ der Wagen die Grassenke und rumpelte über buckelige Grasschollen. Jared lenkte ihn geschickt einen Hügel hinauf und dann schräg hinunter in eine Mulde. Inmitten des schlammigen Grundes lag die Blue-Horse-Quelle. Sie sah aus wie ein von der Natur geformter Teller von etwa hundert Schritt Durchmesser.

Früher einmal war das Wasser sauber und klar gewesen. Jetzt glänzte es ihnen braun und lehmig entgegen. Tausend Hufeindrücke in den weichen Boden hatten sich in winzige Pfützen verwandelt, die den wassergefüllten Teller umgaben. Ein Dutzend Rinder standen an dem Wasserloch. Sie entfernten sich zögernd, als der Wagen näherkam. Etwas weiter weg vom Wasser hatte sich der graslose Boden in einen weißlichen Schlammkuchen verwandelt, der von zahllosen Rissen durchzogen wurde. Hier hielt Jared den Wagen an. Er sprang herab und ging durch den Schlamm auf die Quelle zu. Er warf einen bitteren Blick auf das verdorbene Wasser, dann gab er Calem einige Anweisungen.

Sie machten sich an die Arbeit. Zwei Stunden lang schwitzten sie unter der brennenden Sonne. Die Löcher für die Zaunpfähle mussten durch den Schlamm in die darunterliegende feste Lehmschicht gegraben werden. Calem fand, dass es kaum eine schlimmere Arbeit geben konnte.

Sie hatten schon etwa dreißig Zedernpfähle in den Boden gesenkt, da bemerkte Calem während einer kurzen Atempause den Reiter, der sie von einem nahen Hügel herab beobachtete.

»Pa!«, rief er warnend.

»Ich hab ihn schon gesehen«, antwortete Jared, ohne aufzublicken. Dann sprengte der Reiter davon und war bald nicht mehr zu sehen.

Von diesem Augenblick an hielt Calem sorgsam Ausschau nach allen Seiten. Als bald danach zwei Reiter zur Quelle heruntergaloppierten, sagte er nichts.

Jared stieß seine Schaufel in den weichen Boden, wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und wartete. Die beiden Reiter kamen um das Wasserloch herum und hielten an.

Ed Grymes, der Vormann der Dembrow-Ranch, sagte gleichmütig: »Boots Hostettor hat euch zufällig gesehen, als er vorhin seine Runde ritt. Da habt ihr Glück gehabt.«

»Wie meinst du das?« Die Runzeln um Jareds Augen wurden zahlreicher.

»Könnt euch viel Arbeit sparen. Die Pfähle verschwinden!«

Calem wollte sich vorsichtig zum Wagen zurückziehen, doch Jared rief leise: »Halt, Calem! Nichts dergleichen!«

Grymes blickte an Calem vorbei und sah das Gewehr auf dem Wagen. Er nickte und bemerkte beifällig: »Klug von dir! Schießeisen brauchen wir nicht.«

Er war ein Fass von, einem Mann mit einem ausdruckslosen Mondgesicht, das ohne den kräftigen Kavalleristen-Schnurrbart langweilig gewesen wäre. Er hatte den Ruf eines harten Mannes. Das lag aber weniger an seinen eigenen Qualitäten, sondern an der Macht der Ranch, die er repräsentierte. An Dembrow hing er mit der treuen Ergebenheit eines Hundes.

Neben Grymes saß Ames Dembrow im Sattel, der einzige Sohn des Majors. Er war ein jähzorniger Mann von Mitte zwanzig, schmal und biegsam wie eine Reitpeitsche. Sein Mund war eine harte Linie, doch im Ganzen war er nichts als ein glanzloses Abbild seines Vaters.

»Los, Ed, komm zur Sache!«, forderte er ungeduldig.

»Nur nicht gleich übertreiben!«, brummte Grymes und schwang sich aus dem Sattel. Seine blassen Augen waren aufmerksam auf Jared gerichtet. »Komm, Gault, wir helfen dir.«

Jared spreizte die Beine und stemmte die Fäuste in die Hüften. Seine Antwort kam leise und drohend.

»Nichts da, die »Pfähle bleiben stehen. Ich hab mir genug gefallen lassen,«

Grymes schob sich den Hut mit der Faust in den Nacken und betrachtete die Reihe von Zaunpfählen.

»Tut mir leid, aber der Major hat sich wohl klar genug ausgedrückt. Die Ten Mile Tanks liegen zu dicht beim Apachen-Camp. Wenn die Rothäute wieder abgezogen sind...«

»Die Coyoteros haben sich an den Rindern in der Senke nicht gestört!«, fuhr ihm Jared hitzig dazwischen. »Sie befinden sich im Augenblick nicht auf dem Kriegspfad. Sie wollen nur in Ruhe gelassen werden, das ist alles. Und das gilt auch für mich. Wie lange sollen meine Longhorns das durchhalten? Die Blue-Horse-Quelle kann nicht auch noch die Hälfte eurer Herde mit versorgen!« Er hob den Arm. »Dort drüben lasse ich den Zaun offen. Da könnt ihr eure Herde in kleinen Gruppen zur Tränke führen. Auf dem Gebiet eurer Ranch gibt's noch genug gute Weiden.«

Ames Dembrow sagte mit unterdrückter Stimme: »Na, Ed, hab ich dir's nicht gleich gesagt? Mit diesem Starrkopf muss man anders reden!« Er nahm sein Lasso vom Sattelhorn, warf die Schlinge über einen der Pfähle und trieb sein Tier zurück, um den Pfosten aus dem Boden zu reißen.

Jared stieß Grymes mit der flachen Hand beiseite, machte sechs rasche Schritte und packte Ames Dembrow am Gürtel. Ein Ruck, und der Junge flog aus dem Sattel. Gleichzeitig drehte sich Jared um, packte das Lasso und zog es von dem Zaunpfahl.

Ames Dembrow lag auf der Seite im Schlamm. Er hob den Kopf. Der Hut war ihm herabgefallen, das lange, blonde Haar hing ihm über die dreckverschmierte Wange. Aus seinen Augen sprühte Hass.

Calem sah, wie Ames den Colt zog. Er stand da, unfähig, sich zu bewegen. Ed Grymes bemerkte es auch. Er wirbelte Herum und rief scharf: »Nein!«

Aber das Aufbrüllen der Waffe riss ihm das Wort von den Lippen.

Jared Gault bekam die Kugel genau in die Brust. Der Anprall warf ihn zurück. Sein Körper wurde schlaff, noch bevor er in den Schlamm fiel.

Calem stand immer noch wie vom Donner gerührt da. Ames Dembrow raffte sich auf und sagte mit verbissener Wut: »Und jetzt reißen wir erst mal die Pfosten raus!«