Schwarz wie Ebenholz. Grausige Märchen und Sagen -  - E-Book

Schwarz wie Ebenholz. Grausige Märchen und Sagen E-Book

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Beschreibung

Abstoßende Wesen bevölkern die hier versammelten Märchen und Sagen: Teufel, Hexen und Nachtmahre, bekannte Frevler wie Blaubart der Frauenmörder und des Kennenlernens werte Schreckgestalten wie die Tittenwief. Dieser unterhaltsame Band steckt voller schwarzer Wesen, trauriger Schicksale und bemitleidenswerter Opfer. Die von Julian Auringer aus der gesamten europäischen Überlieferung zusammengetragenen Geschichten lehren das Fürchten oder verlaufen teils lustig-grotesk. Dämonen bannt man schließlich am besten, indem man sie auslacht.

Mit schaurigen Illustrationen aus dem 19. Jahrhundert.

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Seitenzahl: 315

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Schwarz wie Ebenholz

Grausige Märchen und Sagen

Herausgegeben und mit einem Nachwortversehen von Julian Auringer

Anaconda

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2022 by Anaconda Verlag, einem Unternehmender Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Shutterstock / Olha_Kulbachna (Rabe),Roberto Castillo (Ornamente);Dingbats Font „Veneer Extra“ (Wolken); Katja Holst (Mond)

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus 

ISBN978-3-641-29754-1V001

www.anacondaverlag.de

Gute Nacht! und noch ein Küsschen.

O! wie bist du doch so kalt!

Schlaf und träume noch ein bisschen,

Und erwache ja recht bald!

Die Kinder am Sarge der kleinen Schwester,

Karoline Stahl (1776–1837)

Inhalt

Die tote Mutter

Das Kind vom Grabe

Der Teufel ist los oder das Märlein, wie der Teufel den Branntwein erfand

Der spukende Bürgermeister von Dömitz

Hexe entdeckt

Vier Geistergeschichten

Blaubart

Die Wasserfrau und der Fleischerbursche zu Rothenburg

Die drei Feldscherer

Geistermahlzeit

Die Nachzehrer

Der Fischer, der Geist und der König der schwarzen Inseln

Der König der schwarzen Inseln

Kind dem Teufel verschrieben

Die bestrafte Hexe

Bestrafter Sakramentschänder

Hexen lernen

Der Werwolf

Hänsel und Gretel

Die Langtüttin

Das böse Weib. Slaczona

Die Pest

Die Nachtmähr

Alt Weib schlimmer als der Teufel

Der getäuschte Teufel

Der Wacholderbaum

Aschenpöling

Die Fanggen

Von dem Hahn, der Pabst werden wollte

Die Teufelsschlacht im Goslar’schen Dom

Die drei dummen Teufel

Die schlimme Nachtwache

Die hartherzige Haushälterin

Das Mittagsmännchen

Die schwarze Schule

Der Teufel trägt ein Dorf weg

Die beiden Mädchen bei dem Zwerge

Geister-Gottesdienst

Der lederne Mann

Hexenversammlung verscheucht

Die böse Stiefmutter

Der durch einen Poltergeist getötete Knabe

Zwei Augen zu viel

Die Hexe und die Königskinder

Der Teufel und der Schulze zu Dannefeld

Vom Räuber, der einen Hexenkopf hatte

Spukerei auf der Landstraße von Karlsruhe nach Durlach

Das spukende Kalb bei Quitzdorf

Vom blutroten Messer und steinharten Brot

Schatz und Spuk im Schlosse Homburg

Gagliuso

Der wandelnde Geist zu Rauheneck

Die zwölf ungerechten Richter

Vom Knaben, der das Hexen lernen wollte

Der Mühlknecht und die Hexen

Der schwarze Graf

Das Geld in der Mauer

Der Teufel beim Grasmähen

Der dreibeinige Hase zu Mückenhain

Von dem Tod des Hühnchens

Hexen, Teufel, böse Menschen. Ein Nachwort von Julian Auringer

Rezept für Schwarzsauer

Zu den Autoren

Quellen und Bildnachweis

Bibliografie

Die tote Mutter

Alexander Nikolajewitsch Afanassjew

In einem Dorfe lebten ein Mann und seine Frau glücklich, liebevoll und friedlich miteinander. Alle Nachbarn beneideten sie, denn ihr Anblick erfreute die ehrlichen Menschen. Die Frau gebar einen Sohn, starb aber nach der Geburt. Der arme Moujik1 klagte und weinte, er war verzweifelt, denn er wusste nicht, wie er das Kind ernähren und ohne Mutter großziehen sollte. Er tat, was das Beste war und stellte eine alte Frau ein, die sich um das Kind kümmern sollte. Aber da geschah ein Wunder: Den ganzen Tag lang nahm das Kind keine Nahrung zu sich und weinte nur; es war nicht zu beruhigen. Aber in der Nacht konnte man meinen, es sei gar nicht da, so still und friedlich schlief es.

1 Niedriger sozialer Rang, vergleichbar mit einem Leibeigenen.

»Was hat das zu bedeuten?«, dachte die alte Frau, »Wenn ich die ganze Nacht wach bleibe, werde ich es vielleicht erfahren.«

Um Mitternacht hörte sie, wie jemand leise die Tür öffnete und zur Wiege hinaufging. Das Kind wurde ganz still, als ob es gerade gestillt würde.

In der folgenden Nacht und auch in der dritten Nacht geschah dasselbe. Dann erzählte sie dem Moujik davon. Er rief seine Verwandten zusammen und beriet sich mit ihnen. Sie beschlossen, eine Nacht wachzubleiben und herauszufinden, wer des Nachts das Kind stillte. Am Abend legten sie sich alle auf den Boden und stellten neben sich eine brennende Kerze in einen Topf.

Um Mitternacht öffnete sich die Tür des Häuschens. Jemand trat an die Wiege heran und der Säugling verstummte plötzlich. In diesem Augenblick holte einer der Verwandten das Licht heraus. Sie sahen die tote Mutter in ihren Totenkleidern auf den Knien neben der Wiege, über die sie sich gebeugt hatte, während sie das Kind an ihrer toten Brust säugte.

In dem Augenblick, in dem das Licht in die Hütte schien, stand sie auf, blickte traurig auf ihr Kind und verließ dann lautlos den Raum, ohne ein einziges Wort zu sagen. Alle, die sie sahen, waren eine Zeit lang entsetzt und stellten dann den Tod des Kindes fest.

Das Kind vom Grabe

Johann Wilhelm Wolf

In der Türkei lebte ein Kaufmann, der war sehr reich und hatte alles, was er sich nur wünschte, nur hatte er keine Kinder und das war doch sein höchster Wunsch. Nach einigen Jahren starb seine Frau und da war er denn recht unglücklich; er fühlte sich so einsam und verlassen in der Welt, dass er des Lebens fast müde war und sein einziger Trost blieb, dass er jeden Abend an das Grab seiner Frau ging, wo er bis gegen Mitternacht blieb und betete.

Zu derselben Zeit regierte ein Sultan in der Türkei, der hatte von allen seinen Frauen nicht ein Kind bekommen. Als aber nach langem Harren die Sultanin eines Tages ihm verkündete, sie werde ihm bald ein Kindlein schenken, da wurde er krank und starb. Die Sultanin übernahm nun die Regierung und führte sie so gut, dass alle Leute im Lande glücklich und zufrieden waren. Sie hatte aber einen Minister, das war ein ehrgeiziger Mann und der hätte gern seinen Sohn auf den Thron gesetzt. Wenn die Sultanin keine Kinder bekommen hätte, dann wäre das nach ihrem Ableben schon zu machen gewesen, nun aber rückte der Augenblick immer näher heran, wo sie eines Kindes genesen sollte und war das ein Knäblein, dann musste der Minister all seine Hoffnungen aufgeben. Darum sann und grübelte er Tag und Nacht, was da wohl zu machen wäre. Da hörte er plötzlich eines Morgens, der Storch habe der Sultanin ein schönes Knäblein gebracht. Er eilte alsobald in das Schloss, gab der Hebamme und einem Kindermädchen viel, viel Geld und bekam also das Kind in seine Hände; dann ließ er es in ein seidenes Tuch gewickelt in ein Kästchen legen und befahl dem Mädchen, das Kästchen in die See zu tragen. Das Mädchen hatte aber Mitleid mit dem schönen Knäblein, trug es gegen Abend auf den Kirchhof und legte es auf das letzte frische Grab, worin die Frau des Kaufmannes lag. Der Sultanin wurde gesagt, das Kind sei tot auf die Welt gekommen und sofort begraben worden.

Es dauerte nicht lange, da kam der Kaufmann, um nach seiner Gewohnheit an dem Grabe zu beten. Als er das Kästchen sah, öffnete er es neugierig, da lachte ihm das Knäblein holdselig entgegen. Ach, sprach er, meine Frau schenkt mir im Grabe noch ein Kind, damit ich nicht allein sei und er küsste das Kind wie sein eignes und trug es voller Freude mit sich nach Haus. Dort nahm er dem Kinde eine Amme und als es größer wurde, ließ er es in allem Möglichen unterrichten. Also wurde das Kind zum Knaben und der Knabe zum Jüngling und der Kaufmann hatte ihn so lieb, dass er keinen Augenblick ohne ihn sein konnte.

Eines Tages wollte der Kaufmann eine große Reise machen, worauf ihn der Jüngling begleiten sollte. Er ließ ein Schiff ausrüsten und fuhr eines Morgens mit günstigem Wind ab. Es dauerte aber nicht lange, da erhob sich ein schrecklicher Sturm, sodass die Wellen haushoch gingen und das Schiff so lang herumwarfen, bis es an einen Felsen fuhr und zertrümmerte. Die ganze Mannschaft und all die kostbaren Güter, womit es beladen war, gingen zu Grunde. Der Kaufmann und der Jüngling retteten sich mit vieler Not und Mühe an einem Balken, welcher eine Zeitlang auf der See umhertrieb und dann an einer Insel ans Land geworfen wurde. Da standen sie nun arm und einsam auf der Insel und hatten nichts, als ihr Leben und ein paar Kräuter, welche da wuchsen. Sie hatten aber einen Schatz mit sich gerettet, der war sehr groß und das war ihr Vertrauen auf Gott, das hielt sie aufrecht, dass sie nicht verzagten. Sie bauten sich aus dürrem Holz eine Hütte, darin wohnten sie. Dann höhlten sie einen Baumstamm zum Kahne aus und machten sich ein Netz und jeden Tag fuhr der Jüngling auf das Meer hinaus und fing Fische, davon lebten sie.

Eines Tages hatte der Jüngling sich weiter als sonst in die See gewagt, da sah er von ferne ein schönes goldenes Schifflein herankommen, darin saßen drei Jungfrauen, welche spielten und sangen. Die eine trug eine Krone auf dem Haupt und war über die Maßen schön, die beiden andern waren ihre Dienerinnen. Der Fährmann kannte aber die See an der Stelle schlecht, denn da war ein verborgener Felsen. Das Schifflein fuhr mit vollen Segeln gegen den Stein an und brach, sodass alle ins Meer stürzten. Der Jüngling sprang sogleich aus seinem Boot und rettete zuerst die Königstochter, dann die beiden Dienerinnen, der Fährmann war unter den Wellen begraben worden. Die schöne Jungfrau war lauter Dank und wollte ihren Retter mit Gold überhäufen lassen, wenn er nur mit ihr in ihr Schloss ging, er nahm aber nichts an, als nur eine goldene Blume, welche sie in der Hand hielt. Da sprach sie: »Willst du weiter nichts, so gewähre mir noch eins und bringe uns jeden Tag Fische in das Schloss.« Das sagte sie aber, weil sie den schönen Jüngling gern öfter gesehen hätte. Er willigte sogleich in ihre Bitte, denn sie gefiel auch ihm gar zu gut und er hätte sie nicht gern zum letzten Mal gesehen. Als sie an das Land kamen und an dem Garten des Schlosses anlangten, erkannte der Jüngling, dass es das Schloss der Stadt war, wo er mit dem Kaufmann gewohnt hatte. Er sagte es seinem Pflegevater und frug ihn, ob er nicht nach Hause zurückkehren wolle, doch der sprach: »Da wir mit unserm Schiffe alles verloren haben, so sind wir zu Hause arm, hier aber auf unserer Insel reich; lass uns hierbleiben.« Dem Jüngling war das ganz recht, denn nun konnte er ungestört jeden Tag die schöne Königstochter sehen. Es verhielt sich aber also mit ihr. Als die Sultanin ihres Kindes so schmählich beraubt worden war, verlor sie alle Lust am Regieren und übergab das Land dem Bruder ihres Mannes, welcher eine schöne Tochter hatte. Diese erzog sie und lehrte sie alle schönen Künste, Tanz und Musik und Gesang; das war aber die Jungfrau, welche der Jüngling gerettet hatte.

Jeden Tag zog er nun auf den Fischfang aus und brachte die schönsten Fische in den Schlossgarten, wo die Dienerinnen der Prinzessin sie ihm abnahmen. Während sie dieselben ins Schloss trugen, saß er bei der Königstochter. Sie erzählten sich anfangs nur ihre Geschichte, bald aber erzählte ihr der Jüngling auch, wie er sie vom ersten Augenblick, wo er sie gesehen, in sein Herz geschlossen habe und so liebe, dass er ohne sie nicht leben könne. Da gestand sie ihm, dass auch sie ihn über alles liebe, und also waren sie ein Herz und eine Seele. Die Dienerinnen merkten wohl, was vorging, doch sie verrieten es nicht, weil sie die Prinzessin und den schönen Jüngling zu lieb hatten, als dass sie beide hätten unglücklich machen sollen. Da kam aber eines Morgens die Sultanin daher gegangen, um zu sehen, wo die Prinzessin sei und da die beiden so in ihr Gespräch vertieft waren, dass sie nichts hörten und sahen, so konnte sie ungestört alles abhorchen. Plötzlich stand sie vor ihnen, sodass der arme Jüngling nicht mehr entfliehen konnte. Sie hielt ihn fest, und winkte den Schildwachen, welche auf den Mauern standen; diese stürzten hinzu und führten ihn mit der Prinzessin in ein Gefängnis, jedes in seine eigne Zelle.

Am dritten Tage nachher war das Verhör. Zuerst wurde der Jüngling vor das Gericht geführt und die Sultanin saß selber dabei. Er solle vor allem sagen, wer er sei, da fing er an, seine Geschichte zu erzählen, wie er in einem schönen Kästchen auf dem Grabe der Frau des Kaufmannes gefunden worden sei. Das Tuch worein er gewickelt gewesen war trug er seit seiner ersten Jugend stets auf der Brust bei sich; das zog er nun heraus und sprach: »Dieses Tuch war meine Windel und das ist neben der goldenen Blume der Prinzessin mein kostbarstes Gut.« Als er aber in seiner Erzählung fortfahren wollte, schrie die Sultanin plötzlich: »Schweige und lass mich einmal das Tuch sehen.« Da gab er ihr dasselbe und kaum hatte sie es näher betrachtet, da erkannte sie ihrer eignen Hände Arbeit, stürzte auf den Jüngling zu und rief: »Ach mein liebster Sohn, du bist ja mein liebster Sohn!« Der Jüngling wusste nicht, was er dazu sagen sollte, da befahl sie den Richtern nach Hause zu gehen und nahm den Jüngling mit sich in ihren Palast. Sogleich musste die Hebamme herbei; als die Sultanin sie bedrohte, bekannte sie, dass sie das Kind dem Mädchen gegeben habe. Da wurde auch das Mädchen geholt und bedroht, und es bekannte, dass es das Kind ins Wasser hätte werfen sollen, aber stattdessen es in ein feines Tuch gewickelt in ein Kästchen gelegt und auf ein frisches Grab gestellt hätte. Statt des Jünglings wurde nun der böse Minister in das Gefängnis geworfen, die Jungfrau aber aus demselben erlöst und noch am selben Morgen die Verlobung gehalten. Dann kehrte der Jüngling in einem großen und prächtigen Schiffe zu der Insel zurück und holte seinen Pflegevater ab, welcher sofort die Stelle des ersten Ministers erhielt, der alte Minister aber wurde enthauptet. Der Bruder des verstorbenen Sultans entsagte nun freiwillig der Regierung und statt seiner bestieg der Jüngling den Thron.

Der Teufel ist los oder das Märlein, wie der Teufel den Branntwein erfand

Ludwig Bechstein

mündlich aus Thüringen und nach des Herausgebers(Ludwig Bechsteins) Thüringischem Sagenschatz

Es hatten einmal zwei Landesherren einen Grenzstreit; da waren auf jeder Seite Zeugen, die das Recht behaupteten, und da­runter waren zwei, die hatten vom Teufel die Schwarzkunst erlernt und ihm dafür ihre Seelen verschrieben.

Diese beiden haben einmal ein jeder in der Nacht wollen falsche Grenzsteine setzen, so, wie jeder von ihnen die Grenze behauptete, und haben die Steine mit schwarzer Kunst wollen machen, dass sie aussähen, als ob sie schon viele, viele Jahre dagestanden hätten. Da sind sie alle zwei, als feurige Männer, hinauf auf die Höhe gegangen. Und wie der eine hinaufkommt, da ist der andere schon da. Aber keiner hat etwas von dem andern gewusst, dass dieser denselben Gedanken hatte.

Da fragte der eine den andern: »Was machst du da?«

»Was hast du danach zu fragen? Sage mir zuvor, was du da machen willst?«

»Grenzsteine will ich setzen, und will den Grenzzug machen, wie dieser eigentlich sein muss.«

»Das habe ich selbst schon getan, und da stehen die Steine, und so geht der Grenzzug.«

»Das ist nicht richtig und so geht der Grenzzug. Mein Herr hat gesagt, ich hätte recht, und ich solle nicht nachgeben.«

»Wer ist denn dein Herr? Das wird auch ein schöner Monsieur sein!«

»Der Teufel ist mein Herr! Hast du nun Respekt?«

»Das ist nicht wahr, das ist mein Herr, und derselbe hat mir gesagt, ich habe recht und solle nicht nachgeben. ­Packe dich den Augenblick, oder es geht dir schlecht!«

Und so kamen die zwei hintereinander, und zuletzt da gab der eine feurige Mann dem andern eine Maulschelle, dass ihm der Kopf herabflog und kullerte den ganzen Berg hinab. Und der feurige Mann ohne Kopf rannte hinter seinem feurigen Kopfe her und wollte ihn haschen und ihn sich wieder aufsetzen. Aber er konnte ihn nicht einholen bis ganz drunten im Graben.

Wie nun der eine dem andern die Maulschelle gegeben hatte und jener hinter seinem Kopfe herlief, da kam auf einmal ein dritter feuriger Mann dazu, und fragte den, der oben blieb: »Was hast du da gemacht?«

»Was geht es dich an, und was hast du mir zu befehlen? Den Augenblick packe dich deiner Wege, oder ich mache es dir gerade so wie jenem.«

»Halunke! Hast du nicht mehr Respekt vor mir? Weißt du nicht, dass ich dein Herr, der Teufel, bin?«

»Und wenn du zehnmal der Teufel selbst bist, so liegt mir daran gar nichts; du kannst mich meinetwegen recht schön rein machen!«

»Diesen Gefallen will ich dir tun, du sollst aber dein Lebtag daran gedenken!«

Und da fing der Teufel an und machte ihn rein, dass die Feuerputzen auf dem ganzen Bergrücken herum­flogen. Aber wie er ihn so rein machte, da ersah mein feuriger Mann den günstigen Augenblick, und griff hin und erwischte den Teufel im Nacken, hielt ihn fest und sagte ihm:

»Nun bist du in meiner Gewalt; nun sollst du sehen, dass du in der Menschen Händen bist! Du hast dein Leben lang genug armen Leuten den Hals herumgedreht, nun sollst du auch selbst einmal erfahren, wie es tut, wenn einem der Hals umgedreht wird!«

Und fing an, und wollte dem Teufel den Hals umdrehen. Wie der Teufel sah, dass der feurige Mann Ernst mit ihm machte, legte er sich aufs Bitten und gab ihm die himmelbesten Worte, er solle ihn doch gehen lassen und solle ihm den Hals nicht herumdrehen; er wolle ihm auch alles tun, was er nur von ihm verlangte. Da sagte ihm der: »Weil du also erbärmlich tust, so will ich dich nur gehen lassen; aber zuvor musst du mir meine Verschreibung wieder geben, in welcher ich dir meine Seele verschrieben habe, und musst mir auch versprechen, ja du musst mir das bei deiner Großmutter beschwören, dass du kein Teil mehr an mir haben willst, auch all dein Lebtage von keinem Menschen dir wieder die Seele verschreiben lassen.«

Wollte der Teufel wohl oder übel, einmal steckte er in der Klemme, und wenn er loskommen wollte und wollte nicht den Hals herumgedreht haben, so musste er in einen sauren Apfel beißen, und gab ihm seine Verschreibung wieder und versprach’s ihm und verschwur sich bei seiner Großmutter, dass er keinen Teil mehr an ihm haben wolle, und wolle auch all sein Lebtag von keinem Menschen sich wieder lassen die Seele verschreiben. Wie er das alles getan hatte, ließ jener den Teufel los.

Wie aber der Teufel wieder ledig war, da tat er einen Sprung zurück, dass ihn jener nicht etwa unversehens noch einmal erwischen konnte, und stellte sich hin und sagte: »So, nun bin ich wieder ledig; wenn ich dir, du Schalksnarr, nun auch deine Verschreibung wieder gegeben habe und habe dir versprochen und beschworen, dass ich kein Teil mehr an dir haben wolle, so habe ich dir doch nicht versprochen, dass ich dir auch nicht den Hals umdrehen wolle, so ich wieder ledig wäre. Und auf dem Flecke drauf sollst du alleweil sterben, dafür, dass du mich gegurgelt hast, und hast mir wollen den Hals umdrehen!«

Und damit fuhr der Teufel auf ihn hinein, und wollte ihm den Garaus machen, der aber riss aus und lief zum Wald hinein. Und der Teufel immer hinter ihm her. Endlich ersah es jener, und kam an eine alte Buche, die war hohl und hatte unten ein Loch. Da kroch er geschwind hinein und wollte sich verstecken vor dem Teufel. Aber er war nicht weit genug hineingekrochen, und die Fußzehe guckte ihm noch heraus. Und weil er über und über feurig war, da leuchtete die Zehe durch die Nacht, und der Teufel wurde es gewahr, wo jener sich hin versteckt hatte, und kam und wollte ihn an der Fußzehe erwischen.

Aber der in seinem Baume hörte es, wie der Teufel getappt kam, wie er nach ihm greifen und ihn erwischen wollte; da zog er sich vollends hinein und machte sich weiter im Baume hinauf. Da kroch der Teufel auch hinein, und jener machte immer weiter im Baume hinauf und der Teufel immer hinter ihm her. Endlich da hatte der Baum oben in der Höhe ein weites Astloch, da kam jener dran und kroch heraus. Und wie er draußen war, da nahm er etwas und verkeilte das Astloch, wo er herausgekrochen war, und stieg geschwind herab und verkeilte auch das untere Loch, und machte es mit schwarzer Kunst so fest, dass es der Teufel selbst und seine Großmutter und die ganze Hölle nicht wieder aufbringen konnten. Danach ging er seiner Wege.

Und da steckte nun der Teufel in der alten Buche, und konnte nicht herauskommen, und half ihm alles nichts, er musste drin stecken bleiben. Und da hat er lange Zeit darin gesteckt und vielmal zu jener Zeit, wenn Leute des Wegs über jenen Berg gegangen sind, da haben sie ihn darin hören blöken und grunzen in seiner Buche. Endlich aber, wie der Holzschlag dort hinaufgekommen ist, da ist die Buche abgehauen worden. Da ist er endlich wieder herausgekommen und ist wieder frei geworden, der Teufel. Wie er nun wieder los war, da machte er sich auf und ging heim in die Hölle und wollte sehen, wie es aussähe? Aber da war alles leer darin, wie es in der Kirche in der Woche ist, und war keine Seele mehr zu hören noch zu sehen. Seit der Teufel damals fortgegangen und nicht wieder gekommen war und auch kein Mensch nicht gewusst hatte, wo er hingekommen war, da war nicht eine einzige Seele wieder in die Hölle gekommen. Und da war seine Großmutter aus Herzeleid gestorben und wie die tot war, da packten alle die armen Seelen, die dazumal in der Hölle waren, auf, und machten sich auf und davon und gingen alle miteinander in den Himmel. Und da stand er, maus-mutter-stern-allein in der Hölle und wusste seines Leides keinen Rat, wie er’s wohl anfinge, dass er wieder arme Seelen bekäme, weil er es nicht mehr tun durfte und hatte es damals bei seiner Großmutter verschwören müssen, dass er von keinem Menschen sich wieder wollte die Seele verschreiben lassen und auf andere Weise bekam er damals keine Menschen in die Hölle. Und da stand er und wusste seines Herzeleids kein Ende und wollte sich die Hörner aus dem Kopfe raufen vor lauter Herzeleid und Jammer. – Da fiel ihm auf einmal etwas ein.

Wie er in der alten Buche gesteckt hatte und nicht herausgekonnt, da war ihm zuletzt die Zeit lang geworden, und da hatte er über allerlei nachsimuliert2 und den Branntwein erdacht und erfunden. Das fiel ihm alleweil mitten in seinem Herzeleide wieder ein und da dachte er sich, das müsse ein Mittelchen sein, wie er doch wieder arme Seelen in die Hölle bekommen könne.

2 nachgedacht

Und da packte er auf der Stelle auf und ließ die Hölle Hölle sein, und ging nach Nordhausen und wurde ein Schnapsbrenner und machte Branntwein drein und drauf und schenkte ihn in die Welt hinein. Und er zeigte auch den Nordhäusern allen miteinander, wie der Schnaps gemacht wird und versprach ihnen viel Geld und Gut, wenn sie’s lernten und Branntwein brennten. Und die Nordhäuser ließen sich’s auch nicht zweimal sagen und wurden alle Schnapsbrenner und machten Branntwein und schenkten ihn in die Welt hinein. Seit dieser Zeit schreibt sich’s her, dass bis auf den heutigen Tag so viel Branntwein in Nordhausen gebrennt wird, wie an keinem andern Orte in der ganzen Welt.

Aber wie sich’s der Teufel gedacht hatte, also ging es auch. Wenn die Leute erst ein wenig Branntwein im Leibe hatten, da fingen sie an zu fluchen und zu schwören, und fluchten und schwuren ihre Seele zum Teufel, dass sie der Teufel bekam, wenn sie gestorben waren und brauchte ­ihnen darum nicht zu dienen, wie er sonst hatte tun müssen, wenn er eine arme Seele hatte haben wollen. Und wenn sie sich den Kopf erst richtig vollgesoffen hatten im Branntwein, da fingen sie auch an und zankten sich und prügelten sich und brachen sich selber die Hälse, dass sich der Teufel nicht erst brauchte die Mühe zu geben und brauchte sie ihnen herum zu drehen. Und wenn der Teufel sonst mit aller Mühe und Not hatte alle Wochen einmal eine arme Seele in die Hölle bekommen können, da kamen sie jetzt dutzend- und schockweise3 alle Tage hinein und es dauerte kein Jahr, da war die Hölle zu klein geworden und konnte der Teufel die Seelen nicht mehr unterbringen und musste ein ganz neues Stück lassen anbauen an die Hölle.

3 haufenweise

Und kurz und gut, seit der Teufel aus der alten Buche jenes mal wieder losgekommen ist, seit der Zeit ist der Branntwein aufgekommen, und seit der Branntwein in der Welt ist, da kann man erst recht eigentlich sagen: »Der Teufel ist los!«

Der spukende Bürgermeister von Dömitz

Karl Bartsch

Vor vielen Jahren lebte in Dömitz ein Bürgermeister, dessen Name den älteren Bewohnern noch sehr wohl bekannt ist, weil mit demselben die Mütter ihre Kinder, wenn sie schrien, einschüchterten; er hieß Behler. Er hatte den Befehl gegeben, dass jeder Bürger, dessen Haus in Flammen aufginge, erhängt werden sollte. Nun geschah es, dass die einzige Tochter des Bürgermeisters an einem Palmsonntage konfirmiert wurde. Ein großer, schöner Braten stand in der Küche über dem Feuer. Plötzlich fasste dieser Feuer, das sich schnell über das ganze Haus verbreitete, es in Asche legte und dazu noch die halbe Elbstraße, in welcher der Bürgermeister wohnte. Der Bürgermeister war gerade in der Kirche, als ihm diese Hiobspost gebracht wurde. Vor Verzweiflung wurde er wahnsinnig und starb bald darauf.4 Aber er fand im Grabe keine Ruhe, sondern ließ sich oftmals in seinem Hause, auf dem Rathause und in den Straßen, auf einem Schimmel reitend, sehen.

4 [Originalanmerkung] Nach K. begibt er sich auf die Flucht, von dem wütenden Pöbel verfolgt, und stirbt unterwegs durch einen Unfall.

Vor allem aber war es der Nachtwächter, der am meisten von ihm zu leiden hatte. Sobald dieser in die Elbstraße kam, hatte er gleich seinen Begleiter, den Bürgermeister, bei sich; und wollte er die Stunden der Nacht mit dem Horne verkünden, dann stand der Spuk vor ihm, sodass er keinen Ton hervorbringen konnte.

Da beschlossen die Einwohner, den Geist fortzubringen. Allein, es getraute sich niemand, ihn zu bannen. Endlich erbot sich ein verwegener Soldat, ihn gegen eine Belohnung auf den Mittelwerder, der rings von Wasser umgeben ist, zu bringen.

Des Bürgermeisters Lieblingsspeise war seine Lebtage Pfannkuchen gewesen. Der Soldat nahm deshalb einen Pfannkuchen und einen großen Sack, in den er den Geist zu locken suchte. »Krup unner, krup unner«, sagte der Soldat; worauf der Spuk fragte »Wohin, wohin?« – »In die weite Welt«, war die Antwort, »in den Sack.« Als der Geist gefangen im Sacke war, wurde er auf einem Kahne nach dem Mittelwerder gefahren,5 der südlich von der Stadt in der Elbe liegt. Hier angekommen, schüttete der Soldat den Spuk aus. Bei dieser Arbeit aber war er nicht vorsichtig genug zu Werke gegangen; denn es gelang dem Geiste, ihm beim Herausschütten einen Finger abzubeißen. Noch lange Zeit hindurch hat der Geist hier auf dem Mittelwerder sein Wesen gehabt.

5 [Originalanmerkung] Nach K. sind es zwei Bürger, die ihn dahin bringen. Unterwegs stellt sich der Geist sehr ungeberdig, daher muss einer von ihnen mit einem Knüttel auf den Geist im Sack losschlagen, wobei jeder dritte Schlag auf den Schlagenden zurückprallt.

Hexe entdeckt

Bernhard Baader

Im badischen Oberlande lebte eine reiche, kinderlose Bauersfrau, welche eine Hexe war. Alle Mittwochs- und Freitagsnacht begab sie sich zum Hexentanz, der, fünfzig Stunden von ihrem Wohnort, in einem Felsenkeller gehalten wurde. Wenn sie dahin wollte, legte sie ein Gebund Stroh, dem sie durch Blendwerk ihre Gestalt gab, zu ihrem Mann ins Bett, ging dann in die Stube des Knechts, der ein starker Bursch war, legte dem Schlafenden einen Zaum6 an, verwandelte ihn in ein Pferd und ritt auf ihm hinaus. Ebenso kehrte sie später wieder nach Hause, und der Knecht, welcher darüber sehr abmagerte, erwachte am Morgen in seinem Bett, ohne von dem Vorgang etwas zu wissen. Beiläufig ein halbes Jahr hatte die Frau so ihr Wesen getrieben, als es sich zutrug, dass abends ein wandernder Handwerksgesell auf dem Feld bei dem Felsenkeller, im Rausche, einschlief. Er erwachte, nüchtern geworden, tief in der Nacht, hörte nahes Tonspiel und kam, als er ihm nachging, zur Türe des Kellers. Da er sie verschlossen fand, schaute er durch das Schlüsselloch und sah, dass der Keller hell erleuchtet war und darin gezecht und getanzt wurde, auch an der Wand ein Pferd angebunden stand. Sogleich sagte eine Frau der Sippschaft zu einer andern: »Gehe, blase das Licht aus!«, worauf diese durch das Schlüsselloch dem Gesellen in das Auge blies, dass es augenblicklich erblindete. Hierüber entsetzt, schrie er dreimal nacheinander zum Schlüsselloch hinein: »Um Gotteswillen, machet auf!« Da flog die Türe auf und Hexen und Teufel fuhren in wildem Getümmel heraus und nach allen Weltgegenden davon. Hierauf ging der Gesell in den Keller, worin nur noch ein Licht brannte und sah, dass er durch sein Rufen alles Blendwerk vertrieben hatte. Das Essen war Viehkot, der Wein Rosspisse, und das Pferd der Knecht geworden. Dieser erstaunte sehr, gezäumt im Keller sich zu befinden; als ihm aber der andere das Geschehene erzählte, ward ihm klar, wie er seither missbraucht worden sei. Um zu erfahren, wer es getan, ging er wieder in seinen Dienst und beobachtete die Frau genau, von der er schon manches Verdächtige gehört hatte. Nachdem er wahrgenommen, dass sie, wenn ihre Leute alle auf dem Felde zu tun hatten, gewöhnlich sehr spät und allein zum Kochen heimging; dennoch aber ihnen das Essen stets zur rechten Zeit hi­nausbrachte, schlich er sich bei einer solchen Gelegenheit auf den Speicher des Hauses und machte in den Schornstein ein kleines Loch, wodurch er hinunter in die Küche sehen konnte. In diese kam die Frau und rief, ohne den Knecht zu sehen, in den Schornstein hinauf: »Gib mir eine Schüssel Suppe; gib mir eine Schüssel Fleisch und Gemüse!« Im Augenblick standen diese Speisen in Schüsseln auf dem Herde und wurden dann von der Frau für ihre Leute mitgenommen. Als dieselbe aus dem Hause war, verließ der Knecht sein Versteck und, noch am nämlichen Tage, den Dienst der Hexe.

6 Zaumzeug

Vier Geistergeschichten

Carl und Theodor Colshorn

mündlich in Sievershausen bei Einbeck

In Sievershausen war früher ein großes altes Haus, jetzt ist es abgerissen und neu gebaut; darin ging ein Advokat oder so etwas um. Dieser hatte bei seinen Lebzeiten vieles verbrochen; deshalb war ihm nun im Grabe keine Ruhe vergönnt. Er erschien aber in jenem Hause als graues Männchen und lärmte und rumorte, dass sich niemand vor ihm bergen konnte; auch wollte es lange gar nicht gelingen, ihn zu bannen. Endlich ließ man einen »Genevitus«, d. h. einen katholischen Pfarrer, kommen; dieser beschwor ihn glücklich auf eine Kammer und den Schlüssel zu der Kammer legten sie mit den anderen in die Kommode. Einige Zeit nachher kam eine neue Köchin ins Haus, die von der Anwesenheit des Geistes, welche man möglichst zu verheimlichen suchte, noch nichts wusste; da sie die Schlüssel und die Zimmer noch nicht ordentlich kannte, nahm sie den gefährlichen Schlüssel und öffnete die Geisterkammer und es huschte etwas an ihr vorbei wie ein Schatten. Als sie hierauf wieder in die Küche ging, stand ein graues Männchen am Feuerherd und lachte und grinste. Entsetzt eilte sie zu ihrer Herrschaft und erzählte den Vorfall; da erfuhr sie denn alles. Der Geist aber durchwanderte das ganze Haus, Zimmer um Zimmer; zuletzt setzte er sich in die Butze unter der Treppe, und wenn jemand die Treppe hinauf ging, so klopfte er jedes Mal und rief »Hu, hu, bah!« Das gefiel den Leuten nicht im allergeringsten und sie schickten nach einem Beschwörer. Bevor dieser kam, war er bei einem Schuster gewesen und hatte da etwas Pech ans Zeug bekommen; als er nun den Geist bannen wollte, sah derselbe aus der Butze, schnitt allerhand hässliche Grimassen, lachte und grinste und rief: »Pechdieb! Pechdieb!«, legte sich in seine Butze und klopfte und trommelte drauf los wie nichts Gutes. Auf die ferneren Bannsprüche achtete er nicht weiter; deshalb ließ man einen zweiten Beschwörer kommen. Dieser war durch ein Kornfeld gegangen, und da hatte sich ihm ein Roggenhalm in die eine Schuhschnalle gehängt; als er nun den Geist bannen wollte, sah derselbe aus der Butze, machte es gerade wie beim ersten Mal und rief: »Strohdieb! Strohdieb!«, und der Beschwörer konnte ihm nichts anhaben. Jetzt ließ man einen dritten kommen und weil der ohne allen Tadel war, so gelang es ihm, den Ruhestörer in eine große, große Flasche zu bannen; diese trug man auf einen Wagen und ließ vier Pferde vorspannen, um die Flasche samt dem Geiste in einen Holzteich zu bringen. Der Beschwörer hatte dem Fuhrmann noch gesagt, er solle sich ja nicht umsehen; als sie aber in die Nähe des Forsthauses kamen, wurde hinter ihm ein gefährlicher Lärm; da sah er sich um und plötzlich war der Geist aus der Flasche fort und saß in seiner Butze und trommelte seine besten Stückchen. Er wurde zum zweiten Mal in die Flasche gebannt und auch zum zweiten Mal wusste er’s zu machen, dass der Fuhrmann sich umsah und ihn dadurch entwischen ließ; zum dritten Mal indes gelang es ihm nicht: er mochte poltern und lärmen, drohen und flehen, so viel er nur wollte, rasch gings am Forsthaus vorbei und dem Holzteiche zu; hier wurde die Flasche hineingewälzt und in jenem Teiche sitzt der Geist noch und rumort und hantiert zu Zeiten, dass das Wasser hoch aufschäumt.

Im Felde bei Sievershausen liegen dicht am Wege die Trümmer eines Schlosses oder einer Burg, und hier geht eine weiße Jungfrau um, die von mehreren gesehen worden ist. Vor etwa zehn Jahren zur Sommerzeit und um die Mittagsstunde geht ein Jude durch das Feld. Plötzlich erblickt er die weiße Jungfrau; sie trägt ein Körbchen und ein Bund Schlüssel, winkt ihm mit einem weißen Tuche und bittet recht wehmütig, er möge ihr die Hand reichen und ihr Guten Tag sagen, so sei sie erlöst. Der Jude aber kriegt es mit der Angst und läuft fort. Zuweilen sieht er sich um und alsdann winkt sie ihm und schreit hinter ihm her; jedoch je mehr sie ruft, desto schneller läuft er. Zuletzt noch hört er, wie sie jammert: »Nun wird erst in fünfundzwanzig Jahren wieder jemand geboren, der mich erlösen kann.« Der Jude erzählt es im Dorfe, und der Pfarrer hat geraten, es solle sich niemand vor ihr fürchten; wenn sie einem begegne, so möge er ihr Guten Tag sagen, doch statt der Hand den Zipfel des Taschentuches, des Rockes oder der Schürze reichen, da man Angst hat, sie könne durchgreifen. Der Jude lebt noch und auch sein Name ist mit genannt worden. Seitdem passt man ordentlich auf; sie hat sich indes noch nicht wieder sehen lassen.

Etwa zwei Stunden von Sievershausen ist das Kloster Fredelsloh; daselbst war früher eine Köchin, welche ausgekundschaftet hatte, dass sich in einem alten Gemache zwei Kisten mit leinenen Sachen befanden, die noch von den Nonnen herrührten. Als es ihr nun eben an Leinewand fehlte, so holte sie sich aus jenen Kisten und beredete die eine Magd auch dazu. Die Köchin schlief mit einer zweiten Magd zusammen in einem Bett; des Nachts aber kam ein Geist, stieg hinweg über das Mädchen und sagte zu der Köchin: »Du bringst morgen die Sachen wieder an ihre Stelle, oder es geht dir schlecht!« Die zweite Magd erzählte es den Morgen allen im Hause; da nahm die erste ihre Leinewand und legte sie vorsichtig wieder in die Kiste. Die Köchin jedoch wollte nichts davon wissen, ging vielmehr nach einiger Zeit zum zweiten Mal dabei und fragte auch diesmal nichts nach den Drohungen des Geistes. Bald darauf fehlte es ihr wieder an Leinewand, und sie holte zum dritten Mal. Des Nachts erscheint der Geist wieder, und es wird ein Lärm in der Kammer, dass alle Mägde erwachen und es ihnen vorkommt, als wenn jemand ersticken will. Sie wecken die Herrschaft und als sie hinaufgehen, finden sie die Köchin ganz zerschlagen und zertreten, der Kopf sitzt ihr auf einer Seite und um die Mittagszeit ist sie tot.

Ebendaselbst hat in früherer Zeit auch einmal ein Feldmesser gelebt, der hat sich bestechen lassen und falsch gemessen, dadurch aber manchen ehrlichen Mann mit Frau und Kind und Kindeskind in großes Elend gebracht. Wenn es nun Nacht ist, sieht man ihn »gleinig« (glühend) und mit einer »gleinigen« Stange in den Feldmarken von Sievershausen, Relliehausen und Dassel das Feld vermessen. Es haben ihn viele gesehen, und sie alle wissen nicht genug zu erzählen von seinen kläglichen Mienen und wie er von Zeit zu Zeit seufzet und stöhnt.

Blaubart

Alexander von Ungern-Sternberg

Ein armer Landedelmann hatte acht Töchter, die er gerne an den Mann bringen wollte. Es waren alle acht hübsche Mädchen. Der Vater, wenn er sie einem Fremden vorführte, pflegte zu sagen: »Hier ist meine ­älteste Tochter:

Suse,

etwas konfuse.«

Dann:

»Jette,

liegt zu lang im Bette;

Anne Sophie,

hat ein Fleckchen am Knie;

Lottchen,

ist ein kleines Teufelsbottchen7;

7 ein durchtriebenes, wildes Kind

Katerlieschen,

hat ein kleines Füßchen;

Armengart,

die die Leute narrt;

Adelgunde,

mit der Brust so runde;«

und endlich:

»Annett’,

mit dem Hintern fett.«

Nun wohnte ein ganz vollkommener Kavalier in der Gegend, der liebte schöne Frauen über die Maßen, der hörte von den acht hübschen Mädchen und erschien deshalb bei dem Edelmann. Er kam mit einer Kutsche und vier Pferden angefahren. Zwei Lakaien öffneten den Schlag des Wagens, und ein Strom von Rosen- und Veilchenduft verbreitete sich, als der vollkommene Kavalier ausstieg und dem Edelmanne seine Verbeugung machte, indem er sagte:

»Ich bin der vollkommenste Kavalier

Und erscheine hier an deiner Tür;

Du hast der Töchter zweimal vier,

Von denen schenke eine mir.«

Der alte Baron erwiderte:

»Ihr seid der vollkommenste Kavalier,

Der ganzen Nachbarschaft Lob und Zier;

Die Ehre ist über die Gebühr,

Nehmt Ihr eine von meinen zweimal vier.«