Schwarze Narzissen - oder: Schonungslos - Katherine John - E-Book

Schwarze Narzissen - oder: Schonungslos E-Book

Katherine John

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Beschreibung

Wie eine Krankheit verbreitet sich diese Killer-Droge: Der eiskalte Thriller »Schwarze Narzissen« von Katherine John jetzt als eBook bei dotbooks. Unaufhaltsam wie ein Feuer breitet sich die Designerdroge »Black Narcissus« in Wales aus – und hinterlässt eine Spur von Tod und Verzweiflung. Sergeant Trevor Joseph und sein Kollege Peter Collins gehören zu einer Spezialeinheit, die undercover ermitteln soll. Doch kaum hat man die Männer in die Drogengangs eingeschleust, wird einer nach dem anderen ermordet. Hat jemand die Tarnung der Ermittler durchschaut – oder gibt es einen heimtückischen Informanten? Als Peters Freundin spurlos verschwindet, wissen die beiden, dass ihnen die Zeit davonzulaufen droht … »John ist eine Offenbarung.« Financial Times Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Thriller »Schwarze Narzissen« von Katherine John ist der dritte Band ihrer Wales Killings Reihe. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 382

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Über dieses Buch:

Unaufhaltsam wie ein Feuer breitet sich die Designerdroge »Black Narcissus« in Wales aus – und hinterlässt eine Spur von Tod und Verzweiflung. Sergeant Trevor Joseph und sein Kollege Peter Collins gehören zu einer Spezialeinheit, die undercover ermitteln soll. Doch kaum hat man die Männer in die Drogengangs eingeschleust, wird einer nach dem anderen ermordet. Hat jemand die Tarnung der Ermittler durchschaut – oder gibt es einen heimtückischen Informanten? Als Peters Freundin spurlos verschwindet, wissen die beiden, dass ihnen die Zeit davonzulaufen droht …

»John ist eine Offenbarung.« Financial Times

Über die Autorin:

Katherine John wurde als Tochter einer deutschen Mutter und eines walisischen Vaters in Pontypridd unweit von Cardiff geboren. Sie studierte Englisch und Soziologie in Swansea; danach lebte und arbeitete in den USA und Europa, bevor sie nach Wales zurückkehrte und sich seitdem ganz dem Schreiben widmet. Katherine John lebt mit ihrer Familie auf der Gower-Halbinsel an der Südküste von Wales.

Katherine John veröffentlichte bei dotbooks bereits die »Wales Killings«-Reihe mit den Bänden »Finsteres Grab«, »Tödliches Los«, »Schwarze Narzissen« und »Kalter Hass«.

***

eBook-Neuausgabe Dezember 2022

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2008 unter dem Originaltitel »Black Daffodil« bei Accent Press, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2008 unter dem Titel «Schonungslos» bei Rowohlt.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2008 by Katherine John

Copyright © der deutschen Erstausgabe Copyright © 2010 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Alle Rechte an der deutschen Übersetzung von Bettina Zeller bei Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98690-571-2

***

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Katherine John

Schwarze Narzissen

Thriller – Wales Killings 3

Aus dem Englischen von Bettina Zeller

dotbooks.

Für alle Kellys und Alecs in Südwales – und ganz besonders für diejenigen von ihnen, die in der Region Valleys leben. Damit wir nicht noch mehr junge Menschen verlieren, hoffe ich sehr, dass sie eines Tages die Hilfe erhalten, die sie so dringend brauchen und die ihnen zusteht.

KAPITEL EINS

Der Nachtportier im Foyer des Luxusapartmentblocks erzählte jedem, der ihm ein Ohr lieh, er wäre Student, obwohl er nur äußerst selten einen Blick in die Bücher warf, die er mit sich herumschleppte. Gerade hatte er die Sun durchgeblättert, die sein Kollege von der Tagesschicht dagelassen hatte.

Nun schlug er noch einmal die Seite drei auf, betrachtete das barbusige Model und überlegte, was Mr. Jones und seine beiden »Freundinnen« im Apartment neun wohl gerade anstellten. Normalerweise blieben die Damen nie länger als eine Stunde, doch heute Abend … Er warf einen Blick auf seine Uhr. Zehn nach zwölf. Drei Stunden und zehn Minuten. Im Geiste malte er sich die Szene aus: Mr. Jones lag breitbeinig auf dem Bett, die Mädchen, nur in roten oder schwarzen Strümpfen und Strapsen gekleidet, beugten sich über ihn …

Und was, wenn sie es gar nicht zu dritt trieben? Er meinte gesehen zu haben, wie sich die Blondine im Fluchttreppenhaus klammheimlich zu einem höheren Stockwerk geschlichen hatte. Da die Videoüberwachung gelegentlich aussetzte, konnte er sich allerdings nicht ganz sicher sein. Gerade die Kameras im Fluchttreppenhaus und auf der obersten Etage spielten immer wieder verrückt. Der Portier von der Tagesschicht behauptete felsenfest, dass Miss Smith, die im Penthouse wohnte, daran herumgefummelt hatte, damit keine Aufzeichnungen von ihren »Besuchern« existierten, die oft nur wenige Minuten blieben. Da er nicht mal die Hälfte dessen glaubte, was sein Kollege zum Besten gab, kaufte er ihm diese Geschichte nicht ab. Der Mann war ein Spinner, der immer wieder mit einem flotten Dreier mit zwei jungen Schauspielerinnen aus Doctor Who prahlte, obwohl keiner, der hier arbeitete, ihn jemals mit einer Frau gesehen hatte.

Als plötzlich die automatische Glastür aufglitt, meldete sich sein schlechtes Gewissen. Eigentlich sollte er um Mitternacht absperren, damit – wie das Management sich ausdrückte – nicht »irgendwelches Gesindel« ins Gebäude gelangte. Die Hausbewohner konnten schließlich auch selbst die Tür öffnen. Allerdings nutzten sie ihre eigenen Schlüssel nie, da der Empfang rund um die Uhr besetzt war.

Glücklicherweise gehörte die gerade eintretende Frau nicht zu jenen Nörglern, die sich jedes Mal beschwerten, wenn er kurz den Empfang verließ, um sich eine Tasse Tee aufzubrühen. Er argwöhnte, dass einige Bewohner an den Überwachungsmonitoren in ihren Apartments ein paar Veränderungen vorgenommen und die Geräte so eingestellt hatten, dass auch die Bilder der auf den Empfang gerichteten Videokameras wiedergegeben wurden. Auf diese Weise waren sie in der Lage, ihn jederzeit zu kontrollieren. Sie hofften wohl, ihn auf frischer Tat zu ertappen, wie er seine Pflichten grob vernachlässigte.

Mit einem breiten Grinsen, das er immer wieder vor dem Spiegel übte, strahlte er nun die attraktive Blondine an.

»Guten Abend, Miss Smith.«

Die große, schlanke Frau war eine richtige Sexbombe. Heute trug Amber Smith einen engen Minirock, eine schwarze Fransenweste und eine lässig über die Schulter geworfene hellbraune Lederjacke; ihre wohlgeformten Beine waren von dazu passenden Overkneestiefeln umhüllt. Ihr aufreizendes Gebaren versprach ruchlose, ungezügelte und nicht enden wollende Sinnenfreuden. Als sie sich ihm näherte, bekam er Herzklopfen. Er war heilfroh, dass die hohe Theke die Schwellung in seiner Hose verbarg.

Geistesabwesend schlenderte sie an ihm vorbei, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen oder zu grüßen, und drückte den Fahrstuhlknopf. Die Anzeige über der Tür leuchtete auf und signalisierte, dass der Lift schon auf dem Weg nach unten war.

Kein Lächeln hatte sie ihm geschenkt. Kein »Wie geht es Ihnen, George?«. Nicht dass sie ihn jemals so genannt oder er sie auf seinen richtigen Vornamen hingewiesen hätte. Nicht einmal ein kurzes »Hallo«. Ihr Desinteresse kränkte ihn maßlos.

Die Fahrstuhltür glitt auf, und Mr. Jones’ »Freundinnen« kamen aus der Kabine. Er konnte sich nie entscheiden, ob ihm der ein Meter achtzig große Rotschopf oder die zierliche Blondine besser gefiel.

»Amber, Liebling, lange nicht gesehen.« Die Blondine küsste Amber links und rechts auf die Wange.

Der Rotschopf folgte ihrem Beispiel und fragte anschließend: »Nehmen wir irgendwo einen Drink?«

»Ein andermal. Cyn, Lucy.« Amber trat in den Fahrstuhl und drückte auf den Knopf.

»Guten Abend, meine Damen.« Der Portier beäugte die riesigen Taschen der beiden Frauen und stellte nicht zum ersten Mal ein paar Vermutungen darüber an, was sie wohl darin aufbewahrten. Einmal hatte er sogar eine Liste möglicher Utensilien in diesen Taschen angefertigt, nachdem er einen ganzen Nachmittag lang in einem Sexshop gewesen war.

»Hallo, Süßer.« Der Rotschopf tätschelte seine Wange und verließ anschließend hinter der Blondine das Gebäude. Kaum waren sie verschwunden, sperrte er die Tür ab.

Desillusioniert und rastlos kehrte er an seinen Platz zurück, musterte das Mädchen auf Seite drei und fand, dass sie weder Miss Amber aus Apartment sechsunddreißig noch dem Rotschopf, noch der kleinen Blondine das Wasser reichen konnte.

Amber Smith starrte in den Spiegel des Lifts, doch ihr Blick war leer. Sie dachte über die Begegnung nach, die sie dazu bewegt hatte, früher als beabsichtigt nach Hause zu gehen. Natürlich war es vollkommen töricht gewesen, ihren Ersatzschlüssel aus der Hand zu geben. Nun wusste sie nicht, was sie daheim erwartete. Doch wie hätte sie die Bitte abschlagen können? Blut war schließlich immer noch dicker als Wasser. Allerdings traf diese Redewendung sicherlich nicht auf ihre Mutter zu, die nach der Entbindung keinen weiteren Gedanken an sie, die kleine Amber, verschwendet hatte. Das gleiche Schicksal hatten auch ihre Schwestern erlebt.

Der Fahrstuhl kam zum Stehen. Sie betrat den Korridor und hielt auf ihr Penthouse zu, das ihr ganzer Stolz war. Nach den Worten von Immobilienmaklern stellte es freilich »nur ein Studio« dar. Aber so, wie sie derzeit Geld verdiente, würde sie bald in etwas Größeres und Eleganteres einziehen können – und zwar nicht als bloße Mieterin, sondern sogar als Eigentümerin.

Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und versuchte, die Tür zu öffnen. Doch es gelang ihr nicht, ihn umzudrehen. Irritiert lehnte sie sich mit der Schulter gegen die Tür und begann, gegen sie zu drücken.

Die Explosion ließ das gesamte Gebäude und selbst noch das Foyer zehn Etagen weiter unten erzittern und löste Feueralarm aus. Der Portier vergaß alles, was er während der Katastrophenübungen gelernt hatte, und sprintete zum Fahrstuhl. Als er ihn öffnete, quoll schwarzer Rauch aus der Tür, breitete sich rasch im Foyer aus und drang schmerzhaft in seine Lungen hinein. Er war zum Rückzug gezwungen. Hustend taumelte er zu seinem Arbeitsplatz. Er nahm sein Handy und die Generalschlüssel – die Bücher ließ er achtlos liegen –, torkelte zur Eingangstür, schloss sie auf und stürmte nach draußen. Menschen rannten durch das Treppenhaus nach unten und prallten in ihrer Panik immer wieder gegeneinander. Auf der Straße vermischten sich das Geschrei und die Hilferufe der Leute mit dem Heulen der Sirenen. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich die friedliche Eingangshalle aus Marmor, Stahl und Glas in ein rußgeschwärztes Tollhaus verwandelt.

Fünf Minuten nach der Explosion waren schon Löschfahrzeuge und Krankenwagen mit Rettungspersonal vor Ort. Die Bewohner versuchten, sich und ihre wichtigsten Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen. Der Portier zählte die Mieter, die es nach draußen geschafft hatten; und die Feuerwehrmänner und Polizisten bemühten sich, Leben zu retten. Da keine Menschenseele auf die Monitore über der Empfangstheke achtete, sah auch niemand, wie eine vermummte Gestalt das Fluchttreppenhaus hinunterrannte und im Kellergeschoss verschwand. Dort versteckte sie sich hinter einem der Pfeiler neben dem Stahltor, das sich nach dem Ausfahren eines Autos immer sofort schloss, damit keine Obdachlosen in die Tiefgarage eindringen und dort nächtigen konnten.

Kurz darauf stürmte Mr. Edwards aus Apartment fünfzehn nach unten, um seinen heißgeliebten Porsche zu retten. Als er aus der Tiefgarage fuhr, zwängte sich die Gestalt noch schnell unter dem herabgleitenden Tor durch.

Mit gesenktem Kopf, über den eine Kapuze gezogen war, schritt die Person die Ausfahrt hoch. Sie ging rasch, aber nicht so schnell, dass jemand Notiz von ihr nahm. Oben auf dem Bürgersteig zwängte sie sich durch die Menschenmenge, die sich dort eingefunden hatte. Danach marschierte die Gestalt entlang der zweispurigen Fahrbahn und verschwand in einer Unterführung. Kurz darauf hatte die Nacht sie schon verschluckt.

Kelly Smith verließ das stickige, laute und überfüllte Penthouse und stellte sich auf einen der Balkone, wo es angenehm kühl war. Sie schloss die Tür, damit sie die ohrenbetäubend laute Musik der Band nicht mehr hören musste, die in dem riesigen Wohnzimmer aufspielte. Anschließend lehnte sie sich ans Geländer und betrachtete die weißen Yachten, die fünfzehn Stockwerke tiefer im Hafen vor Anker lagen. Mit einer Länge von knapp dreißig Metern stellte das größte und luxuriöseste Boot, die Lucky Star, alle anderen in den Schatten. Die LuckyMe und die Lucky Charm, die jeweils auf einer Seite der imposanten Yacht angelegt hatten, wirkten neben ihr ziemlich klein. Die Lucky Star hatte drei elegant ausstaffierte Kajüten, einen Whirlpool auf der Flybridge und war erst kürzlich für Unsummen überholt worden. Das wusste Kelly, weil sie erst vor ein paar Tagen auf diesem Boot gewesen war. Bedauerlicherweise war die Erinnerung daran noch zu frisch und viel zu unerquicklich, um darin zu schwelgen.

Sie richtete den Blick auf die von Beton eingefasste Bucht. Funkelnde Lichter spiegelten sich im glitzernden Wasser. Menschen strömten in die Cafés, Bars und Restaurants an der Uferpromenade. Sobald sich eine der Türen dort öffnete, gelangten Musikfetzen nach draußen und trieben durch die laue Luft. Auf einmal verspürte sie das Verlangen, dort unten zu sein und sich nur darüber den Kopf zerbrechen zu müssen, welche Bar sie aufsuchen und wie sie den erstbesten Burschen, der ihr gefiel, abschleppen sollte. In dem Moment ging die Tür hinter ihr auf. Der plötzliche Musiklärm ließ sie zusammenfahren.

»Hallo.« Jake Phillips schloss die Tür und reichte ihr eine seiner beiden Dosen Bier. Er hatte sie aus der Kühlbox genommen, die im Whirlpool eingebaut war. »Du bist doch eins von den Smith-Mädels, oder? Keira?«

»Kelly«, korrigierte sie ihn.

»Jake Phillips. Ich bin mit Marissa zur Schule gegangen und kannte auch Amber ganz gut. Hab sie immer für ein kluges und hübsches Mädchen gehalten, das es mal weit bringen wird. Dass sie tot ist, tut mir leid.«

»Ja, da bist du nicht allein.« Kelly zuckte mit den Achseln und kriegte feuchte Augen.

»Ist Ewigkeiten her, seit ich Marissa zum letzten Mal gesehen habe. Wie geht es ihr?«

»Wir haben uns aus den Augen verloren.«

Dass die Schwestern keinen Kontakt untereinander hatten, wunderte Jake nicht. In der Schule hatte man Marissa den Spitznamen »Schneewittchen« verpasst, und zwar nicht als Anspielung auf die Märchenfigur, sondern auf die Menge Koks, die sie sich einpfiff. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie hier in der Bay lebt«, sagte er.

»Das ist schon längst passe. Vor zwei Jahren hat sie ihren Job verloren und konnte von da an die Miete nicht mehr zahlen.«

Jake spann den Faden beharrlich weiter, obwohl er merkte, dass Kelly nicht gern über ihre Schwestern sprach. »Du hast große Ähnlichkeit mit Amber.«

»Muss an den Haaren liegen. Als Amber und ich klein waren, haben wir immer Marissas Haarfärbemittel gemopst, aber am Ende bin ich bei meiner Naturfarbe geblieben.« Sie öffnete ihre Dose.

Er stellte sich neben sie. »Klasse Ausblick. Jeden Morgen, wenn ich hier aufwache, freue ich mich darüber, am Leben zu sein. Hier oben fühlt man sich unbesiegbar, was?«

Sie spähte durch die Glastür in den riesigen, mit Marmor ausgelegten Wohnraum. »Du wohnst hier?«

»Ja.«

»Schön für dich. Amber hat immer behauptet, du würdest mal richtig Kohle machen.«

»Na, ganz so prima läuft es nun auch wieder nicht. Die Hütte gehört Damian Darrow. Ich wohn hier nur zur Miete und muss glücklicherweise nicht den gängigen Preis für so eine Unterkunft zahlen.« Ihre Reaktion entging ihm nicht. »Kennst du Damian?«

»Den kennt jeder.«

»Du magst ihn nicht?«, schloss Jake aus ihrem Ton.

»Ich werde bestimmt nicht so blöd sein und bei seinem Mieter und Mitbewohner über ihn herziehen. Und es ist allgemein bekannt, dass er diese Party ausrichtet, um seine neue Band zu lancieren.«

Jake spähte durch die Glastür. Die Band gab nun eine Coverversion des Sechziger-Jahre-Hits Little Children zum Besten und sang gerade »Küss deine kleine Schwester«. Die Gruppe bestand ausschließlich aus Mädchen, die viktorianische Korsetts und weiße Seidenstrümpfe trugen – ein Outfit, das dem Text eine zweideutige Note verlieh. »Die sind nicht schlecht, was?«

Kelly schnitt eine Grimasse. »Aber gut auch nicht.«

»Wie gut kennst du Damian?«

»Was soll die ganze Fragerei?«

»Ich wollte nur ein bisschen plaudern.«

»Kommt mir eher wie ein Polizeiverhör vor.«

»Ich habe Damian viel zu verdanken«, erklärte er, »und das nicht nur, weil er mir weniger Miete abknöpft, als er auf dem Markt kriegen könnte. Aber ich weiß natürlich auch, dass er es sich mit vielen Leuten verscherzt hat.«

»Damian ist schon okay«, murmelte sie wenig überzeugend.

»Er weiß, wie man sich amüsiert, und hat gern Leute um sich.« Er stieß seine Bierdose gegen ihre. »Auf uns und den steilen Weg nach oben.«

»Du hast es geschafft, Jake. Ich nicht.«

»Du bist auf einer affengeilen Party mit super Leuten.« Er strich sich eine dunkle Haarsträhne aus den Augen und meinte mit ironischem Unterton: »Ganz zu schweigen von mir.«

»Weißt du, warum ich hier bin?«

»Weil man dich eingeladen hat?«

»Wie die meisten Mädels hier werde ich für mein Kommen bezahlt. Gekauft.«

Die Verbitterung, die in ihrer Stimme mitschwang, versetzte ihm einen Stich. »Sei nicht so selbstkritisch«, sagte er. »Jeder von uns verkauft sich auf die eine oder andere Art.«

»Wann hast du das letzte Mal mit jemandem für Geld gefickt?«, herrschte sie ihn an.

»Na, gehen jetzt wieder die Pferde mit dir durch, Kelly?« Mike Knight kam aus dem Wohnraum und gesellte sich zu ihnen. »Ich habe dich vorhin schon gewarnt. Mit der Einstellung kriegst du den Prinzen nie.«

»Ich sehe hier weit und breit keinen verdammten Prinzen.«

Mike holte ein Feuerzeug aus der Tasche. »Kelly-Schätzchen, mit deinem Körper könntest du den Verkehr auf der Autobahn zum Stehen bringen, wenn du dir nur mal ein Lächeln abringen würdest. Aber so, wie du immer aus der Wäsche schaust, vergeht den Jungs sofort die Lust. Wie alt bist du eigentlich? Achtzehn?«

»Sechzehn.«

Jake durchforstete sein Gedächtnis. »Amber war achtzehn, Marissa ist zweiundzwanzig. Demnach müsstest du –«

»– sechzehn sein«, fiel sie ihm mit schneidender Stimme ins Wort. »Seit letztem Monat.«

Jake ging noch einmal in Gedanken kurz die Altersunterschiede der Smith-Schwestern durch: Nach Adam Riese war Kelly vierzehn. Aber das behielt er lieber für sich, da Mike die Wohnzimmertür nicht wieder geschlossen und die Band nach dem Ende ihres Songs nun eine Pause eingelegt hatte. Zwar herrschte lautes Stimmengewirr, doch es war um einiges leiser als die Musik zuvor. Somit bestand die Möglichkeit, dass jemand ihre Unterhaltung hier draußen mithörte. Sollte Damian erfahren, wie alt Kelly in Wirklichkeit war, würde er sie auf der Stelle feuern, weil sie als Minderjährige die Aufmerksamkeit der Polizei auf diese Party lenken könnte. Und Jake hatte heute schon etliche kleine Dealer gesehen, wie sie ihrer Tätigkeit nachgegangen waren – so oft, dass sie die Gerichte vor Ort sicherlich einen ganzen Monat lang beschäftigt hätten.

Mike holte ein Röhrchen mit Wodka aus seiner Hemdtasche und leerte den Inhalt in seinen Mund. »Ich habe dir schon mal gesagt, was du tun musst, wenn deine Arbeit dich ankotzt, Kelly.«

Sie richtete den Blick wieder auf die Bucht. »Die Mitglieder eines Rugbyteams nach dem Spiel zu vögeln ist harte Arbeit; und hinterher sieht man wegen der vielen blauen Flecken, die man sich dabei einfängt, richtig scheiße aus.«

»Ein Koch kann sich seine Gäste auch nicht aussuchen, Schätzchen. Meiner Meinung nach kriegst du eh zu viel Kohle für das, was du leistest.« Mike war eine tragende Säule im Rugbyteam der Filmhochschule.

»Du hast doch für meine Dienste nie bezahlt.«

»Kann ich was dafür, dass die Leute so sehr auf mich stehen, dass sie mich dauernd einladen?« Er schaute ins Wohnzimmer, wo der Rotschopf Cynara und die Blondine Mira strippten. Begleitet wurden sie von Pfiffen und dem Gejohle der näher rückenden Männer, die versuchten, Geldscheine in ihre Stringtangas zu stecken. »Bei deiner verdrießlichen Miene ist es kein Wunder, dass du hier draußen abhängst und die Mädels dadrinnen die Trinkgelder abgreifen.«

»Ich mache nur kurz Pause. Und ich arbeite hart für meine Kohle«, meinte Kelly und reckte trotzig das Kinn.

Jack versuchte, die Atmosphäre aufzulockern. »Kelly und ich kommen aus derselben Gegend.«

»Wie heißt denn das illustre Kaff?«, fragte Mike spöttisch.

Jake zwinkerte Kelly zu. »Na, da, wo wir herkommen, muss man einfach eine gehörige Portion Ehrgeiz entwickeln.«

Kelly wechselte das Thema und kam nun doch auf ihre Schwester zu sprechen. »Marissa war eine dumme Kuh. Ein paar Jahre lang hat sie echt viel Kohle verdient, aber jeden Penny davon verbraten. Amber war da ganz anders. Sie ist in ihrer eigenen Wohnung gestorben. Ich werde es jedenfalls wie Amber machen und mir in ein paar Jahren hier in der Bucht eine Wohnung zulegen.« Kelly warf Mike einen herausfordernden Blick zu. »Du wirst schon sehen.«

Jake ergriff das Wort, ehe Mike etwas erwidern konnte. »Ich werde der Erste sein, der dich da besucht.«

Ob Kelly ihr Ziel erreichen würde und sich irgendwann ein Apartment in der Bay leisten könnte, war mehr als fraglich. Doch Jake kannte die Verzweiflung der Menschen, die in Sozialbausiedlungen aufwuchsen und alles taten, um dem zu entkommen. Seine Mutter war wild entschlossen gewesen, ihm einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen, und hatte deshalb gleichzeitig drei Jobs gemacht. Nur so konnte sie seinen Privatunterricht finanzieren und sichergehen, dass er mehr lernte als das, was man ihm auf der städtischen Gesamtschule beibrachte. Am Ende war ihre Rechnung aufgegangen. Dank des Weitblicks seiner Mutter, ihrer bescheidenen Ersparnisse und der Unterstützung seines Onkels hatte er an der Uni studieren können. Heute verdiente er genug, um für sich selbst zu sorgen und seiner Mutter jeden Monat einen Hunderter zuzustecken. Dadurch konnte sie es sich leisten, in einer ruhigen Straße unweit des Stadtzentrums in einem schönen Apartment zu wohnen.

Kelly wurde sichtlich nervös, als Damian und Lloyd auf den Balkon taumelten und sich zu ihnen stellten. Die beiden jungen Männer hätten nicht unterschiedlicher sein können. Damian war blond, muskelbepackt wie ein Fitnesstrainer und sah schrecklich gut aus. Lloyd war klein und gedrungen, hatte dunkle Augen von unbestimmbarer Farbe und mattbraune Haare, die sich schon lichteten, obwohl er wie Jake, Mike und Damian erst Anfang zwanzig war.

»Du musst mir noch das Referat über Special Effects geben«, meckerte Damian.

»Kriegst es morgen, Damian«, versuchte Lloyd ihn zu beschwichtigen.

»Nein, heute Abend. Ich brauch noch etwas Zeit, um es zu lesen, bevor ich es abgebe …«, nuschelte Damian, der plötzlich schwankte und sich am Balkongeländer festhalten musste.

»Ich muss es nochmal überarbeiten und habe es noch nicht ausgedruckt …«

»Schwestern, wir reden hier nicht über die Arbeit. Jetzt ist Feiern angesagt.« Jake klaubte ein paar Wodkaröhrchen und zwei Joints aus Mikes Brusttasche und schob einen davon Damian in den Mund. Jake war nicht schwul, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund amüsierte es Damian immer wieder, wenn er sich tuntig gab. Und er hatte wie alle anderen Mitbewohner von Damian inzwischen begriffen, dass man bei einem drohenden Streit mit ihm am besten für Ablenkung sorgte. Nur so konnte man Damian daran hindern, sich zu prügeln.

Mike war wegen Jakes Griff in seine Tasche zwar ziemlich verärgert, wagte das aber nicht zu zeigen, weil er sich vor Damian sehr in Acht nahm. Stattdessen riss er Jake, bevor der mit dem Rauchen beginnen konnte, den zweiten Joint aus der Hand und steckte ihn sich in den Mund. Bevor er ihn anzündete, gab er Damian Feuer.

Damian inhalierte tief. »Lucy?«, rief er nach einem der Mädchen im Wohnzimmer. »Wir brauchen hier draußen noch mehr Sprit, und zwar pronto!«

»Willst du noch eine von meinen speziellen Gaben?«, fragte Mike und begann, Kellys Nacken abzuküssen.

»Nee, lass mal gut sein, Mike«, erwiderte sie. »Einmal pro Nacht reicht mir.«

»Dein Pech, Kleine – von dem ich nur profitieren kann.« Trotz seiner Worte war er offensichtlich sehr verärgert über den Korb, den sie ihm gegeben hatte, und drehte sich von ihr weg.

»Hier gibt es massig Torten, die entgegenkommender sind«, verkündete Lloyd und stellte sich zu Lucy, die gerade mit einem Tablett voller blau- und rotgefärbter Wodkaröhrchen aus dem Wohnzimmer gekommen war.

»Aber nicht für Typen, die mir noch einen Gefallen schuldig sind«, knurrte Damian.

»Du kriegst das Papier gleich morgen früh, Damian«, versprach Lloyd.

»Ich erwarte, dass es gut ist …«

»Erste Sahne.«

»Eine glatte Eins?«

»Unter aller Garantie«, gelobte Lloyd mit Nachdruck.

Damian begrapschte Lucy ein wenig, ein gutgebautes, muskulöses Mädchen, nahm ihr dann das Tablett ab und bot Kelly ein Röhrchen an. »Trink!«, befahl er, als Kelly den Kopf schüttelte. »Das hier ist eine Party und keine gottverdammte Beerdigung.«

Gehorsam nahm Kelly das Röhrchen, öffnete es und goss sich den Inhalt in den Mund. Sie schluckte und schnitt eine Grimasse. Lucy drehte sich um und wollte, nachdem sie die Getränke gebracht hatte, wieder hineingehen.

»Wer hat dir erlaubt, dich vom Acker zu machen?«, herrschte Damian sie an und hielt sie am Arm fest. »Lloyd, du lieferst mir morgen früh eine glatte Eins ab, oder du fliegst anschließend am Nachmittag hier hochkantig raus.«

»Keine Sorge, Damian.«

Damian legte die Hand auf Lucys Brust und kniff in ihre Brustwarze. Dann steckte er die Hand unter ihren Minirock, schob ihn bis zur Taille hoch und verpasste ihr einen Klaps auf den blanken Po. »Kümmer dich um Lloyd hier, ficki-ficki. Besorg es ihm richtig, aber mach ihn nicht alle. Er hat morgen früh noch viel zu tun.«

»Für dich, Damian-Schätzchen, tu ich doch alles«, flötete sie unterwürfig, aber mit leicht spöttischem Tonfall.

Jake fiel nicht zum ersten Mal auf, dass die Prostituierten, die Damian für seine Partys anheuerte, sich ihm gegenüber immer sehr devot verhielten. Aus dem Gebaren der Mädchen hatte Jake schon vor Monaten geschlossen, dass Damian den hiesigen Massagesalons nicht nur hin und wieder einen Besuch abstattete. Der Bursche konnte tun und lassen, was er wollte, und sein Vater Eric gestand ihm alle nur erdenklichen Freiheiten zu. Gerüchten zufolge war Darrow senior Milliardär; er sprach jedoch – abgesehen von den Kasinos, die er sein Eigen nannte – nur ungern von seinen Geschäften.

Auch Damian, der ansonsten gerne den Mund voll nahm, äußerte sich nie über die Unternehmungen seines alten Herrn. Ob aus Unwissenheit oder Furcht, bei seinem Vater anzuecken, konnte Jake nicht beurteilen. Ansonsten redete Damian immer nur über seinen zukünftigen kometenhaften Aufstieg im Filmbusiness nach Beendigung der Filmhochschule und die brandneue Agentur, die er vor ein paar Monaten gegründet hatte, um befreundeten Musikern und Schauspielern an der Hochschule »unter die Arme zu greifen«. Dass die »Künstler«, die Damian vertrat, ausschließlich weiblichen Geschlechts waren, entging weder seinen Professoren noch den Kommilitonen. Jake allerdings war nicht der einzige von Damians Freunden, die sich nicht trauten, ihm bohrende Fragen zu stellen. Falls nur die Hälfte der Gerüchte über die Darrows der Wahrheit entsprachen, hatten Vater und Sohn in etwa so viel Respekt vor dem Gesetz wie vor ihren Feinden, von denen sie – so wurde erzählt – bereits einige mit Betonschuhen in der Bucht versenkt hatten.

Lloyd bugsierte Lucy ins Wohnzimmer; seine Augen waren jetzt nicht mehr wie vorhin auf Cynara und Mira gerichtet. Die beiden inzwischen splitterfasernackten Stripperinnen zogen gerade Freiwillige aus dem Rugbyteam aus.

»Was hast du eigentlich hier zu suchen?«, herrschte Damian Kelly an.

»Ich mache eine Pause und trinke ein Bier«, meinte sie und hob die Dose hoch.

»Fürs Ausruhen wirst du nicht bezahlt. Du sollst dich um die Gäste kümmern.«

»Was sie gerade eben aufs trefflichste getan hat, mein Lehnsherr«, verkündete Jake und verbeugte sich theatralisch.

Kelly wäre es lieber gewesen, wenn Jake nicht gelogen hätte. Sie beide hatten ja nur ein paar Minuten geplaudert, und sie ahnte, dass Damian sich nicht zum Narren halten ließ.

»Schön, dass du zufrieden bist, Jake. Ich bin es nicht.« Damian umklammerte Kellys Handgelenk.

Drinnen im Wohnzimmer gab es plötzlich einen lauten Knall. Lloyd und Lucy waren von der Bildfläche verschwunden; und am Ende einer Polonaise aus Nackten, die von Cynara angeführt wurden, lagen einige der Teilnehmer auf dem Boden. Sie waren offensichtlich über eine Kiste mit leeren Weinflaschen gestolpert, die sich umgestürzt zwischen ihnen befand.

Kelly beäugte die Tanztruppe. Die Männer lachten, und diejenigen, die sich noch nicht um den Verstand gesoffen hatten, waren total aufgekratzt und high vom Testosteron und den Drogencocktails, die man ihnen spendiert hatte. Aus Erfahrung wusste sie, dass sie auf Spaß aus waren und sich, wenn es sein musste, wie Damian ihr Vergnügen mit Gewalt nehmen würden.

»Wissen wir, wie man Party macht, oder wissen wir, wie man Party macht?« Alec Hodges, Damians vierter Mitbewohner, tanzte auf den Balkon hinaus und schlang die Arme um den Hals seines Vermieters.

»Damian auf alle Fälle«, erwiderte Jake und fing Alec auf, als Damian ihn wegstieß.

»Junge, ich habe jedenfalls einen Heidenspaß.« Alec verdrehte die Augen und zitterte am ganzen Leib. Im Wohnzimmer setzte die Musik wieder ein.

»Was hast du denn eingeworfen?«, fragte Mike und musterte Alec eindringlich.

»Was ganz Spezielles.« Alec legte den Finger auf die Lippen. »Psst.« Er kicherte so sehr, dass er sich kaum mehr aufrecht halten konnte. »Bock auf Boxen?« Er holte mit der Faust aus, schlug nicht allzu stark nach Damian und traf ihn am Kinn.

»Du blöder Schweinehund!«, rief Damian und riss die Faust hoch.

»Schlappschwanz!« Alec wollte ein weiteres Mal zuschlagen, doch Damian kam ihm zuvor. Alec wankte, verlor das Gleichgewicht und wäre über das Balkongeländer gestürzt, wenn Jake ihn nicht aufgefangen hätte.

»Hättest den dämlichen Mistkerl ruhig runterfallen lassen können«, murrte Damian.

»Bist du scharf darauf, dass die Bullen hier reinschneien?«, entgegnete Jake und genehmigte sich ein Wodkaröhrchen.

»Dann sag ich denen, sie sollen sofort wieder Leine ziehen. Die hiesigen Bullen stehen bei meinem Alten auf der Lohnliste.« Damian schob Kelly zu Alec hinüber. »Los. Soll er seine überschüssige Energie wenigstens sinnvoll verbraten.«

Alec musterte Kelly mit blutunterlaufenen Augen, ehe er ihr winziges Oberteil packte und es nach unten riss. »Nette Titten.« Er schob den Lycra-Minirock hoch und betrachtete ihren nackten Po. »Netter Arsch.« Und dann schlug er so fest zu, dass ein roter Striemen sichtbar wurde.

Damian leerte ein weiteres Wodkaröhrchen. »Kelly, wenn du dafür sorgst, dass er auf seine Kosten kommt, schieben wir später vielleicht auch eine Nummer.«

Alec legte die Hand um Kellys Nacken und drückte zu. Sie zuckte zusammen, machte jedoch keine Anstalten, sich zu wehren, denn er war dreißig Zentimeter größer und doppelt so schwer wie sie.

»Alec ist jenseits von Gut und Böse. Er könnte ihr etwas antun«, protestierte Jake.

»Weißt du, was dein Problem ist?« Damian baute sich ganz dicht vor Jake auf. »Du bist einfach zu weich. Huren sind wie Hunde. Man muss sie abrichten, damit sie spuren.«

»Erst bin ich nochmal dran.« Jake löste Alecs Hand von Kellys Hals.

Zu seiner Überraschung schob sie ihn weg und bediente sich der Lüge, die er vorhin Damian aufgetischt hatte. »Du warst schon dran.«

»Und jetzt will ich einen Nachschlag«, insistierte Jake.

Im nächsten Moment begann Alec, hin- und herzuschwanken. Jake versuchte ihn zu stützen, doch er ging zu Boden. Damian verpasste ihm sogleich ein paar Fußtritte.

»Schaff das Arschgesicht ins Bett, Mike«, befahl Damian und rief mit einem Fingerschnippen Cynara herbei. Das nackte Mädchen, das sich ihrer Wirkung auf Männer nur zu gut bewusst war, legte die Hände auf die Hüften und kam betont langsam auf ihn zu.

Damian schlang den Arm um sie und wandte sich an Jake. »Du kannst nochmal über Kelly herfallen, wenn du mir den Kurzfilm gibst, an dem du gerade arbeitest.«

»Die halbe Uni hat doch schon mitgekriegt, dass ich ihn drehe«, erwiderte Jake. Damian verlangte zwar von seinen Mitbewohnern nur eine niedrige Miete, doch dafür erwartete er spezielle Gegenleistungen. Lloyd schrieb Damians Referate und Seminararbeiten; und Alec war sein Mann fürs Grobe, Chauffeur und Laufbursche.

Jake war erst in Damians Zirkel aufgenommen worden, nachdem er im ersten Semester auf der Filmhochschule einen Zeichentrickfilm produziert und dafür einen Preis erhalten hatte. Inzwischen wohnte er seit einem halben Jahr bei Damian und war häufig viele Stunden damit beschäftigt gewesen, Modelle für Filmszenen zu bauen und Entwürfe anzufertigen, für die anschließend Damian die Lorbeeren eingesteckt hatte.

»Dann lässt du dir eben etwas Neues einfallen. Was vom gleichen Kaliber wie Long Shots, Short Breaks.«

Die Tatsache, dass Damian sich an den Titel von Jakes prämiertem Zeichentrickfilm erinnerte, sprach Bände. Damian wollte ebenfalls einen Preis, und zwar so schnell wie möglich.

»Wir können morgen ein paar Ideen durchspielen.« Jake streckte die Hand aus und ergriff Kelly am Arm.

Damian entließ sie beide mit einer Handbewegung. »Cynara, höchste Zeit, dass ihr die nächste Show hinlegt, du und die Mädels.«

Cynara winkte Mira heran und küsste sie auf den Mund.

»So ist es recht!«, brüllte Mike. »Nur weiter so!«

»Warum siehst du dir nicht die Show an?«, fragte Kelly, während sie mit Jake hineinging.

»Wenn du nicht anderweitig beschäftigt bist, musst du auch auftreten.«

»Wäre nicht das erste Mal.«

»Wir beide könnten etwas Ruhe gebrauchen.« Er zog sie in den Korridor, der zu den Schlafzimmern führte. Durch den langen Schlauch hallten leises Stöhnen, hysterisches Gelächter und ein markerschütternder Schrei.

»Das ist Ally. Die schreit immer so«, erklärte Kelly, als sie mitkriegte, wie Jakes Blick über die Türen huschte.

»Das klingt, als würde sie abgeschlachtet.«

»Daran gewöhnt man sich. Mein Raum im Massagesalon liegt direkt neben ihrem.« Sie warf einen Blick über die Schulter. »Lass uns zurück zu den anderen gehen.«

»Wieso denn? Wir beide können echt eine Pause vertragen.«

»Ich weiß, du willst nett sein. Aber ich kann hier nicht nur abhängen, sonst verliere ich meinen Job.«

Jake öffnete seine Zimmertür und machte Anstalten, Kelly in den Raum zu ziehen. Als er ihre Gegenwehr spürte, schob er sie energisch in den Raum und schloss die Tür. Die eingeschaltete Nachttischlampe spendete nur ein fahles Licht. Seine Bettwäsche war verknittert, und in der Luft hing ein unangenehmes Potpourri aus Sex, teurem Eau de Toilette und Schweiß. Damians Gäste respektierten nie die Privatsphäre seiner Mitbewohner. »Wer kriegt denn hier mit, ob du nur abhängst oder deinen Job machst?«

»Die Leute kriegen alles mit«, meinte Kelly nervös. »Wir haben eben auch gehört, was in den anderen Zimmern läuft.«

»Ich kann ja stöhnen. Nur kann ich dir nicht versprechen, dass ich so laut bin wie deine Freundin.«

»Ally ist nicht meine Freundin.« Kelly setzte sich auf das Bett, streifte die Schuhe ab und zog das Oberteil aus.

»Behalt deine Klamotten an. Ich habe dich nur hierhergebracht, damit du dich ein bisschen ausruhen kannst. Du bist noch keine sechzehn, oder?«

Sie griff nach ihrem Oberteil und zog die Schuhe wieder an. »Doch.« Dann stand sie auf und ging zur Tür.

»Was hast du vor?«

»Ich bin zum Arbeiten hier. Wenn du mich nicht willst, solltest du dich da draußen amüsieren.«

Er legte seine Hand auf ihre Finger, die bereits den Türgriff umklammerten. »Kelly, du musst das nicht machen …«

»Lass das nette Getue. Ich kann nette Typen nicht ausstehen –«

Plötzlich wurde die Tür mit großer Wucht aufgestoßen. Kelly prallte zurück und stürzte zu Boden. Ehe Jake sich wegdrehen konnte, presste ihm jemand eine Hand auf Mund und Nase. Er versuchte zu schreien, doch als er den Mund öffnete, schob ihm jemand einen rauen, harten und trockenen Gegenstand zwischen die Zähne, damit er keine Luft mehr bekam. Heftig würgend rang er nach Luft und schlug wild um sich.

Hände umfassten seine Taille und hoben ihn hoch. Jemand löste seinen Gürtel, knöpfte seine Jeans auf und zog sie ihm aus. Aus Furcht, vergewaltigt zu werden, setzte er sich mit aller Macht zur Wehr. Als er zu Boden geworfen wurde, entwich ihm die Luft aus den Lungen, und der Knebel flog aus seinem Mund. Etwas Hartes und Knochiges – wohl ein Knie – stieß ihm schmerzhaft ins Kreuz.

Hände drückten sein Gesicht auf den Holzfußboden, und jemand machte sich an seinen Beinen zu schaffen. Er hörte, wie Kelly schluchzte und dann abrupt verstummte, nachdem ein lauter Schlag wie von einer harten Ohrfeige zu vernehmen war.

Ein stechender Schmerz huschte über die Rückseite von Jakes Bein. Er spürte, wie etwas Feuchtes und Warmes an seiner Wade herunterlief. Ein eigenartiges Gefühl breitete sich in seinen Venen aus und paralysierte seine Sinne. Die Augen fielen ihm zu. Er wusste genau, was gerade geschehen war: Man hatte ihm etwas injiziert.

»Das geht aufs Haus«, zischte eine Stimme.

Die Wärme verstärkte sich, bis er meinte, in der Hölle zu schmoren. Sein Kopf wurde nach hinten gerissen, seine Wirbelsäule knirschte.

»Ich würd dir ja gern versprechen, dass wir rechtzeitig für Nachschub sorgen, wenn du mehr brauchst. Aber das hier ist eine einmalige Sonderaktion … Bulle.«

Das Feuer in seinem Körper loderte, brannte lichterloh, drohte ihn zu ersticken. Er wurde hochgehoben. Eine kühle Brise streifte über seinen Körper; und er begriff, dass man ihn auf den Balkon gebracht hatte. Er versuchte die Augen zu öffnen, konnte aber nur mühsam blinzeln.

Tief unter ihm funkelten verschwommene Lichter. Er öffnete den Mund und brüllte wie von Sinnen, als er nach unten in die Dunkelheit stürzte.

Kelly hatte sich in eine Zimmerecke gekauert und die Hände schützend um den Kopf gelegt. Da wurde sie hochgerissen und unter Schlägen in den Flur gescheucht, wo Alec im Zickzackkurs von einer Wand zur anderen taumelte und sie schief von der Seite anschaute.

»Kelly? Ich bin bru-u-utal fertig …«

»Du musst dich irgendwo hinhauen, wo es ruhig ist, Alec«, erklärte Ally, die gerade aus einem der Zimmer kam. Sie zog ihren Rock herunter und bedeckte so den oberen Teil ihrer Schenkel. »Hilf mir mal, Kelly.«

Kelly drehte ihren Kopf zur Seite und starrte die Tür an, die sich hinter ihr geschlossen hatte.

»Kelly?«, wiederholte Ally.

Wie eine Schlafwandlerin trottete Kelly im Zeitlupentempo zu Alec hinüber. Die beiden brachten ihn zu Jakes Zimmer. Ally öffnete die Tür, stieß Alec hinein und zog sie zu, ohne einen Blick in den Raum zu werfen.

»Immer lächeln, Sonnenschein!«, rief Ally, als sie sich entfernte. »Beherzige meinen Rat, wenn du nicht wie deine Schwestern enden willst. Ich muss dir ja wohl nicht sagen, dass man in diesem Geschäft schnell ausgemustert wird. Und das hier ist immer noch besser, als im Massagesalon stundenlang von irgendwelchen alten Säcken angegrapscht zu werden.«

KAPITEL ZWEI

Inspector Trevor Joseph warf den Bericht, den Superintendent Bill Mulcahy ihm gegeben hatte, auf seinen Schreibtisch. »Den Trick kennen wir doch, Sir. Will ein Dealer seinen Absatz steigern, um mehr Gewinn zu machen oder die ausufernden Kosten seiner eigenen Sucht zu decken, macht er sich an potenzielle Kunden heran und spendiert ihnen eine Kostprobe. Schlagen sie das Angebot aus, kriegen sie das Zeug, das er verkauft, gegen ihren Willen verabreicht – und zwar so lange, bis sie den Stoff brauchen. Und einen Monat später hat der Dealer die Ausgaben für das Anfixen hundertfach wieder reingeholt. Soweit ich weiß, wurde diese Masche in Gefängnissen ausgeheckt …«

»Ich will jetzt keinen Vortrag darüber hören, wie das alles angefangen hat oder warum Jake Phillips und Alec Hodges angegriffen und mit diesem Stoff vollgepumpt wurden«, erwiderte Bill Mulcahy mürrisch. »So eine Anfixerparty ist ein richtiger Albtraum. Vor allem in einem Fall wie diesem, wo die Leute plötzlich haufenweise Amnesie kriegen, sobald man sie nach den Namen der anderen Gäste fragt. Ich will wissen, ob Jake Phillips vom Balkon geworfen wurde, weil etwas in aller Eile vertuscht werden sollte, oder ob ihn jemand kaltblütig und vorsätzlich ermorden wollte.«

»Zum Glück ist er auf der Markise gelandet …«

»Schauen Sie sich die Akte nochmal genauer an. Weiter hinten können Sie lesen, dass er im Koma liegt und nur eine geringe Aussicht auf Genesung besteht.«

Trevor nahm wieder die Akte zur Hand und blätterte sie noch einmal durch. »Falls er trotzdem wieder auf die Beine kommt, liegt Mordversuch oder schwere Körperverletzung vor. Andernfalls handelt es sich um Mord oder Totschlag. Aber so schrecklich dieses Geschehen für das Opfer und dessen Familie sein mag, ist das noch lange kein Grund, dass wir unser Budget strapazieren und der walisischen Polizei unter die Arme greifen. So wie ich das sehe, ist das deren Problem – und nicht unseres.«

»Normalerweise würde ich Ihnen beipflichten.« Bill Mulcahy, der vor Trevors Schreibtisch saß, presste die Fingerspitzen zusammen und betrachtete versonnen seine Nägel.

Aus Erfahrung wusste Trevor, was dieses Verhalten bedeutete. Sein Vorgesetzter zeigte es immer, ehe er ihn um einen Gefallen bat, der nicht in seinen, Trevors, Zuständigkeitsbereich fiel.

»Es gibt zwei Gründe, weshalb wir bei diesem Fall unsere Unterstützung anbieten sollten.« Mulcahy zog eine rote Mappe mit dem Aufdruck Vertraulich hervor und reichte sie Trevor. »Das ist Professor Robbins’ Bericht.«

»Norman Robbins?«, fragte Trevor überrascht. »Ich dachte, er wäre schon pensioniert.«

»Das stimmt. Aber er weiß mehr über die chemische Zusammensetzung von Drogen und ihre Wirkung auf das Gehirn als jeder andere, den wir kennen. Deshalb haben wir ihm die Ergebnisse der Bluttests von unserem Komapatienten Jake Phillips und dessen Mitbewohner Alec Hodges geschickt. Und die Pillen, die wir in Hodges’ Tasche gefunden haben.«

»War Hodges auch auf der Party in dem Penthouse?«

»Ja, mit hundertundsechs anderen Gästen, wie die Kollegen feststellten, die kurz nach der Tat dort eintrafen. Ein Passant hatte zufällig beobachtet, wie Jake Phillips vom Balkon gefallen war, und sogleich die Polizei vor Ort verständigt.«

»Steht Hodges unter Verdacht?«

»Nein, er ist so ziemlich der einzige Partygast, der nicht verdächtig ist. Zehn Minuten nachdem man sie verständigt hatte, tauchte die Polizei am Tatort auf; und da war Hodges jenseits von Gut und Böse und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Die Beamten gingen davon aus, dass er betrunken war. Als sie versuchten, ihn wach zu rütteln, ist er ausgeflippt. Er wurde umgehend in die Psychiatrie gebracht, und da ist er immer noch. Werfen Sie mal einen Blick auf Hodges’ Symptome, die der behandelnde Arzt aufgelistet hat.«

Trevor überflog den Bericht des Mediziners, der Alec Hodges am Morgen nach seiner Einlieferung in die geschlossene Psychiatrie untersucht hatte: deutliche Anzeichen von manischem Verhalten, extreme Wahnvorstellungen, niedrige bis gar keine Hemmschwelle, Hyperaktivität, auffälliges Defizit an Schuld- und Taktgefühl. Er warf Mulcahy einen Blick zu. »Verschiedene Formen von Halluzinationen … Vielleicht Ecstasy oder Peyote, möglicherweise in Kombination mit Crack, Heroin oder Crystal Meth?«

Mulcahy lehnte sich zurück. »Robbins hat die chemische Zusammensetzung der Pillen analysiert, die wir bei Hodges gefunden haben. Das ist wahres Teufelszeug. Eine synthetische Droge, die jeder Chemiestudent, der die Formel kennt, für ein paar Pence herstellen kann. Alle Zutaten, die er dafür braucht, sind in herkömmlichen Haushaltsreinigern, die in jedem Supermarkt verkauft werden.«

»Sie meinen also, Alec Hodges hat die Droge hergestellt und Jake Phillips eine Kostprobe gegeben?«

»Nein. Jemand hat die Pillen aufgelöst und den beiden injiziert, und zwar in die Kniekehlen. Beide hatten dort blaue Flecken, und auf ihrer Haut sind Rückstände der Substanz gefunden worden. Den Blutuntersuchungen zufolge hat man Hodges und Phillips eine gefährlich hohe Dosis verabreicht. Wir sollten die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass derjenige, der ihnen die Drogen verabreicht hat, einen der Männer oder gar beide töten wollte.«

»Sie könnten sich gegenseitig einen Schuss verpasst haben.«

»Kann schon sein. Aber wenn sie es freiwillig gemacht haben – woher kommen dann die blauen Flecken in den Kniekehlen? Und wieso haben sie nicht einfach die Pillen geschluckt?«

»Weil die Droge in flüssiger Form besser dröhnt.« Trevor schloss die Akte. »Falls einer von ihnen der Hersteller war …«

»Die beiden sind Film- und keine Chemiestudenten.«

»Wurde Alec Hodges verhört?«, wollte Trevor wissen.

»Bei der Einlieferung in die Psychiatrie war er nicht bei Sinnen, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Seit drei Tagen speisen uns die Ärzte mit dem üblichen Geschwafel ab: ›Die Verfassung des Patienten lässt kein Verhör zu.‹ Denen ist egal, dass es hier eventuell um Mord geht, was bei der Bevölkerung immer große Unruhe auslöst. Jedenfalls konnten wir unseren Mann erst sehen, als wir vorgestern mit einem Gerichtsbeschluss auftauchten, und selbst dann hat uns das Krankenhausmanagement noch Steine in den Weg gelegt. Da hilft es auch nicht, dass Hodges’ Vater Richter ist, der ganz genau weiß, wie das System funktioniert.«

»Hat Alec Hodges etwas gesagt, das uns weiterhilft?«, fragte Trevor.

»Nein.«

»Ist die Schädigung von Dauer?«

»Als er das erste Mal zur Besinnung kam, war er total aufgedreht und hat ein Beruhigungsmittel erhalten. Nach den Aussagen des behandelnden Arztes und der Beamten, die ihn verhören wollten, ist ihm seither kein vernünftiges Wort über die Lippen gekommen. Bei ihm wurde eine CT gemacht. Und es zeigt: Der Abbau seiner Hirnzellen geht rasant vonstatten.«

»Dann ist der Schaden also irreversibel?«

»Professor Robbins hat Alec Hodges’ Krankenakte studiert, und seiner Einschätzung nach ist die Schädigung dauerhaft. Unserem Wissen nach war Hodges bis gestern der Einzige, der die Droge intus hatte. Daher gab es bis dahin keinen anderen Fall, den wir mit seinem vergleichen konnten.«

Trevor warf den Bericht in seinen Ablagekorb für Akteneingänge. »Und was ist gestern passiert?«

»Da wurde eine Ruhestörung in einer Wohnung in einer walisischen Sozialbausiedlung gemeldet, wo man sich besser nicht rumtreibt. Das Viertel liegt nur ein paar Meilen von dem Penthouse in der Bucht entfernt, aber die Einkommensunterschiede könnten nicht größer sein. Drei Menschen sind tot und vier Personen im gleichen Zustand und in derselben psychiatrischen Einrichtung wie Alec Hodges. Es gibt keine Anzeichen, dass bei den Betroffenen ebenfalls Gewalt angewendet wurde. Allem Anschein nach haben die Toten sich den Stoff selber gespritzt.« Mulcahy zog ein Blatt Papier aus dem Hefter mit dem Aufdruck Vertraulich. »Bei einem wurden die gleichen Pillen gefunden, und die Bluttests von allen sieben deuten auf denselben Cocktail hin wie bei Hodges und Phillips. Die Wirkstoffkonzentration der Pillen, die man bei einem der Opfer in der Sozialbausiedlung gefunden hat, war sogar noch höher als bei denen von Hodges.«

»Führen Sie die Todesfälle auf die Drogen zurück?«

»Einer ist aus einem Fenster im achten Stock gesprungen und hat laut gebrüllt, er könne fliegen. Ein anderer starb durch einen Messerstich ins Herz. Der Dritte – wir glauben, dass er derjenige war, der zugestochen hat – hatte einen Liter Bleichmittel intus.«

»Gibt es einen Anhaltspunkt, woher sie die Pillen haben?«, fragte Trevor.

»Keiner der Überlebenden war in einem Zustand, um uns verwertbare Informationen geben zu können. Aber es kann doch kein Zufall sein, dass der Stoff, der im Penthouse eines Millionärs konsumiert wurde, wenige Tage später in einer Sozialbausiedlung auftaucht.«

»Und was ist mit den anderen Personen, die mit Phillips und Hodges auf der Party im Penthouse waren? Irgendjemand muss doch etwas mitgekriegt haben?«

»Ja, könnte man meinen, oder? Leider scheinen alle, die von den Kollegen vor Ort verhört wurden, taub und blind zu sein, oder sie haben sich in einem der Schlafzimmer vergnügt.«

»Sie müssen Freunde, Bekannte haben. Hat jemand irgendwelche Vermutungen darüber angestellt, wo Alecs Stoff herkommen könnte?«