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Schwere Zeiten. Band Eins E-Book

Charles Dickens.

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Beschreibung

“Schwere Zeiten” (engl. “Hard Times”) ist der zehnte Roman von Charles Dickens, der erstmals 1854 veröffentlicht wurde. Das Buch gibt einen Überblick über die englische Gesellschaft und persifliert die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der damaligen Zeit. Der Roman ist eine bittere Anklage gegen die Industrialisierung und ihre entmenschlichenden Auswirkungen auf Arbeiter und Gemeinden im England der Mitte des 19. Jahrhunderts. Louisa und Tom Gradgrind werden von ihrem Vater, einem Pädagogen, streng dazu erzogen, nur die sachlichsten und pragmatischsten Informationen zu kennen. Ihr Leben ist frei von Schönheit, Kultur und Fantasie, und die beiden haben wenig oder gar kein Einfühlungsvermögen für andere. Louisa heiratet Josiah Bounderby, einen vulgären Bankier und Fabrikbesitzer. Schließlich verlässt sie ihren Mann und kehrt in das Haus ihres Vaters zurück. Tom, skrupellos und geistlos, raubt die Bank seines Schwagers aus. Erst nach diesen und anderen Krisen erkennt ihr Vater, dass die Art und Weise, wie er seine Kinder erzogen hat, ihr Leben ruiniert hat. Dies ist der erste von drei Bänden.

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Seitenzahl: 148

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CHARLES DICKENS

 

SCHWERE ZEITEN

 

 

 

ROMAN

 

 

 

 

BAND EINS

 

SCHWERE ZEITEN wurde zuerst im englischen Original (Hard Times) als Fortsetzungsroman veröffentlicht von Bradbury & Evans, London 1854.

 

Diese Ausgabe in drei Bänden wurde aufbereitet und herausgegeben von

© apebook Verlag, Essen (Germany)

www.apebook.de

1. Auflage 2022

 

V 1.0

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

Band Eins

ISBN 978-3-96130-541-4

 

Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

 

 

Books made in Germany with

 

 

 

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Charles Dickens

Schwere Zeiten

 

BAND EINS | BAND ZWEI | BAND DREI

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GESAMTAUSGABE

 

 

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Inhaltsverzeichnis

SCHWERE ZEITEN. Band Eins

Impressum

ERSTER BAND

Einleitung.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

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Zu guter Letzt

ERSTER BAND

EINLEITUNG.

Den Roman »Schwere Zeiten« (Hard times) schrieb Dickens um 1853, zu einer Zeit, als er bereits auf der Höhe seines Ruhmes und seines meisterlichen Könnens stand. Warmherzige Menschlichkeit zu predigen und die Sprache des Gemütes und der Seele höher zu stellen als alle bloße kalte Verstandesweisheit, wird Dickens seit »Oliver Twist« nicht müde. »Schwere Zeiten« richtet sich vor allem gegen die trockene seelenlose Tatsachengelehrsamkeit. Man könnte als Motto über den Roman Goethes Worte aus der Schülerszene des »Faust« setzen:

»Grau, teurer Freund, ist alle TheorieUnd grün des Lebens goldner Baum.«

Insbesondere wandte sich Dickens gegen die Auswüchse der Manchester-Schule und ihrer Lehren vom rücksichtslosen wirtschaftlichen Egoismus. Er zeigt sich dabei diesmal weniger als Satiriker, sondern als der scharfe Beobachter und Menschenkenner. So malt er lebenswahr und ergreifend die Welt der Tatsachenmenschen und Verstandesegoisten: den brutalen, herzlosen Emporkömmling, den Fabrikanten Bounderby, der eitel, unbeherrscht und selbstsüchtig zum Tyrannen gegen die Arbeiter seiner Unternehmungen wird, und sein Gegenspiel Mr. Gradgrind; aber dieser Mann hat im Grunde ein menschlicher Empfindungen fähiges Herz. Er ist nur ein Opfer der zeitlichen Mode geworden, die mit Statistiken und Zahlen die Geheimnisse des Lebens glaubt meistern zu können, und die alle Phantasie und alles blühende Schöpfertum der Seele als ungehörig und belanglos ablehnt. So erzieht Gradgrind seine beiden Kinder Luise und Tom in dem erkältend nüchternen Sinn reiner Verstandesmechanik. Die Folge ist, daß er seiner Tochter alle Sicherheit und alles Glück ihrer Jugend zerstört, sein Sohn aber zum skrupellosen Verbrecher wird. Die feine, menschlich tiefe psychologische Entwicklung der dargestellten Menschen, ihres Wirkens und Leidens ist von Dickens mit unübertrefflicher Meisterschaft gegeben. Zuletzt offenbart sich darin Dickens schöner unbeirrter Glaube an die Weltgerechtigkeit, daß er zum Schluß die Sache des Guten siegen läßt. Die furchtbaren Folgen der verkehrten lebenstötenden Erziehung muß der alte Gradgrind unerbittlich auskosten, aber Reue und die Hoffnung, daß über die in schweren Zeiten geprüften und geläuterten Menschen eine bessere Zukunft heraufziehen möge, gibt dem Roman einen versöhnenden Ausklang. Erschütternd lebensecht ist daneben die Welt der gebundenen, in schwerem Werktagslos dahinlebenden Massen der trostlosen Fabrikstädte gesehen.

Hier erweist sich Dickens als ein Vorgänger Zolas und seiner großen sozialen Romane. Daneben sind dann einzelne Typen mit erfrischender Satire gezeichnet, so die vornehme Madame Sparsit, die den verarmten und entarteten Adel darstellt, der sich schmarotzend mit Emporkömmlingen vom Schlage Bounderbys und ähnlichen Industriellen verband. Sehr »interessant« (das Wort in seiner vollsten Bedeutung genommen) ist auch der Vertreter des Snobs, Mr. Harthouse, der amoralische Genußmensch, der das Leben in all seinen Gewöhnlichkeiten durchschaut, der an nichts als eben an diese Gewöhnlichkeit glaubt.

Was diesem Roman unvergängliche Frische verleiht, ist die lebendige Kraft, die noch immer von ihm ausströmt. Die Bounderbys und Gradgrinds wandeln noch immer unter uns. Und immer noch bemüht sich der technisierende nüchterne Verstand, allen Frühling des Herzens und der Phantasie totzuschlagen. Deshalb können die »Schweren Zeiten« auch unserer Generation als Mahnung zur Einkehr, zur Selbstbesinnung wärmstens empfohlen werden.

Bei der Textrevision bin ich von Dr. Eva Thaer freundlichst unterstützt worden.

P. Th. H.

 

 

ERSTES KAPITEL.

»Nun, was ich brauche, das sind Tatsachen. Bringen Sie diesen Knaben und Mädchen nichts als Tatsachen bei. Im Leben bedarf man nur der Tatsachen. Pflanzen Sie nichts anderes ein und entwurzeln Sie alles übrige. Den Geist vernunftbegabter Tiere können Sie nur durch Tatsachen bilden; nichts anderes wird ihnen je von Nutzen sein. Nach diesem Grundsatz erziehe ich meine eigenen Kinder und nach dem gleichen Grundsatz erziehe ich diese Kinder. Halten Sie sich an Tatsachen, mein Herr.«

Der Schauplatz bestand aus einem kahlen, schmucklosen und einförmigen Raum von Schulzimmer, und der plumpe Zeigefinger des Sprechers verlieh dessen Bemerkungen Nachdruck, indem er jeden Satz mit einer Linie am Ärmel des Schulmeisters unterstrich. Der Nachdruck wurde erhöht durch des Sprechers plumpe, mauerartige Stirn, die sich schwer über dessen Augenbrauen erhob. Seine Augen fanden gleichsam ein bequemes Kellergeschoß in zwei dunklen Höhlen, die von der Mauer beschattet wurden. Der Nachdruck wurde erhöht durch den Mund des Sprechers, der dünn, breit und scharf gezeichnet war. Der Nachdruck wurde erhöht durch die Stimme des Sprechers, die unbiegsam, trocken und herrisch klang. Der Nachdruck wurde erhöht durch das Haar des Sprechers, das sich borstenartig an den Enden seines kahlen Kopfes wie eine Pflanzschule von Tannen emporsträubte, um den Wind von dessen schimmernder Oberfläche abzuhalten. Diese war, der Kruste einer Rosinenpastete gleich, ganz mit Knoten bedeckt, als ob der Kopf kaum genug Lagerraum für die harten Tatsachen hätte, die in seinem Innern aufgespeichert lagen. Das stöckische Benehmen, der plumpe Rock, die plumpen Beine und die plumpen Schultern des Sprechers – ja, sein Halstuch sogar, das in seiner unbiegsamen Tatsächlichkeit so zusammengezogen war, um ihn bei der Kehle mit einem unnachgiebigen Griffe zu fassen – das alles erhöhte den Nachdruck.

»In diesem Leben haben wir nichts als Tatsachen nötig, mein Herr: nichts als Tatsachen.«

Der Sprecher und der Schulmeister samt der dritten erwachsenen Person, die zugegen war, alle zogen sich nunmehr etwas zurück und ließen ihre Augen über die geneigte Ebene kleiner Gefäße schweifen, die hier und da in Ordnung aufgepflanzt waren, bereit, mit richtig gemessenen Gallonen von Tatsachen vollgeschüttet zu werden, bis sie bis zum Rand gefüllt wären.

ZWEITES KAPITEL.

Thomas Gradgrind, mein Herr. Ein Mann der Wirklichkeit. Ein Mann der Tatsachen und Berechnungen. Ein Mann, der von dem Prinzip ausgeht, daß zwei und zwei vier sind und nicht mehr, und bei dem jedes Zureden, etwas mehr zu gestatten, vergebens ist. Thomas Gradgrind, mein Herr – Thomas schlechterdings – Thomas Gradgrind. Mit einem Lineal und einer Wage, samt der Multiplikationstafel in der Tasche, mein Herr, bereit, jedes Stück menschlicher Natur zu wägen und zu messen, und euch genau zu bestimmen, auf wieviel es sich beläuft. Das ist eine bloße Zahlenfrage, ein Gegenstand der einfachen Arithmetik. Ihr könnt die Hoffnung hegen, sonst etwas Unsinniges in den Kopf von George Gradgrind oder Augustus Gradgrind, oder John Gradgrind, oder Joseph Gradgrind (lauter angenommene, nicht existierende Personen) zu bringen, aber in den Kopf von Thomas Gradgrind – niemals, mein Herr!

Mit solchen Ausdrücken führte sich Mr. Gradgrind immer, entweder im Privatkreis seiner Bekanntschaften oder beim Publikum im allgemeinen, in Gedanken ein. Mit solchen Ausdrücken und nur »Knaben und Mädchen« anstatt »mein Herr« setzend, stellte jetzt Thomas Gradgrind mit Nachdruck diesen selben Thomas Gradgrind den kleinen vor ihm stehenden Krügen vor, die ganz und gar mit Tatsachen vollgefüllt werden sollen.

Als er aus dem früher erwähnten Kellergeschoß feurige Blicke auf sie schleuderte, glich er in der Tat einer Art Kanone, die bis zur Mündung mit Tatsachen gefüllt, bereit war, die Kleinen mit einem Schuß aus den Regionen der Kindheit hinauszufegen. Er hatte auch Ähnlichkeit mit einem galvanischen Apparat, der anstatt der zarten, jugendlichen Bilder, die verscheucht werden sollten, mit einem greulichen, mechanischen Ersatzmittel angefüllt war.

»Mädchen Nummer Zwanzig«, sagte Mr. Gradgrind mit seinem plumpen Zeigefinger plump hindeutend. »Ich kenne dieses Mädchen nicht. Wer ist dieses Mädchen?«

»Cili Jupe, mein Herr«, setzte Nummer Zwanzig errötend, sich erhebend und knixend, auseinander.

»Cili ist kein Name«, sagte Mr. Gradgrind. »Nenne dich nicht Cili. Nenne dich Cecilie.«

»Vater nennt mich Cili, mein Herr«, erwiderte das junge Mädchen mit zitternder Stimme und mit einem zweiten Knix.

»Dann hat er kein Recht dazu«, sagte Mr. Gradgrind. »Sag ihm, Cecilie Jupe, daß er das nicht tun darf. Laß einmal sehen. Was ist dein Vater?«

»Er gehört zur Reitertruppe, wenn Sie erlauben, mein Herr.«

Mr. Gradgrind runzelte die Stirn und machte mit der Hand eine abwehrende Bewegung gegen den verwerflichen Beruf.

»Wir brauchen darüber hier nichts zu wissen. Du mußt uns darüber hier nichts sagen. Dein Vater reitet Pferde zu, nicht wahr?«

»Ja, zu dienen, mein Herr. Wenn welche zum Bereiten zu bekommen sind, so werden sie in der Reitbahn zugeritten, mein Herr.«

»Du mußt uns hier nichts über die Reitbahn erzählen. Gut also. Beschreibe deinen Vater als einen Bereiter. Er kuriert Pferde, wie ich voraussetze?«

»O ja, mein Herr.«

»Sehr gut nun. Er ist also ein Veterinär, ein Pferdearzt und Bereiter. Gib mir deine begriffliche Bestimmung vom Pferd.«

(Höchste Bestürzung von Cili Jupe über diese Frage.)

»Mädchen Nummer Zwanzig nicht imstande auseinanderzusetzen, was ein Pferd ist«, sagte Mr. Gradgrind zum allgemeinen Nutzen der sämtlichen kleinen Krüge. »Mädchen Nummer Zwanzig hat in bezug auf eines der gewöhnlichsten Tiere keine Tatsachen inne. Nun soll ein Knabe die begriffliche Bestimmung von einem Pferd geben. Bitzer, los!«

Der plumpe Finger geriet, hin- und herschweifend, plötzlich auf Bitzer. Vielleicht deshalb, weil er gerade von demselben Sonnenstrahl getroffen wurde, der durch eines der kahlen Fenster des ungewöhnlich weißgewaschenen Zimmers fiel und auf Cili seinen Schimmer warf. Die Knaben und Mädchen saßen nämlich in einem Raum mit schräg abfallendem Fußboden und waren voneinander durch einen schmalen Gang in der Mitte getrennt. Sie saßen in dichten Haufen. Cili aber, die sich an der Ecke einer Reihe an der sonnigen Seite befand, wurde von dem Anfange eines Sonnenstrahles getroffen. Von diesem Sonnenstrahl fing Bitzer, der sich an der Ecke auf der andern Seite einige Reihen weiter vorwärts befand, das Ende auf. Während jedoch das Mädchen so dunkeläugig und so dunkelhaarig war, daß sie eine tiefere und glänzendere Farbe durch den Sonnenschein erhielt, war der Knabe wieder so helläugig und lichthaarig, daß ganz dieselben Strahlen das bißchen aus ihm herauszuziehen schienen, was er an Farbe je besessen. Seine glanzlosen Augen würden kaum als solche gegolten haben, wenn die kurzen Enden von Augenwimpern ihre Form nicht dadurch hervorgehoben hätten, daß sie diese in einen unmittelbaren Kontrast mit noch etwas Blasserem, als sie selbst waren, gebracht hätten. Sein kurzgestutztes Haar konnte als eine bloße Fortsetzung der rötlichen Sommersprossen auf Stirn und Gesicht gelten. Seine Haut hatte, was die natürliche Farbe betraf, ein so ungesundes und mangelhaftes Aussehen, daß er den Anschein hatte, als würde er weiß bluten, wenn man ihn schnitte.

»Bitzer«, sagte Thomas Gradgrind, »deine begriffliche Bestimmung von einem Pferd.«

»Vierfüßig. Grasfressend. Vierzig Zähne, nämlich: vierundzwanzig Backenzähne, vier Augenzähne und zwölf Schneidezähne. Wirft im Frühling die Haut ab und in morastigen Gegenden auch die Hufe. Die Hufe sind hart, müssen jedoch mit Eisen beschlagen werden. Zeichen im Maule geben das Alter an.« Also (und noch viel mehr) sprach Bitzer.

»Nun, Mädchen Nummer Zwanzig«, sagte Mr. Gradgrind, »weißt du, was ein Pferd ist.«

Sie knixte abermals und würde noch mehr errötet sein, wenn sie überhaupt noch mehr hätte erröten können, als sie es bisher getan hatte. Nachdem Bitzer auf Thomas Gradgrind mit beiden Augen zugleich rasch hingeblinzelt hatte und das Licht auf seinen zitternden Spitzen von Augenwimpern so auffing, daß sie wie Fühlhörner geschäftiger Insekten aussahen, fuhr er mit den Knöcheln an die sommersprossige Stirn und setzte sich wieder.

Der dritte Herr trat jetzt vorwärts. Er war ein tüchtiger Mann im Knuffen und Schlagen; ein Regierungsbeamter. Nach seiner Weise (und auch in der der meisten Leute) ein erklärter Boxer. Immerfort in Übung, immerfort mit einem Plane bei der Hand, die Kehle von aller Welt wie ein Arzneikügelchen abzuwürgen, posaunte er ständig vor den Schranken seines Bureaus aus, daß er bereit sei, es mit »ganz England« aufzunehmen. Um in der Phraseologie der Faust fortzufahren, besaß er ein eigenes Talent, überall mit jedermann anzubinden und sich als einen abscheulichen Kumpan zu bewähren. Er konnte irgendwo hinkommen und sofort jeden beliebigen Menschen eines mit der Rechten versetzen, mit der Linken nachholen, einhalten. Arme wechseln, sich stemmen und seinen Gegner (er schlug sich stets mit »ganz England«) bis zu dem Seitenring drängen und dann über ihn geschickt herfallen. Er war sicher, ihm das Lebenslicht auszublasen und seinen unglücklichen Gegenkämpfer für ewig taub zu machen. Er hatte auch von einer höheren Autorität den Auftrag, das große Bureau des tausendjährigen Reiches zu begründen, wenn solche Kommissare je einmal zur Herrschaft auf Erden gelangen sollten.

»Sehr gut«, sagte dieser Herr, munter lächelnd und die Arme kreuzend. »Das ist ein Pferd. Laßt mich euch nun die Frage vorlegen, Mädchen und Knaben, würdet Ihr ein Zimmer mit den bildlichen Darstellungen eines Pferdes tapezieren?«

Nach einer Pause rief die eine Hälfte der Kinder im Chor: »Ja, mein Herr!« worauf die andere Hälfte, die in dem Gesicht dieses Herrn las, daß Ja unrichtig war, im Chor ausrief: »Nein, mein Herr«, wie es bei solchen Prüfungen gewöhnlich geschieht.

»Versteht sich, nein. Warum aber?«

Eine Pause. Ein wohlbeleibter, bedachtsamer Knabe, der keuchend Atem holte, wagte die Antwort: weil er ein Zimmer gar nicht tapezieren, sondern malen lassen würde.

»Du mußt es tapezieren«, sagte der Herr ziemlich leidenschaftlich.

»Du mußt es tapezieren«, sagte Thomas Gradgrind, »ob du willst oder nicht. Sag uns nicht, du würdest es nicht tapezieren. Was meinst du. Junge?«

Nach einer zweiten und schrecklichen Pause begann der Herr abermals: »Ich will euch also erklären, warum ihr ein Zimmer nicht mit den bildlichen Darstellungen eines Pferdes tapezieren würdet. Sehet ihr je in Wirklichkeit Pferde auf den Seiten eines Zimmers hin und her gehen? Seht ihr das in der Tat?«

»Ja, mein Herr«, von der einen Hälfte und »Nein, mein Herr«, von der andern.

»Versteht sich, nein«, sagte der Herr mit einem unwilligen Blick auf die unrichtige Hälfte. »Nun, ihr werdet nie etwas sehen, was ihr nicht in der Tat sehet. Ihr werdet nirgends etwas haben, was ihr nicht in der Tat habt. Was man Geschmack nennt, ist nur eine andere Bezeichnung für Tatsache.«

Thomas Gradgrind nickte seine Beistimmung zu.

»Das ist ein neues Prinzip, eine Entdeckung, eine große Entdeckung«, sagte der Herr. »Nun werde ich euch nochmals auf die Probe stellen. Vorausgesetzt, ihr ließet ein Zimmer mit einem Teppich belegen. Würdet ihr einen Teppich wählen, auf dem sich bildliche Darstellungen von Blumen befinden?«

Da jetzt die allgemeine Überzeugung vorherrschte, daß »Nein, mein Herr«, bei diesem Herrn immer die richtige Antwort sei, so war der Chor von Nein sehr stark. Nur einige Nachzügler riefen Ja; unter diesen Cili Jupe.

»Mädchen Nummer Zwanzig«, sagte der Herr in der ruhigen Würde seiner Weisheit lächelnd. Cili errötete und erhob sich.

»Also du würdest dein Zimmer oder das deines Mannes, wenn du schon erwachsen wärest und einen Mann hättest, mit einem Teppich belegen, auf dem Blumen abgebildet sind – würdest du da«?« rief der Herr, »Warum würdest du das?«

»Wenn Sie erlauben, mein Herr, ich habe Blumen sehr lieb«, antwortete das Mädchen.

»Und warum möchtest du also Tische und Stühle auf sie stellen und die Leute mit ihren schweren Stiefeln darauf herumtreten lassen?«

»Da« würde ihnen nichts schaden, mein Herr. Sie würden nicht zerdrückt werden und verwelken. Wenn Sie erlauben, mein Herr. Sie wären nur die Bilder von etwas recht Hübschem und Angenehmen, und ich würde mir einbilden –«

»Ei! Ei! Ei! Aber du darfst dir nichts einbilden«, rief der Herr, ganz stolz darauf, so glücklich zu diesem Punkt geraten zu sein. »Das ist's ja gerade. Du darfst dir nie etwas einbilden.«

»Du darfst nie, Marie Jupe«, wiederholte Thomes Gradgrind feierlich, »dergleichen tun.«

»Tatsachen! Tatsachen! Tatsachen!« sagte der Herr, und »Tatsachen! Tatsachen! Tatsachen!« wiederholte Thomas Gradgrind.