Schwerwettersegeln - Peter Bruce - E-Book

Schwerwettersegeln E-Book

Peter Bruce

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Beschreibung

Welche Taktik ist die beste, um orkanartige Stürme auf See heil zu überstehen? Wie bleibt das Boot bei schwerem Wetter manövrierfähig? Wie sollte die Yacht konstruiert und ausgerüstet sein, um Kentern bei heftigen Windstärken vorzubeugen? Antworten auf diese und viele weitere Fragen liefert seit Jahrzehnten das bewährte Standardwerk Schwerwettersegeln von Peter Bruce. Der Autor sammelte während seiner Dienstzeit bei der Royal Navy ausgiebig Erfahrungen beim Segeln in schwerem Wetter. Zahlreiche Regattasiege, unter anderem beim Admiral's Cup und beim berüchtigten Fastnet Race 1979, brachten ihm den Ruf ein, einer der weltbesten Skipper bei Sturmregatten zu sein. Theorie und Praxis des Schwerwettersegelns. Der Theorie- und Technikteil des Buches erklärt das Verhalten von Segel- und Motoryachten sowie Festrumpfschlauchbooten, Einrumpf- und Mehrrumpfbooten in schwerer See und stellt die jeweils passende Schwerwettertaktik vor. Ausrüstungen wie Masten, Trysegel, See- und Treibanker werden hinsichtlich ihrer Eignung und ihres Einsatzes bei schwerem Wetter besprochen und neueste Erkenntnisse und Entwicklungen vorgestellt. Der Praxisteil des umfassenden Standardwerks widmet sich der Frage, mit welchen Methoden sich starke und orkanartige Stürme sicher abwettern lassen. Dafür analysiert der Autor Berichte zu Schwerwettereignissen und gibt konkrete Tipps für die eigene Segelpraxis. Wer sich auf einen Törn begibt, weiß nie, was ihn erwartet. Der Klassiker zum Thema Segeln in Extremsituationen bietet einen Erfahrungsschatz, von dem jeder Fahrtensegler profitieren kann!

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PETER BRUCE

SCHWER WETTER SEGELN

Inhalt

Vorwort von Sir Robin Knox-Johnston

Einleitung

TEIL 1

Ratschläge der Experten

1Konstruktionsmerkmale einer Yacht für Schwerwetter

Olin Stephens

2Stabilität von Yachten bei großen, brechenden Wellen

Andrew Claughton

3Entwicklungen im Yachtdesign in Bezug auf Schwerwetter

Peter Bruce

4Masten und Bäume für Schwerwettersegeln

Matthew Sheahan und Harry James

5Sturmsegel

Peter Bruce und Richard Clifford

6Vorbereitungen für Schwerwettersegeln

Peter Bruce

7Treibanker und ihr Einsatz bei Schwerwetter

Peter Bruce

8Meteorologie der Depressionen

Richard Ebling

9Wind und Wellen

Prof. Sheldon Bacon

10Seekrankheit

Dr. Ed Reeves

11Schutz vor Sturm und Schwerwetter

Peter Bruce und Richard Clifford

12Einsatz von RIBs in Schwerwetter und auf offener See

Hugo Montgomery-Swan

13Motoryachten bei Schwerwetter

Dag Pike

14Schwerwettertaktik auf Mehrrumpfbooten

Mark Orr

15Schwerwettertaktik auf Einrumpfbooten

Peter Bruce

TEIL 2

Schwerwetterberichte

16Stürme auf Leben und Tod, 1983 bis 1997

Peter Bruce

17Oktobersturm 1987 im Englischen Kanal

Peter Bruce

18Stürme und Lehren daraus

Lin und Larry Pardey

19Der Sturm am Geburtstag der Queen 1994

Peter Bruce

20Wintersturm vor der Südwestküste Australiens

Deborah Schutz

21BLACK VELVETS schwierige Rückfahrt von Island

Ewen Southby-Tailyour

22Der Verlust der RELIANCE AC

Richard Heath

23In der Tasmansee von einer »Bombe« getroffen

Peter Cook

24BERRIMILLA stürzt sich im Südatlantik mutig in einen Orkan

Alex Whitworth

25UHURUS Überlebenskampf im Sturm

Steve Powell

26Ein gewaltiger Sturm in der Arktis

Dr. Charlie Welch

Literaturverzeichnis

Danksagungen

Register

Vorwort von Sir Robin Knox-Johnston

Kein vernünftiger Mensch begibt sich auf See, um in Schwerwetter zu geraten. Doch mit der Länge der auf See zurückgelegten Distanz steigt auch die Wahrscheinlichkeit, schweres Wetter anzutreffen, denn ganz vermeiden lässt es sich nicht. In diesen Situationen wird unsere Seemannschaft auf die Probe gestellt und zu versagen ist keine Option. Deshalb zählt gute Vorbereitung auf Schwerwetter zu den Grundvoraussetzungen eines Törns auf Hohe See oder über den Ozean.

Diese Vorbereitung beginnt mit der Kenntnis des eigenen Bootes. Selbst Boote des gleichen Typs verhalten sich unterschiedlich, je nachdem wie und wo Ausrüstung und Vorräte gestaut sind. Die genaue Kenntnis, wie sich das eigene Boot unter verschiedenen Bedingungen verhält, ist entscheidend für das Überleben in Schwerwetter. Man sagt, dass der Grundgedanke guter Seemannschaft die Sicherheit ist, und Sicherheit setzt Kenntnis und Vertrautheit mit dem eigenen Boot voraus. Dann kommt als zweiter Punkt die Vorbereitung, welche sowohl das Boot als auch die Crew betrifft. Setzen Sie sich unter Deck, und stellen Sie sich vor, das Boot liegt auf der Seite. Was könnte sich bei dieser Schräglage loslösen? Stellen Sie sicher, dass es sich nicht lösen kann. Sind wichtige Gegenstände schnell zugänglich? Falls nicht, stauen Sie sie dort, wo Sie sie auch in größter Eile noch finden können.

Die Vorbereitung der Crew steht ebenfalls an erster Stelle. Eine Notsituation kann nur bewältigt werden, wenn die Crew weiß, was zu tun ist. Stellen Sie sicher, dass jeder Mitsegler weiß, wo Ausrüstung gestaut ist, wie nachts in wildem Seegang gerefft wird und wie als letztes Mittel die Sturmsegel gesetzt werden. Üben Sie Mensch-über-Bord-Manöver und erklären Sie, wo sich die Sicherheitsausrüstung befindet und wie sie eingesetzt wird.

In manchen Reglements ist immer noch ein Trysegel mit separater Mastschiene Vorschrift. Vergessen Sie das! Kaum einer von uns Einhand-Hochseeseglern schlägt sich damit herum, denn Trysegel sind schwierig zu setzen und zu kontrollieren. Lassen Sie sich lieber ein tiefes viertes Reff ins Großsegel machen, mit dem sich die Segelfläche auf Größe eines Trysegels verkleinern lässt. Das ist viel einfacher zu setzen, und man muss sich nicht im Dunkeln auf dem schaukelnden Deck mit Mastrutschern an einer Schiene abplagen. In meinen mehr als 55 Jahren als Segler habe ich nie ein Trysegel mitgeführt, aber immer ein viertes Reff in meinen Großsegeln gehabt, welches in zahlreichen Situation sehr effektiv und auch nötig war.

Laden Sie die Batterien auf, wenn Schwerwetter angekündigt ist. Sie werden gebraucht, um später den Motor wieder zu starten und um die Elektronik am Laufen zu halten. Beobachten Sie Wind und Wellen, denn davon hängt es ab, wie das Boot in großen brechenden Seen gesteuert werden muss. Eine der schlimmsten Situationen ist eine Kreuzsee, bei der sich erst große Wellen gebildet haben und dann der Wind gedreht hat, sodass jetzt neue Wellen aus anderer Richtung ankommen. Das kann einen zur Verzweiflung bringen, denn das Boot kann günstig zu einer Wellenrichtung ausgerichtet werden, während andere Wellen es mit voller Wucht von der Seite treffen. Was kann man tun? Nun, jeder hat seine eigenen Erfahrungen gemacht, und man muss selbst ausprobieren, was für das eigene Boot am besten funktioniert. Das Buch Schwerwettersegeln gibt dazu mehrere Lösungsvorschläge. Solange ein Boot umsichtig und klug gesegelt wird, sollte es solche Situationen ohne Schaden überstehen.

Zu der Zeit als ich mit der 9,80 Meter langen SUHAILI um die Welt gesegelt bin, gab es nur den Bericht der Smeetons auf TZU HANG, der Aufschluss geben konnte, was bei einem Sturm im Southern Ocean zu erwarten wäre. Die TZU HANG war größer und war kopfüber gekentert. Ich musste selbst herausfinden, wie ich die SUHAILI daran hindern konnte, die 25-Meter-Wellen hinunterzurauschen, wobei man kaum Ruderwirkung hat, und wie ich sie davon abhalten konnte, vor den Wellenkämmen quer zu kommen, was wohl unwiderruflich zum Durchrollen und Verlust der Masten geführt hätte. Eine über 200 Meter lange, 16 mm starke Leine, die ich in einer großen Bucht hinter SUHAILI ausgebracht hatte, hielt sie mit dem Heck zu den Wellen. So konnte ich beruhigt schlafen, denn ich wusste, dass sie von den Wellenbergen hinunter nicht zu schnell werden und außer Kontrolle geraten konnte. Auf SUHAILI hat das gut funktioniert, doch für ein anderes Boot muss nicht zwangsläufig das Gleiche gelten. Als ich 37 Jahre später am Velux 5 Ocean-Rennen teilnahm, segelte meine 60-Fuß-Yacht so schnell, dass sie vor den Wellen blieb – zumindest die meiste Zeit!

Das Buch Schwerwettersegeln ist ein Klassiker. Es schildert zahlreiche Erfahrungen, wie sich schweres Wetter meistern lässt, und zwar an Bord sehr unterschiedlicher Yachten. Alle Aspekte, die ich bereits kurz angesprochen habe, werden ausführlich behandelt, so auch die Frage, ob ein Trysegel oder ein viertes Reff im Großsegel die bessere Wahl ist. Ein Buch kann nicht für alle möglichen Situationen, in die man geraten kann, die perfekte Lösung bieten, aber es kann einen großen Erfahrungsschatz vermitteln und Fallbeispiele geben, wie andere Segler schweres Wetter gemeistert haben. So kann jeder für sich selbst die besten Lösungen finden. Falls Sie eine längere Segelreise planen, bei der Land und sichere Häfen hinter dem Horizont verbleiben, zählt die Lektüre der Erfahrungen anderer Segler zur wichtigen Vorbereitung. Schwerwettersegeln liefert genau das – sorgfältig zusammengestellt und sachbezogen.

Sir Robin Knox-Johnston

Einleitung

Adlard Coles, Officer of the British Empire, starb 1985. Er ließ eine große Anzahl von Freunden und Bewunderern zurück. Viele kannten ihn nur von seinen Büchern. Adlard besaß die Fähigkeit, verständlich und klar zu schreiben, und war ein außergewöhnlicher Mann. Obgleich er stets ruhig und sehr freundlich erschien und etwas von einem Poeten an sich hatte, war er trotz seiner Diabetes unglaublich zäh, mutig und entschlossen. Aus diesem Grund kam es nicht selten vor, dass seine COHOE nach einer Sturmregatta an der Spitze der Ergebnislisten stand. Wenn man Adlards bezaubernde Prosa liest, muss man bedenken, dass er äußerst bescheiden war. Seine zurückhaltende Beziehung zu Erfolgen täuscht vielfach über all die erforderlichen Anstrengungen hinweg. Das erklärt auch seine Art, alles herunterzuspielen, was ihm hätte Anerkennung bringen können. Die Windstärken beispielweise, die in seinen Beiträgen zum vorliegenden Buch über Schwerwettersegeln vorkommen, entsprechen voll der Wahrheit und unterliegen nicht im Geringsten dem Vorwurf eines erzählerischen Effekts.

Die ersten drei in England erschienenen Auflagen dieses Buches hat Adlard Coles herausgegeben – die erste vor über 50 Jahren. Diese neue Ausgabe von Schwerwettersegeln ist meine vierte, sodass die Gesamtzahl der Auflagen bei nunmehr sieben steht. Das ist ein stolzer Rekord der Familien Coles und Bruce, die seit 1950 häufig zusammen gesegelt sind und gearbeitet haben. Ross Coles, der Sohn von Adlard, ist vor Kurzem in die Produktion dieser Auflage eingestiegen.

Beim Schreiben über einen Sachverhalt, für den viele Leute alles tun, um ihn zu vermeiden, geht mir immer wieder durch den Kopf, dass die erfolgreiche Abwetterung eines besonders schweren Sturms einem Segler ein derartiges Zutrauen in das eigene Können gibt wie nichts anderes. Adlard Coles schrieb mit solch leichter Feder über eine Reihe von Stürmen, die er erlebt hatte, als hätte er bei einer Großwildjagd Trophäen gesammelt. Dennoch spürt man, welch große erzieherische Wirkung und Einfluss sie auf den Charakter haben. Nach einem schweren Sturm ist es leichter, ein Boot sowie die Leistung einer Crew bis zur Erschöpfung zu beurteilen und die Warnsignale zu deuten.

Das Ziel dieses Buches ist, einen Segler mit speziellen Informationen zum Schwerwettersegeln zu versorgen, wie er sich darauf vorbereiten muss, und anhand von eindrucksvollen Beispielen zu schildern, was passiert, wenn Leute mit ihren Yachten in einen schweren Sturm geraten. Den größten Teil des Buches nehmen die Fachkapitel mit ihren speziellen Informationen ein. Sie sorgen mit einer breiten Palette von Wissen dafür, dass der Leser aus den anschließenden Sturmberichten maximale Schlussfolgerungen für sich ziehen kann und die Prinzipien erkennt, nach denen vorzugehen ist, wenn ein Sturm naht. Die Sturmberichte habe ich sorgfältig zusammengestellt, um ein breites Spektrum an Dilemmas vorzuführen. Der häufige Bezug zu ungewöhnlich hohen Windstärken soll verdeutlichen, was ein spezieller eingeschlagener Weg bei solch extremen Situationen wert ist. Das Buch zeigt aber auch, wohin sich heute die moderne Seemannschaft bei Schwerwetter entwickelt hat, denn die Kenntnisse allgemein sowie über die Bekleidung, das Bootsdesign und die Materialien haben erheblich zugenommen. Der Zuwachs an persönlichem Wissen ist dabei ein ganz entscheidender Faktor. Die Verfasser dieser Berichte haben freimütig ihre Erfahrungen preisgegeben, um anderen zu helfen, wenn sie in ähnliche Turbulenzen geraten.

Im Laufe der Jahre hat die durchschnittliche Größe seegehender Fahrtenyachten kontinuierlich zugenommen. So lagen beispielsweise bei den ersten drei Auflagen der ARC (Atlantic Rally for Cruisers) 56% der Yachten unter zwölf Meter Länge. Heutzutage beträgt die Durchschnittslänge der teilnehmenden Yachten 13,50 Meter.

Dieser Trend ist in vielerlei Hinsicht begrüßenswert, erhöht aber die Abhängigkeit von der Technik an Bord sowie den Wartungsaufwand.

Der Kauf einer Segelyacht kann in etwa mit dem Erwerb eines Hauses am Fuß eines Berges verglichen werden. Das neue Haus und die anderen Häuser ringsum sehen gut aus, sind ordentlich gebaut, geräumig, schön eingerichtet und komfortabel. Die entscheidende Frage aber, die man an eine erfahrene und verantwortungsvolle Person – und nicht etwa an den Immobilienmakler – richten sollte, muss lauten: Hält das Haus auch einer Lawine stand und treten in dieser Gegend Lawinen auf?

Bei einer Durchkenterung ist es in etwa so wie bei einer Lawine. Für den Großteil der Zeit stellt sich die Frage überhaupt nicht, und wenn es die Umstände überhaupt möglich erscheinen lassen, muss man schon ausgesprochenes Pech haben, um getroffen zu werden. Allzu leicht könnte man annehmen, dass man niemals in eine Situation kommt, bei der es auf den Stabilitätsumfang wirklich ankommt. Doch manchmal treten Situationen ein, ohne dass man die Wahl hat.

Es hat den Anschein, dass sich in den letzten 40 Jahren wenig in Bezug auf Stabilität und Kielsicherheit zum Besseren gewandelt hat. Doch diese zwei Punkte betreffen jeden Yachteigner.

Der erste Teil dieses Buches, Ratschläge der Experten, wurde umfangreich überarbeitet. Neue Entwicklungen wurden aufgenommen, wenngleich viele der empfohlenen alten und bewährten Praktiken nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt haben. Mit der Nennung einzelner Produktnamen ist kein wirtschaftliches Interesse verbunden.

TEIL 1

Ratschläge der Experten

Yachten sollten so gebaut sein, dass sie extremem Wetter widerstehen können – wie auf diesem Foto aus dem Südatlantik mit geschätzter Wellenhöhe von 12 bis 15 Meter und einer Windgeschwindigkeit von 60 bis 80 Knoten.

Christian Février/Bluegreen

1. Konstruktionsmerkmale einer Yacht für Schwerwetter

VON OLIN STEPHENS MIT ERGÄNZUNGEN VON MARTIN THOMAS UND PETER BRUCE

Der Verlust einer Yacht auf See ist für sich genommen schon eine Katastrophe, noch viel tragischer ist es aber, wenn dabei Menschen ihr Leben verlieren. Bei der anschließenden Untersuchung eines solchen Unglücks versucht man festzustellen, zu welchem Teil die Konstruktion der Yacht sowie ihr Wartungszustand und zu welchem Teil menschliches Versagen eine Rolle gespielt haben. Als sich in den 1990er-Jahren einige Regattayachten nach Kenterungen nicht wieder aufrichteten, lag das zumindest teilweise auch am Design dieser Yachten, während die Strandungen der GIPSY MOTH IV im Jahr 2006 und der VESTAS WIND im Jahr 2014 menschliches Versagen zur Ursache hatten. Schweres Wetter kann Yachten aller Art und Größe übel zusetzen, doch ist es interessant, die Designmerkmale derjenigen Yachten genauer zu betrachten, die die schlimmsten Stürme am besten überstehen konnten. Oft sind es diese Designmerkmale, die den Unterschied ausmachen, wenngleich meist das Verhalten der Besatzung im Vordergrund steht, sobald die Yacht in See sticht. Um Stürme überstehen zu können, muss in erster Linie die Schwimmfähigkeit der Yacht erhalten bleiben, es darf zu keinem größeren Wassereinbruch kommen, und die Yacht darf nicht kentern und wenn doch, so muss sie sich schnell wieder aufrichten. Die Festigkeit des Rumpfes und der positive Bereich des Stabilitätsumfangs stehen deshalb an allererster Stelle. In diesem Kapitel versuche ich herauszustellen, wie diese Grundvoraussetzungen am besten erreicht werden können, um Sicherheit und Schutz der Besatzung auf hoher See zu gewährleisten.

Meine lebenslange Erfahrung am und auf dem Wasser hat mich gelehrt, dass die unterschiedlichsten Bootstypen schwerstes Wetter auf langen Fahrten überstehen können. Es muss im Jahr 1926 gewesen sein, als mein Bruder Rod und ich die ISLANDER von Harry Pidgeon im Hafen von New Rochelle, unweit unseres Zuhauses, ausmachten. Sofort liehen wir uns ein Dingi und statteten der 10,40 Meter (34 Fuß) langen Yawl einen Besuch ab, um diesen Eigenbau genauer unter die Lupe zu nehmen, mit dem Harry Pidgeon einhand um die Welt gesegelt war. Weder die geringe Verdrängung der ISLANDER noch ihr V-förmiger, einfacher Knickspantrumpf hatten den Skipper in lebensbedrohliche Schwierigkeiten gebracht. Die Einfachheit sowohl der Konstruktion als auch der Ausrüstung war beeindruckend: Kein Motor, keine Elektrik, kein Log, nicht einmal ein Schlepplog, waren an Bord. Wir bewunderten den Mann, der alles so mühelos und unbeschwert erscheinen ließ. Bald darauf hörten wir, dass Alain Gerbault mit seiner FIRECREST auf City Island eingetroffen sei und machten uns sogleich auf den Weg. Obwohl uns die Gegensätzlichkeit dieser Yacht in allen Belangen enttäuschte, so hatte dieses ältere und schwerere Boot doch sehr harte Stürme überstanden.

Ich habe bis heute großen Respekt vor der Arbeit von Dr. Claud Worth, der in den 1920er-Jahren mehrere Yachten mit dem Namen TERN besaß. Er widmete sich in akribisch genauer Art dem Hochseesegeln. In seinen Büchern Yacht Cruising sowie Yacht Navigation and Voyaging spricht er sich für Langkieler mit gemäßigter Breite und hoher Verdrängung aus.

Vor diesem Hintergrund gelangte ich zu der Überzeugung, dass – strukturelle Festigkeit und gute Seemannschaft vorausgesetzt – ein Boot umso besser ist, je größer es ist. Ein größeres Boot stellt zwangsläufig sowohl an den Erbauer als auch an die Crew höhere Ansprüche, da die auftretenden Lasten mit zunehmender Bootslänge exponentiell ansteigen. Große Segelflächen zu bändigen, erfordert mehr Kraft und Können, während kleine Segel von Hand unter Kontrolle gebracht werden können. Das Gleiche gilt für den Rumpf, Mast und Spieren sowie stehendes und laufendes Gut.

Zum Thema Sicherheit bei Kenterungen haben Untersuchungen der United States Yacht Racing Union (USYRU) zusammen mit der Society of Naval Architects and Marine Engineers (SNAME) und der Wolfson Unit der Universität von Southampton zwei charakteristische Auswirkungen ergeben, bei denen die Konstruktionsmerkmale einer Yacht von besonderem Belang sind. Zum einen ist es der Druck des Windes auf das Rigg, zum anderen die katapultartige Kraft einer brechenden See. Der Druck des Windes überfordert eine kleine Yacht nicht unbedingt, aber ein Sturzbrecher kann den Rumpf oder das Deck zerschmettern.

Begriffe wie Größe und Verdrängung werden oft im gleichen Zusammenhang gebraucht. Bei Angaben wie »hohe« oder »geringe« Verdrängung ist in der Regel das Verhältnis von Verdrängung (Deplacement) zur Länge gemeint, das sich aus der Verdrängung in Tonnen geteilt durch die dritte Potenz aus ein Prozent der Länge der Wasserlinie in Fuß errechnet. Inklusive extremer Werte ergibt sich eine Spanne von 50 bis 500 bei Booten mit einer Länge der Wasserlinie zwischen 20 und 80 Fuß. (In Europa errechnet man das dimensionslose Verdrängung/Längen-Verhältnis, CDL genannt, i.d.R. folgendermaßen: Verdrängung in Tonnen geteilt durch die dritte Potenz aus 10 Prozent der Länge der Wasserlinie in Metern, sodass sich Werte von ca. 2–18 anstatt 50–500 ergeben. Anm. des Übers.) Mit zunehmender Bootslänge bei annähernd gleicher Rumpfform steigt das aufrichtende Moment in der vierten Potenz an, während die Kräfte, die das Boot krängen, nur in der dritten Potenz ansteigen. Genau das ist der Grund, warum ein kleines Boot im Verhältnis eine größere Breite und mehr Verdrängung benötigt, während große Yachten mit vergleichbaren Rumpfformen ein im Verhältnis größeres Rigg benötigen. Deshalb sollten kleine Boote den unteren Bereich des Verdrängung/Länge-Verhältnisses und große Boote den oberen Bereich meiden.

Bei der Konstruktion ergibt sich die Verdrängung in erster Linie aus den Festigkeitsund Stabilitätsanforderungen, sie steht aber auch im Verhältnis zum Seeverhalten und dem Raumangebot unter Deck und somit zum Komfort der Crew. Das Gesamtgewicht der Yacht muss eine ausreichend feste Struktur ermöglichen und die Beladung durch das Gewicht der Crew, der Ausrüstung und der Vorräte sowie einen ausreichend groß bemessenen Ballast beinhalten, der für das Segeltragevermögen und einen großen positiven Stabilitätsumfang verantwortlich ist. Durch den effizienten Einsatz der besten Materialien können leichte und starke Rümpfe sowie Riggs entstehen. Durch ausreichend Ballast kann eine entsprechende Konstruktion gute Stabilität erlangen. All diese Voraussetzungen ergeben unter Wahrung der Sicherheit ein konstruktives Mindestgewicht. Hier soll es zwar nicht um einzelne Materialeigenschaften gehen, Fakt ist aber, dass man aus unterschiedlichen Materialien leichte und feste Rümpfe bauen kann. Dazu zählen Holz, GFK und Aluminium. Hochfeste Materialien, wie Kohlefaser, die im Kompositbau eingesetzt werden, können, sofern richtig und sorgfältig verarbeitet, Festigkeit bei geringem Gewicht gewähren. Stahl und insbesondere Ferrozement sind unausweichlich schwerer. Leichte Boote müssen einen leichtgewichtigen Rumpf haben, um noch ausreichend Ballast für die nötige Stabilität aufzuweisen. Bei Booten mit im Verhältnis höherer Verdrängung kommt es weniger auf die Wahl des Materials an.

Die Höhe des Gewichtsschwerpunkts und die Form des Rumpfes bestimmen den positiven Stabilitätsumfang. Ein guter Stabilitätsumfang von beispielsweise mindestens 120° stellt im Prinzip sicher, dass sich eine Yacht in einem Seegang, in dem es zu einer Kenterung gekommen ist, auch wieder aufrichtet. Deutlich geringere Werte könnten das genaue Gegenteil bewirken. Die Höhe des Gewichtsschwerpunkts, die für die Stabilität außerordentlich wichtig ist, wird von den Segeln beeinflusst, insbesondere von aufgerollten Segeln an nachgerüsteten Rollreffanlagen. Das zeigt, dass eine Reserve über dem errechneten Minimum an Stabilität nötig ist. Leider haben die Einflüsse der Regattayachten unter der IOR und dem IMS zu großer Breite und einem flachen Unterwasserschiff geführt, wodurch der Stabilitätsumfang leidet. Zumindest ergeben sich nach den IMS-Regeln Rümpfe mit tiefem Gewichtsschwerpunkt, wohingegen die IOR einen bedenklich hohen Gewichtsschwerpunkt zur Folge hatte. Der Stabilitätsumfang bei einem schmalen, tiefen Rumpf mit Ballastkiel, wie in der Meter-Klasse nach der alten »International Rule«, beispielsweise bei einer eingedeckten 12mR-Yacht, reicht bis 180° und deckt somit die gesamten 360° einer Durchkenterung ab. Bei Breite und Höhe eines Rumpfes ist Mäßigung anzuraten. Große Breite erhöht die Anfangsstabilität und schafft Raum unter Deck, zu viel davon vermindert aber den positiven Stabilitätsumfang und erzeugt unangenehme, schnelle Bootsbewegungen. Ein hoher Rumpf macht die Bewegungen angenehmer, erlaubt mehr Kopffreiheit unter Deck, eine festere Rumpfstruktur und mehr Platz für etwas Wasser in der Bilge – alles positive Eigenschaften, doch der Geschwindigkeit gegenüber ist ein hoher Rumpf abträglich. Ein hoher Ballastanteil erhöht zwar den Stabilitätsumfang, verursacht jedoch ebenfalls ein Seeverhalten mit schnellen Bootsbewegungen. Ein gemäßigtes Verhältnis der Breite zur Höhe des Rumpfes ist ideal, beispielsweise eine Breite, die nicht das Dreibis Vierfache der Höhe des Rumpfkörpers übersteigt und einen ausreichend tiefen Gewichtsschwerpunkt, der einen positiven Stabilitätsumfang von mindestens 130° ergibt. Die Havarie der VERTUE XXXV, die in früheren Ausgaben von Schwerwettersegeln beschrieben war, entstand durch eine brechende See, die das Boot mit der Seite in ein Wellental warf. Bei diesem Aufprall zerbrach die Seite des Kajütaufbaus in Lee, wo der Verlauf der Rumpfstruktur unterbrochen ist und dadurch eine Schwachstelle aufweist. Die kleinen Abmessungen der VERTUE hatten es vermutlich nicht gestattet, Materialien für eine größere Festigkeit zu verwenden. Bei der PUFFIN, eines meiner eigenen Designs und nicht ganz so klein, entstand ein ähnlicher Schaden, als sie an einer Schwachstelle hart getroffen wurde. SAYULA überstand eine schwere Kenterung im Whitbread Race 1973. Die Crew hatte zu kämpfen, aber die Yacht erlitt nur minimale Schäden und bestärkte das grundsätzliche Vertrauen in größere Boote.

Typischer Sonnenschuss einer modernen Regattayacht, hier einer Mumm 36. Bei Verlust der Balance zwischen Spinnaker und Groß krängt die Yacht derart stark, dass eine Korrektur mit dem Ruder nicht mehr möglich ist. Es ist schwierig, die Yacht aus dieser Zwangslage zu befreien, weil durch den Auftrieb des breiten Hecks das Ruder aus dem Wasser kommt. Bei modernen Regattayachten kommt das öfter vor. Es mag entnervend sein, wenn man nicht daran gewöhnt ist. Yachten und Personen kommen dabei jedoch selten zu Schaden. PPL

Die mögliche Schwächung durch den Kajütaufbau bei einem kleinen Boot soll nicht bedeuten, dass ein solcher Aufbau grundsätzlich schlecht ist. Er sorgt für Stehhöhe unter Deck und kann auch den Stabilitätsumfang durch sein Volumen positiv beeinflussen, solange kein Wasser in den Rumpf eingedrungen ist. Es solle nur daran erinnert werden, dass alle Stellen, an denen die Rumpfstruktur unterbrochen ist, sowie alle Ecken mögliche Schwachpunkte darstellen und sehr sorgsam konstruiert und ausgeführt sein sollten.

Es ist unstrittig, dass der Trend zu schlanken Kielen, die an einem schmalen Flansch mit dem Rumpf verbunden sind, einen ohnehin stark belasteten Bereich schwächen. Die hohen Lasten in diesem Bereich beanspruchen die Kielbolzen, den Kiel und die umliegende Rumpfstruktur. Bei einem schmalen Kielflansch muss die Struktur des Rumpfes mit größter Sorgfalt spezifiziert werden.

Segeltragevermögen und Stabilität sind zwei ganz verschiedene Parameter. Ein Yachtkonstrukteur beurteilt sie bei geringen Krängungswinkeln, anhand des senkrechten Abstands zwischen dem Gewichtsschwerpunkt und dem Metazentrum, wo sich bei kleinen Krängungswinkeln die Senkrechte durch den Auftriebsschwerpunkt und die gekrängte Mittschiffsebene schneiden. Multipliziert man diese sogenannte metazentrische Höhe mit dem Tangens (eine trigonometrische Winkelfunktion) des Krängungswinkels, erhält man den aufrichtenden Hebelarm bei kleinen Krängungswinkeln. Multipliziert man dann noch diesen Hebelarm mit der Verdrängung, ergibt sich das aufrichtende Drehmoment. Die Verdrängung bleibt konstant, aber mit zunehmender Krängung hängt das aufrichtende Drehmoment stark von der Rumpfform und dem Verhältnis der Breite zur Rumpfhöhe ab. Ein breiter, flacher Rumpf hat anfangs eine große metazentrische Höhe, bei Krängung aber nur ein geringes aufrichtendes Drehmoment. Mit weiter zunehmender Krängung verkleinert sich das aufrichtende Drehmoment wieder, da sich der Hebelarm verkürzt, bis er schließlich ins Negative umschlägt. Gute Proportionen zwischen Breite und Rumpfhöhe halten diesen Faktor bis zu einem Winkel von 35 oder 40° konstant und gewähren einen sicheren positiven Stabilitätsumfang. Das breite Boot aus dem obigen Beispiel fühlt sich steif an, muss aber aufrecht gesegelt werden, um Kraft aus seinem Rigg zu schöpfen, während ein Boot mit tiefgehendem Rumpf die volle Kraft aus seinem Rigg bis hin zu hohen Krängungswinkeln nutzen kann. Auf einer breiten, leichtgewichtigen Yacht muss die Crew ihr Gewicht einsetzen, um der Krängung entgegenzuwirken und Vortriebskraft sowie Geschwindigkeit beizubehalten. Auch der Komfort an Bord hängt mit der Breite zusammen. Übermäßige Breite erzeugt mehr Platz und ein größeres Raumgefühl unter Deck, bringt aber auch ein unangenehmes schnelles Seeverhalten mit sich und reduziert den Stabilitätsumfang.

Um Wasser davon abzuhalten von Deck aus ins Innere zu gelangen, liegt es mir nahe, den Doradelüfter zu empfehlen. Trotz seines Aussehens und der vielen Versuche daran etwas zu ändern oder zu verbessern, ist er unübertroffen, wenn es darum geht, möglichst viel Luft und möglichst wenig Wasser durchzulassen. Wird ein Doradelüfter oder ein Lüfter anderen Typs jedoch vollständig untergetaucht, wie es bei einer Kenterung der Fall ist, so kann Wasser ungehindert durchströmen. Deshalb sollten als Vorbereitung auf extreme Bedingungen alle Lüfter mit Schraubverschlussdeckeln abgedichtet werden. Der Niedergang und alle Decksöffnungen sollten auf der Mittschiffslinie liegen, um das Risiko durch einströmendes Wasser zu minimieren. Um nur kurz auf weitere Sicherheits- und Komfortaspekte einzugehen, möchte ich starke, gutplatzierte Handläufe sowie abgerundete Ecken und Kanten anführen. Die Galley sollte so angeordnet sein, dass sich der Smutje gut verkeilen oder festgurten kann und möglichst nicht dort steht, wo sich kochend heißes Essen oder Wasser über ihn ergießen kann. Wasservorräte sollten auf mehrere Tanks mit separaten Ventilen aufgeteilt sein. So verliert man nicht den gesamten Wasservorrat, wenn ein Tank undicht oder kontaminiert wird und zudem kann das Gewicht besser verteilt und die Yacht besser im Trimm gehalten werden. Auch der Wasserschlag in den Tanks wird reduziert. Bei schwerem Wetter kann Wasser über die Auspuffanlage eindringen, doch eine sorgfältige Installation kann dieses Problem reduzieren. Das Rigg muss für hohe und unvorhersehbare Belastungen bei Schwerwetter ausgelegt sein. Es hat den Anschein, dass die Riggs vieler Regattayachten nicht stark genug sind. Verbesserte Berechnungsmethoden wie die Finite-Elemente-Methode können dabei die grundlegende Berechnung der Zugkräfte an den Püttingen und der Stauchkräfte auf den Mast aufgrund des aufrichtenden Drehmoments nicht ersetzen. Die meisten Yachtkonstrukteure arbeiten mit Eulerschen-Last-Formeln, oft unter Abschätzung der Nachgiebigkeit an den Endpunkten und Sicherheitsfaktoren nach eigenen Erfahrungswerten. Solche Abschätzungen fallen unterschiedlich aus, müssen aber für unerwartet harte Bedingungen bei Schwerwetter großzügig bemessen sein.

Riggtyp und Takelung werden oft von persönlichen Vorlieben bestimmt. In besonders schwerem Wetter können zwei unabhängig voneinander verstagte Masten vorteilhaft sein. Starke Sturmsegel und Vorrichtungen, um sie schnell und einfach zu setzen, sind auf einer gut ausgestatteten Hochseeyacht unverzichtbar. Sturmsegel sollten nicht zu groß sein. Das Trysegel sollte maximal ein Drittel der Fläche des Großsegels haben und die Fläche der Sturmfock sollte fünf Prozent der Vorstagslänge zum Quadrat nicht übersteigen. Wie groß die Segelfläche einer Yacht im Verhältnis zu ihrer Stabilität ausfällt, hängt meist vom Segelrevier ab und wird mehr vom Komfortanspruch als von der Sicherheit bestimmt. Die Segelfläche kann jederzeit durch Reffen verkleinert werden, aber bei einem großzügig bemessenen Rigg muss das frühzeitig und oft erfolgen oder es muss eine unangenehm starke Krängung in Kauf genommen werden. Die oben genannten Größen für Sturmsegel liegen sehr nah an den Vorschriften von World Sailing (früher ISAF), die zwar für Regattayachten gedacht sind, aber sehr gut und vernünftig ausgelegt sind. Ich empfehle jedem, der auf Hoher See segelt, diese Vorschriften genau zu studieren und einzuhalten.

In Bezug auf Rumpfformen habe ich das Verhältnis der Breite zur Rumpfhöhe angesprochen. Es gibt noch weitere, nicht ganz so entscheidende, aber dennoch wichtige Faktoren. Dazu zählt ein gutes und leichtes Steuerverhalten. Auch im Zeitalter wissenschaftlich analytischen Yachtdesigns gibt es für intensive Studien kein lohnenderes Gebiet als Balance und Steuerverhalten. Vieles liegt noch im Unklaren, und das mag der Grund sein, warum es bei der Formgebung der Lateralfläche einschließlich Kiel und Ruder die meisten Meinungsverschiedenheiten gibt. Kursstabilität wird oft als Eigenschaft verstanden, wie gut ein Boot, das durch einen äußeren Einfluss von seinem Kurs abgelenkt wurde, von allein, also ohne Steuerimpuls, auf seinen ursprünglichen Kurs zurückschwenkt. Das könnte auch als Definition dienen, wie gut sich ein Boot selbst steuert. Viele Boote lassen sich so trimmen, dass sie unter bestimmten Umständen einen Kurs halten, aber nur wenige Boote können bei jedem Windwinkel und jeder Windstärke auf Kurs bleiben. Die auftretenden Kräfte, ihre Richtungen und Auswirkungen sowie die Eigenschaft eines Rumpfes, je nach Krängung und Geschwindigkeit zur einen oder anderen Seite zu gieren, ergeben ein hochkomplexes Gefüge. Diese Schwierigkeiten muss man akzeptieren, darf aber dennoch ein leichtes und ansprechendes Steuerverhalten fordern – keine leichte Aufgabe für einen Yachtkonstrukteur.

Langkieler werden oft als beste Lösung genannt und wahrscheinlich sind sie es auch, sofern die Geschwindigkeit bei schwachem Wind weniger wichtig ist als die Kursstabilität und der Kiel weit nach achtern geführt ist. Der Nachteil besteht in der großen benetzten Oberfläche eines Langkiels. Bei einem solchen Kiel wirken Steuerimpulse weniger abrupt und außerdem liegt ein Großteil seiner Lateralfläche achterlich des Gewichtsschwerpunkts. Stellen Sie sich den umgekehrten Fall vor. Läge die Kielfläche vor dem Gewichtsschwerpunkt, an dem die Vortriebskraft ansetzt, und das Boot würde durch eine Welle von seinem Kurs abgebracht werden, dann wäre es so, als würde das Boot an einem Punkt gezogen, der hinter seinem Drehpunkt liegt. Je größer die Kursabweichung ausfällt, umso stärker und weiter würde es von seinem ursprünglichen Kurs abgelenkt werden. Liegt der Punkt, an dem das Boot gezogen wird, der Gewichtsschwerpunkt, jedoch vor dem Drehpunkt, dem sogenannten Lateralschwerpunkt (CLR), so ist die zum ursprünglichen Kurs rückführende Kraft umso größer, je stärker das Boot zuvor vom Kurs abgebracht wurde. Ich möchte hinzufügen, dass dieses Prinzip der Segelbalance nicht allgemein akzeptiert wird, obwohl es vielen offensichtlich erscheint.

Abbildung 1.1 Linienriss von SUNSTONE EX DEB. Ihre derzeitigen Eigner, Tom und Vicki Jackson, leben das ganze Jahr über an Bord und waren wiederholt bei RORC-Regatten erfolgreich.

Abbildung 1.2 Linienriss von WAR BABY EX TENACIOUS, Gewinnerin des Fastnet Race 1979. Ihr jetziger Eigner, Warren Brown, hat sie intensiv gesegelt.

Die Vorteile einer geringen benetzten Oberfläche haben zur allgemeinen Verbreitung einer in Kiel und Ruder unterteilten Lateralfläche geführt. Vergleichsweise kann dadurch dieselbe Segelleistung mit weniger Segelfläche erzielt werden, besonders bei schwachem Wind und bei Amwindkursen, bei denen die Geschwindigkeit geringer ausfällt. Die nötige Position des Ballasts bestimmt die Position eines kurzen Finnkiels, was wiederum die Position des Lateralschwerpunkts (CLR) vorgibt. Dieser Nachteil kann dadurch abgeschwächt werden, dass man freies Gewicht möglichst weit nach vorn verlagert, wodurch der Ballastkiel weiter nach achtern gebracht werden kann. Das aber hat seine Grenzen, und die beste Strategie, um den Lateralschwerpunkt nach achtern zu bringen, scheint, ein großes Ruder und einen großen Skeg zu verwenden. Diese haben die gleiche Funktion wie die Federn am Ende eines Pfeils. Die meisten neuen Boote folgen diesem Muster und weisen ein gutes Seeverhalten auf, ohne einen Verlust an Ruderkontrolle oder anderen guten seegehenden Eigenschaften, wie dem Beiliegen, einzubüßen.

Weitere Eigenschaften, die zu einem guten Seeverhalten beitragen, sind weitgehend aufeinander abgestimmte Rumpfenden mit ausreichend Auftrieb sowie mittleres bis leichtes Deplacement (siehe Abb. 1.1 und 1.2). Beides minimiert die unvermeidbare Tendenz einer Yacht, bei zunehmender Krängung ihren Trimm zu ändern und vom Kurs abzuweichen, sodass diese Abweichung nur leicht und graduell ausfällt und man nur selten abrupt gegensteuern muss. In starkem Seegang ist ein leichtes und ansprechendes Steuerverhalten sehr wertvoll.

Für gute Steuereigenschaften und Kursstabilität muss der Wasserdruck gleichmäßig über die eingetauchte Rumpffläche verteilt sein und im gesamten Geschwindigkeitsbereich und bei unterschiedlicher Krängung konstant bleiben. Langgezogene Linien mit minimaler Rundung und konstanter Krümmung lassen das Wasser an allen Stellen am Rumpf gleich schnell vorbeiströmen und erzeugen somit konstanten Wasserdruck auf der Rumpfoberfläche. Jede scharfe oder enge Kurve in der Strömung des Wassers verursacht einen plötzlichen Druckwechsel an der Rumpfoberfläche und damit höchstwahrscheinlich eine Kursänderung. Wiederum erfüllt ein leichtgewichtiger Rumpf mit gemäßigter Breite und eher gerade auslaufenden Linien an den Enden diese Kriterien am besten.

Die Bewegungen einer Yacht in rauer See sind wahrscheinlich besser erforscht als die Balance unter Segel. Diese Bewegungen hängen sehr stark mit dem Gewicht und der Gewichtsverteilung zusammen. Die Gewichtsverteilung kann in jeder gewünschten Schnittebene betrachtet werden, gewöhnlich in Längs- und Querschnitten. Sie wird als Trägheitsmoment gemessen und gewöhnlich durch den Trägheitsradius ausgedrückt, der das Trägheitsmoment in Abhängigkeit zur Verdrängung bringt. Das Trägheitsmoment ist die Summe aller Gewichte multipliziert mit dem Quadrat ihres Abstands zur Drehachse. Der Trägheitsradius ist dagegen die Quadratwurzel aus Trägheitsmoment geteilt durch die Gesamtmasse. Er dient als Maß für den Widerstand einer Yacht, um eine bestimmte Achse gedreht zu werden. Ein großer Trägheitsradius, sowohl in Längsals auch in Querrichtung, bewirkt somit ein angenehmes Seeverhalten und ist für den Komfort an Bord wünschenswert. Nebenbei bemerkt, ist das Bestreben nach einem möglichst geringen Trägheitsradius in Längsrichtung unter Regattaseglern zu einem Glaubensbekenntnis geworden. Man vermutet, dass sie wohl eher richtig als falsch liegen. Studien über den Widerstand in Wellen zeigen, dass eine Gewichtsverteilung, die zu einer Resonanz mit den aufprallenden Wellen führt, schlecht ist, andernfalls sich aber nur geringfügig auswirkt.

Gewicht, oder physikalisch Masse, verlangsamt die Beschleunigung, sodass die Bewegungen eines schweren Bootes dazu neigen, angenehmer empfunden zu werden. Bei diesen Berechnungen hat das Rigg aufgrund seines großen Abstands zur Drehachse einen entscheidenden Anteil. Jeder, der schon einmal einen Mastbruch in rauer See erlebt hat, wird die dadurch ausgelösten viel schnelleren Bootsbewegungen bestätigen. Durch die Dämpfung plötzlicher Rollbewegungen trägt das Rigg somit sowohl zum Komfort als auch zur Sicherheit bei. Studien haben ergeben, dass eine Steigerung des quergerichteten Trägheitsradius den Widerstand gegen eine Kenterung in brechenden Seen, wie im Fastnet Race 1979, stark erhöht. Veränderungen der Rumpfform haben starke Auswirkungen, da sie im Zusammenhang mit Verdrängung und Stabilität stehen. Andere Effekte der Rumpfform sind ebenfalls zu beachten. Wie bereits erwähnt, sollten die Rumpfenden gegeneinander ausbalanciert sein. Das bedeutet keineswegs, dass sie symmetrisch sein sollen. Ich habe mich dabei auf mein Auge verlassen, was nach Mutmaßung, bestenfalls nach Abschätzung klingt. Heutzutage ist es dagegen ein Leichtes, den statischen Trimm bei Krängung mithilfe des Computers zu überprüfen, ein wichtiger Schritt, um auszuschließen, dass sich der Trimm übermäßig ändert, während das Boot krängt.

Flache Bereiche am Rumpf sollten vermieden werden, um das Schlagen im Seegang zu reduzieren. Besonders an den Enden eines leichtgewichtigen Rumpfes, wo die Linien in Längsrichtung ziemlich gerade verlaufen, kann es zu flachen Bereichen kommen. Bei Spantformen mit einer gemäßigten U-Form anstelle einer V-Form kann der flache Bereich, der dort entsteht, wo gerade Linien eine Fläche bilden, vermieden werden. Selbst eine Rundung mit großem Radius verlängert die Dauer eines Aufpralls auf das Wasser und dadurch auch die Wucht des Aufpralls. Die Höhe des Freibords ist ein weiterer Punkt, bei dem Mäßigung anzuraten ist. Hohe Seitenflächen vergrößern den Stabilitätsumfang, bieten aber auch brechenden Seen eine große Angriffsfläche, noch dazu weit oben und somit an einem langen Hebelarm. Ein geringer Freibord führt zum Überspülen des Leedecks mit den Schotholepunkten und anderen Beschlägen. Mit dem Freibord steht auch der Deckssprung im Zusammenhang. Man kann die Meinung vertreten, dass der Deckssprung mehr mit der äußeren Erscheinung als mit Seetüchtigkeit zu tun hat. Ich bin der Meinung, ein gutes, seegehendes Boot sollte seine Enden über Wasser halten und mittschiffs keinen übermäßig hohen Freibord aufweisen. Einigen wir uns darauf, dass die Schönheit der Yachten von Watson und von Fife aus dem frühen vergangenen Jahrhundert auch funktionell war. Cockpits, die große Mengen Wasser fassen können, sind gefährlich. Selbstlenzende Cockpits sind unverzichtbar und Lenzöffnungen sollten groß bemessen sein. Ein tiefes Cockpit bietet Schutz und Komfort, kann sich aber auf den Auftrieb auswirken. Bei der Dimensionierung des Cockpits spielen unterschiedliche Prioritäten eine Rolle, im Endeffekt ist ein kleines Cockpit das sicherste.

Die Bedingungen auf See, die hier diskutiert werden sollen, sind für eine Kielschwertyacht nicht ideal. Diese Yachten haben ihre Anhänger, und ich bin für viele Entwürfe von Kielschwertyachten verantwortlich. Ich habe die Eigner immer darauf hingewiesen, dass eine Kenterung möglich ist und dass der Stabilitätsumfang geringer ist, als es mir lieb gewesen wäre. Der Tiefgang war nicht allzu eingeschränkt, sodass das Verhältnis von Breite zu Rumpfhöhe nicht zu groß ausfiel. Freibord und Decksaufbau waren angemessen, und der Stabilitätsumfang erschien völlig akzeptabel. Unter den Kielschwertyachten von S&S (Sparkman & Stephens) erscheint die SUNSTONE, ex. DEB, wegen ihrer vergleichsweise großen Rumpfhöhe als ein gutes Beispiel für eine zum Schwerwettersegeln geeignete Kielschwertyacht (siehe Abb. 1.1).

Ich hoffe, es war hilfreich, in diesem Kapitel über eine Reihe spezieller Eigenschaften nachzudenken. Zwar hat jede ihren Einfluss auf die ultimative Stärke einer Yacht, am Ende zählt aber die Kombination aller Eigenschaften. Einzeln betrachtet hat keine dieser Eigenschaften allzu große Bedeutung. Gute Leistung kann auf unterschiedlichen Wegen erzielt werden, und am Ende sind diejenigen Kombinationen die besten, die funktionieren. Wenn ich über eine Yacht nachdenke, auf der ich mich bei Schwerwetter am liebsten befinden würde, stelle ich mir eine Yacht vor, die in jeder Hinsicht ausgewogen, aber so stabil wie möglich gebaut ist. Vermeiden würde ich extreme Verhältnisse von Breite zu Länge und von Breite zu Rumpfhöhe, ebenso besonders geringes oder besonders hohes Deplacement und ein sehr hohes Rigg. Die Enden sollten ausreichend Auftrieb besitzen, aber weder zu scharf noch zu füllig, nicht zu sehr in die Länge gezogen, aber auch nicht glatt abgeschnitten sein.

Obwohl ich betont habe, wie wichtig Kentersicherheit ist, habe ich mir bei meinen Erfahrungen auf See diesbezüglich nie Sorgen gemacht. Allenfalls gaben Lecks, die Festigkeit des Rumpfes oder des Riggs Anlass zur Beunruhigung. Zum Schluss empfehle ich noch einmal gemäßigte Proportionen und eine sehr hohe strukturelle Festigkeit.

Kommentar

In den 1950er- und 1960er-Jahren hatten Yachten eine enorme Reserve an Festigkeit, aber heute, da das Wissen über die Belastbarkeit der Materialien größer ist und ständig bessere Leistungen gefordert sind, werden die Yachten leichter konstruiert. Heute erinnert man sich an Olin Stephens‘ eindringliche Forderung nach struktureller Festigkeit nur, wenn eine ultraleichte Konstruktion ein Desaster verursacht hat.

2001 verloren zwei britische Segler ihr Leben, als die australische Yacht RISING FARRSTER, eine Farr 38, vor der Ostküste Australiens kenterte, weil der Kiel aus dem Rumpf gebrochen war. Der Untersuchungsbeamte John Abernathy sagte: »Die Ursache war eine inadäquate Rumpfstärke rund um die Kielbefestigung.« Das heißt, der Rumpf war einfach nicht stark genug dimensioniert, um mit den Kräften, die bei Krängung entstehen, fertig zu werden. Es stellte sich heraus, dass der Rumpf entsprechend den Minimalanforderungen der australischen Gesetzes gefertigt worden war, aber nicht in der Stärke, wie sie der Konstrukteur, Bruce Farr, gefordert hatte. In der Folge forderte der Präsident des Segelkomitees vom Cruising Yacht Club of Australia, dass die Teilnehmer am Sydney–Hobart Race die Bilge zu kontrollieren haben und sich vergewissern müssen, dass der Rumpf dort die vom Konstrukteur geforderte Dicke hat. Das ist ganz einfach möglich, wie wir später sehen werden.

Dieses traurige Ereignis ist kein Einzelfall; vermutlich gibt es mehr, als man denkt. Ein ähnliches Unglück geschah im April 2005, bei dem ein Crewmitglied starb, als der Kiel einer 12,80 Meter langen Yacht abbrach. Die Bauwerft veröffentlichte mehrere Stellungnahmen. In einer wurde behauptet, dass die Yacht auf einen Felsen gelaufen sei. Das wurde aber von allen Crewmitgliedern, die jemals auf der Yacht gesegelt waren, verneint. In dem Gutachten über die zerstörte Yacht war zu lesen, dass »die Bodensektion der Yacht nicht die erforderliche Stärke in diesem Bereich habe, um die auf den Kiel wirkenden Kräfte aufzufangen, und es im Laminat und in der weiteren Verbindung zum Rumpf erhebliche Mängel gebe. Die Laminatstärke liegt zwischen 12 und 17 Millimeter anstelle von 25 Millimeter oder mehr – was angebracht wäre«.

Ein Fall aus jüngerer Vergangenheit ist der Kielverlust der CHEEKI RAFIKI, einer Beneteau First 40.7, während einer Atlantiküberquerung im Mai 2014, bei der alle vier Besatzungsmitglieder ihr Leben verloren. Ursache waren vorausgegangene Schäden durch mehrere Grundberührungen, die im Lauf der Zeit zu einer zunehmenden Schwächung geführt hatten.

Ein Kielverlust mit oft tödlichen Folgen für die Crew ist kein ganz ungewöhnliches Ereignis. Die britische Unfalluntersuchungsbehörde MAIB (Marine Accident Investigation Branch), die auch das Unglück der CHEEKI RAFIKI untersucht hat, nennt 72 weitere Fälle von Kielverlust für den Zeitraum von 1984 bis 2013. Nähere Angaben dazu finden sich im dritten Kapitel dieses Buches. Yachtkonstrukteure äußern manchmal den Verdacht, dass die Bootsbauer eine Yacht nicht exakt nach den in den Zeichnungen vorgegebenen Spezifikationen fertigen. Einige Bootsbauer lassen schlicht und einfach bei der Herstellung des Rumpfes ein paar Gewebelagen weg und sparen so eine Menge Arbeit und Kosten ein. Vermutlich ist der unerfahrene Eigner einer Regattayacht noch froh, dass sein Boot so wenig wiegt oder zumindest leichter ist als erwartet. In der Regattaszene gilt das Motto: Leichter – leichter – leichter!

Irgendwann kommt der Punkt, wo fehlende strukturelle Festigkeit zur Verringerung der Geschwindigkeit führt und zusätzlich die Gefahr besteht, den Kiel zu verlieren oder andere strukturelle Schäden auftreten. Ein weiteres Credo der Regattasegler ist, an den Enden Gewicht zu sparen. Aber die Enden sind bei einer Kollision am ehesten betroffen, zum Beispiel beim Ansteuern eines Liegeplatzes. Bei manchen modernen Yachten halten die Enden nicht einmal den leichtesten Kollisionen in normalem Gebrauch stand.

Olin Stephens sagt schlicht und einfach dazu: »Eine Yacht muss so stark wie möglich gebaut sein.«

Leichtdeplacementyachten haben bei der Rumpfkonstruktion einen sehr kleinen Sicherheitsspielraum. Deshalb muss die vom Konstrukteur vorgeschriebene Fertigung des Laminates strikt eingehalten werden. Im Jahr 2000 stellte ein Yachtbauer in England eine 10,6 Meter lange One-Design-Regattayacht vor, bei der die Rumpfstärke beim Kiel 30 bis 40 Prozent weniger betrug als bei anderen Yachten der gleichen Klasse. Zwei Bootsbauer hatten diese Klasse ins Leben gerufen und beide verwendeten die Kiele und Kielbolzen des gleichen Herstellers, der sich dafür verbürgte, dass die gelieferten Teile absolut identisch waren. Der zweite Bootsbauer fertigte Yachten, die 500 Kilogramm leichter waren als die vom Konkurrenten. Man konnte an der überstehenden Länge der Kielbolzen deutlich erkennen, dass die Laminatstärke des Rumpfes im Bereich des Kiels dünner war als beim Konkurrenten. Die Sache kam ans Tageslicht, als außen am Rumpf über die ganze Länge und Breite des Kielansatzes Risse auftraten – was sofort Schadenersatzforderungen auslöste. Es war offensichtlich, dass sich der Rumpf bei Belastung verbog und der Kiel nicht stabil integriert war. Diese Bewegungen bestätigten sich bei Testfahrten: Der Fuß des Salontisches war an die Kielbolzen geschraubt und somit konnte man deutlich die Querbewegungen des Kiels bei Halsen oder Wenden sehen.

Um die Stärke des Rumpfes am Kiel festzustellen, muss man mit einem dünnen Bohrer ein Loch bis auf den Kiel oder den Kielflansch bohren. So kann man sicher und exakt die Rumpfstärke an dieser wichtigen Stelle messen. Das Loch wird anschließend sorgfältig mit Epoxidharz gefüllt. Aus der Zeichnung oder vom Konstrukteur selbst kann man die vorgesehene Rumpfstärke in der Nähe des Kiels erfahren. In der Regel sollte sie nicht geringer sein als der Durchmesser der Kielbolzen.

Ein interessanter Hinweis für Eigner von Regattayachten: Die leichtere und dann reparierte Yacht war nie so schnell wie die von Anfang an stabilere des Konkurrenten. Vermutlich liegt das daran, dass das Ziel, durch Gewichtsminderung schneller zu sein, wegen des Verlusts an struktureller Festigkeit nicht erreicht werden konnte. Es wurde darauf hingewiesen, dass Werften nicht immer die vom Konstrukteur vorgegebenen Spezifikationen einhalten und dem Käufer eine Yacht ausliefern, die nicht exakt seinen Erwartungen entspricht. Deshalb ist es bei Serienyachten wie Einzelbauten ratsam, einen erfahrenen und vertrauenswürdigen Gutachter mit der Bauaufsicht zu beauftragen.

Olin Stephens ist von uns gegangen, aber an seine Yachtentwürfe wird man sich noch lange aufgrund ihrer Stärke und bewundernswerter Seetüchtigkeit erinnern und kann heute noch viel von ihnen lernen.

2. Stabilität von Yachten bei großen, brechenden Wellen

ANDREW CLAUGHTON

Ursachen von Kenterungen

Was bringt eine Yacht zum Kentern? Segeljollen und leichte Klassenboote mit festem Ballastkiel wie die J 24 können allein durch den Winddruck in den Segeln aufs Wasser gedrückt werden. Entsprechendes passiert bei größeren Yachten, wenn sie unter Spinnaker in den Wind schießen. Der Aufschießer kann so fürchterlich sein, dass der Mast bis aufs Wasser gedrückt wird. Dann lässt aber der anluvende Einfluss des Spinnakers nach, und die Yacht kann sich wieder aufrichten. Erfahrungen zeigen, dass in flachen Gewässern Böen allein eine Yacht nicht zum Kentern bringen können. Dasselbe gilt für hohe und steile Wellen. Der Wellenanstieg, der eine Jolle oder ein Klassenboot zum Anluven zwingt, kann den Wind bei der Verursachung einer Kenterung unterstützen. Die konventionelle Stabilität einer Yacht ist dagegen so angelegt, dass selbst Wind und Wellen sie nicht zum Kentern bringen können, egal wie hoch und steil sie sind.

Kenterungen kommen einzig und allein durch brechende Wellen zustande. Wird eine Yacht seitlich von einer hinreichend großen Welle erfasst, liegt es an der außergewöhnlichen Steilheit und dem Aufprall des jetähnlichen Sturzbaches der brechenden Welle, dass der Mast bis aufs Wasser gedrückt wird (siehe Bildfolge Seite 28).

An diesem Punkt entscheidet die positive Stabilität der Yacht über ihr weiteres Schicksal. Entweder richtet sie sich wieder auf, oder sie setzt die Drehung bis zum Kopfstand fort, wo sie dann eventuell für einige Augenblicke verharrt, bis die nächste Welle ihr einen Schlag versetzt und sie wieder auf die Beine stellt. Ist der Sturzbrecher hoch genug oder sein Auftreffen zeitlich genau angepasst, wird aus der Drehung eine volle Durchkenterung um 360°. Das haben mehrfach Segler bestätigt, die solch unglückliche Erfahrungen bei Sturm oder in Grundseen gemacht haben.

Wie hoch müssen brechende Wellen sein, damit sie solch einen Fall verursachen? Unglücklicherweise fällt die Antwort nicht gut aus. In den Modellversuchen, in denen das Problem untersucht wurde, hat sich gezeigt, dass einige Yachten von einer brechenden Welle, deren Höhe 30 % der Rumpflänge erreichte, zum Kentern gebracht wurden und dass Wellen, deren Höhen 60 % der Rumpflänge betrugen, ohne Schwierigkeiten alle getesteten Yachten verschütteten.

Weder durch die Formgebung des Rumpfes noch durch die Positionierung des Ballasts kann die Kentersicherheit einer Yacht wesentlich verbessert werden, wohl aber kann die manchmal lebensnotwendige Zeitspanne bis zu ihrem Wiederaufrichten verkürzt werden. PPL

Die Breite beträgt gewöhnlich annähernd ein Drittel der Länge der Wasserlinie und wird oft als Richtwert herangezogen. Konkret in Zahlen bedeutet das: Wenn eine 10-Meter-Yacht an der falschen Stelle von einer drei Meter hohen, brechenden Welle erfasst wird, besteht ein hohes Kenterrisiko. Ist die Welle sechs Meter hoch, wird für jede Yacht aus dem Risiko eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Wir haben zum Wort »Wellen« immer die Eigenschaft »brechend« hinzugefügt, um die Gefahr, die von ihnen ausgeht, zu betonen. Große Wellen für sich allein sind nämlich kein Problem.

In der Bildersequenz sieht man, dass die Wellen in den Modellversuchen so angelegt wurden, dass sie sich auf ihrer gesamten Länge auf einmal brachen, anders als die Wellen auf See, die kürzere brechende Wellenkämme haben, weil sich verschiedene Wellensysteme gegenseitig beeinflussen. Sobald der sich brechende Wellenkamm beim Aufprall so breit wie die Yacht lang ist, kriegt man die volle Wirkung zu spüren.

Wie kann man eine Kenterung vermeiden?

Die einfachste Antwort heißt: »Brechende Welle meiden!« Die Folgerung daraus lautet nicht: »Verharre festgezurrt am Liegeplatz!«, sondern: »Meide solche Seegebiete, in denen sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine brechende See aufbaut!« Fischer zum Beispiel helfen ihren schmalen Booten, indem sie brechende Wellen meiden. Die zuständigen norwegischen Behörden geben in ihren Wetterberichten die unbedingt zu meidenden Seegebiete, in denen mit brechenden Wellen gerechnet werden muss, bekannt.

Der Test verdeutlicht die seitliche Kenterung eines Grundmodells mit Finnkiel.

aQuer zur Welle

bDer Wellenkamm beginnt zu brechen

cKrängung um 90°

dAuf dem Kopf! Kiel und Ruder in der Luft

eFast wieder auf den Beinen

fAlles wieder normal

Für die Fälle, dass man von extremen Wind- und Wellenbedingungen überrascht wird, sollte man eine Technik entwickeln, wie man sich überschlagende Wellen aus dem Weg gehen kann. Während des Fastnet-Rennens 1979 waren viele Yachten in der Lage, aktiv segelnd ihre Fahrt fortzusetzen. Ihre Taktik kann man mit der eines Surfers vergleichen, der vom oberen Wellenkamm quer über die Vorderseite einer Welle seine Bahn zu dem nicht brechenden Teil einer Welle zieht und somit dem brechenden Teil aus dem Weg geht. Befindet sich eine Yacht vor oder hinter dem brechenden Teil eines Wellenkamms, ist die Gefahr vorbei und, solange die Welle beim Ausrollen Energie verliert, schiebt sich der Moment des Aufpralls weiter hinaus, und das Risiko einer Kenterung nimmt ab. Die Welle hat ihre größte zerstörerische Kraft, wenn sie gerade bricht – und unmittelbar danach. Aktives Segeln verhindert also, seitlich von der See getroffen zu werden. Das ist nämlich die Achillesferse einer Yacht. Es gibt bei dieser Taktik jedoch ein Risiko, das durch einen Steuerfehler hervorgerufen wird. Dadurch kann die Yacht querschlagen und dwars zu den Wellen kommen. Diese Taktik erfordert also eine harte und kompetente Crew mit großem Durchhaltevermögen. Trotzdem ist und bleibt sie eine vielfach angewandte und erfolgreiche Methode, um mit schwerem Wetter fertig zu werden.

Wie die Erfahrungen der Crews aus den Sturmberichten in Kapitel 3, 15, 17 und 22 zeigen, kann man nicht grundsätzlich Kenterungen vermeiden. Ermüdung der Crew oder der unglückliche Stern einer Yacht, besonders einer unterbemannten, sind wohl eher Gründe für eine Kenterung oder einen K.-o.-Schlag. Die Untersuchung nach dem Fastnetrennen hat eine Quantifizierung der Merkmale angestrebt, die ein Yachtentwurf für eine Überlebenschance in schwerem Wetter haben muss. Bisher habe ich in allgemeinen Begriffen über die Stabilität gesprochen. Wir kommen aber nicht weiter, wenn wir nicht auf die Einzelheiten und Physik eingehen, die eine segelnde Yacht aufrecht hält, und nicht untersuchen, wie sich die Dinge verhalten, wenn der Mast auf dem Wasser liegt. Abbildung 2.1 zeigt die typische Kurve des aufrichtenden Moments (oder Stabilitätsmoments). Sie beschreibt die Änderung des aufrichtenden Moments bei zunehmendem Krängungswinkel. Wir gehen davon aus, dass das gesamte Gewicht einer Yacht im Gewichtsschwerpunkt vertikal nach unten wirkt. Gleichzeitig wirkt die Auftriebskraft im Verdrängungsschwerpunkt vertikal nach oben. Unter dem aufrichtenden Moment versteht man das Drehmoment, das durch die zunehmende Verlagerung des Gewichtsschwerpunktes G gegenüber dem Verdrängungsschwerpunkt B erzeugt wird. Dabei liegt der Gewichtsschwerpunkt, solange die Crew das Boot nicht ausreitet, auf der Mittellinie des Bootsrumpfes, wogegen sich der Verdrängungsschwerpunkt je nach Krängung leewärts verlagert.

Abbildung 2.1Typische Stabilitätskurve

Man sieht sofort, dass einer normalen Krängung bis 45° ein entsprechendes aufrichtendes Moment entgegensteht. Die Krängung durch den Winddruck in den Segeln kann konstruktiv entweder durch eine Verbreiterung der Yacht, wodurch der Verdrängungsschwerpunkt weiter nach außen verlagert wird, oder durch einen tieferen Gewichtsschwerpunkt, wodurch man diesen weiter von dem Verdrängungsschwerpunkt entfernt, ausgeglichen werden. Was immer der Konstrukteur auch macht, eine Yacht muss im Bereich von 30°–40° Krängung ein angemessenes aufrichtendes Moment haben, damit sie eine anständige Segelfläche tragen kann.

Die ungarische Yacht K&H BANQUE MATAV ist im Südpolarmeer auf 66° gekrängt, während sie an der Einhand-Regatta Vendee Globe teilnimmt. Bei so einem Winkel ist eine Yacht nicht in der Lage, sich schnell selbst aufzurichten.

Einige Yachten sind steif. Das bedeutet, dass das aufrichtende Moment bei Krängungen sehr schnell anwächst. Bei ranken Booten steigt das aufrichtende Moment nicht so schnell an. Bei ihnen sitzt die Crew auch häufig auf der hohen Kante oder hängt im Trapez, um das aufrichtende Moment zu vergrößern. Durch ihre Gewichtsverlagerung verlagern sie zusätzlich den Gewichtsschwerpunkt weiter nach außen.

Wenn das aufrichtende Moment sein Maximum erreicht, liegt der Verdrängungsschwerpunkt gleichzeitig an seinem äußersten, leewärtigen Punkt. Von da an nimmt mit zunehmendem Krängungswinkel der vertikale Abstand (der aufrichtende Hebelarm) zwischen dem Verdrängungs- und dem Gewichtsschwerpunkt kontinuierlich ab – und damit das aufrichtende Moment! Bei 90° ist es schon so klein, dass ein flatternder Spinnaker ohne Schwierigkeit den Mast einer quergeschlagenen Yacht auf dem Wasser festhalten kann. Bei ein paar Graden weiter liegen der Gewichts- und der Verdrängungsschwerpunkt in einer Linie. Aber leider in der falschen Reihenfolge! Hier liegt auch der Winkel, bei dem die Stabilität verloren geht. Man bezeichnet diese Stelle als Nullpunkt der Stabilität oder Kenterwinkel. An diesem Punkt befindet sich die Yacht in einem instabilen Gleichgewicht – wie ein Bleistift, der zu jeder beliebigen Seite fallen kann. Für die Yacht heißt das, entweder zurück zur stabilen Lage oder weiter bis zur totalen Überkopflage. Bei der 180°-Drehung sind die beiden Schwerpunkte in einer Linie, aber in einer ganz anderen Stabilitätslage zueinander; es sei denn, die Yacht ist total selbstaufrichtend. Bevor die hydrostatischen Kräfte wirken und die Yacht wieder aufrichten, müssen Kräfte von außen die Yacht bis zum Stabilitätsnullpunkt zurückdrehen. Den Bereich zwischen dem Kenterwinkel und der totalen Überkopflage (180°) bezeichnet man als den Bereich der inversen Stabilität.

Um das Stabilitätsmoment einer Yacht zu berechnen, muss man mit einem Computer anhand der Rumpflinien die Lage des Verdrängungsschwerpunktes bestimmen. Die Position des Gewichtsschwerpunktes wird bestimmt, indem man die Yacht einige Grade krängt und das dabei entstandene Krängungsmoment misst.

Die Fähigkeit einer Yacht, sich vom Zusammenstoß mit einer brechenden Welle zu erholen, ist vom Rumpf und vom Kajütaufbau abhängig. Dabei ist weniger interessant, wie die Welle die Yacht zu fassen bekommt, sondern vielmehr, in welchem Umfang sie die Stabilitätskurve der Yacht beeinflusst.

Die Forschungsergebnisse über den Kentervorgang stammen aus Modellversuchen vom Wolfson-Institut der Universität Southampton. Die Tests wurden mit frei beweglichen Modellen in einem 60 Meter langen, 3,7 Meter breiten und 1,8 Meter tiefen Schlepptank vorgenommen. Die brechenden Wellen wurden mit computergesteuerten Schwingbrettern und der 40 Knoten starke Wind mit Ventilatoren erzeugt. Das Verhalten der unterschiedlichen Rumpfformen wird in dem Bericht der Universität Southampton beschrieben. Die Testergebnisse werden durch die parallelen Untersuchungen des Sailboat Committee of the Society of Naval Architects and Marine Engineers/United States Yacht Racing Union (eine schiffbautechniche Vereinigung) vervollständigt.

Die drei getesteten Grundrumpfformen gehörten zu einer traditionellen Yacht (7), einer typischen modernen Yacht mit Flossenkiel und Skeg (1) und zu einer gleichen Yacht ohne Kajütaufbau, aber größerem Freibord (4). Von diesen drei Grundformen stammen weitere sechs unterschiedliche Formen ab, die in allem den Grundformen entsprechen außer in der Breite, teilweise breiter (8, 2, 5) und teilweise schmaler (9, 3, 6). Nach den Planungen wurden die Modelle, die eine 9,75-Meter-Yacht repräsentieren, im Maßstab 1 : 13 gebaut. Die Linienrisse zu den neun Modellen zeigt die Abbildung 2.2.

Die Rümpfe mit den unterschiedlichen Eigenschaften und individuellen Konstruktionsmerkmalen sollen unter folgenden Aspekten beurteilt werden:

1.Hydrostatische Leistung, Kenterwinkel und Steifigkeit der Yacht,

2.Reaktion auf den Aufprall einer brechenden Welle.

3.Kontrollierbarkeit der Yacht; das heißt, inwieweit Konstruktionsmerkmale aktives Segeln zur Vermeidung einer Kenterung unterstützen.

Breite

Die Tests bezüglich der Änderung der Breite wurden an breiten und schmalen Ausführungen des Grundmodells 1 vorgenommen. Die Stabilitätskurven zu diesen drei Modellen zeigt die Abbildung 2.3. Der Gewichtsschwerpunkt hat bei allen den gleichen Abstand von Unterkante Kiel, und die Berechnungen zeigen deutlich den Einfluss der Schiffsbreite auf die Stabilität und die Steifigkeit. Die breiteste Yacht (2) ist die steifste und hat das größte Stabilitätsmoment. Der Anteil von inverser Stabilität ist aber nicht gering. Im Gegensatz dazu hat die schmale Yacht (3) eine deutliche Fähigkeit zur Selbstaufrichtung, wäre aber – wie der flache Verlauf im ersten Teil der Kurve zeigt – hoffungslos instabil.

Abbildung 2.2 Linienrisse von Standard-Serienyachten (Lüa 9,75 m)

Bei den Kenterversuchen konnten die Grundform (1) und die breite Form (2) von einer brechenden Welle, die 40% der Rumpflänge (Lüa) hatte, umgedreht werden, wogegen die schmale Rumpfform lediglich bis 120° niedergedrückt wurde und sich dann wieder aufrichtete. Eine Welle von 55% Lüa, die von der Seite anrollte, brachte aber alle Boote zur Durchkenterung. Einer der Faktoren, der das Verhalten der breiteren Boote beeinflusste, war das Eintauchen des Decks auf der Leeseite, wenn das Boot von dem brechenden Wellenkamm seitwärts gestoßen wurde. Das Eintauchen des Seitendecks schien eine Kettenreaktion auszulösen, die das schmale Boot vermeiden konnte. Beim Ablaufen vor der See erwies sich der breite Rumpf als schwierig zu beherrschen und zeigte keine Bereitschaft mehr, die Wellen hinunterzusurfen wie die schmaleren Schwestern.

Freibord

Im Weiteren wurde das Verhalten des Modells mit geringem Freibord und Kajütaufbau (1–3 Abb. 2.2) mit dem Verhalten des Modells mit großem Freibord und Glattdeck (4–6) verglichen. Beide Modelle wiesen die gleiche Neigung zum Kentern auf, wobei sich zeigte, dass ein höheres Freibord das Kenterrisiko nicht verstärkt. Bei einer Kenterung besitzt die Yacht mit dem geringeren Freibord und einem Kajütaufbau die größere Fähigkeit, sich selbst aufzurichten.

Studiert man die Stabilitätskurven dieser beiden Rümpfe, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Auftriebsanteil des Kajütaufbaus den Bereich der inversen Stabilität vorteilhaft verringert. Das zeigen sehr gut die Stabilitätskurven dieser beiden Rümpfe (s. Abb. 2.4). Genauso interessant ist Abbildung 2.5 mit der Stabilitätskurve einer traditionellen Yacht mit und ohne Kajütaufbau. Hier zeigt sich, in welch deutlichem Umfang der Auftrieb des Kajütaufbaus den Kenterwinkel hinausschiebt.

Abbildung 2.4 Aufrichtendes Moment (AM) bei unterschiedlichem Freibord:

1. Finnkiel-Grundform mit Kajütaufbau

2. Höherer Freibord ohne Kajütaufbau

Abbildung 2.6 Verlängerung des Kiels

Die Analyse der statischen Stabilität beweist, dass ein weiteres Anwachsen des Kajütaufbau-Volumens die inverse Stabilität völlig eliminieren kann. (Ein Konzept, das beim Bau von Seenotrettungsbooten verfolgt wird.) Dieses leistet insbesondere ein sehr leichtes, breites und sich selbst aufrichtendes Fahrzeug.

Flossenkiel oder Langkiel?

Eine nicht zu übersehende Entwicklung im Yachtdesign der letzten ungefähr 50 Jahre ist die deutliche Reduzierung der Lateralfläche des Kiels. Dieser Aspekt wurde bei den Untersuchungen im Schlepptank nicht nur durch Vergleich zwischen traditionellen und modernen Entwürfen beurteilt, sondern auch durch Hinzufügen von Verlängerungsstücken vorne und hinten am Flossenkiel, wodurch die Kielfläche annähernd verdreifacht wurde, wie Abbildung 2.6 zeigt. Dabei stellten sich kaum erkennbare Verbesserungen bezüglich des Widerstandes gegen Kenterungen ein und – zur großen Überraschung – nur eine geringfügige Verbesserung der Kontrollfähigkeit beim Segeln vor dem Wind. Ein ähnliches Ergebnis brachte ein Vergleich bezüglich des Kenterwiderstandes zwischen einem Flossenkiel und einem traditionellen Entwurf – vorausgesetzt, bei beiden wurden das Gesamtgewicht und die Position des Gewichtsschwerpunktes nicht verändert. Keiner der Entwürfe zeigte eine erkennbare Überlegenheit, obwohl der traditionelle Entwurf mit der schmalen Breite und dem großen Kajütaufbau natürlich einen größeren Kenterwinkel hatte und sich deshalb leichter von einem Niederschlag erholte.

Das Modell mit dem traditionellen Entwurf ließ sich vor dem Wind leichter steuern und kontrollieren und kam trotz des größeren Gewichts leicht ins Surfen. Bei einem modernen Entwurf war es dagegen schwierig, die See achterlich zu halten, und war der Rumpf erst einmal vom Kurs abgebracht, drehte er sich seitlich zu der brechenden Welle und war in dieser Position leicht verletzlich und anfällig für eine Kenterung.

Diese Tests beweisen also, dass die Lateralfläche allein nicht den Kenterwiderstand verbessert und dass die Kontrolle vor dem Wind nicht allein von der Kielfläche bestimmt wird. Es waren die besser ausbalancierten Enden des traditionellen Entwurfs, die bei der Kontrollfähigkeit behilflich waren, weniger die größere Lateralfläche des Kiels, weil sich nämlich das Heck, wenn eine Welle von achtern anrollte, weniger anhob und folgerichtig der Bug weniger eintauchte.

Abbildung 2.7 Stabilitätskurven von Modellen mit Gewichtsschwerpunkt über und unter dem der Grundform

Der moderne Entwurf mit dem breiteren Heck hat den Nachteil, dass eine durchlaufende Welle das Heck anhebt und den Bug niederdrückt. Der Bremseffekt am Bug kann ein starkes Drehmoment auf den Rumpf ausüben, und weil das Ruder nicht schnell genug gegen das Drehmoment eingesetzt werden kann, läuft die Yacht sozusagen aus dem Ruder und schlägt quer.

Das unterschiedliche Verhalten der drei Modelle – der traditionellen, der Flossenkiel- und der vergrößerten Flossenkielform – gaben einen kurzen Einblick in die komplizierte Reaktion der Rumpfmerkmale auf die Kontrollierbarkeit, wenn die Yacht vor großen Wellen ablief. Das schnelle Gleiten und die gute Kontrolle des traditionell entworfenen Modells waren eine Überraschung. Die Resultate können aber nicht zu einer abschließenden Beurteilung über traditionelle und moderne Yachten führen. Weil ein leichterer Rumpf sich von einer von achtern anrollenden Welle bereitwilliger nach vorne tragen läßt und von dem Welleneffekt profitiert, muss er so geformt sein, dass er sich leicht auf Kurs halten läßt. Bei sehr harten Winden, wie beispielsweise in Überlebenssituationen, kann eine Yacht mit breitem Heck von den Segeln schnell vorangetrieben werden, und der fehlende statische Auftrieb im vorderen Rumpfteil wird durch den dynamischen Auftrieb, der beim Aufgleiten des Bugs auf die Wasserschichten entsteht, kompensiert. Dadurch wird der Bug hochgedrückt, und der Rudergänger kann die Yacht gelassen steuern. Wenn jedoch plötzlich der Antrieb durch die Segel ausfällt und die Yacht ihre Geschwindigkeit verliert – diese Situation wurde in den Tests nachgestellt – wird deutlich, dass ausgewogene Enden einen hohen Kontrollwert haben. Bei all den vielen Aspekten der Leistung einer Segelyacht ist die Kombination aller Entwurfsmerkmale entscheidend, und das Geschick des Designers liegt darin, Rumpfform, Kielfläche und Gewicht mit Erfolg in ein harmonisches Ganzes zu bringen.

Verdrängung, Gewichtsschwerpunkt und Rollträgheit

Diese drei Parameter unterscheiden sich von den bisher besprochenen insofern, dass sie entgegen den ersten Parametern, die durch den Entwurf festgelgt und fix sind, ohne weiteres abgeändert werden können.

Wächst das Deplacement einer Flossenkiel-Yacht um 60 % und bleiben alle anderen Faktoren gleich, wird die Neigung zum Kentern nur geringfügig verändert. Ein größeres Deplacement verbessert jedoch ihre Kurshaltequalitäten und damit ihren Widerstand gegen ein Querschlagen. Dieser Aspekt kommt nicht unerwartet, wenn man sein Augenmerk auf die statische Stabilität lenkt und sieht, dass bei einem größeren Deplacement das aufrichtende Moment fast linear ansteigt, wie man in Abbildung 2.5 sieht.

Senkrechte Veränderungen des Gewichtsschwerpunktes bringen einige faszinierende Resultate ans Licht. Der Effekt durch große Verschiebungen des Gewichtsschwerpunktes ist bezüglich der Kenterneigung überraschend gering. In Wirklichkeit war es in einigen Fällen sogar so, dass eine hohe Anordnung des Schwerpunktes (VCG) mehr Widerstand gegen einen Niederschlag brachte. Bezüglich des Wiederaufrichtens nach einer Kenterung sollte jedoch der Gewichtsschwerpunkt nicht zu hoch angesetzt sein, weil bei einer zu hohen Lage des Schwerpunktes der Umfang der inversen Stabilität sehr groß wird. Bei einer größeren Verdrängung wiederum kommt ein tieferer Schwerpunkt der Kontrolle des Bootes zugute, weil nämlich die Steifigkeit bei normaler Krängung zunimmt. Abbildung 2.7 zeigt, wieweit die Lage des Gewichtsschwerpunktes die Form der Stabilitätskurve beeinflusst.

Auf Rennyachten dient die Crew als beweglicher Ballast. Im Gegensatz zu einem festen Kiel wird das Crewgewicht jedoch umso wirkungsloser, je größer die Krängung ist. Erwan Quéméré/Bluegreen