Secret Kiss. Die Tochter vom Coach (Secret-Reihe) - Mimi Heeger - E-Book
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Mimi Heeger

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Beschreibung

**Liebe nicht, wen du nicht haben kannst** Maggie ist als Tochter vom Coach der Fußballmannschaft »Ramsgate Firebirds« vor allem eins: für alle Spieler tabu. Ihr ganzes Leben schon verbringt sie jede freie Minute am Spielfeldrand, um den Jungs beim Training zuzuschauen oder sie bei Turnieren anzufeuern. Sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und herauszufinden, was sie liebt, hat sie dabei nie gelernt. Bis ein neuer Spieler ins Team kommt und nicht nur Unruhe auf den Platz, sondern auch in Maggies Herz bringt. Düster, tätowiert und absolut unnahbar lässt Sam sie ihre Meinung über ihn und auch die Prioritäten in ihrem Leben infrage stellen… //Alle Bände der Sports-Romance-Buchserie bei Impress:     -- Secret Kiss. Die Tochter vom Coach     -- Secret Crush. Der Star der Mannschaft   -- Secret Match. Team wider Willen Es geht weiter! Die Kinder der beliebten Figuren aus der »Secret«-Serie haben ihre eigene Geschichte erhalten. Alle Bände der Spin-off-Serie »To Me and You« bei Impress:  -- To Me and You. Grace & Adam  -- To Me and You 2 (Januar 2021)   -- To Me and You 3 (Mai 2021)// Jeder Roman dieser Serie steht für sich und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. 

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Mimi Heeger

Secret Kiss. Die Tochter vom Coach

**Liebe nicht, wen du nicht haben kannst** Maggie ist als Tochter vom Coach der Fußballmannschaft »Ramsgate Firebirds« vor allem eins: für alle Spieler tabu. Ihr ganzes Leben schon verbringt sie jede freie Minute am Spielfeldrand, um den Jungs beim Training zuzuschauen oder sie bei Turnieren anzufeuern. Sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und herauszufinden, was sie liebt, hat sie dabei nie gelernt. Bis ein neuer Spieler ins Team kommt und nicht nur Unruhe auf den Platz, sondern auch in Maggies Herz bringt. Düster, tätowiert und absolut unnahbar lässt Sam sie ihre Meinung über ihn und auch die Prioritäten in ihrem Leben infrage stellen … //»Secret Kiss. Die Tochter vom Coach« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Vita

Danksagung

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© privat

Michaela Heeger wurde 1983 in Kreuztal geboren und wohnt mit ihrem Mann, ihren zwei Söhnen und einem kleinen Hund im Siegerland. Die zweite Welt, in der sie lebt, ist die der Bücher. Tag und Nacht taucht sie mit Figuren aus den verschiedensten Genres in deren Geschichten ein. Das eigene Schreiben von Romanen ist schon seit Kindheitstagen ein Wunsch, der schnell zur Leidenschaft und schließlich zum großen Traum wurde.

Für meinen Papa

Solange du der Coach bist, werde ich immer einen Platz an der Außenlinie haben …

Kapitel 1

Der leichte Nebel teilt das Licht der Scheinwerfer und ziert den dunklen Himmel so mit Tausend feinen Strahlen. Noch zeigt die Anzeigetafel 0-0 an und die wenigen Fans, die an diesem Abend gekommen sind, begeben sich langsam auf ihre Plätze.

Das ist der Moment der Woche, in dem ich zum Leben erwache. Wenn die Spieler gefolgt von Coach Peterson das Feld betreten und ihr Atem aufgrund der Kälte sichtbar wird.

Wie eine Glocke schottet das Flutlicht den Platz vom Rest der Welt ab. Klare Luft dringt in meine Nase, vermischt sich mit dem Geruch des Gels, das die Spieler zur Lockerung auf ihre Muskeln gerieben haben. Die Aufregung schlängelt sich durch meinen Körper und hinterlässt einen wohligen Schauer auf meiner Haut.

Die anderen Zuschauer reden noch wild durcheinander oder decken sich mit Getränken ein, aber ich bin hochkonzentriert und beobachte, wie die Spannung in der Mannschaft greifbar wird. Die Minuten vor Spielbeginn sind mir am liebsten, wenn die Jungs getränkt von Motivation als Einheit erscheinen. Sie setzen immer wieder zu Sprüngen an und machen kurze Sprints, um sich warm zu halten, bis sie dem Gegner an der Mittellinie entgegentreten. Mit dem Ausdruck wilder Tiere starren sie sich an und versuchen ihren Gegenspieler mit einschüchternden Blicken nervös zu machen. Die Kapitäne der Mannschaften reichen sich zur Begrüßung die Hand, ehe der Schiedsrichter seine Pfeife zwischen die Lippen nimmt und mit einem schrillen Ton das Spiel startet.

Ich rutsche ungeduldig auf der Ersatzbank hin und her und versuche mein Adrenalin unter Kontrolle zu halten. Das sind wohl die Gene.

»Hey, Coach«, begrüße ich den Trainer, als er sich auf seinen Platz begibt. Es ist immer die gleiche Stelle, auf der er steht – am Spielfeldrand, genau auf Höhe der Mittellinie. Auf seinem schwarzen Trainingsanzug prangt ein roter Adlerkopf, der in Flammen aufgeht – das Teamlogo der Firebirds. Seine stattliche Größe und seine aufrechte Haltung geben ihm den nötigen Respekt. Seine Schultern sind breit, seine Taille schmal und man erkennt sogar durch die weite Jogginghose, dass seine Beine aus puren Muskeln bestehen. Seine schwarzen Haare, die seit Kurzem von einigen grauen Strähnen durchzogen sind, hat er mit etwas Gel elegant nach hinten gelegt.

Sein Blick wird weich, als er mich nur einige Schritte hinter sich entdeckt. »Hey, Spatz, ich hab dich gar nicht kommen sehen«, antwortet er mit liebevoller Stimme und gibt mir einen Kuss auf meine Mütze.

Also alles wie immer.

Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin aus Glas, sobald ich diesen Rasen betrete. Obwohl ich immer da bin, sieht das Team einfach durch mich hindurch. Und ja, die Tochter des Coachs zu sein ist dabei nicht gerade förderlich. Mindestens ein Drittel der Spieler würden nicht mal dann mit mir reden, wenn sie es wollten. Sie haben viel zu viel Schiss, dass der Coach Hackfleisch aus ihnen macht, wenn sie mir zu nah kommen.

Auf der Ersatzbank ist allerdings immer ein kleiner Platz für mich frei. Die Ersatzspieler, die nervös mit den Füßen scharren, während das Spiel ohne sie beginnt, haben im Gegensatz zu mir wenigstens den Hauch einer Chance, die Bank irgendwann gegen das Spielfeld einzutauschen.

»Hi, Maggie!«

Greg Stevens ist ein begnadeter Spieler in der Verteidigung, aber schon seit einigen Wochen angeschlagen, weswegen mein Dad ihn lieber für ein paar Spiele verschont. Trotzdem trägt er Sportsachen – ob aus Loyalität zu seinen Teamkollegen oder aus Bequemlichkeit, wage ich nicht zu fragen.

»Hey, Greg. Was macht der Fuß?«

Ich mag Greg. Er ist ein kräftiger Kerl, die Haare sind rappelkurz geschoren – aber viel wichtiger: Er hat einen harten rechten Schuss. Je nach Lichteinfall wirkt sein blondes Haar rötlich und die Sommersprossen auf seiner Nase sind der letzte Beweis dafür, dass irisches Blut durch seine Adern fließt. Greg ist einer der wenigen, die mehr als ein kümmerliches, brummendes Hi zustande bringen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich ihn seit meiner Kindheit kenne. Er und mein Bruder sind seit dem Sandkasten enge Freunde.

»Könnte besser sein. Nur noch drei Monate bis zur Winterpause und der Doc gibt immer noch kein grünes Licht, wieder Vollgas zu geben. Wenn wir heute gegen die Blasters keine Punkte holen, wird es eng mit dem Aufstieg.«

Das Team von meinem Dad ist gut. Richtig gut. In der letzten Saison haben sie den Aufstieg in die nächste Liga nur ganz knapp verpatzt. Dieser Fehler wird ihnen sicher kein zweites Mal passieren.

»Ach, das wird schon. Ihr müsst optimistisch sein und dranbleiben.« Mein Blick gleitet über die anderen Reservespieler, die ihren Blick starr aufs Spielfeld gerichtet haben und mich gänzlich ignorieren. »Scott ist gut drauf. Er wird seine Tore machen«, versuche ich das einzige Gespräch aufrechtzuerhalten, das heute hier auf mich wartet. Außerdem können wir uns auf dem Spielfeld immer auf unseren Stürmer verlassen.

Gregs Lächeln ist sanft und etwas schüchtern. Sein Blick zuckt kurz zum Coach, doch dieser würde nicht mal einen Bombeneinschlag mitbekommen, während sein Team um einen Sieg kämpft. »Der Libero der Blasters ist ein Tier, Maggie. Der wird es ihm nicht leicht machen.«

Sein Kinn deutet in Richtung gegnerisches Tor, wo sich unser Spitzenstürmer gerade ein Gerangel mit dem gegnerischen Verteidiger gönnt. Die Blasters aus Chestfield spielen genau wie wir mit einem Libero in der Mannschaftsaufstellung. Dieser nimmt vor dem Torwart die Funktion des letzten Mannes ein, um mögliche Torschüsse abzuwehren. Auch wenn diese Position in den höheren Ligen kaum noch eingesetzt wird, ist sie eine meiner Lieblingspositionen beim Fußball. Oft werden die Stürmer immer für den Sieg gefeiert, aber die eigentliche Arbeit findet meiner Meinung nach in der Verteidigung statt.

»Komm schon, Scott, hol ihn dir«, schreie ich und kann mich nicht länger auf meinem Sitz halten, während mein Bruder – wie könnte es anders sein, Kapitän unseres Teams – den Gegner foult. Nicht gerade die feinste Art, sich den Ball zu erobern, aber was soll’s.

Ich klatsche euphorisch in die Hände. Auch wenn das Geräusch durch meine Handschuhe gedämpft wird, wirft mir der Libero der Blasters einen bösen Blick zu und ich bekomme bei seinem Anblick eine Gänsehaut.

Er ist um einiges größer als mein Bruder und wesentlich kräftiger gebaut. Seine Haare sind pechschwarz und liegen verschwitzt auf seiner Stirn. Da die Blasters in schwarzen Trikots spielen, aus denen seine komplett tätowierten Arme zum Vorschein kommen, wirkt er ziemlich bedrohlich, was der Ausdruck in seinem Gesicht nicht besser macht. Erst der kräftige Schuss von meinem Bruder löst mich vom Anblick dieses Kerls. Scott vermasselt die Torchance und heimst sich damit einen Hagel an Beschimpfungen vom Publikum ein.

Der kurze Blickwechsel mit dem Blasters-Libero hat mich völlig aus dem Konzept gebracht und ich trete verlegen von einem Fuß auf den anderen.

Der Coach läuft pausenlos auf und ab und brüllt die Spieler so laut an, dass seine Stimme sich überschlägt.

In den neunzig Minuten eines Spiels sind wir Petersons einfach nicht wir selbst. Die Spannung, die Atmosphäre, der unbändige Wille zu gewinnen – das ist unser Nenner, hier sind wir alle drei gleich. Die Tatsache, dass ich dabei in meinem Jeansrock und Moonboots auf der Bank sitze, anstatt den Coach auf dem Feld stolz zu machen, können wir leider nicht ändern. So sehr ich mir auch wünsche, ich könnte ein einziges Mal fühlen, wie es ist, nach einem Tor von der Mannschaft gefeiert zu werden oder ein tatsächlicher Teil des Teams zu sein, anstatt nur danebenzustehen.

Als kleines Mädchen habe ich es mit Fußball probiert, aber erstens bin ich schon mit acht Jahren aus dem Team geflogen, weil ich meiner Gegenspielerin die Nase gebrochen habe, und zweitens mussten wir uns schnell eingestehen, dass ich, was Sport im Allgemeinen angeht, komplett talentfrei bin. Auch wenn meine schlanke Figur anderes vermuten lässt, bin ich sicherlich der unsportlichste Mensch in ganz England. Ich habe Dads Leidenschaft geerbt, seine cholerische Art, aber nicht seine athletischen Fähigkeiten.

Dennoch ist das Stadion der Ramsgate Firebirds mein zweites Zuhause. Hier bin ich groß geworden und hier gehöre ich hin. Wenn ein Fußballspiel läuft, vergesse ich mich komplett. Keine Spur von Schüchternheit oder unsicherem Mädchen. Den Regelkatalog der Liga kann ich im Schlaf aufsagen, das hier ist mein Revier. Und das kann ich leider in den seltensten Fällen bei mir behalten. Ich habe mich auf dem Platz einfach nicht im Griff.

»Schiri, du Pfeife, das war ganz klar gelb«, schreie ich, aber der Schiedsrichter lässt das Spiel zum Vorteil der Gegner weiterlaufen und die Blasters schießen das, zugegebenermaßen verdiente, 1-0. »Das darf doch nicht wahr sein«, rufe ich über das Feld. »Peterson, es wird Zeit, dass du denen endlich gehörig in den Hintern trittst!«

Deprimiert läuft mein Bruder über die Mittellinie, um den erneuten Anstoß abzuwarten.

»Komm schon, Kopf hoch und dann hau diesen Mistkerl endlich von den Füßen«, füge ich angespannt hinzu und erhasche einen Blick auf seinen auffälligen Gegenspieler.

Das Spiel geht weiter und das Team von meinem Dad greift aggressiver an. Schön über die Außenseiten, so wie der Coach es gerne hat. Scott bekommt den Ball auf den Fuß und es steht nur noch der düstere Libero zwischen ihm und dem Torwart, der sicherlich kein Hindernis für meinen Bruder darstellt. Scott versucht an ihm vorbeizukommen, hat aber technisch keine Chance gegen seinen tätowierten Gegenspieler. Und da auch mein Bruder die Genetik unseres temperamentvollen Dads besitzt, wägt er nicht lange ab und versucht zum direkten Schuss auszuholen. Der Libero kommt ihm um Millisekunden zuvor und grätscht unseren Kapitän gnadenlos um. Die Fans toben, die Spieler bilden eine Traube um das Geschehen. Nur der Schiedsrichter hat scheinbar nichts mitbekommen und pfeift keinen Elfmeter. Das darf doch nicht wahr sein! Ich spüre das Blut in meinen Adern kochen.

Wie mein Dad und die Ersatzspieler bin ich ein Stück die Außenlinie entlanggesprintet, um das Ausmaß des Fouls zu erahnen. Erleichterung legt sich über meine angespannten Nerven, als sich die Ansammlung auflöst und ich sehe, dass es meinem Bruder einigermaßen gut geht. Der Coach tobt und beschimpft Scott, weil er wieder einmal versucht hat den Spielzug alleine zu Ende zu bringen.

»Abspielen. Wie oft muss ich dir das noch sagen?«, schreit er mit seiner respekteinflößenden Stimme und ignoriert dabei völlig, dass Scott nach diesem fiesen Foul Mühe hat, wieder auf die Füße zu kommen. Er hält sich den Knöchel und schüttelt deprimiert den Kopf.

»Was ist das denn für ein Mistkerl?«, schreie ich, nachdem die erste Sorge verflogen ist. »Das war so was von Elfmeter. Mann, Schiri, wo hast du deine Augen gelassen?«

Meine Beine zittern und ich spüre, wie mehr und mehr Adrenalin durch meinen Körper schießt. In diesen Momenten ist es egal, dass ich nie richtig dazugehören werde. In diesem Moment bin ich gefangen in einer Blase aus Emotionen und Leidenschaft für diesen Sport.

Der gegnerische Libero steht seit seinem Foul wie angewurzelt einige Schritte neben dem Geschehen. Als meine Worte ihn erreichen, kommt er geradewegs auf mich zugelaufen. Plötzlich wird mir eng um die Brust und ich blicke hilfesuchend zu meinem Dad, der sich allerdings eine hitzige Diskussion mit seinem Co-Trainer liefert.

Heiße und kalte Wellen jagen durch mich hindurch, als der Blasters-Spieler keine Armlänge von mir entfernt zum Stehen kommt. Zorn steht in seinem Gesicht und das Blau seiner Augen sieht aus, als explodierte es jede Sekunde in Tausend Eiskristalle. Mit ausgestrecktem Zeigefinger tippt er mir drohend auf die Brust. Ich halte die Luft an, in der Erwartung, dass er mich anschreit oder mir droht, aber er presst lediglich die Lippen aufeinander und schüttelt langsam den Kopf. Ein Schauer jagt mir über die Haut, während er mich eindringlich mustert und anschließend ohne ein Wort kehrtmacht, um seine Position wieder einzunehmen.

»Stopf deiner Schwester das Maul, Peterson, sonst werde ich das machen müssen«, höre ich seine Stimme, während er an Scott vorbei joggt. Sie ist rau und tief, und außer Nervosität durchfährt mich ein anderes, aufregendes Gefühl, das ich nicht deuten kann.

Was für ein arrogantes Arschloch. Scott will gerade zum verbalen Gegenschlag ausholen, als sich der Coach einschaltet.

»Hey, Ruhe jetzt dahinten. Wir sind zum Spielen hier, konzentriert euch auf den Ball, Männer.«

Mein Dad ist für die Jungs eine absolute Respektperson. Ein Wort genügt meistens, um sie eingeschüchtert zum Schweigen zu bringen. Allerdings wundert es mich schon ein bisschen, dass er nicht Partei für uns ergreift. Er ist der strengste Trainer, den es in ganz Kent gibt, aber er ist dabei stets fair, das muss man ihm lassen.

Er kombiniert seinen strengen Trainerblick mit einem furchteinflößenden Nicken und versucht mich so zurück zur Bank zu dirigieren. Allerdings bin ich nicht ganz so empfänglich für seinen trainerlichen Respekt.

»Na schön, Coach«, feuere ich ihm ins Gesicht und stapfe wutentbrannt los, allerdings in Richtung der Kabinen. Ich habe keine Lust, mir das länger mit anzusehen. Die letzten fünf Minuten bis zur Halbzeit werde ich lieber schmollend im Untergrund verbringen, als mich weiter von meinem Dad herumkommandieren zu lassen.

Während meines theatralischen Abgangs vom Spielfeld zuckt mein Blick noch einmal zurück zu der Ursache meines Übels, dessen Name mir von seinem muskulösen Rücken förmlich ins Auge springt. Handerson. Dieser Mistkerl. Ich werde ihn auf jeden Fall in der Halbzeit googeln. Mal sehen, was das Netz über ihn preisgibt.

Unsere Blicke treffen sich und mir entgeht nicht, dass er sich ein Lächeln verkneifen muss. Am liebsten möchte ich laut schreien vor Wut. Versteckt in meinen Jackentaschen balle ich meine Hände zu Fäusten. Argh. Wenn ich es ihm doch bloß zeigen könnte.

***

Die Blasters aus Chestfield schlagen die Ramsgate Firebirds 2-0 und es ist beinahe eine Erleichterung, als der Schiedsrichter endlich das Spiel abpfeift. Die Jungs schleichen enttäuscht mit hängenden Köpfen in Richtung Kabinen.

Es deprimiert mich, dass ich nicht dabei sein kann, wenn sie sich über den Gegner aufregen oder das Spiel analytisch auseinandernehmen. In meinem Kopf lauern so viele taktische Verbesserungsvorschläge und Kritik, die ich gern im Anschluss loswerden würde, aber stattdessen bleibt mir nur, es bitter runterzuschlucken oder zu warten, bis mein Dad auf dem Heimweg eventuell mit mir darüber spricht.

Niedergeschlagen und alleine schlurfe ich den breiten Gang der Katakomben entlang, bis zu der kleinen Nische, in der die Krankentrage parkt. Das ist mein erbärmlicher Platz. Ich klettere auf die Liege und schlinge die Arme um meine Beine. Es ist kalt geworden und außer dem Hunger, den mein Magen lautstark verkündet, bin ich ziemlich müde.

Gedankenverloren spiele ich an meinem hellbraunen Zopf und untersuche meine Spitzen. Meine langen Haare sind eine der wenigen Sachen, die meine Weiblichkeit ein bisschen unterstreichen. Andere Dinge wie Make-up oder lackierte Fingernägel hatten in meinem Leben noch nie einen Platz.

Hier auf meiner Liege warte ich auf Scott und meinen Dad. Mir ist durchaus bewusst, wie armselig das ist. Aber diese kleine Ecke ist mein Platz in diesem testosterongesteuerten Laden. Ich sitze hier, während das Team sich vor dem Spiel warm macht, und ich sitze hier, während das Team sich nach dem Spiel duscht. Ich sitze auch hier, während sie in der Kabine ihren Erfolg feiern oder zusammen den Frust runterspülen. Diese eklig fleckige mit Leder bezogene Bahre ist so was wie mein Ersatzzimmer. Auf dieser Liege sind so viele Stunden meines Lebens verstrichen, dass der Bezug sicher meinem genetischen Fingerabdruck gleicht. Hier habe ich unzählige Bücher gelesen. Ich habe hier geschlafen, gegessen und vor ein paar Jahren mit einem mittelmäßigen Abwehrspieler geknutscht, bis der Coach uns erwischt hat und ihn ohne Zögern aus dem Team geworfen hat.

Für heute hatte ich mir eigentlich meine Hausarbeit für englische Literatur vorgenommen. Seit dem Frühjahr besuche ich in meinem Leben außerhalb dieses Stadions die Kent University, um Kommunikation und Medien zu studieren, und Literatur ist mein absolutes Highlight. Doch statt mit Charlotte Bronte in eine andere Zeit zu reisen, schweifen meine Gedanken zu dem durchdringenden Blick von Libero Handerson, der natürlich ausgerechnet in diesem Moment in den langen Flur tritt. Seine Augen durchbohren mich förmlich, während er immer näher kommt und mein ganzer Körper sich augenblicklich versteift. Meine Hände werden zu feucht und mein Mund zu trocken. Kurz löse ich mich aus seinem Blick und checke mein Umfeld, während ich meine Knie fester umklammere. Es sind mehrere Spieler in den Gängen, also kein Grund zur Panik.

Keine Ahnung, warum ich so nervös auf diesen Kerl reagiere. Er ist schließlich nicht der erste Gegenspieler, mit dem ich mich angelegt habe, aber seine Blicke gehen mir aus einem nicht erklärlichen Grund unter die Haut. Warum starrt er mich so an? Ich bin sicher nicht so hübsch und gestylt wie die Spielerfrauen, die ständig an meinem Bruder und seinen Freunden kleben, aber so einen abfälligen Blick habe ich auch nicht verdient.

Ganz langsam geht dieser Handerson an mir vorbei. Er bewegt sich wie ein Puma und betrachtet mich, als sei ich seine nächste Beute. Sein Gesicht sieht durch die markanten Wangenknochen zwar irgendwie finster, aber auch unglaublich gut aus. Seine Haut ist dunkel, so braun wäre mein Gesicht nicht mal nach zwei Wochen Südsee.

Als er so gut wie an mir vorbei ist, will ich gerade alle Luft aus meinen Lungen entweichen lassen, stocke aber, als er mit einem Arm über seinen Kopf greift und sein Trikot in einer geschickten Bewegung auszieht. Halleluja. Zugegeben, er ist echt heiß. Und zwar so richtig heiß. Seine Schultern sind viel breiter, als ich erwartet habe. Die Muskeln ziehen sich perfekt über seinen Körper und die beinahe schwarz tätowierten Arme sind definitiv nicht nur vom Fußball so trainiert. Der feuchte Film auf seiner Haut lässt seinen Körper glänzen, als wäre er geradewegs aus einem Fotoshooting geschlüpft.

»Du solltest dein Temperament besser im Griff haben, Mag«, unterbricht mein Bruder meinen beinahe sabbernden Blick.

Schnell reiße ich meine Augen von dem Muskelspiel auf Handersons Rücken los und lege Scott freundschaftlich eine Hand an sein Gesicht. »Das sagt der Richtige, Scotty. Und jetzt geh duschen, du stinkst«, ärgere ich ihn und kneife ihn in die Wange, um von meiner Nervosität abzulenken.

»Im Ernst, Mag, du kannst ja mitfiebern, aber mit solchen Kerlen«, dabei deutet er hinter Handerson her, »legst du dich besser nicht an. Such dir endlich ein eigenes Hobby, kleine Schwester«, neckt er mich. Lässig wirft er das Trikot über seine Schulter und geht in Richtung Kabine.

Mein Bruder ist der Inbegriff eines Kapitäns. Der taktisch beste Spieler, konditionell stärker als die anderen, bildschön und bei allen beliebt. Auch seine Figur ist sportlich, aber kein Vergleich mit der seines heutigen Gegenspielers. Seine lockigen kurzen Haare haben die gleiche Farbe wie meine und sehen einfach immer stylish aus, ganz egal, was er gerade macht. Scott und seine Freundin Ember geben das perfekte Hollywood-Superstar-Homecoming-Queen-Paar ab. Und das mitten im tristen Süden von England.

Auch wenn ich mich mit dieser Art Mensch nicht wirklich identifizieren kann, ist mein Bruder kein schlechter Kerl. Er hat nach der Highschool eine Ausbildung zum Fitnesstrainer gemacht und arbeitet in einem Gesundheitscenter in der Nähe von Ramsgate. Scott ist durch und durch ein Sportler und hält nicht viel von Studierten wie mir. Dennoch haben wir uns immer recht gut verstanden, wobei er allerdings niemals einen Zweifel daran gelassen hat, dass er Dads Nummer eins ist. Aber er sieht mich als Teil des Teams, und das ist mir sehr wichtig.

***

Der Abend verläuft wie jeder andere. Unser Dad ist auffallend schweigsam und verzichtet außer seinem Fernsehsessel und einem Feierabendbier auf weitere Unterhaltung. Scott fährt zu seiner Freundin und ich kümmere mich um das bisschen Hausarbeit, das in unserem Beinahe-Männerhaushalt anfällt. Wenn es auch hier und da schon mal den Anschein hat, als gäbe es keine Frau in unserem Haus, bin ich diejenige, die alles unter Kontrolle hat. Für den Abwasch und eine warme Mahlzeit reichen meine Haushaltsfähigkeiten absolut aus.

Wir wohnen in einem kleinen Haus am Strand. Meinem Dad ist es wichtig, dass wir nicht in der Stadt wohnen, obwohl das wesentlich einfacher für alle Beteiligten wäre. Ich könnte mir die lästige Busfahrt zur Uni sparen und er könnte zu Fuß zur Arbeit gehen. Der Coach ist Sportlehrer an der hiesigen Highschool. Ich bin also auch in Sachen Bildungsweg die einzig Unsportliche in unserer Familie. Scott und ich wollten ihn schon etliche Male von einem Umzug überzeugen, aber er ist diesbezüglich stur. Ich vermute, er will unser Haus nicht verkaufen, weil es das Letzte ist, was ihn an unsere Mum erinnert. Manchmal wirft er mir solche Blicke zu, wenn er denkt, ich sehe nicht hin. Ich glaube, ich erinnere ihn an sie.

Ich kannte meine Mum nicht, sie ist bei meiner Geburt gestorben. Es gibt kein einziges Foto von ihr und in unserem Haus wird niemals über sie gesprochen, obwohl ich so gerne mehr über meine weiblichen Wurzeln erfahren würde. Es schmerzt mich, dass mein Dad sich so dagegen sträubt, seine Erinnerungen mit uns zu teilen. Scott war damals erst fünf und mein Dad musste lernen, sich alleine mit uns durchzuschlagen. Das hat ihm eine harte Schale verpasst. Manchmal frage ich mich, ob es einen Unterschied für ihn gemacht hätte, wenn ich auch ein Junge geworden wäre.

Ich lehne im Türrahmen und beobachte ihn, wie er sich ein Fußballspiel in seinem überdimensionalen Flatscreen ansieht. Der Fußball ist sein Leben. Ohne dieses einfache Ballspiel könnte er nicht existieren. Ich kenne niemanden, der so viel Energie in eine Sportart steckt wie er.

Langsam werden seine Schläfen mehr und mehr von grauen Strähnen durchzogen, aber dennoch ist mein Dad für sein Alter ein gutaussehender Mann. Seine schwarzen Haare hat er mir ebenso wenig vererbt wie die Größe. Mit meinen gerade mal eins sechzig komme ich, wie in so vielem, schätze ich, nach meiner Mum.

»Hey, Coach, ich gehe ins Bett«, sage ich und stoße mich von der Tür ab. Ich stütze mich auf dem glatten Leder seines Sessels ab, um ihm einen Kuss auf den Kopf zu drücken.

»Okay, Spatz. Hast du was gegessen?«

»Ja, Dad«, stöhne ich übertrieben. Er benimmt sich ständig, als wäre ich neun und nicht neunzehn. »Ich habe dir auch ein Sandwich hingestellt.«

»Danke, Liebling«, sagt er väterlich und tätschelt meine Hand auf seiner Armlehne. »Schlaf gut.« Ein schmales Lächeln umgibt sein sonst so ernstes Gesicht. »Du kommst doch morgen mit zum Platz?«

Was für eine Frage. »Ja klar. Ich komme nach der Uni zur Highschool, dann fahren wir zusammen hin«, beruhige ich ihn und schleiche geräuschlos die breite Holztreppe hoch, die zu meinem Zimmer führt.

Es zu ignorieren, dass es erst halb neun ist, als ich mich unter meine Decke gekuschelt mit Charlotte Bronte nach Thornfield Hall in eine andere Zeit begebe, halte ich für das Beste.

In den Welten meiner Bücher ist meine Seele zu Hause. Da kann ich alles tun und sein, was mir im realen Leben nicht möglich ist. Vor allem liebe ich die weibliche Literatur des 18. Jahrhunderts. Austen, die Bronte-Schwestern, Katherine Mansfield … Diese Frauen schenken mir den einzigen weiblichen Teil in meinem sonst recht testosteronüberfüllten Leben. Nur durch sie kann ich mich verlieben und schwärmen, so wie die anderen jungen Frauen in meinem Alter es in der Realität tun, während ich Fußball schaue und Torstatistiken erstelle. Ich habe niemanden außer Scott und meinen Dad. Unser Leben dreht sich schon so lange ich denken kann ausschließlich um Fußball und ich stehe mit meiner Literaturliebe zu Hause ziemlich alleine da.

Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass alle Männer sich für Literatur interessieren, aber manchmal erlaube ich es mir davon zu träumen, eines Tages einen Mann kennenzulernen, der mich wenigstens ein bisschen versteht. Der den Spagat, den ich zwischen meinen Welten mache, nachvollziehen kann. Allerdings gibt es bei den Ramsgate Firebirds definitiv keine Leseratten und in Literaturvorlesungen einen eingefleischten Fußballfan zu finden, ist auch ziemlich unwahrscheinlich.

Kapitel 2

Seit ich auf die UC gehe, ist mein Leben definitiv vielseitiger geworden. Hier bekomme ich sogar gute Noten, wenn ich mich meinem liebsten Hobby, nach dem Fußball, widme: den Büchern. Die meisten meiner Kommilitonen ahnen nichts von meinem recht einseitigen Alltag und so bin ich einfach eine von vielen. Ich falle nicht auf, wenn ich durch die Gänge schlendere. Optisch passe ich hier viel besser hin als in mein privates Leben.

Da mein ursprünglicher Traum, ein Fußballprofi zu werden, in jeglicher Hinsicht schlecht steht, strebe ich einen Job in einem Verlag oder einer Bibliothek an. Ich liebe es, durch Bücher in andere Welten und andere Personen zu schlüpfen. Ich sauge den Unterrichtsstoff auf wie ein Schwamm und arbeite mehr als die meisten Studenten.

So auch an diesem Tag, an dem drei Unterrichtsblöcke Literatur anstehen, was für viele andere eine Qual wäre, für mich aber wie der Sonnenaufgang nach einer dunklen Nacht ist. Die Zeit ist viel zu schnell vorbei und ich bin gedanklich noch völlig in einem anderen Jahrhundert verloren, als ich am frühen Nachmittag durch Canterbury laufe, um die Zeit totzuschlagen, bis mein Dad endlich Feierabend hat.

An den Trainingsabenden fahren wir gemeinsam ins Stadion und ich warte dort, bis Dad und mein Bruder fertig sind. Mir macht das nichts aus. Ich bin auf dem Platz groß geworden.

Manchmal denke ich darüber nach, mal aus der Reihe zu tanzen und zu Hause zu bleiben, aber ich gehöre irgendwie auf den Platz. Und der Gedanke, die beiden alleine zu lassen, fühlt sich eigenartig an.

Nicht, dass es irgendjemandem auffallen würde, wenn ich plötzlich nicht hier wäre. Ich bin Bestandteil des Stadions, gehöre aber trotzdem niemals richtig dazu. Ich bin wie eine schöne Blumenvase, die nett in der Ecke steht, auf die man aber auch verzichten kann.

Der Coach geht zur Mannschaft in die Kabine und ich beschließe, während des Trainings, auf der Tribüne zu lesen. Es ist nicht besonders kalt und mein Pensum an frischer Luft ist in letzter Zeit, bis auf die Spiele, ziemlich erbärmlich.

Ich widme mich voll und ganz Jane Eyre und kapsle mich in eine testosteronfreie Blase ab, die augenblicklich zerplatzt, als ich meinen Blick kurz über das mir so vertraute Spielfeld wandern lasse.

Das darf doch wohl nicht wahr sein! Wie vom Blitz getroffen stürme ich immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Tribüne hinunter und muss aufpassen, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Coach! Auf ein Wort!«, rufe ich laut über den Platz und augenblicklich sind alle Augen auf mich gerichtet, während meine wütenden Schritte vom Rasen gedämpft werden.

Mein Dad starrt mich verblüfft an und mir wird erst jetzt klar, was ich hier tue. Ich habe in den letzten zwölf Jahren nicht ein einziges Mal sein Training unterbrochen. Das hätte ich nie gewagt, nicht mal, als ich mir vor Jahren in der Eingangstür den Finger gebrochen habe. Aber nun ist es zu spät für einen Rückzieher, also kann ich meinen Unmut auch loswerden.

»Was zum Teufel will er hier?«, frage ich ihn so unauffällig wie möglich, wobei sämtliche Augenpaare nach wie vor an meinem Hinterkopf kleben wie Kaugummi.

»Maggie?« Coach Peterson ist völlig verwirrt und folgt suchend meinem Blick. »Handerson?«

»Ja, fucking Foul-Handerson!«

Sobald ich den Rasen betrete, gleicht meine Ausdrucksweise der eines Hooligans. Ich habe das einfach nicht unter Kontrolle, so sehr ich auch wünschte, es wäre nicht so.

Mein Dad inspiziert den Spieler von unten bis oben und scheint immer noch nicht begriffen zu haben. »Was soll das, Maggie?« Er kratzt sich nervös im Nacken. Weibliche Rebellion gehört nicht gerade zu seinem Fachgebiet.

»Du hast genau gesehen, wie heftig er Scott gefoult hat. Er spielt bei den Blasters. Was will er hier?«

Ich zapple aufgeregt von einem Fuß auf den anderen, aber mein Blick ist so gezielt auf meinen Dad gerichtet, dass ich es nicht mal wage, zu blinzeln.

»Maggie, du bist lange genug dabei, um zu erkennen, was für einen grandiosen Job er gegen deinen Bruder gemacht hat. Ich will ihn im Team. Er ist um Welten besser als Greg.«

Nach wie vor völlig verunsichert lässt mein Dad seinen Blick über die Jungs schweifen, die gerade Seitwärtssteps über den Rasen machen.

Natürlich habe ich bemerkt, wie gut er ist, ich bin ja nicht blind. Meine nachträgliche Google-Recherche hat das nur mehrfach unterstrichen, auch wenn ich nichts Privates über Samuel Handerson herausfinden konnte. Kein Instagram-Account, kein Facebook-Profil, lediglich Artikel über unzählige Spiele, in denen er sein Team vor einer sportlichen Katastrophe bewahrt hat.

»Du willst Greg rausschmeißen?«, platzt es schrill aus mir heraus. Seine Worte scheinen erst jetzt in meinem Gehirn angekommen zu sein.

Mein Dad sieht mich ungläubig an. In der Regel mische ich mich nicht in seine Arbeit ein. Nie. Unter keinerlei Umständen.

»Können wir jetzt endlich weiter trainieren, oder muss der Coach dir erst noch Tampons besorgen, Mag?«, schreit mein Bruder über den ganzen Platz.

Gelächter bricht aus und ich spüre, wie mir die Röte in die Wangen steigt. Wut schießt durch meine Adern wie ein Feuerwerk. Meine Augen sprühen beinahe Funken, als ich Scott meinen wütenden Blick zuwerfe und einen zornigen Abgang hinlege. Das wird er mir büßen.

Ich ernte den einen oder anderen Pfiff, blicke aber nur noch ein einziges Mal in Richtung Spielfeld. Und natürlich fängt ausgerechnet der tätowierte Schönling meinen Blick auf. Obwohl er auf der anderen Seite des Platzes steht, treffen mich seine eisblauen Augen wie ein Blitz.

»Maggie«, ruft der Coach mir nach.

Verzweiflung schwingt in seiner Stimme mit, aber ich ignoriere ihn und verlasse mit hocherhobenem Kopf das Stadion. Für heute ist mein Bedarf an Männlichkeit mehr als gedeckt und ich beschließe mich in unserem Auto vor dem Rest der Welt zu verschanzen. Sollen sie doch machen, was sie wollen. Ich bin fertig hiermit.

Verloren in meine Gedanken über dieses Ball gesteuerte Leben, das ich führen muss, oder will, oder einfach lebe, weil es keine Alternative gibt, wandert meine Erinnerung immer wieder zu den ozeanblauen Augen, die ich einfach nicht aus meinem Gehirn verbannen kann, so sehr ich es auch versuche. Dennoch ist es nicht zu fassen, dass mein Dad Greg wegen ihm von seiner Position kicken will. Er spielt schon seit der Jugend für unser Team. Gott sei Dank zwingt seine Verletzung ihn nach wie vor dazu, das Training sausen zu lassen. Er wird ausflippen, wenn er davon erfährt.

Genervt reibe ich mit beiden Händen durch mein Gesicht. Wie praktisch, dass ich niemals Make-up trage, denke ich noch, als es plötzlich an meine Autoscheibe klopft. Vor Schreck zucke ich zusammen und kann in letzter Sekunde einen Schrei unterdrücken. Nach kurzem Abwägen kurble ich das Fenster unseres uralten Lexus einen minimalen Spalt hinunter, gerade genug, um mich in Augen zu verlieren, die zu dem Typ gehören, der mich in diese Lage gebracht hat.

Mist. Was will der denn jetzt noch von mir?

Ich komme mir plötzlich unheimlich klein vor. Äußerst unangenehm, wie ich hier sitze, wie ein ungehorsames Kleinkind, das auf die Rückbank gesetzt wird, bis Daddy wiederkommt.

»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagt Samuel Handerson mit ruhiger Stimme. Er trägt eine schwarze Jogginghose und einen schwarzen Pullover, dessen Kapuze über seinem Kopf liegt. »Ich glaube, das hier gehört dir.«

Er schiebt meinen Roman durch den Fensterschlitz und zusammen mit der Kälte weht ein Duft von geduschtem Mann in meine Nase. Stumm blicke ich ihn an, nicht fähig zu reagieren.

»Bronte, also?«, durchbricht er meinen Schockzustand und ein Lächeln umspielt einen seiner Mundwinkel. »Ich hätte gewettet, du wärst eher ein Austen Mädchen.«

»Was weißt du schon von Jane Austen«, fauche ich ihn an, ohne darüber nachzudenken. »Lern lieber ein Foul vom Blocken zu unterscheiden.« Ich spucke ihm die Worte förmlich entgegen.

Was ist nur los mit mir? Ich bin so überrumpelt von seiner Nähe und dieser Stimme, ich kann keinen klaren Gedanken fassen.

Sein Lächeln erstarrt und er hebt abwehrend die Hände, als zielte ich mit einer Waffe auf ihn. Nach einem abwertenden Schnauben dreht er sich um und verschwindet so schnell in der Dunkelheit, dass ich kurz an mir zweifle, ob das gerade wirklich passiert ist.

Was um alles in der Welt war das? Was weiß ein Kerl wie er denn bitte von Charlotte Bronte? Gott, dieser Handerson ist wirklich seltsam und ich muss dringend dafür sorgen, dass er aus meinen Gedanken verschwindet, ehe er sich dort noch weiter einnistet.

Gott sei Dank dauert es nicht all zu lange, bis ich meinen Dad und Scott in der Dunkelheit erahnen kann. So hat meine Phantasie keinen Spielraum mehr für irgendwelche wilden Spekulationen über unseren neuen Spieler.

Schon während sie einsteigen, diskutieren mein Dad und Scott über die Aufstellung für das kommende Saisonspiel. Ich nehme keinen Anteil daran. Vielleicht hat mein Bruder recht und ich sollte mir endlich ein eigenes Hobby suchen. Ich befürchte, auf Dauer kann das hier nicht mein Lebensinhalt sein. Umso älter ich werde, umso erdrückender ist es, sich nur unter Männern zu befinden.

»Dieser Handerson ist ein seltsamer Kerl. Du solltest mal hören, was man so erzählt.«

Bei den Worten meines Bruders werde ich allerdings sofort wieder hellhörig.

»Fängst du jetzt auch noch an? Was habt ihr beiden nur mit diesem Jungen?« Ungläubig schüttelt Dad den Kopf, während er mit beiden Händen das Lenkrad festhält.

»Was erzählt man denn?«, will ich wissen und lehne mich dezent zwischen die Vordersitze.

»Bei den Blasters sagt man, er sei total strange. Er kommt als Letzter, geht als Erster, er redet nicht, er trinkt nicht. Keiner weiß irgendwas über ihn. Er kommt, spielt und verschwindet wieder. Voll der gruselige Freak.« Scott schnaubt abwertend. Mit seinen Fingern trommelt er nervös auf dem Armaturenbrett.

Der Coach ist da scheinbar anderer Meinung als wir.

»Und wenn er dabei keinen Stürmer zum Tor durchlässt? Was juckt’s mich, was er in seiner Freizeit macht.«

»Ach komm schon, Dad, du hast ihn gesehen. Ich will nicht wissen, in was für Kreisen der verkehrt. Man munkelt, er deale in London mit Drogen.«

Ich schlage mir die Hand vor den Mund. Ein Krimineller! Und ich war alleine mit ihm auf dem Parkplatz. Wenn die beiden das rausbekommen, bricht ein Donnerwetter über mir zusammen.

»Du solltest ihn nicht ins Team aufnehmen«, versuche ich meinen Dad – oder mich selbst – zu überzeugen. »Einer wie er ist sicher nicht der Richtige für uns.«

Und ich bin nicht scharf auf ein Wiedersehen mit einem Drogendealer.

»Zu spät, Liebling. Er wird schon am Sonntag gegen den FC Dover spielen.«

»Das kannst du nicht bringen, Dad!« Scotts Stimme überschlägt sich. »Was ist mit Greg? Er hat in dieser Saison eine saubere Abwehr gespielt.«

Mein Bruder ist Greg gegenüber absolut loyal. Wahrscheinlich sogar loyaler als mir gegenüber.

Ich merke, wie das Blut des Coachs langsam zu brodeln beginnt, weil wir uns einmischen, und natürlich kann ich es nicht lassen, es zum Überkochen zu bringen.

»Deine Spielerwahl hat wirklich schon bessere Zeiten erlebt, Dad.«

»Verdammt noch mal. Jetzt reicht es aber«, brüllt er mit seiner Trainerstimme. »Noch bin ich hier der Coach, verstanden? Wenn du ein Problem mit dem Jungen hast, kannst du gern bis zur Winterpause auf der Bank sitzen«, schreit er meinen Bruder an. »Und du!« Sein Blick durchbohrt mich über den Rückspiegel und ich rutsche immer tiefer in den Sitz. Ich hasse es, wenn er mich auf diese Weise ansieht. »Was sollte das heute?« Der Zorn in seiner Stimme bricht und es kommt ein anderer, noch schlimmerer Tonfall zum Vorschein. Verzweiflung. »Ach Mag«, wieder das Kratzen im Nacken, »was mache ich bloß mit dir?«

O wow, danke, Dad. Er hat eine wirklich unauffällige Art, mir mitzuteilen, dass ich das einzig wahre Problem in seinem Leben bin. Der Klang seiner Stimme gleicht einem Schlag in die Magengrube. Hätte er mich angeschrien, würde es weniger wehtun.

»Vielleicht steht sie ja auf den Verbrecher«, witzelt mein Bruder, während die Verletzung über Dads Worte noch in meinem Herzen nachhallt.

Ich boxe ihm mit aller Kraft gegen die Schulter. Das tat gut. »Dad«, rufe ich empört, in der Hoffnung, er nimmt mich in Schutz.

»Halt den Mund, Scott«, erfüllt er meinen Wunsch.

Damit ist das Gespräch offiziell beendet. Der Coach würde schließlich niemals in Erwägung ziehen, dass ich ein sexuelles Wesen sein könnte, und schon gar nicht mit einem seiner Spieler. Für ihn bin ich immer noch sein kleines Mädchen, das brav am Spielfeldrand wartet, bis die Jungs fertig gespielt haben.

In diesem Moment kommt mir das ausnahmsweise zugute.

Kapitel 3

Heute United Chartham zu schlagen könnte den Punktabstand ausbauen und die Jungs dem Aufstieg ein ganzes Stück näher kommen. In den letzten Wochen haben sie hart für dieses Spiel trainiert, während für mich die Tage vor sich hin plätscherten wie eh und je. Uni, Training und an den Wochenenden Spiele. Das unaufhaltsame Rad meines Lebens drehte sich weiter und weiter.

An den Wochenenden nahmen mein Bruder und seine Freunde jede Party mit, während ich mich um unser Haus und meinen Dad kümmerte. Manchmal komme ich mir vor wie seine Haushälterin, nur ohne Bezahlung.

Samuel Handerson spielt heute zum dritten Mal für unser Team und ist zugegebenermaßen eine absolute Granate auf dem Spielfeld. Seine Kondition ist der Wahnsinn. Er bekommt jeden Ball und lässt keinen Stürmer auch nur in die Nähe unseres Torhüters. Die weiblichen Zuschauer himmeln ihn an, während die anderen Spieler ihn skeptisch beäugen.

Ich versuche ihn und das Kribbeln, das sein Blick in meinem Bauch verursacht, zu ignorieren, was mir zunehmend schwerer fällt. Seine Augen verfolgen mich bis in den Schlaf, in dem es keine Grenzen namens Coach Peterson und Sohn gibt.

Mit jedem Mal, wenn ich ihn sehe, wächst mein schlechtes Gewissen, weil ich ihn so angeblafft habe. Ich frage mich immer wieder, ob wir uns vielleicht in ihm täuschen. Aber die Vorstellung, dass er wirklich so ein Freak ist oder gar etwas mit Drogen zu tun hat, verwandelt das Kribbeln in meinem Bauch zu einem stechenden Schmerz und ich will nie wieder ein Wort mit ihm wechseln, ganz gleich, wie seine Augen funkeln, wenn er nach dem Spiel wie ein Fußballgott an mir vorbeischreitet.

Scott hat recht behalten: Er kommt immer als Letzter in die Kabine gerauscht und nach dem Spiel beziehungsweise Training duscht er und ist schneller verschwunden als die Fans aus den oberen Rängen.

Vom ersten Moment an ist das Match aggressiv und beide Teams versuchen mit allen Mitteln ans Ziel zu kommen. Scott hat Schwierigkeiten, durch die gegnerische Abwehr zu stoßen, aber Sorgen bereitet dem Coach der Spitzenstürmer von Chartham. Ein ekliger rothaariger Kerl mit viel zu langen Beinen. Er ist Torschützenkönig der Liga und ein absolutes Kopfballwunder. Handerson hat alle Hände voll zu tun, ihn in Schach zu halten. Das Gute an seiner aggressiven Erscheinung ist, dass er direkt einschüchternd auf seinen Gegner wirkt. Doof nur, dass dieser Effekt auch nach wie vor bei seinen eigenen Spielkameraden greift.

Der Chartham-Stürmer wird immer wütender, weil er merkt, dass er nicht durch unsere Abwehr stoßen kann, und mein Dad heizt Handerson immer weiter an, er soll dranbleiben, ihm keinen Raum geben, was er genau so umsetzt. Der Coach hat selten einen seiner Jungs so viel gelobt wie ihn und ich bin mir ziemlich sicher, dass Scotts Abneigung dadurch nur noch weiter zunimmt.

Ich hingegen habe mich in den letzten Spielen erstaunlich gut zurückgehalten. Ich laufe zwar angespannt an der Linie hoch und runter, zügle aber meine Zunge in den meisten Fällen. Warum kann ich mir selbst nicht recht erklären. Ich rede mir ein, dass ich es aus Wohlwollen meiner Familie gegenüber und für meinen Ruf tue und es natürlich überhaupt nichts mit dem sonnengebräunten Gesicht zu tun hat, das mich in den Untiefen meines Bewusstseins verfolgt.

Kurz vor der Halbzeit holt der schmierige rothaarige Kerl aus und geht mit gestrecktem Bein in den Ball, obwohl Handerson schon auf dem Boden liegt. Ein allgemeines Gebrüll bricht aus und der Schiedsrichter, die Pfeife noch vom Foulabpfiff zwischen seinen Zähnen steckend, winkt sofort mit ausgestrecktem Arm die Sanitäter auf den Platz. Ich stehe lange genug auf dem Feld, um zu wissen, dass das kein gutes Zeichen ist. Einer ist definitiv verletzt.

Durch die Ansammlung von Spielern um das Geschehen kann ich nicht viel erkennen und meine Hände fangen vor Nervosität an zu zittern. Dann endlich schickt der Schiedsrichter Handerson vom Feld und ich sehe schon von Weitem, dass seine Nase heftig blutet. Er muss aussetzen, bis kein Blut mehr zu sehen ist, so ist die Regel. Er lässt sich am Spielfeldrand nieder und prustet immer wieder Blut durch die Nase, während er sich ein Nasenloch zuhält.

Eklig.

Der Coach wird nervös und rennt hektisch auf und ab. Er muss die Lücke ausgleichen, solange unser Libero nicht im Spiel ist. Aufgeregt zieht er Scott zurück ins Mittelfeld, schreit die Spieler an, damit diese Samuels Rolle übernehmen können.

»Handerson, du musst wieder rein, sonst dauert es nicht lange, bis wir ein Tor fangen«, schreit er. Die Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben und dass sein Spieler verletzt auf dem Boden liegt, scheint er gar nicht wahrzunehmen.

Greg, der nach wie vor wie angewurzelt auf der Bank sitzt, wechselt einige fragwürdige Blicke mit meinem Bruder. Für einen Moment meine ich, Schadenfreude über ihre Gesichter huschen zu sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass ihre Abneigung so weit unter die Gürtellinie geht.

Mein Blick wandert zu Samuel, der das Gesicht hinter den Händen verbirgt und immer wieder Blut ausspuckt. Er muss einen ziemlichen Schlag abbekommen haben. Wie automatisiert tragen meine Füße mich zu ihm, ich gehe vor ihm in die Hocke und halte ihm ein Papiertaschentuch hin.

»Geht’s?«, frage ich zaghaft und fische eine Flasche Wasser vom Spielfeldrand, die ich ihm mit ausgestrecktem Arm hinhalte. In der Hoffnung, er sieht das Zittern meiner Hände nicht, stecke ich sie schnell zurück in meine Taschen.

Er putzt sich die Nase und wäscht seine Finger mit dem Wasser, ehe er noch einen Schluck trinkt und die Flasche neben sich fallen lässt. Ich lege meinen Kopf auf die Seite und versuche in seine Nase zu schauen, während sich unsere Blicke treffen. Plötzlich scheint sich die Welt nicht mehr zu drehen. Sekunden verstreichen, vielleicht Minuten. Mein Gefühl für die Zeit ist zusammen mit meiner Selbstbeherrschung davongeflogen.

»Wie sieht’s aus, Handerson?«, erklingt die Stimme vom Coach hinter mir und löst mich so abrupt aus meiner Schockstarre, dass ich beinahe das Gleichgewicht verliere.

»Bin wieder da, Coach.«