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Das Kontinuum in dem sich unser Sonnensystem befindet wurde von den Daseinsverwaltern geschaffen. Dieses Kontinuum wird als fehlerhaft angesehen da es "fressen und gefressen werden" ermöglicht. Dann wurden auch noch die Menschen als Ebenbilder der Daseinsverwalter von dessen Sohn Thore erschaffen. Nun wird dieser geschickt um dafür zu sorgen, dass die Menschheit sich selbst vernichtet. Es ist ihm jedoch verboten die Ebenbilder direkt auszulöschen. Unser Kontinuum stößt gegen ein anderes, "brauchbares", welches Kontinuum der Träume genannt wird. Der Seelenspiegler spürt die Erschütterung und fliegt mit den Freunden bis an den Rand unserer Kontinuumblase. Hier kann er nicht bremsen und durchstößt die Hülle. Sie landen im Traumkontinuum und treffen auf Thore. Er bringt sie zurück in ihr Kontinuum und findet den Weg zur Erde.
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Seitenzahl: 334
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Vorwort
Kontinuum der Träume
Infektionisten
Das Daseinsverwaltungsgericht
Selbsterkennen
Der Hersteller
Urlaubsfreuden
Plop
Aus dem Paradies nach Hause
Wieder in der Heimat
Der Türöffner
Erschütterungen
Gebrochene Abmachungen
Befreiung
Gedankenspiele
Träume werden wahr
Niederkunft und Herkunft
Die vorletzte Versammlung
Schmucksteine
Urlaubsreif
Alpträume
Wunderland
Hilflose Hilfe
Kopflos
Zeitsprung
Träume im Buch
Stopp
Muttersöhnchen
Familientreffen
Verzerrungen
Die große Beichte
Zehn kleine Spieglein
Lachende Geister
Eine freundliche Pustel
Geisterdämmerung
Echsendämmerung
Geisterstunde
Glückliche Rückkehr
Böse Neugier
Veras Welt
Ebenbilder
Schlangengrube
In der Falle
Erinnerungen
Die Katalysatorin
Wandlungen
Die Detektei Walder
Trinker
Irrsinn
Rettung inkognito
Überraschung
Weitere Verrücktheiten
Ein neues Blatt Karten
Götterdämmerung
Ein Neuanfang
Im alten Rom
Die Alten
Die Kriminaler
Depressionen
Ein neuer Fall
Epilog
W.B. Grossmann
Impressum:
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © 2019 Monika und W. Bernd Großmann,
22523 Hamburg, Elbgaustraße 3
https://barni-bigman.wixsite.com/barni-bigman
Auch dieser zweite Band basiert auf der Science Fiction Taschenbuch Reihe „Weltensichten“, die ich unter dem Pseudonym, Liesbeth Listig, herausgab. Da diese Taschenbücher reges Interesse bei meinen Leserinnen und Lesern weckten, habe ich mich entschlossen, eine Überarbeitung des Stoffes vorzunehmen und Ihnen nun eine korrigierte Fassung als Roman zu präsentieren. Die vorgenommenen Korrekturen umfassen dabei nur inhaltlich unwesentliche Bereiche, um die Zusammenhänge besser darzustellen.
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr
W.B. Grossmann
Der kleine Thore saß an einem Gerät, welches wir in unserem derzeitigen Dasein wohl als PC bezeichnen würden, und spielte unbeaufsichtigt. Vater hatte vor einiger Zeit für seinen Chef, den obersten Daseinsverwalter, daran gearbeitet und verschiedene Szenarien erdacht, diese jedoch aufgrund gravierender Mängel alle wieder verworfen. Mehrere Universen lagen aber noch im Rundordner. Natürlich konnte Thore, trotz strengsten Verbotes, nicht widerstehen und reaktivierte eines der Kontinuen, die schon verworfen waren. Es war eine Blase mit unendlicher Größe und unendlicher Kleinheit im räumlichen, wie auch im zeitlichen Spektrum. Zwischen dem Größten und dem Kleinsten hatte er Existenzen geschaffen, die verschiedensten Moralkodexen folgten. Besonders faszinierend fand Thore das „Fressen und Gefressen werden“, da dieses dem eigenen Kodex zuwiderlief und vom obersten Daseinsverwalter auch strengstens verboten worden war. Es wurde als obszön und widerlich angesehen und lag unter einem allgemeinen Bann. Besonders geeignet für Kinder, die gern etwas Verbotenes ausprobieren. So ließ er der Evolution seinen Lauf und beschleunigte sie von Zeit zu Zeit etwas, da er nicht warten wollte und das Ganze doch so schön eklig war. Thore hatte gerade Riesenechsen ins Spiel gebracht, die andere Riesenechsen tot bissen und blutig ausweideten, als seine Mutter ihn zum Essen rief. Um seine Missetat zu kaschieren, ließ er einen großen Kleinplaneten ins Szenario stürzen und löschte damit den größten Teil des grausigen Spielzeugs.
Nach dem Essen und einem Mittagsschläfchen, dem „Schlaf des Gerechten“, setzte sich Thore wieder an das Spielgerät und heckte weiteren, bösen Schabernack aus. Er wollte etwas erschaffen, was für die Meisten seiner Art ein unvorstellbares Sakrileg darstellte. Thore wollte Wesen erschaffen, die aussahen wie er selbst. Er beschleunigte erneut die Evolution und lenkte diese in eine Bahn, die unweigerlich Wesen dabei herauskommen lassen würde, die über Selbsterkenntnis verfügten, aber immer noch dem allgemeinen Grundsatz des „Fressen und Gefressen werden“ folgen mussten. Das Unheil nahm seinen Lauf. Die Wesen erforschten alles, was in ihrem zeitlichen und räumlichen Rahmen möglich war. Das Größte und das Kleinste, was sie mit ihren bescheidenen Mitteln erkennen konnten, nutzen sie vorwiegend dazu sich gegenseitig zu vernichten und dabei angeblich sogar in seinem Namen zu handeln.
Thore war außer sich. Es war bei höchster Strafe verboten, Wesen, die wie er selbst über sich nachdenken konnten, zu vernichten. Aber er musste sie 8 doch loswerden, bevor Vater ihn bei seinem Tun noch erwischte. Er versucht alles: Erdbeben, Feuer, Wasserfluten. Nichts half gegen diese abartige Brut. Nun schnitten sie sich gar in seinem Namen die Kehlen durch, worüber er bei den ersten primitiven Abkömmlingen noch gelacht hatte. Vater stand mit bösem Blick hinter ihm und Thore ahnte, er würde niemals wieder das Gerät bedienen dürfen. Wenn Vater dieses seinem Chef melden würde, wäre die ganze Familie geliefert. Sein Vater wusste, dass die nächste Geräteüberprüfung erst in sehr vielen Deka-den stattfinden würde und schob das ganze Kontinuum in einen geheimen Ordner. „Wenn die Wesen von selbst ausgestorben sind, löschen wir das Ganze“, meinte er noch. „So lange kann das ja nicht dauern.“
So vergingen viele Zeitalter ohne, dass die Daseinsverwaltung von dem unglaublichen Tun erfuhr. Es ging so lange gut, bis Thores Mutter einer Freundin unter dem Siegel der Verschwiegenheit von einem geheimen Ordner erzählte, den die Verwaltung nicht prüfen dürfe. Diese Freundin erzählte ihrer anderen Freundin, natürlich auch unter dem Siegel der Verschwiegenheit, davon und das Lauffeuer war entbrannt. Solche „Hausbriefkästen“ funktionierten bei den höheren Wesen natürlich genauso gut, wie bei den Fehlentwicklungen, die Thore in die Welt gesetzt hatte und die natürlich nicht wie geplant ausgestorben waren. „Erzähle etwas unter dem Siegel der Verschwiegenheit und du kannst sicher sein, dass in kürzester Zeit alle Welt davon weiß“, stöhnte der oberste Daseinsverwalter auf. Thores Vater, der zum Rapport gerufen worden war, saß da wie vom Donner gerührt und war sprachlos. Nach unzähligen Äonen fachlicher Diskussionen, war er tatsächlich sprachlos. Auf diese Offenbarung wusste er nichts zu sagen. „Wäre deine Frau doch auch so still gewesen wie du im Hier und Jetzt, dann wäre uns vieles erspart geblieben“, meinte sein Vorgesetzter missmutig. „Als mir die Sache zugetragen wurde, musste ich dem nachgehen und habe deine Maschine sichergestellt.“
„Aber das ist nicht das Schlimmste.“ „Gibt es Schlimmeres“, fragte Thores Vater traurig und gebrochen? „Natürlich gibt es das!“ Nun kochte der Chef vor Wut. „Ich hatte gerade ein schönes, makelloses Kontinuum entwickelt und bereits zum Einsatz freigegeben. Dann kam deine dumme Datei und ich legte deinen versteckten, verdreckten Unrat neben meinen Entwurf auf meinen Entwicklungsplatz. Sie stießen aneinander und nun ist mein Kontinuum infiziert. Ein Virus ist eingedrungen und die schrecklichsten Träume werden wahr.“
Ein Schachspiel vertrieb Rigo und Bernhard die Reisezeit, aber sie hatte ihre liebe Mühe, die um Aufmerksamkeit heischende Agnes davon abzuhalten, unqualifiziert in das Spiel einzugreifen. Manfred wollte mit den Dreien bis an den Rand des bekannten Universums vorstoßen und, obwohl eine Raumkrümmung nur verhältnismäßig wenig Reiseeigenzeit beanspruchte, dauerte es doch ein paar Tage. Plötzlich beschlich alle ein ungutes Gefühl und als sich dann noch Manfred aufgeregt an sie wendete war klar, dass etwas Furchtbares geschehen war. Ich kann die Krümmung des Raumes nicht mehr beenden, dachte er aufgeregt. So etwas ist mir noch nie passiert. Das Ende unseres Kontinuums dürfte, nach meinen Berechnungen, bald erreicht sein und ich bekomme die Raumkrümmung nicht in den Griff. Es ist, als wenn mich etwas Riesiges immer weiterzieht.
Manfred wurde immer hektischer bei den Versuchen, die Krümmung doch noch zu glätten. Dann gab er erschöpft und frustriert auf. So hatten die drei Freunde ihren, immer so überlegen wirkenden Außerirdischen noch niemals erlebt. Ich kann es nicht stoppen, greinte er. Wir werden alle umkommen, wenn nicht ein Wunder geschieht.
Du könntest umkommen, dachte Bernhard pragmatisch. Wir anderen sind bereits gestorben. Natürlich wäre es nicht wünschenswert, wenn gerade dann, wenn es spannend wird, das Licht ausgeht. Aber die einzige arme Sau bist du, da du noch reales Leben in dir hast. Sehr empört meldete sich nun auch Agnes zu Wort. Und ich wollte euch noch ein paar Jahrtausende körperlich und geistig Freude bereiten, schimpfte sie entrüstet. Das soll nun alles vorbei sein? Aus Rigos Ecke kam nur ein „Danke“ und keiner wusste so recht, wie er das meinte. In der Zwischenzeit hatte sich Manfred wieder gefangen und seine Synapsen arbeiteten wieder rational. Wir haben sicher noch mindestens zwei Tage, bis was weiß ich passiert. Ihr könnt derweil in meinen Bibliotheken stöbern, wenn ihr wollt. Gegen etwas Lehrreiches zum Schluss hatte Rigo nichts einzuwenden. Agnes jedoch ergriff Bernhards Hand und zog ihn mit sich fort, in einen Winkel von Manfreds neuronalem Netz, der nur für ihren Geist bestimmt war.
Aber seid nicht so laut, sagte Manfred noch und obwohl die Gesamtsituation nicht dazu angetan war, konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Nachdem seine Freunde nun damit beschäftigt waren letzte, interessante Dinge zu erledigen, rechnete Manfred seine verbleibenden Möglichkeiten durch. Die nächsten Spiegler, die er hätte um Hilfe bitten können, standen zu weit entfernt, als dass sie ihn noch in der verbleibenden Zeit hätten erreichen können. Außerdem würde er sie dann wahrscheinlich nur mit ins Unglück reißen. Was konnte es sein, was ihn so rigoros anzog? Hier, am Ende der Welten, hätte er eine solche Kraft nie vermutet. Nun war er aber auch einer der jüngsten Spiegler und eventuell fehlte ihm nur die Erfahrung, um dieses Problem zu meistern.
Dann erinnerte er sich jedoch, dass er vor nicht allzu langer Zeit, bei einem Zeitparadoxon, seinem älteren Ich begegnet war. Folglich würde diese Situation nicht sein Ende bedeuten, tröstete er sich. Dann ging alles sehr schnell. Die Gedanken aller an Bord befindlichen Seelen nebst der von Manfred wurden nicht eingefroren, wiederholten sich jedoch ständig.
Rigo las gerade noch einmal in den Speicherungen der Krystallwesen, welche sie zuletzt besucht hatten, als ihn die Gedankenbeeinflussung traf. Wie eine kaputte Schallplatte, auf der immer wieder die letzten Töne zu hören waren, erlebte er seine Gedanken. Am härtesten, im wahrsten Sinne des Wortes, traf es Agnes und Bernhard, die in einem langen Orgasmus befindlich diesen immer wieder erleben durften.
Dann, nach unendlich wirkenden Minuten, war alles vorbei. Sie stießen gegen die schalenartige Begrenzung ihres Kontinuums und spürten nur noch einen wohligen Schmerz, als sie durch eine weitere Schale in ein anderes, größeres Kontinuum gezogen wurden.
Etwas ist anders, erklärte Manfred. Sie fanden sich auf einer erdähnlichen Oberfläche wieder, die sich wie ein unbeschriebenes Blatt Papier um sie herum, horizontlos auftat. Was ist das hier? fragte Bernhard, der sich augenscheinlich wieder hervorragend von dem Schock des Eindringens erholt hatte. Das weiß ich auch nicht, entgegnete Manfred, es fühlt sich an wie etwas Jungfräuliches, was bereit ist von etwas Ekligem besudelt zu werden. Das Eklige sind wir, dachte Rigo. Hier gibt es sonst noch nichts Böses und nichts Gutes. Ich muss mich erst einmal ausruhen und von dem Schock erholen, meinte Manfred.
Bereits eingeschlafen waren Agnes und Bernhard, die ein weiteres Schockerlebnis zu verkraften hatten. Nie wieder Sex, hatte Bernhard noch gedacht, bevor er entschlummerte. Rigo dachte noch einen Moment darüber nach, grinste und schlief ein. Wirre Träume begleiteten den Schlaf der Ankömmlinge. Sogar Manfred träumte. Er träumte er wäre ein kleiner, verlassener Erdenknabe, der nie zur Schule gegangen war und sich alles Wissen selbst aneignen musste.
Rigo war in seine Träumen Kommandant einer Raumschiffflotte und auf einem fernen Planeten gestrandet. Sein havariertes Raumschiff würde nutzlos in der Gegend herumliegen, wie ein Blechsarg. Ein Bibliothekar zu sein, der die Leser regelmäßig zur Stille ermahnen musste, nicht nur im Lesesaal sondern auch die Sexbesessenen hinter den Bücherwänden, träumte Bernhard. Und dann die holde Agnes. Sie war im Traum eine männerverschlingende Domina-Hexe, die aber nur eine Gefahr für die Männerwelt darstellte, wenn sie längere Zeit unbefriedigt blieb.
Rigo wachte ganz plötzlich auf und griff rechts an seinen Holster. Gott sei Dank, die Strahlenwaffe befand sich noch an seinem Platz. Sein schöner Raumgleiter, aus dem er wohl herausgeschleudert worden war, lag zerschellt hinter ihm. Ein merkwürdiger Ort war das hier. Es gab Helligkeit, aber keine Sonne. Auch regte sich kein Lüftchen, obwohl eine atembare Atmosphäre vorhanden war. Um ihn herum gab es buchstäblich nichts, außer einem Steinhügel, an dem sein Gleiter zerschellt war. Auch war er augenscheinlich auf den Kopf gefallen, da er sich an keine Ereignisse vor seinem Absturz erinnerte. In der Ferne jedoch gewahrte er eine Bewegung. Rigo raffte sich auf und ging langsam darauf zu.
Als er erwachte, reckte Bernhard sich und rieb sich den Schlaf aus den Augen. War er tatsächlich an seinem Pult eingeschlafen? Die Bibliothek war ruhiger als sie schon gewöhnlich war und auch sein Feierabendleuten lockte keinen verirrten Leser hervor. Na, dann wollen wir mal nach Hause gehen, dachte er noch, bevor er merkte, dass er nicht mehr wusste, wo sein zu Hause war. Irritiert trat er aus der Tür und befand sich im Nichts. Erschrocken wendete er sich um und trat erneut durch die Tür um wieder in die Bibliothek zu gelangen. Wieder stand er im Nichts. Helligkeit ohne Sonne und kein Horizont. Er musste verrückt geworden sein. In der Ferne sah er Gestalten, die sich bewegten. Verunsichert aber mutig ging er auf diese zu.
Mit Wut im Bauch und dem irrsinnigen Gefühl verlassen worden zu sein, erwachte Agnes. Hatte sie einer von den Kerlen auf den Kopf geschlagen und war ihr dann entkommen? Der Schlag musste die richtige Stelle getroffen haben. Schmerzhaft war nichts, aber sie hatte ihre Erinnerung verloren. Aber die verbliebene Unzufriedenheit bezog sich nicht auf ihren Unterbauch, sondern erklärte sich aus einem mächtigen Hungergefühl heraus, welches zufrieden gestellt werden musste. Warum war um sie herum nichts? Hatte ihre Zauberkraft sie aus der Welt befördert, als sie der Schlag traf? Die teuflisch gutaussehende, in schwarzes und rotes Latex gehüllte, Zauberin stand auf und griff nach ihrer Peitsche mit den sieben kabelartigen Auswüchsen. Sie war ihr in ihrer Bewusstlosigkeit wohl aus der Hand gefallen. Glücklicherweise hatte sie die Reise ins Nichts mitgemacht und, wie Agnes bemerkte, auch gut überstanden. Die Gerätschaft sprühte an ihren Enden kleine Funken, die immer wieder ihre Opfer an deren Pflichten erinnert hatten. Nun sah Agnes, dass sich in der Ferne, im Nichts etwas regte. Etwas zu Essen wäre jetzt vorrangig, dachte sie und näherte sich vorsichtig der Stelle, an der Bewegung zu erkennen war.
Manfred war ein kluger Junge von etwa sechzehn Jahren. Warum er nach seinem Wachwerden eine kurze Lederhose mit Hosenträgern, sowie Kniestrümpfe und Wanderschuhe trug, wusste er nicht. Merkwürdigerweise wusste er gar nichts mehr von seinem Vorleben nur, dass er kurze Lederhosen hasste. Wer hatte ihm dieses angetan? War er einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Um ihn herum war überhaupt keine Landschaft mehr erkennbar. Aber ein starker Duft nach gebratenem Fleisch und aromatischen Getränken stieg ihm in die Nase. Als Manfred hinter sich sah, stand dort ein rustikaler, langer Tisch der übervoll mit gebratenem Fleisch, Obst, frischem Brot und anderen kulinarischen Köstlichkeiten bestückt war. Vor allen Fragen, die es zu klären galt, war erst einmal das leibliche Wohl vorrangig zufrieden zu stellen und so sprang Manfred auf, setzte sich auf eine der Holzbänke und griff nach Herzenslust zu.
Was geht hier eigentlich vor?, dachte eine Stimme in seinem Kopf und jemand drückte ihm etwas, was mit Sicherheit eine Waffe war, ins Genick. Warum höre ich deine Stimme in meinem Kopf?, fragte Manfred zurück. Weiß ich doch nicht, dachte Rigo ärgerlich. Hier ist alles nicht normal. Darf ich wenigstens an deine Tafel und mitessen? Hat wohl keinen Sinn, dass ich dich mit der Waffe bedrohe. Bist ja wohl genauso unwissend wie ich. So ist es, dachte Manfred, und stecke deine Waffe weg. Das gehört sich nicht bei Tisch. Das muss mir ein Halbwüchsiger in einer Lederhose gerade sagen, knurrte Rigo.
Manfred kochte vor Wut. Wollte er doch nicht, gerade beim Essen und dann auch noch von einem Fremden, wegen seiner absurden Bekleidung gehänselt werden. Er sprang auf und wollte Rigo gerade körperlich zur Rede stellen, sprich ihm eine scheuern, als er von hinten wieder auf die Bank gedrückt wurde. Na, na, dachte da jemand, nicht so stürmisch junger Mann, so wie es aussieht, sitzen wir doch alle im selben Boot und hier fest. Also, darf ich mich zu euch gesellen? Habe einen Mordshunger. Manfred beruhigte sich und erklärte, dass es nicht seine Tafel sei, die sie hier plünderten. Jeder sei willkommen.
Bernhard setzte sich dazu und langte kräftig zu. Fast wäre ihm der Bissen im Halse stecken geblieben und auch die beiden anderen blickten erschrocken auf. In ihren Gedanken erscholl ein schrecklich, fröhliches, überlautes „Juhu, juhu“! Sie wendeten vorsichtig ihre Köpfe in Richtung der Juhugedanken. Auch ohne die Sprache zu benutzen, konnten sie die Richtung lokalisieren, aus der gerufen wurde. Eine skurrile Gestalt, augenscheinlich eine Frau, eine attraktive Frau, näherte sich ihnen. Allerdings schien sie etwas abartig veranlagt zu sein. Ihr Latexanzug betonte zwar ihre ausgesprochen schöne Figur, hielt jedoch die Begierden der anwesenden Herren in Grenzen. Keiner von ihnen stand so richtig auf Schmerzen und die funkensprühende Peitsche verhieß nichts Gutes. Zumindest dachte niemand dabei an Zärtlichkeit. Nur der Jüngling Manfred konnte die Augen nicht von ihr lassen. Die unholde, übernatürlich schöne Agnes wurde natürlich zum Schmaus eingeladen und aß nicht nur, nein, sie fraß wie eine siebenköpfige Raupe. Nach dem ausgiebigen Mahl der zusammengewürfelten Gruppe blitzten Agnes Augen und sie taxierte die Männer mit Raubtierblicken, was diese jedoch nicht zu bemerken schienen.
Nachdem sich alle vorgestellt hatten, zumindest mit Namen und dem Wenigen, was sie von ihrem Leben noch zu wissen glaubten, wurde erst einmal versucht ihre Lage, in der sie sich befanden, zu erfassen. Bernhards Bibliothek hatte sich aufgelöst. Schade, meinte Manfred, ich hätte gern in ihr gestöbert und viel gelernt. Als Fixpunkt blieb nur Rigos havariertes Raumschiff. Also packten sie etwas Wegzehrung ein und verließen die Tafel in Richtung des Wracks, welches nach einer Weile des Marschierens vor ihnen auftauchte. Gut, dass du Wanderschuhe angezogen hast, frotzelte Rigo in Manfreds Richtung. Er duckte sich vorsichtshalber weg, aber Manfred hatte nur Augen für das Raumfahrzeug das nun vor ihnen lag. Ich habe so etwas schon mal gesehen, dachte er staunend und strich, fast liebevoll über die Außenhülle des Gerätes. Fast fühlte es sich warm an. Das war kein Metall. Geformt war es wie ein übergroßes, dickliches Surfbrett.
„Was hat sich deine Frau bloß dabei gedacht, uns so in die Pfanne zu hauen?“ Der oberste Daseinsverwalter schüttelte seinen Kopf und wirkte betrübt. „Ich hatte meine Frau gewarnt, sie sollte ein Mal die Wahrheit verschweigen. Dabei wusste ich bereits, dass es ihrem Glauben zuwider lief, eine Freveltat geheim zu halten. Sie meinte wohl, sie würde den Glaubensgrundsätzen Genüge tun, wenn sie auf die geheime Datei hinweisen würde. Sie hat einfach nicht den allgemeinen Tratsch bedacht. Ich glaube nicht, dass sie Ihren Sohn und damit uns alle belasten wollte“, rechtfertigte Thores Vater das Verhalten seiner Frau. „Jedenfalls müssen wir nun da durch“, meinte der oberste Daseinsverwalter entschlossen.
„Komm, in einer Stunde tagt das Gericht. Hol nun Thore. Er ist alt genug, um für seine Taten gerade zu stehen.“ Es war eine lange Zeit vergangen, seitdem Thore das unglaubliche Sakrileg begangen hatte. Gleichwohl, es verjährte nie und er hätte die Konsequenzen selbst als Greis noch tragen müssen. So kamen Vater und Sohn, die armen Sünder, vor das Gericht.
Die Anklagen lauteten:
-Erstellung eines abartigen Kontinuums und verheimlichen einer schwerwiegenden Straf-tat – für den Vater
-Verursachung abartigen Leidens im Bereich „Fressen und Gefressen werden“, sowie Entwicklung von Ebenbildern –
für den Sohn
Nach vielem Hin und Her kamen die smarten Herren, wie zu erwarten, zu dem Schluss, dass die beiden in allen Punkten schuldig seien. Nun ging es daran, die Missetaten angemessen zu würdigen. Thores Vater wurde für eine relativ kurze Zeit degradiert und suspendiert. Er durfte in dieser Zeit nicht arbeiten. Ein ausgesprochen mildes Urteil, welches einem Urlaub ähnelte. Thores Vater war schließlich einer der besten Kontinuumnisten und wurde dringend gebraucht. Thore erging es anders. Seine Verbrechen wurden anders bewertet. Er wurde verurteilt, unter den von ihm entwickelten Menschenwesen zu bleiben, bis diese sich selbst ausgerottet hätten. Thore dürfe durchaus im Einzelnen ins Geschehen eingreifen, aber selbst die Ebenbilder nicht töten. Zuerst jedoch solle er jene, welche das gute Kontinuum verunreinigt hätten, in ihr eigenes Kontinuum zurück-führen, damit das infizierte, unbrauchbar gewordene, aufgelöst werden könne. Nachdem in dem anderen, abartigen Kontinuum die, welche über sich nachdenken konnten, ausgestorben wären, hätte er die Pflicht das Kontinuum zu zerstören. Erst dann wäre seine Schuld gesühnt und er dürfe zurückkehren. Thores Eltern wussten, was es bedeutete, über viele Zeitalter hinweg, destruktiv wirken zu müssen und verabschiedeten ihren Sohn mit Bedauern. Der verbitterte Thore wandte sich böse an seine Mutter: „Was für einer Göttin rennst du hinterher, die dich veranlasst hat mir dieses anzutun?“ Dann trat er an den Arbeitstisch des obersten Daseinsverwalters und ließ sich von dem infizierten Kontinuum einsaugen. Alle wussten, sie würden Thore lange Zeit nicht wiedersehen und dann wäre er auch nicht mehr derselbe.
Wie bist du denn nur da reingekommen, dachte Manfred an Rigo gewandt und Manfred betrachtete den Raumgleiter eingehend. Das habe ich völlig vergessen, meinte Rigo und er merkte, dass er nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an die Raumschlacht hatte. Was für ein Jammer, meinte Manfred, aber vielleicht ergründen wir die Funktionen ja noch. Sehr beschädigt sieht es ja nicht aus. Auch Bernhard inspizierte das merkwürdige Gerät. Die haifischartige Haut brachte ihn auf recht pragmatische Gedanken.
Ob man es essen kann? Bernhards Gedanken waren nur so dahin gedacht, stießen jedoch sofort auf entsetzte Ablehnung der anderen. Ist ja schon gut, beschwichtigte Bernhard als er Agnes erhobene Peitsche sah. Ihren grimmigen Blick kannte er irgendwo her. Ich meinte ja nur, für das Abendessen haben wir ja noch etwas von der Tafel mitgenommen, aber was ist mit Morgen und den weiteren Tagen oder Wochen? Darauf wusste niemand eine Antwort. Aber, wenn sie schon an Hunger und Durst sterben sollten, wollten sie wenigstens noch ein ausgiebiges Henkersmahl zu sich nehmen. So aßen sie schweigend die Reste ihrer mitgebrachten Speisen und begaben sich dann auf dem Nichts, welches wenigstens von weicher „Bettkonsistenz“ war, zur Ruhe.
Die Hexe in rotem und schwarzem Latex war nicht zufrieden. Sie wälzte sich hin und her und wusste innerlich, dass dieses Unwohlsein nicht am vielen Essen liegen konnte. Aber auch Manfred, ein pubertierender Knabe, der unbefleckt in seiner Lederhose auf Erfüllung lauerte, konnte keinen Schlaf finden.
So spürten beide eine brennende Gier in sich auf lodern, als sich ihre Blicke trafen. Ohne Worte zu verschwenden, machte Agnes mit der Hand eindeutige Zeichen, dass sie es hinter dem Raumgefährt, welches hier im Nichts die einzige Deckung bot, treiben wollten. Und wenn es die letzte seiner Handlungen sein würde, natürlich wollte Manfred. Und wie er wollte. Es könnte die einzige Gelegenheit für ihn sein, ein „Ungebraucht zurück“ auf seinem Grabstein zu vermeiden, wenn er jemals einen Grabstein bekommen sollte. Als sich Agnes und Manfred eng an das Raumgefährt pressten, waren Manfreds Gedanken über den Tod zwar verschwunden, hatten jedoch negative Spuren bezüglich seiner Potenz hinterlassen. Solche Gedanken wirken arg hinderlich in hingebungsvollen Situationen. Agnes hatte ihre liebe Not, nicht nur die skurrile Lederhose zu öffnen, sondern auch das dahinter versteckte Teil zur vollen Blüte aufzubauen. Aber die Latexhexe schaffte es und Manfred, eng an den Raumgleiter gedrückt, tat sein Möglichstes. Der orgastische Jubel der beiden weckte die anderen, doch Manfred war plötzlich verschwunden. Nur die im Traum oder Alptraum von Manfred erdachte Bekleidung lag noch auf und um Agnes verteilt. Die Anderen hatten zwischenzeitlich den Ort des Geschehens erreicht. Rigo zog seine Waffe und fragte Agnes, diese bedrohend, was sie mit dem Jüngling getan habe. Das eine war offensichtlich, aber Agnes stritt jegliche Beteiligung an Manfreds Verschwinden ab. Ich habe zwar das Ge-fühl, dass mir etwas Ähnliches in einem früheren Leben bereits schon einmal passiert ist und dass du dabei eine maßgebliche Rolle gespielt hast, aber Näheres weiß ich nicht darüber. Agnes entfernte die Überbleibsel ihres Liebhabers von ihrem Körper und ein paar Tränen kullerten aus ihren überschminkten Augenlidern.
Der Schock der Nichtexistenz, der eben noch der Schock eines überfeuchten Schoßes war, traf Manfred wie ein Blitz. War das immer so bei solchen Handlungen? Langsam kam er wieder zu sich und sein neuronales Netz, was vorher zur Untätigkeit verdammt war, fing wieder an zu arbeiten. Ein lautes, hysterisches Lachen schickte Manfred durch die Neuronen. Er war der letzte der Truppe, der Agnes gevögelt hatte. Wenn er das in der Zusammenkunft der Spiegler preisgeben musste, das wäre mal was Neues in der verstaubten, altehrwürdigen Runde. Ein Seelenspiegler, ja, ein Seelenspiegler war er und er hatte wieder alle seine Sinne beisammen. Er suchte telepathisch nach den Gehirnen seiner Freunde und fand sie schließlich außerhalb seines Netzes in einem fremdartigen Kontinuum wieder. Gern hätte er die Bande noch etwas, ohne über ihr Wissen um ihre reale Existenz, im Unklaren gelassen, aber die Tränen der Latexhexe rührten ihn, zumal er dieses Mal der Verursacher war. Langsam erhob sich der defektgeglaubte Raumgleiter und nacheinander verschwanden die erstaunten Gruppenmitglieder, die wie erstarrt dem Geschehen zusahen.
Als nun alle Geister wieder an Bord waren und, als alle wieder zu ihren Vorerfahrungen gefunden hatten, waren sie froh dieses Abenteuer bisher lebend überstanden zu haben. Nur Agnes schämte sich furchtbar und verschwand im Privatbereich, den Manfred für jeden Geist angelegt hatte. Natürlich hätte Manfred einfach in diesen Bereich eindringen können, aber er klopfte und bat um Einlass, als er Agnes Trost zusprechen wollte. Einige Zeit blieben seine Bemühungen unbeantwortet. Dann riss eine verheulte Agnes die Tür auf, um gleich wieder im Nebenraum zu verschwinden. Du musst mir glauben, dass ich auch nicht wusste, wer ich bin, dachte Manfred reumütig.
Zart berührte er ihre Seele und ließ ihren Glauben an sich selbst wieder wachsen, bis Agnes wieder ihre freche Lebenslust zeigte. Ohne dich hätte ich niemals diese Erfahrung machen können, erklärte Manfred dann begeistert. Für ein pubertierendes Ungeheuer hast du deine Sache aber auch nicht schlecht gemacht. Bis auf den Punkt des Verschwindens. Aber zumindest hast du nicht die Heinrich VIII Nummer abgezogen und bist tot auf mir liegen geblieben. Solche Streiche verabscheue ich, meinte Manfred schmunzelnd. Ich auch, meinte Agnes ernst und damit waren die Wogen geglättet, die Fronten geklärt und alles wieder im Lot.
Wir müssen die Grenze unseres Kontinuums durchstoßen haben und es muss ein anderes Kontinuum direkt neben unserem gewesen sein. Anders ist unsere derzeitige Lage nicht zu erklären, meinte Manfred zu den Freunden. Wir wären aber sicher nicht durch unsere Grenze gezogen worden, wenn dieses Kontinuum nicht größer und massereicher als unseres wäre. Wir können aber froh sein, dass es gleich an-grenzte, sonst brauchten wir uns keine Gedanken um unsere Existenz mehr machen. Jedenfalls ist dieses Kontinuum völlig anders aufgebaut als unseres und, wenn wir vorerst nicht zurückkommen können, müssen wir uns irgendwie hier einrichten, dachte Manfred weiter. Kontaminiert haben wir es bereits, so wie eine Mikrobe von der Erde es bei der ersten Mars-landung tun wird. Es ist also nicht mehr viel zu versauen, meinte Bernhard dazu.
Was ist denn das für eine Art Kontinuum, Manfred?, fragte Agnes, die aus ihren Gefilden unmerklich wieder zur Gruppe gestoßen war. Eine sehr gute Frage, meinte Manfred. Ich gehe davon aus, dass hier nichts war, bevor wir eintrafen. Also war es noch nicht, wie auch immer, belebt. Als wir eintrudelten, haben wir geträumt und unsere Träume wurden Realität, konstatierte Rigo, der die ganze Zeit nachdenklich zugehört hatte. Gut, dass Agnes und Manfred eine laute Zeit verlebten und wir noch nicht ein zweites Mal zum Träumen kamen, wer weiß, was wir sonst noch für Mist hätten Realität werden lassen. Eine schreckliche Vorstellung, meinte Manfred sofort und überspielte damit Agnes Wut, die wegen Rigos Anspielung in ihr aufkeimte. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns eine passende Umwelt zu träumen, damit wir überleben können. Auch ich kann sonst in dieser Welt, wenn man sie überhaupt so nennen kann, nicht lange überleben, überlegte Manfred. Erlaubt mir, eure Träume zu überwachen und ich kann euch zumindest eine brauchbare Umwelt schaffen. Werde euch dann auch wieder bei mir rauswerfen und eine Weile als Menschen wandeln lassen, während ich tagsüber nach einem Ausweg forsche und des Nachts versuche eure Träume in den Griff zu bekommen.
Kommst du dann auch wieder in Lederhosen zu uns? Bernhard grinste frech und alles lachte. Nein. Ich bin zu attraktiv für euch und bleibe lieber wo und wer ich bin. Im Übrigen werdet ihr auch wieder alle eure Erinnerungen haben. Also schlaft nun weiter und entschuldigt, dass Agnes und ich… Den Satz führte er nicht zu Ende. Der vernichtende Blick der früheren Latexhexe hielt ihn davon ab. Rasch beförderte er die Gruppe wieder nach draußen und, nachdem alle schliefen, führte er ihre Träume in die richtige Richtung. Als Erstes ließ er Himmel und Erde träumen. Irgendwie erinnert mich das an den menschlichen Bestseller, dachte er. Es bildete sich eine wunderschöne Parklandschaft mit Flüssen und Seen, am Himmel waren Wolken zu sehen und sogar eine Sonne, welche des Nachts unterging, wurde sichtbar. Dann kam das Naheliegende, was Stoffwechsler benötigen. Alles für oben rein und unten raus wurde erdacht. Essen und Trinken musste nicht auf herkömmlichem Wege erwirtschaftet werden. Es reichte durchaus aus, wenn jemand kurz nachts davon träumte. Alles hätte wie im Paradies werden können und eine Zeit lang war es durchaus vergleichbar. Die Tage vergingen und Langeweile wollte nicht aufkommen. Die manfredschen Grübeleien über eine Möglichkeit zur Rückkehr in heimatliche Gefilde waren nicht von Erfolg gekrönt. Das frustrierte ihn sehr. Schließlich war er ein Wesen, das um ein Tausendfaches intelligenter und wissender war als die Gruppe, die da draußen quasi Adam und Eva spielten. Und dann passierte es.
Sie haben in kürzester Zeit mein schönes Kontinuum komplett besudelt und unbrauchbar gemacht, greinte der oberste Daseinsverwalter. Was für eine Schande. Sie müssen dort schnellstens raus, damit ich es vernichten und dem Drama ein Ende setzen kann. Ist dein Sohn bereits bei ihnen eingetroffen? Thors Vater zuckte mit den Schultern. Keine Ahnung, meinte er, ich bin suspendiert, wie du ja weißt.
Er sollte schnell machen, die Kontinuen werden beide instabil und das schlimmste, was uns passieren könnte, wäre, wenn sie verschmelzen und ein stabiles Kontinuum des „Fressen und Gefressen werden“ bilden, in dem auch noch Träume wahr würden. Göttin, was wäre das für ein Scheiß. Die Infektionsherde müssen schnellstens beseitigt werden. Sag du ihm das, brummte Thores Vater und wendete sich zum Gehen. Der oberste Daseinsverwalter überlegte kurz und übermittelte dann Thore die beunruhigende Nachricht. Dieser war gerade dabei sich in einer Welt zurecht zu finden, welche verblüffend einem Zeitalter auf der von ihm missbrauchten Erde ähnelte. Hier vor Ort, war er vielen seiner Fähigkeiten beraubt.
Träume zu lenken hatte er nie gelernt. Ganze Kontinuen konnte er beeinflussen, aber Wesen, die wie er aussahen und doch viel perverser dachten, zu verstehen und zu beeinflussen, das war schon schwieriger. Zunächst musste er sie in dieser terraformten Umgebung erst einmal finden. Natürlich hatte er bereits geistige Gesprächsfetzen auffangen können, schließlich war er ein latenter Telepath, aber lokalisieren hatte er sie nicht gekonnt.
Dafür bekam ein fähigerer Telepath einen riesigen Schrecken. Ruhig, herrschte Manfred die lustig herumtollende Gruppe an, da kommt etwas oder jemand auf uns zu. Alle stellten sofort, sofern es ihnen möglich war, ihre geistigen Aktivitäten ein und Manfred schwebte der möglichen Gefahr entgegen. Dann kam Thore in seine Reichweite. Der hatte seine Gedanken nicht rechtzeitig abgeschottet und so konnte Manfred noch etwas von seinen Plänen erhaschen. Zumindest wusste Manfred nun, dass Thore nichts Gutes im Schilde führte und signalisierte seinen Freunden, nicht zu leutselig ihm gegenüber zu sein. Auch hatte er Thores Plan vernommen, sie wieder in ihr Kontinuum zu bringen und, dass danach dieses Kontinuum zerstört werden würde, da es durch Infektion unbrauchbar geworden war. Das alles ließ Manfred misstrauisch aufhorchen. Gleichwohl gab er sich nun Thore zu erkennen, da dieser ihn mit seinen geringeren Fähigkeiten auch bereits entdeckt hatte. Wer bist du und was willst du? Manfred spiegelte Thore ein grimmiges Mondgesicht ins Hirn, sodass dieser erst einmal erschrak.
Nachdem es sich wieder gefasst hatte, dachte er Manfred entgegen: Ich bin Thore, Erschaffer dieses und eures Kontinuums und ich muss mit dir und den anderen Eindringlingen reden. Du bist also ein Telepath? Gut erkannt, meinte Manfred nur und Thore verschloss seinen Geist so gut er konnte. So, so, der Erschaffer der Kontinuen, dachte Manfred. Dicker aufgetragen ging es wohl nicht. Aber sei uns willkommen. Manfred drehte sich um und flog langsam zurück zu den anderen. Darf ich vorstellen, meinte er mit etwas spöttischem Unterton, das ist Thore, der Erbauer der Kontinuen. Die drei Freunde waren erst einmal beeindruckt, bis sie den Spott in Manfreds Gedanken realisierten. Ich möchte euch einen Vorschlag machen, begann Thore das Gespräch. Ich bringe euch wohlbehalten zurück in euer eignes Kontinuum und ihr nehmt mich mit auf eure Welt. Allein würde ich lange suchen müssen im Kontinuum, wo es Groß und Klein gibt und was so unübersichtlich geworden ist. Was sagt ihr dazu? Die drei Freunde waren sofort Feuer und Flamme. Wollten sie doch schnellstmöglich wieder in gewohnten Gefilden sein.
Zwar waren ihnen hier träumerische Möglichkeiten geboten, aber wie heißt es? Zu Hause ist es doch am schönsten. Nur Manfred war misstrauisch. Wir werden uns beraten, warf er den pragmatischen Gedanken in die begeisterte Runde. Die Freunde wurden von Manfred eingesammelt und fanden sich umgehend in seinem schützenden Inneren wieder.
Hier, ohne von Thore belauscht werden zu können, klärte sie Manfred über seinen Verdacht auf. Als ich ihm entgegen flog, habe ich einige Gedankenfetzen von ihm aufgefangen, die sicher nicht für unsere Geister bestimmt waren. Er dachte, dass er schnellstens die ekligen, abartigen Eindringlinge in ihr Kontinuum zurückbringen müsse, damit dieses verschmutzte Kontinuum beseitigt werden könne. Und welche Schlüsse ziehst du daraus?, fragte Bernhard.
Erst einmal ist er sicher nicht der Erschaffer dieser Kontinuen. Ihr braucht ihn also nicht vergöttlichen. Zweitens sind wir für ihn so eklig, dass dieses von uns infizierte Kontinuum nicht weiter existieren soll. Drittens darf er uns, aus welchem Grund auch immer, nicht direkt vernichten, sonst wären wir längst tot. Des Weiteren will er mit uns in unser Kontinuum und auf die Erde kommen. Ihr merkt, worauf es hinausläuft?
Eine erschrockene Ruhe breitete sich aus. Dann meldete sich Rigo zu Wort. Das alles willst du aus ein paar Gedankenfetzen entnehmen? Bist du sicher, dich nicht verhört zu haben? Schließlich ist er nicht in Lederhosen erschienen. Wenn du die Vertrauens-würdigkeit eines Individuums an Äußerlichkeiten festmachst, ist wohl deine braune Vergangenheit wieder durchgeschlagen. Das war ein Treffer. Manfred merkte sofort, dass er unter der Gürtellinie gearbeitet hatte und versuchte sich zu entschuldigen.
Aber Rigo gab keine Ruhe. Wollte er doch nur wieder einen Lederhosenspaß machen. Du meinst wohl auch, ich sei eifersüchtig, auf jeden Fremden, der sich an Agnes heranmachen würde. Nun war die Stimmung ganz im Eimer. Agnes schimpfte wie ein Rohrspatz. Manfred war reumütig, aber auch wütend auf Rigo. Und Bernhard hielt sich raus, konnte sich aber das Lachen kaum verkneifen. Lagerkoller?
Bernhards Stimme übertönte laut, das Geschimpfe der anderen. Es wurde ruhiger und, sich schämend schauten alle in eine andere Richtung. Sorry, meinte Manfred, das durfte uns nicht passieren. Etwas einmal Gesagtes kann zwar nicht mehr aus der Welt geschafft werden, aber lasst uns einander verzeihen. Wir wollen doch noch einige Jahrtausende miteinander auskommen. Die Gruppe stimmte zu und so fanden sie rasch wieder in ihr eigentliches Thema. Ich traue diesem Thore nicht, meinte Manfred wieder. In vielen Kulturen, die ich im Laufe der Millionen Jahre, die ich schon auf Wissenssuche bin, getroffen habe, kamen ähnliche Verhaltensweisen vor. Glaubt mir, er sagt uns nicht die Wahrheit oder zumindest nicht die ganze.
Die drei Menschenseelen kamen wieder zum Vorschein. Für Thore wirkte es so, als hätte Manfred sie ausgespien wie etwas besonders Ekliges. Er konnte seinen Ekel kaum verbergen. Warum hatte er sich, als er noch jünger war, bloß so etwas begeistert ansehen können? Thore merkte zwar, dass die Gedanken der Gruppe von Manfred abgeschirmt wurden, das interessierte ihn jedoch nicht weiter. Zumindest die Gedanken dieser Ebenbilder hat er geschluckt, dachte Thore, wohl bekomm ś. Was Manfred noch mitbekam war der Begriff „Ebenbilder“, welcher sein Misstrauen umgehend verstärkte. Das hat aber lange gedauert, meinte Thore. Er war die vergangenen Stunden im Kreis gelaufen und hatte dabei das Gras niedergetreten, das um Manfred herum eine gute Höhe erreicht hatte. Was kann an einer Entscheidung nach Hause zu dürfen so schwierig sein? Ich würde gern heimgehen, muss aber noch viel erledigen.
Manfred wurde erneut hellhörig. Urlaub, sagte Manfred. Thore sah ihn fragend an. Wir wollen noch ein paar Jahre Urlaub machen und uns von den ekelhaften Machenschaften auf der Erde erholen. Thore merkte nicht, wie er Manfred in die Falle ging, die dessen Verdacht bestätigen sollte. Das kann ich sehr gut verstehen, meinte er arglos, aber hektisch. Das ist jedoch völlig unmöglich. Ich weiß nicht, ob ich euch später noch rüberbringen kann.
So, er kann also verstehen, dass wir von den ekligen Machenschaften auf der Erde Urlaub brauchen, signalisierte Manfred den Freunden, ohne dass Thore es mitbekam. Zu Thore gewandt meinte er nur: Dann warten wir eben auf die nächste Gelegenheit zur Heimreise. Wir haben hier die Möglichkeit, unsere Träume auszuleben. So schöne Abartigkeiten können wir zu Hause in unserer Realität nicht erleben. Thore wand sich wie ein Aal und versuchte mit allen Mitteln die Gruppe zur Abreise zu bewegen. Vergeblich.
Für alle hatte Manfred Urlaubsträume entwickelt, die ihren Charakteren und ihren Vorlieben entsprachen. Da er ja die Menschen als Ebenbilder betrachtete, musste selbst Thore schlafen und träumen, so dachte sich Manfred und, als dieser schlief, durch-brach der Seelenspiegler Thores oberflächlichen, geistigen Schutzwall. Weiter konnte er leider nicht vordringen, sonst wäre Thore erwacht, aber es reichte, um die Träume Manfreds Willen und seiner Phantasie zu unterwerfen. Für Agnes war für morgen ein karibisches Sonnenbad geplant, was aber schon in den Ansätzen von ihren Traumwünschen überspielt wurde. Sie fand träumend in ihr früheres Leben zurück und Manfred ließ sie ziehen. Er achtete jedoch sehr darauf, dass die früheren Ereignisse bei ihr keine Alpträume auslösten. Eine verheulte, traurige Agnes wollte niemand am Esstisch ertragen. Ein üppiger Essenstraum für alle, wurde ihr natürlich völlig uneigennützig auch unterlegt. Schließlich wissen Damen, die im früheren Leben Flugbegleitung studiert hatten, am besten, was so eine Gruppe morgens brauchte.
Rigo verbrachte den kommenden Tag vor seiner alten Kate an der Nordsee und kehrte dann zur rechten Zeit zur Gruppe zurück, damit gemeinsam gegessen und geplauscht werden konnte. Die Traumsequenz hätte Manfred perfekt eingebaut, meinte Rigo lobend. Nur das Bild über dem damaligen Schlafplatz hätte nicht unbedingt Lenin sein müssen, grinste er.
Bernhard hätte fast die Essenszeit vergessen, da er in Ägypten, im Tal der Könige gerade das unbekannte Grab eines unbekannten Königs ausgrub. Aber Manfred versprach ihm, den nächsten Traum anzuschließen und die interessante Ausgrabung weiter zu führen. So wurde immer wieder nachts geträumt, was am nächsten Tag Realität werden sollte. Auch Thore, der beim Essen immer wieder „dasselbe Lied sang“
und um den Aufbruch greinte, wurde dann, zum Abschluss seiner täglichen Realitätsträume geknebelt an einen Baum gehängt. Ein schöner Baum, der nur für ihn geträumt worden war und einen Abschluss seiner, zur Realität werdenden, ekligen Träume darstellte. Im wachen Zustand wurde er nun oft in das „Zauberland“ der Dinosaurier, welches Manfred von seinem ersten Aufenthalt auf der Erde her gut kannte, versetzt. Auch Thore kannte dieses nur zu gut, war ihm jedoch niemals so nahegekommen wie jetzt.
Irgendwann hörte Thore resigniert auf, um den Aufbruch in das andere Kontinuum zu betteln, und genoss einfach nur das eklige Essen, um nicht wieder wie eine Comicfigur am Baum zu landen. So vergingen Tage, Wochen und Monate und die Freunde amüsierten sich köstlich bei Manfreds schön ausgedachten Träumen. Selbst ein paar feuchte Träume waren dabei, die alle Beteiligten ausgiebig genossen.
Thore hörte den Ausführungen am Esstisch zwar aufmerksam zu, konnte aber natürlich nur theoretisch den ausführlich dargelegten, ekligen Fortpflanzungs-riten folgen. Nur Manfred wusste, wovon die Erden-bürger sprachen. Er hätte die dumme Lederhose sicher häufig angezogen, wenn er damit das Erlebnis hätte wiederholen können. Aber dazu sollte es nicht kommen. Manfred hatte seit dem Auftauchen von Thore genug damit zu tun gehabt, die Träume der anderen in Realität zu verwandeln. Außerdem benötigte er nicht wirklich Schlaf und war nur durch den Übertritt in dieses Kontinuum aus der Rolle gefallen, aus sich herausgekommen oder wie immer man den Ausfall bezeichnen wollte.
Urplötzlich war alles durcheinander. Thore steckte in einem rotschwarzen Latexanzug. Rigo hatte eine kurze Lederhose und Wanderschuhe an und Agnes und Manfred standen unbekleidet, man könnte behaupten nackt, neben der Hülle, die sonst wenigstens Manfred gut kleidete. Dann plötzlich war der Spuk vorbei und sie standen ordentlich bekleidet auf dem Nichts, welches ein wenig schaukelte und sie wie Betrunkene hin und her wanken ließ. Die Schaukelbewegung versiegte langsam und in der Ferne war ein leises „Plop“ zu hören. Was war das? Agnes war