Seewölfe Paket 37 - Fred] [AUTHOR McMason - E-Book

Seewölfe Paket 37 E-Book

Fred] [AUTHOR McMason

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Beschreibung

Zwischen den Palmen stand eine überlebensgroße Figur, aus bester Eiche geschnitzt, und zwar eine Galionsfigur, wie Hasard eindeutig feststellte. Diese Figur blickte wild und grimmig über die Bucht, die Haltung war drohend, was von der wütend vorgereckten rechten Faust, die auf die See wies, noch unterstrichen wurde. Und das Gesicht erst! Hasard spürte deutlich, wie sich sein Magen verkrampfte. Ein Gelächter wollte ihm explosionsartig aus der Kehle, doch er unterdrückte es mühsam, um die Insulaner nicht zu schockieren, die den hölzernen Kerl offenbar als Gottheit betrachteten. Kein Zweifel, der Mann aus Eiche war dem Profos Edwin Carberry wie aus dem Gesicht geschnitten, als hätte der dem Bildhauer als Modell gedient. Alles stimmte überein - von dem vernarbten Gesicht mit dem Amboßkinn über das gewaltige Kreuz bis zur Breite des riesigen Brustkastens...

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Impressum© 1976/2021 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-96688-111-1Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Inhalt

Nr. 721

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 722

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 723

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 724

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 725

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 726

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 727

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Nr. 728

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 729

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 730

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 731

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 732

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 733

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 734

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 735

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 736

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 737

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 738

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 739

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 740

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Mit dem bisherigen Verlauf konnte Kapitän Groenteboer ganz zufrieden sein.

Die Verhandlungen auf den Molukkeninseln waren so gut gelaufen, daß der offiziellen Gründung einer Gesellschaft und der damit angeschlossenen Faktoreien nichts mehr im Wege stand.

In spätestens zwei Jahren würde es diese Kompanie geben. Sie würde damit ein Handelsmonopol erwerben, wie es nur die Portugiesen oder Spanier hatten.

Das bedeutete wirtschaftlichen Aufschwung und unglaubliche Profite, Handelsspannen, von denen Groenteboer nie zu träumen gewagt hätte.

Kehrten er und der Kapitän der „Wilhelm van Oranien“ zurück, würden sie persönlich von Moritz von Nassau ausgezeichnet und geehrt werden.

Im Geiste sah Groenteboer diese Ehrung immer wieder vor sich, und er hatte auch schon oft mit Jens van Aacheren, dem Kapitän der anderen Fleute, darüber gesprochen.

Natürlich würde auch die Mannschaft nicht leer ausgehen, denn sie hatte einen beträchtlichen Teil zum Gelingen beigetragen.

Groenteboer war ein massiger, hellblonder und bärtiger Mann mit hellen grauen Augen und einem gesunden Verstand. Ein hervorragender Kaufmann und Taktiker war er ebenfalls. Das hatte die beschwerliche Reise zu den Gewürzinseln bewiesen.

Die große Freude und Zufriedenheit war allerdings durch etwas ein wenig betrübt. Und dieses Etwas stand wie hingenagelt an der westlichen Kimm und rührte sich nicht.

Es war eine Wolkenbank, und beim bloßen Anblick dieser Erscheinung wußte der erfahrene Kapitän, daß sie ihnen noch eine Menge Kummer bereiten würde.

Vorsichtshalber Land anlaufen?

No, Mijnheer, das war nicht drin, nicht wegen eines bevorstehenden Sturmes. Die beiden Fleuten waren von guten Baumeistern auf Kiel gelegt worden, von Männern, die ihr Handwerk verstanden. Sie knüppelten selbst bei dickem Wind nur so durch die See, daß es eine Freude war, auf ihnen zu segeln. Außerdem hatte man vor einer Mütze voll Wind keine Angst.

Land war auch nicht zu sehen. Groenteboer schätzte, daß sie etwa auf halber Höhe von Java waren, der Insel der Feuerberge, vermutlich mindestens fünfzig Meilen nördlich, wenn die Karten stimmten.

Er stand mit untergeschlagenen Armen auf dem Achterdeck und sah das seitlich versetzte Kielwasser der „Wilhelm van Oranien“. Vom Achterdeck winkte ihm Jens van Aacheren öfter mal gutgelaunt zu.

Groenteboer winkte zurück, aber er wurde das unruhige Gefühl nicht los, das ihn seit kurzem erfaßt hatte. Er hatte schon so viele Stürme abgeritten, daß er sie nicht mehr zählen konnte, und doch war diesmal alles ganz anders, obwohl bisher lediglich eine Wolkenbank am Himmel zu sehen war.

Scherzhaft, in Wirklichkeit aber, um seine Unsicherheit zu verbergen, deutete er mit der Hand zu den Wolken und blies dabei die Wangen auf.

Zeigte van Aacheren sich ebenfalls besorgt?

Natürlich nicht.

Der kleine und drahtige Kerl mit der tiefen Stimme winkte mit beiden Händen verächtlich ab. Wahrscheinlich sah er die Wolkenbank als eine einzige Herausforderung an, in die sie mitten hineinsegelten.

Da lachte auch Groenteboer, allerdings etwas gekünstelt.

„Ich unternehme einen Rundgang“, sagte er zu dem Ersten Offizier Cornelis Hertog.

Hertog, ebenfalls ein bulliger Mann mit verkniffenem und fast düsterem Gesicht, nickte bedächtig.

Er kannte das. Immer wenn Groenteboer seine Rundgänge unternahm, inspizierte er das Schiff aus dem einzigen Grund, weil er wußte, daß ihnen bald etwas bevorstand. Lange genug hatte der Kapitän die Wolkenbank auf ihrem Kurs gemustert. Jetzt wollte er sich vergewissern, ob das Schiff in tadellosem Zustand war.

Groenteboer winkte Rochus van Traa, dem vollbärtigen und drahtigen Schiffszimmermann, der ihn begleiten sollte.

„Was gibt es, Cap?“ fragte der bärtige Mann. Sie nannten ihn immer Cap, vom Moses bis zum Ersten Offizier.

Groenteboer deutete zu der Wolkenbank, die fast unmerklich immer schwärzer wurde und bereits einen beträchtlichen Teil der westlichen Kimm ausfüllte. Man sah sie nicht wachsen – sie dehnte sich von innen heraus immer weiter aus, und wenn man nach einer Weile wieder hinsah, war sie größer und mächtiger geworden.

„Alle Verschalkungen überprüft, Rochus?“

„Alles dicht, Cap.“

„Dann frage ich dich, warum es hier nach Pfeffer und Vanille riecht. Die Gewürze befinden sich in wasserdichten Fässern, über das Deck bläst ein leichter Wind, trotzdem kann man meilenweit riechen, was wir geladen haben.“

„Das Holz, Cap“, sagte Rochus van Traa bedächtig. „Der starke Geruch der Gewürze dringt allmählich durch das Holz und wird immer intensiver. Der Geruch wird noch stärker werden. Wenn wir in Amsterdam in den Hafen einlaufen, werden alle sieben Provinzen nach den Gewürzen duften.“

„Ja, wenn!“ entfuhr es dem Kapitän unwillkürlich.

Er spürte, daß seine Nackenmuskeln verkrampft waren und ihm ein kühler Schauer über den breiten Rücken lief. Für einen winzigen Augenblick hatte er eine fürchterliche Vision wie in einem Alptraum. Er sah, wie der Bug der „Harlingen“ steil aus dem Wasser stieß. Das Schiff schüttelte sich und flog in einem wilden Trümmerregen auseinander wie ein Spielzeug.

„Wenn?“ fragte Rochus. „Es wird noch ein paar Monate dauern. Was hast du, Cap, ist dir nicht gut?“

„Godverdomme“, murmelte Groenteboer.

Zusammen mit dem Schiffszimmermann sah er die Verschalkungen nach und überprüfte alles genau, obwohl er wußte, daß auf den kleinen, drahtigen Mann absoluter Verlaß war.

„Wir werden in ein Unwetter geraten“, sagte er, als sie das Vorschiff erreichten.

Den Schiffszimmermann ließ das kalt.

„Na und, Cap? Seit sich die spanische Armada in alle Winde zerstreut hat, sind wir Holländer die Lehrmeister im Schiffbau geworden. Unsere Fleuten sind die stabilsten Schiffe, die es gibt. Die reiten selbst vollbeladen jeden Sturm ab.“

„Das weiß ich“, knurrte Groenteboer. „Deshalb muß ich mich auch vergewissern, daß alles seine Ordnung hat.“

Vom Bug aus blickte der Holländer in die See.

Unter dem Bugspriet befand sich die Galionsfigur, die sich mit breiter Brust der anrollenden Dünung entgegenwarf.

Diese Galionsfigur stellte einen riesigen Kerl dar, einen muskelbepackten Mann mit Narben und einem ziemlich wüsten Gesicht. Der Kerl blickte grimmig in die See, und er hatte ein stark ausgeprägtes Kinn wie ein Amboß.

Die Figur symbolisierte Kraft, Ausdauer und Stärke. Die ewig anrollende See hatte tiefe Narben in das Gesicht geschnitten und gekerbt, doch sie war nicht kleinzukriegen. Der Künstler, von dem sie geschaffen worden war, hatte es verstanden, diesem Gesicht Leben einzuhauchen, und eben jene Narben, die den Zahn der Zeit und der Verwitterung darstellen sollten. Die Figur klammerte sich mit der linken Hand am Schiff fest und reckte die Rechte, zur Faust geballt, drohend in die See, als wolle sie alle zerschmettern.

Schon von weitem entstand der Eindruck eines Berserkers, der sich erbarmungslos vorankämpft und nichts fürchtet, selbst wenn das Meer ihn zu ertränken droht.

Groenteboer sah lange und nachdenklich auf die Figur hinunter.

Der Bug hob sich, tauchte wieder ein und die riesige Pranke der Figur donnerte in die Welle, um sie zu zerteilen und ihr die Kraft zu nehmen.

Triefendnaß tauchte die Faust wieder aus dem Wasser auf und hämmerte auf die nächste Woge ein.

Und so ging das ewig weiter. Der Kerl schien zu leben und über eine ungebrochene Kraft zu verfügen. Je höher die See ging, desto entschlossener und wilder schien sein kantiges Gesicht mit dem riesigen Kinn zu werden.

Die Wand füllte jetzt beinahe den gesamten Horizont aus. Sie war noch schwärzer geworden. In ihrem Zentrum aber war ein dunstiges und rotglühendes Auge zu erkennen – das Auge eines lauernden Dämonen, das nichts Gutes verhieß.

Am späten Nachmittag ging die See hoch.

Groenteboer hatte Blinde und Oberblinde wegnehmen lassen. An den drei anderen Masten standen noch alle Segel.

Beide Fleuten segelten über Backbordbug liegend mit Steuerbordhalsen bei nordöstlich einfallendem Wind.

Sie segelten Westkurs, um über Batavia die Sundastraße zu erreichen. Von dort aus, wenn sie die Westecke Javas passiert hatten, sollte es in den Indischen Ozean gehen.

Dort gedachten die beiden Kapitäne, auf Mauritius Trinkwasser und Proviant zu ergänzen, dann die Südspitze Afrikas zu runden und den langen Törn über den Atlantik zu segeln.

Die Sonne war hinter feinen Gespinsten verschwunden wie eine Spinne in ihrem Netz. Sie hatte kaum noch Leuchtkraft und schien sich vor der Wolkenfront zu verstecken.

Zur Zeit herrschte ein eigenartiges Zwielicht. Die westliche Kimm verschmolz mit Wasser und Luft zu einer kompakten Masse, die keinen Unterschied mehr zeigte. Dort zeigte jetzt auch das Meer diese eigentümliche Farbe, die nicht grau und nicht schwarz war.

Achteraus herrschte gespenstisch aufgehellte Dämmerung. Der Himmel hatte keine klar definierbare Farbe, und das Meer schloß sich diesem seltsamen Gemisch an und schien nach oben zu fließen.

Vor der „Harlingen“ bewegte sich in ewigem Auf und Ab ein zerfließender Schatten mit Segeln, die ins Diffuse verzerrt waren. Selbst die Gestalten auf dem Achterdeck waren in ihren Konturen unscharf und nur schlecht zu unterscheiden.

Die Dünung war höher geworden. Bei jedem Eintauchen des Bugs stoben Wasserschleier an Deck und wehten bis nach achtern. Rudergänger, Offiziere und der Kapitän hatten feuchte Gesichter. Aus dem Bart des Schiffszimmermanns troff das Salzwasser.

Mann- und Strecktaue wurden über Deck gespannt.

Der Wind blies härter. In den oberen Luftschichten war ein Heulen und Jaulen zu hören.

„Wo stehen wir jetzt?“ fragte Groenteboer.

Die Frage war an einen hageren blonden Mann gerichtet, der die hellblauen Augen zusammenkniff und in die Wasserschleier blickte, die nun pausenlos über Deck brachen.

Der Blonde, langaufgeschossen und mit schmaler Nase, war Hendrik, der Zweite Offizier, der sich als hervorragender Navigator auf vielen Reisen bewährt hatte.

Die Seekarten hatte er unten in der Kapitänskammer ausgebreitet, wo sie nicht naß wurden und eine Laterne brannte. Er war nur für einen kurzen Sprung an Deck erschienen.

„Knapp hundert Meilen nördlich von Java und etwa dreißig Meilen vor der Inselgruppe, den Karimundjawa, wenn meine Berechnungen stimmen.“

„Hundert Meilen?“ fragte Groenteboer ungläubig. „Ich denke, wir sind nur etwa fünfzig Meilen vom Land entfernt.“

„Nee Cap“, erwiderte Hendrik im breiten, knarzenden Dialekt der Overijssel-Provinz. „Wir stehen hundert Meilen querab. Vielleicht zehn Meilen weniger, mehr nicht.“

„Verdomme!“

Groenteboer wußte, daß die Insel Java hier eine nördliche, weit ins Meer springende Ausbuchtung hatte und sich die Entfernung zur Insel schon in ein paar Stunden beträchtlich vergrößern würde, denn da ging die Landnase tief nach Süden zurück.

Die Insel anzulaufen, war also unsinnig, denn der Sturm würde sie in jedem Fall überraschen.

Der Weg nach Norden war ihnen ebenfalls verbaut. Bis zur Südküste der Insel Borneo waren es gleich ein paar hundert Meilen.

Die einzige Hoffnung, doch noch Schutz zu suchen, boten die Karimundjawas, vorausgesetzt, man segelte nicht an ihnen vorbei. Es war eine kleine Inselgruppe, die besonders bei Nacht, Sturm und Abdrift leicht zu verfehlen war.

Dreißig Meilen noch, überlegte er. Mindestens sechs Stunden würde sie das kosten, doch bis dahin war es längst Nacht und alles stockfinster.

In dem diffusen Licht blitzte es vor ihnen auf. Zuerst war es ein heftig flackerndes Licht, dann wurde es ruhiger.

Auf der „Wilhelm van Oranien“ war die Hecklaterne entzündet worden, deren milchiger Schein alles nur noch gespenstischer erscheinen ließ. Fast gleichzeitig wurde auch noch im Fockmast eine Laterne entzündet und ins Want gehängt.

Jens van Aacheren beleuchtete sein Schiff, um der „Harlingen“ bei Finsternis den Weg zu weisen.

„Setzt ebenfalls die Lichter“, befahl Groenteboer. „In jedes Leewant eine Laterne, damit wir uns nicht aus den Augen verlieren.“

Bald darauf erstrahlte auch die „Harlingen“ in milchig-trübem Schein und zog den Lichtschleier wie Dunst hinter sich her, wenn wieder Brecher über das Deck stäubten.

Groenteboer sah nach den Segeln. Sie standen voll und unter solch starkem Druck, daß sich die Masten durchbogen und die Rahen überlaut knarrten.

Er wollte alles Tuch bis auf zwei Sturmsegel wegnehmen lassen, doch zuerst blickte er zu der anderen Fleute, um zu sehen, was van Aacheren tat oder tun würde.

Der tat jedoch gar nichts, vielleicht aus dem Grund, weil er Groenteboer imponieren wollte. Der Kerl riskierte mitunter Kopf und Kragen, während Groenteboer bedächtiger und überlegter war. Was nutzte ihm ein Imponiergehabe, wenn dabei Schiff und Mannschaft zum Teufel gingen!

Nahm er jetzt die Segel weg, würde er sich später – wenn alles gutgegangen war – ein paar ironische Bemerkungen anhören müssen, und das im Tonfall eines Mannes, der meist alles besser wußte und dessen Fleute ein klein wenig schneller war als die „Harlingen“.

Van Aacheren hätte auf der Reise sicherlich eine ganze Woche Vorsprung mit seinem schnelleren Schiff herausgeschunden, allerdings auch mit dem Risiko, daß ihm die Segel um die Ohren flogen oder die Rahen und Spieren an Deck krachten.

Sie hatten jedoch vereinbart, daß sie zusammenbleiben wollten, und daran hielt sich selbst van Aacheren, der manchmal ein Schlitzohr war. Die Wolkenwand war jetzt überall, nur im Westen war sie besonders pechschwarz, während im Osten noch schwefliges Gelb zu sehen war.

Etwas später zuckte ein gewaltiger Blitz aus der Bank, eine dicke Linie, die im Zickzackkurs über den Himmel lief und ihn wie ein glühendes Schwert spaltete.

Der erwartete Donner blieb aus, oder er war im Tosen der immer höher gehenden Dünung nicht zu hören.

Hohe Brecher überrollten jetzt das Deck. Wer von achtern nach vorn mußte oder umgekehrt, konnte sich nur noch zwischen den Mann- und Strecktauen bewegen und mußte sich wie ein Affe anklammern, um nicht über Bord gespült zu werden.

Und immer noch hatte van Aacheren alles Zeug stehen. Lediglich die beiden Blindesegel hatte er seit einer Weile wegnehmen lassen.

Das Tosen und Jaulen wurde lauter. Ein zweiter Blitz, noch gewaltiger und wilder, zerriß den Himmel und bahnte sich irgendwo in der Finsternis einen Weg nach unten ins Meer.

„Godverdomme, ist der denn verrückt?“ fluchte Groenteboer. „Er muß doch endlich das Tuch bergen!“

Cornelis Hertog grinste verkniffen.

„De Duivel möge deze vervloekte Idioot halen!“ rief er aufgebracht. Das war bester Groninger Slang, und er hörte sich so an, als würden alte Windmühlen knarren. „Er wartet darauf, bis wir das Tuch wegnehmen, Cap. Der Kerl will sehen, wer die besseren Nerven hat.“

„Er!“ brüllte der Kapitän. „Er natürlich hat die besseren Nerven! Idioten haben immer gute Nerven. Holt das Zeug runter, verdammt, und laßt nur die kleine Fock und das Großmarssegel stehen. Keiner sagt euch, daß ihr euch beeilen müßt!“

Die Kerle flitzten nur so auf ihre Positionen, um das Tuch aufzupacken, denn es sah ganz danach aus, als ginge es ihnen in den nächsten Minuten ernsthaft an den Kragen, wenn die Segel stehenblieben. Mit dem Hinweis, daß es gar nicht eilig sei, meinte Groenteboer genau das Gegenteil.

Es wurmte ihn mächtig, daß van Aacheren immer noch so tat, als sei das eine Spazierfahrt, und es wurmte ihn noch mehr, als seine Segel endlich geborgen waren.

Denn genau jetzt schickte van Aacheren sich an, ebenfalls seine Segel aufzutuchen. Der Kerl hatte wahrhaftig die besseren Nerven, und er hatte es ihm wieder mal gezeigt.

Natürlich würde er später schnoddrig behaupten, er habe nur aufgetucht, damit Groenteboer nicht, hoffnungslos zurückfiel oder sich in dem Sturm verirrte.

Cornelis Hertog schien seine Wut zu teilen, denn er hob drohend die Faust und zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen.

Der Wind beutelte sie jetzt mit wilder Kraft.

Dunkle Seen türmten sich auf, mit wildschäumenden Kämmen, die sich brachen und das Deck überrollten. Längst waren sie alle naß bis auf die Knochen.

Auch die Verständigung ließ zu wünschen übrig. Der brüllende Wind fetzte ihnen die Worte von den Lippen, kaum daß sie gesprochen waren. Sie mußten schon laut schreien, um in dem Tosen und Lärmen überhaupt etwas zu verstehen.

Rasmus stieg jetzt voll ein.

Als der Wind drehte und mehr von achtern einfiel, entstanden die gefährlichen Kreuzseen, die die Fleute hart durchschüttelten.

Vor ihnen tanzte die andere Fleute wie ein großer Korken auf dem Wasser. Ihr Lichtschein verschwand in einem tiefen Wellental und war für etliche Augenblicke nicht mehr zu sehen.

Erst wenn sie glaubten, die Fleute würde nie mehr auftauchen, erschien der glosende Schimmer in der Schwärze, erhob sich in riesige Höhen und wurde wieder in die Tiefe gerissen.

Die Sturmsegel, unter denen sie jetzt liefen, knattern wild im unbarmherzig tobenden Wind. Das Schiff ächzte, knarrte und knackte in allen Verbänden.

Immer wieder lauschte Groenteboer nach verdächtigen Geräuschen tief im Bauch des Schiffes. Aber die Fässer waren gut verzurrt und rissen sich nicht los.

Am wilden Knattern der Segel aber merkte er, daß der Sturm sie bald zerfetzen würde. Dann blieb ihnen nichts weiter übrig, als vor Topp und Takel zu lenzen und sich dahin treiben zu lassen, wohin es dem Meeresgott gefiel.

Sie trieben jetzt schon in einer Schwärze, die keinen Anfang und kein Ende hatte.

Eine schwere Nacht stand ihnen bevor, und die mußten sie auf See abreiten, denn nirgendwo war Land in Sicht.

2.

In dieser Nacht bereute Groenteboer, nicht doch Land angelaufen zu haben. Zumindest hätten sie dichter unter Land gehen müssen.

Die Sturmsegel waren nur noch knatternde Fetzen in einem brüllenden Wind und fast haushohen Wellen.

Trotz der Dunkelheit war es um sie her weiß. Die See schäumte und brodelte wie ein Hexenkessel. Längst hatten sie jegliche Orientierung verloren.

Durch die Schwärze zuckten immer wieder endlos lange Blitze, doch der wilde Donner ging im Brüllen der See unter. Es fiel auch kein einziger Tropfen vom Himmel.

Sie lenzten jetzt vor Topp und Takel. Brecher jagten über das Deck, überrollten die Fleute, drückten sie unter Wasser, bis ihnen die Luft wegblieb und sie Salzwasser schluckten.

Ab und zu tauchte weit vor ihnen der Lichtschimmer auf – die Hecklaterne der „Wilhelm van Oranien“. Es war das einzige Licht, das noch an Deck brannte. Die anderen Laternen hatten See und Wind längst zerschmettert.

Auf der „Harlingen“ brannte auch nur noch achtern Licht. Die restlichen Lampen waren von schweren Brechern zerschlagen worden.

Nur noch Groenteboer und Hertog befanden sich auf dem Achterdeck. Die anderen hatte der Kapitän nach unten geschickt, um im Toben der Elemente keinen Mann zu verlieren.

Eine Stunde später war das Hecklicht der anderen Fleute plötzlich verschwunden. Groenteboer hielt vergebens nach dem Lichtschimmer Ausschau. Die See hatte ihn einfach verschluckt.

Er glaubte, irgendwo weit voraus ein Krachen und Bersten zu hören, aber das konnte genausogut Donner oder ein besonders schwerer Brecher sein, der gegen das Vorschiff donnerte und dort etwas zerstört hatte. Vielleicht war die Blinde samt ihrer Takelage über Bord gegangen.

„Siehst du das Licht noch?“ brüllte Groenteboer aus voller Lungenkraft seinen Ersten an.

Der war ein ziemlich schweigsamer Mensch, und so schüttelte er nur den Kopf, bis ihm einfiel, daß es der Kapitän bei dieser Finsternis nicht bemerken konnte.

„Nein, nichts zu sehen!“ schrie er zurück, ebenfalls so laut wie er konnte.

„Dann hat die See seine Lampe zerschmettert!“ brüllte Groenteboer.

Ein Brecher tobte über sie hinweg. Sie hatten sich angeleint, sonst wären sie längst über Stag gegangen. Jetzt mußten sie die Luft anhalten, um nicht zu ersticken.

Erst nach einer Ewigkeit konnten sie wieder klar denken. Sofort suchte Groenteboer nach der anderen Fleute.

Nichts zu sehen, kein Licht mehr. Nur eine Woge rollte achtern heran, die in der Finsternis deutlich zu erkennen war. Man mußte schon den Kopf in den Nacken legen, um die gewaltige Schaumkrone zu erkennen, die da heranwalzte.

Groenteboer fiel noch auf, daß jetzt auffallende hohe Kaventsmänner heranrasten, weitaus höhere als zuvor und auch viel mehr. Irgendwo in der Nähe mußte es eine Untiefe geben, denn die Wassermassen benahmen sich ganz anders als auf hoher See.

Damit waren seine Gedanken auch schon abgeschnitten, und das für ihn typische „Godverdomme“ blieb ihm in der Kehle stecken.

Der Kaventsmann donnerte nicht auf das Achterdeck, um alles unter seinen Wassermassen zu begraben. Im letzten Augenblick, dicht hinter dem Heck, brach sich die Welle.

Mit einem urweltlichen Brüllen wurde die Fleute hochgehoben und mit unbändiger Kraft nach vorn geworfen.

Ein kurzer Ritt auf einer Höllenwoge folgte.

Dann waren da nur noch Bersten, Krachen, Splittern und ein gewaltiger Schlag, der sich nach einer Explosion anhörte.

Groenteboer und Hertog wurden in ihren Leinen fast stranguliert, als das Schiff so urplötzlich gebremst wurde. Der Erste Offizier verlor durch den Anprall das Bewußtsein, Groenteboer wurde es schwarz vor Augen, doch er fing sich schnell wieder.

Die Wucht des Anpralls knickte die Masten. Fock, Großmast und Besan stürzten samt des laufenden und stehenden Gutes zusammen.

Der Rumpf der Fleute wurde von vorn bis achtern aufgerissen. Planken flogen davon, starke Balken wurden zerschmettert.

Innerhalb weniger Sekunden war die „Harlingen“ nur noch ein armseliges Wrack, das in den Riffen hing.

Aus dem Rumpf des todwunden Schiffes waren Schreie zu hören.

Männer taumelten durch eingedrückte Schotten an Deck und begriffen nicht, was soeben passiert war.

Ein neuer Brecher donnerte über die „Harlingen“ hinweg und riß ein paar Decksleute erbarmungslos mit sich. Sie verschwanden in der kochenden See und wurden nie mehr gesehen. Ihre entsetzten Schreie verhallten im brausenden Sturm.

Das Schiff hing auf der Backbordseite, zerschlagen, zertrümmert, mit zersplitterten Masten und Spieren, Rahen und Tauwerk, das ein wüstes Knäuel bildete.

Völlig fassungslos und geschockt fummelte Groenteboer seine Leine auf und befreite auch Hertog, der gerade wieder zu sich kam.

Der Erste Offizier begriff überhaupt nicht, was geschehen war. Völlig benommen klammerte er sich an einem Strecktau fest.

Weitere Brecher schäumten auf und stiegen an der Backbordseite hoch. Sie waren jetzt nicht mehr so entsetzlich wild. Die vorgelagerten Riffe bremsten sie ab und nahmen ihnen einen Teil ihrer gewaltigen Kraft.

In der ringsum aufblitzenden See konnte Groenteboer erkennen, daß sein Schiff auf einem aus dem Wasser ragenden Korallenriff hing, das immer wieder, von Brechern umtost und umspült wurde. Er sah auch, daß er auf einem Wrack stand, einem Wrack, dessen traurige Überreste der Sturm zerfetzte, bis keine Planke mehr auf der anderen war.

Sie hatten die dreißig Meilen bis zu den Karimundjawa geschafft, aber auf eine Art, mit der niemand gerechnet hatte. Sie mußten die vorgelagerten Korallenbänke der Inseln erwischt haben.

Männer schwankten auf ihn zu, schreiende Stimmen drangen an sein Ohr. Er hörte sie nur wie aus weiter Ferne.

Jemand brachte erstaunlicherweise eine Laterne an Deck und hielt sie mit einer Hand vor der Brust.

Groenteboer sah in fassungslose und entsetzte Gesichter, in denen das Grauen stand.

Um sich herum sah er nur Trümmer, zerfetzte Schanzkleider, einen aufgerissenen Teil der Kuhl mit hochgebogenen und zerfetzten Planken, Maststümpfe, Tauwerk, Rahen und Spieren. Es war ein einziger Trümmerhaufen. Und natürlich war die kostbare Gewürzladung beim Teufel. Aber die nutzte ihnen in der jetzigen Situation nichts mehr.

Er hob die Schultern, ließ sie entmutigt wieder fallen, wollte etwas sagen und brachte vorerst doch keinen Ton über die Lippen.

Alles war hoffnungslos in dieser entsetzlichen Nacht. Seine Zukunftspläne waren ausgeträumt. Sie hingen hilflos auf dem Riff und mußten immer wieder um ihr Leben bangen, wenn Brecher herantobten und mit ihrer wilden Wucht das Wrack erschütterten und weiter zerfetzten.

Er fuhr herum, als in der Dunkelheit Steuerbord voraus ein Licht aufflackerte, erlosch, dann wieder aufflackerte.

Hart schluckend, erkannte er das andere Schiff, die „Wilhelm van Oranien“. Es waren nur Umrisse zu sehen, aber aus diesen Umrissen konnte er alles erkennen.

Die andere Fleute war ebenfalls in die Riffe gelaufen, aber es hatte sie offenbar nicht so schwer erwischt wie sie selbst.

Wenn er sich nicht täuschte, schien sie zwischen zwei Riffen regelrecht eingekeilt zu sein.

Sie lag auch viel höher, und die tosenden Brecher erreichten nur hin und wieder das Deck. Sie hämmerten pausenlos dagegen, und jedes Mal war ein dumpfes Dröhnen zu hören.

„Das ist unsere einzige Rettung“, sagte Rochus van Traa, zu der anderen Fleute zeigend. „Mit unserem Schiff können wir nichts mehr anfangen, Cap, das ist hinüber, endgültig und für immer.“

„Ja, das ist hinüber“, wiederholte Groenteboer leise und wußte nicht mal, was er überhaupt sagte. Er war noch wie betäubt und konnte das Unglück nicht fassen.

Er holte tief Luft und schloß die Augen.

Ein Schrei riß ihn wieder hoch.

„Das Vorschiff!“ brüllte jemand.

Eine Welle überrollte gerade das Riff, schäumte am Vorschiff hoch und verschlang es.

Das Kreischen von berstendem Holz war zu hören. Ein gewaltiger Ruck ging gleichzeitig durch das Wrack.

Die See holte sich einen Teil des Vorschiffes. Sie hatte den Bug mit der Galionsfigur zerschmettert und trug große Teile jetzt davon mit sich fort. Im Dunkel der Nacht verschwanden sie auf Nimmerwiedersehen.

Unter ihren Füßen krachte es beängstigend laut. Zwei Planken barsten mit diesem furchterregenden und gräßlichen Geräusch. Sie hinterließen ein klaffendes Loch.

Von der anderen Fleute wurde herübergebrüllt, aber niemand verstand auch nur ein Wort. Jedenfalls wußten die da drüben, daß der „Harlingen“ das gleiche Schicksal widerfahren war.

Groenteboer sah hilfesuchend zu der Fleute hinüber.

„Nicht mehr lange, und wir saufen ab“, sagte er mit belegter Stimme. „Unsere einzige Rettung ist die ‚Wilhelm‘. Aber die ist für uns so weit entfernt wie der Mond.“

So ungefähr stimmte das, was er sagte. Sie konnten keine Jolle zu Wasser bringen und die anderen drüben ebenfalls nicht. Schwimmend war die Fleute schon gar nicht zu erreichen. Sturm und Wellen würden jeden Schwimmer in die Riffe schmettern und töten.

Die Lage war hoffnungslos, zumal das Wrack jetzt immer mehr zerstört wurde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die „Harlingen“ in ihre Bestandteile auflöste.

Weitere Laternen wurden entzündet. Beim schwachen Schein des Lichtes wurde das Ausmaß der Katastrophe nur noch schlimmer.

Ein neuer Brecher donnerte heran, schlug an die Bordwand und riß ein paar Planken mit sich.

Im Wasser sah der Kapitän eine Gestalt treiben. Im ersten Augenblick hielt er sie für einen Mann, dann erkannte er die Galionsfigur.

Der kantige Kerl aus Hartholz trieb mit drohend emporgereckter Faust zwischen den Riffen hindurch. Eine Welle stellte ihn aufrecht hin, und es sah unheimlich aus, wie er mit erhobener Faust aus dem Meer aufzutauchen schien.

Die nächste Welle trieb ihn an den Rumpf, und da hörte es sich an, als klopfe er an die Planken. Einen Augenblick später verschwand er.

„Sind noch welche unten?“ fragte Groenteboer.

Im Schein der Laternen zählte er seine Mannschaft. Er zählte bis einundzwanzig und schluckte hart.

„Keine mehr, alle sind an Deck“, sagte der Zimmermann.

„Mein Gott, das ist ja furchtbar.“

Auf dem zerstörten Schiff begannen sie mit der Suche nach Überlebenden, doch sie fanden nur einen toten Decksmann, der sich zwischen zwei geborstenen Planken verfangen hatte und ertrunken war. Die anderen Männer hatte das Meer geholt.

Groenteboer setzte sich auf die Kuhlgräting und vergrub das Gesicht zwischen den Händen.

In der Nacht schlugen die Brecher das Schiff kurz und klein. Das Meer wühlte sich durch den riesigen Spalt am Bug und fraß das Holz Stück für Stück.

Auch achtern, wo sich die Kapitänskammer befand, gähnte ein riesiges Loch, das sich alle Augenblicke vergrößerte.

Die Fleute fiel buchstäblich auseinander.

Zwei Männer sprangen in ihrer Angst in das kochende Wasser, um schwimmend die andere Fleute zu erreichen, die noch intakt schien.

Ein berstender Schlag erschütterte das Schiff, als ein neuer Kaventsmann herantobte. Er riß einen Teil des Schanzkleides mit sich und zerschmetterte die Jolle.

Trümmer flogen ihnen um die Ohren. Sie kauerten sich zu einem Häuflein zusammen und erwarteten das Ende.

Um sie her trieben die Fässer mit den kostbaren Gewürzen, aber niemand hatte einen Blick dafür. Was waren schon ein paar Fässer gegen ihr Leben!

Eine Laterne verlöschte zischend, auch die nächste holte ein Brecher. Sie konnten sich jetzt nur noch an dem Lichtschein der „Wilhelm van Oranien“ orientieren.

In das Heulen des Windes mischte sich ein Schrei. Planken gaben krachend nach und zogen zwei weitere Männer in die Tiefe.

Groenteboer war so hilflos wie nie zuvor in seinem Leben. Tief erschüttert mußte er mitansehen, wie das Meer einen nach dem anderen holte und mit sich riß.

In den Riffen hatten die Männer keine Chance, sich irgendwo festzuklammern. Die meisten wurden von dem heftigen Anprall augenblicklich zerschmettert.

Das Häuflein wurde immer kleiner.

Blitze zuckten schmetternd durch die Nacht. Sie hörten jetzt erstmals auch den Donner rollen. Wie Geschützfeuer klang es.

Wenn ein Blitz den Himmel zerriß, starrten sie sich gegenseitig in die verzerrten und leichenblaß scheinenden Gesichter, in denen die bange Frage stand, wie lange es wohl noch dauern würde, bis die See auch den letzten Mann geholt hatte.

Wieder ein krachender und berstender Schlag, der das Tosen der Brecher und den brüllenden Donner überlagerte.

Ein Teil des Achterschiffes sackte weg, wie von einer Breitseite getroffen. Holzbrocken tauchten ins Wasser und wurden von den anrollenden Wogen wieder hochgeschleudert.

Abermals verschwanden zwei Männer in den brüllenden Fluten.

„Wir müssen hinüber!“ rief Cornelis Hertog. „Das Schiff besteht nur noch aus Einzelteilen. Irgendwie müssen wir versuchen, zu den anderen zu gelangen.“

„Wir werden an den Riffen zerschmettert wie die anderen auch!“ rief Groenteboer. „Solange wir noch etwas Holz um uns haben, sind wir einigermaßen sicher und können uns festklammern.“

„Und was ist danach, Cap?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht flaut der Sturm ein wenig ab. Ich überlasse diese Entscheidung aber euch selbst. Wer will, kann es versuchen. Aber wir können niemanden anleinen, weil wir kein Tauwerk mehr haben.“

Ein paar erklärten zaghaft, daß sie nicht länger an Bord bleiben wollten und das Risiko eingehen würden, die andere Fleute zu erreichen.

Einer der Männer richtete sich aus seiner kauernden Stellung auf und ließ sich an der zerfetzten Bordwand hinunter.

Sie sahen ihn nie wieder.

Gerade überschwemmte ein Brecher das Deck, da tauchte er noch einmal auf, stieß einen Schrei aus und wurde über das abgesackte Achterschiff geschleudert. Irgendwo im Dunkel der Nacht verschwand er.

Die Angst saß ihnen im Nacken, die Angst vor den großen Kaventsmännern, die sich wie Gebirge auftürmten und alles überrollten.

Jedesmal, wenn eine solche Riesenwalze herandonnerte, klammerten sie sich mit allen Kräften irgendwo fest, um nicht über Bord gerissen zu werden.

Die Riffe nahmen den großen Brechern nur einen Teil ihrer Kraft, doch die genügte, um auch den Rest zu zerschmettern.

Groenteboer fand sich übergangslos im Wasser wieder. Holzstücke trafen seinen Schädel. Er merkte nicht, daß er schrie.

Neben ihm klatschte ein anderer Körper ins Wasser. Er konnte nicht erkennen, wer es war. Er mußte um sein Leben kämpfen, als gefährliche Strudel ihn hin und her zerrten, immer wieder unter Wasser drückten und ihm die Luft aus den Lungen preßten.

Einmal hörte er an der Stimme, daß es Hendrik war, der Zweite Offizier.

Irgendwo in einem Wasserwirbel, schon sehr weit entfernt von der zerstörten Fleute, fand Groenteboer ein großes Holzstück, an das er sich verzweifelt klammerte.

Sehr schnell trieb er mit dem Wrackstück ab und merkte nicht, daß es die Galionsfigur war, an der er fast leblos hing.

Nur insgesamt elf Männer fanden in dieser entsetzlichen Nacht Rettung und erreichten mehr tot als lebendig die Fleute, wo sie an Bord gehievt und provisorisch versorgt wurden.

Die „Harlingen“ wurde völlig zerschmettert. Ihre Trümmer waren in weitem Umkreis verstreut. Da war keine Planke mehr auf der anderen geblieben.

Die „Wilhelm van Oranien“ hatte noch Glück im Unglück gehabt.

Obwohl auch schwer beschädigt, saß sie zwischen zwei Riffen fest. Die Brecher erreichten zwar die Bordwände, richteten aber keinen größeren Schaden mehr an.

Gegen Morgen begann der Sturm allmählich abzuflauen. Erst jetzt ließ sich das ganze Ausmaß der Katastrophe überblicken.

Jens van Aacheren und der Erste, Joop Hoorn, inspizierten mit düsteren Mienen das Schiff. Begleitet wurden sie von den beiden Schiffszimmerleuten Jan Laan und Rochus van Traa, dem es gelungen war, mit zehn anderen Männern in der Nacht das Schiff zu erreichen.

Von Groenteboer und seinem Ersten Offizier war nichts zu sehen, sosehr sie auch die See mit dem Spektiv absuchten. Überall trieben nur Holztrümmer und ein paar Fässer herum, die sich zwischen die Korallenriffe verirrt hatten.

Zum erstenmal sahen sie jetzt auch das Riff im Licht der aufgehenden Sonne.

Es waren gewaltige Zacken, die aus dem Wasser ragten und eine lange Barriere bildeten.

Tief im Westen entdeckten sie schließlich ein paar verstreut liegende Inseln. Sie waren gerade noch an der Kimm zu erkennen.

„Ausgerechnet hier mußten wir auflaufen!“ fluchte van Aacheren. „Weit und breit ist die See wie leergefegt, und wir suchen uns genau diese gottverdammte Stelle aus!“

„An der Kimm sind Inseln zu sehen“, sagte der Erste, der dickbäuchig war, einen grauen Kinnbart hatte und verschlagen wirkte. „Da kann es vielleicht Hilfe geben.“

„Hilfe – wie denn? Von ein paar Kannibalen etwa, die noch in Einbäumen über das Wasser fahren? Die Inseln in dieser Ecke kannst du vergessen. Wir haben nur die Hoffnung, dort Trinkwasser und ein paar Nüsse zu finden, um nicht elend zu krepieren.“

Der Erste blickte auf die einzige Jolle, die ihnen noch geblieben war. Sie faßte sechs Mann und war bestenfalls eine Nußschale. Die große Jolle hatten überkommende Brecher kurz und klein geschlagen.

Die Inspektion zog sich von achtern nach vorn hin, und das Ergebnis war ziemlich niederschmetternd.

In den Räumen stand Wasser, das zum Glück nicht mehr höher stieg, weil die Fleute wie in einer riesigen Wanne lag, an Backbord und Steuerbord von den rasiermesserscharfen Korallen aufgeschlitzt.

Auf diesen Korallen saß die „Wilhelm van Oranien“ unverrückbar fest.

„Da werden wir wohl auf den nächsten Sturm warten müssen“, sagte van Aacheren mißmutig. „Der muß allerdings noch heftiger blasen als heute Nacht, sonst gelangen wir nie vom Riff herunter. Aber wir werden in der Zwischenzeit versuchen, die Leckagen abzudichten. Wird das zu schaffen sein?“ wandte er sich fragend an die Zimmerleute.

Beide nickten etwas zaghaft.

„Ein paar Korallenspitzen gucken durch den Rumpf bei der Bilge“, erwiderte Rochus van Traa. „Wenn es uns gelingt, sie tief genug abzuschlagen, könnten wir das Schiff schon abdichten. Aber das wird eine mühselige Plackerei mit Einsatz aller Leute.“

„Damit sind wir noch nicht vom Riff.“

„Natürlich nicht. Das schaffen wir auch nicht. Wir müssen später erst mal tauchen, um zu sehen, wie der Schiet von unten aussieht. Und dann kann uns die nächste Welle erneut voraus zwischen die Riffe setzen, und alles fängt wieder von vorn an.“

„Wie schön“, sagte der Kapitän grimmig. „Aber wir haben wohl keine andere Wahl.“

„Keine, Cap.“

Van Aacheren ließ einen ellenlangen Fluch vom Stapel und starrte auf die zerfetzten Segel, die der Sturm in Streifen gerissen hatte.

Natürlich hätten sie die schon lange vorher wegnehmen müssen, aber das erwähnte er mit keinem Wort.

Groenteboer hätte ihm wahrscheinlich kräftig die Leviten gelesen, doch der Kapitän der anderen Fleute war vermutlich ertrunken.

Sie inspizierten weiter.

Soweit das auf den ersten Blick zu erkennen war, hatte auch der Proviant unter dem plötzlichen Wassereinbruch gelitten. Ebenso waren ein paar große Trinkwasserfässer beim Aufprall auf die Riffe geplatzt und zerborsten. Ihr Inhalt vermischte sich mit dem eingedrungenen Seewasser.

Auch Fässer mit Gewürzen waren beschädigt, aber von Gewürzen allein konnten sie ohnehin nicht leben. Die Ladung war jetzt zweitrangig geworden. Zuerst ging es um das nackte Überleben, und das würde schon schwierig genug werden.

Von außen sah man der Fleute die Beschädigungen kaum an. Gewiß hatte der Sturm sie kräftig gerupft und ramponiert, Segel zerfetzt, Tauwerk gebrochen und etliche Planken kurz und klein geschlagen.

Im Innern aber stand das Wasser, und das war viel schlimmer. Schon das Abdichten würde äußerst schwierig werden.

Van Aacheren hoffte noch auf die Ebbe, die das Wasser aus dem Schiff ziehen würde, doch der Wasserspiegel sank nicht mehr weiter, bestenfalls noch ein paar Daumenbreiten, dann war Schluß.

„Nichts mit Ebbe“, sagte Joop Hoorn. „Das Abdichten müssen wir unter Wasser vornehmen. Da werden die betreffenden Leute aber viel Spaß an der Sache haben, Cap.“

„Den werden wir alle haben“, versicherte der Kapitän. „Du wirst dich auch daran beteiligen, damit jeder etwas davon hat.“

Nach der Inspektion versammelten sie sich wieder an Deck.

Wie es bisher aussah, war die Lage ziemlich hoffnungslos, zumal es mit der Reparatur und dem Abdichten allein nicht getan war.

Deshalb blickte van Aacheren wieder zur Kimm, wo die kleinen Inseln zu erkennen waren.

„Das sind die Karimundjawa“, erklärte er leise und nachdenklich. „Wie gesagt, Hilfe haben wir von dort nicht zu erwarten, falls es da überhaupt Bewohner gibt. Wir haben jedoch noch eine andere kleine Hoffnung.“

Der Erste rieb seinen Bart und sah van Aacheren von unten her lauernd und mit verkniffenen Augen an.

„Und die wäre, Cap?“

„Wir hängen auf einer Route, die von vielen unserer Landsleute befahren wird.“

„Viele?“ unterbrach der Erste höhnisch. „Wir sind so ziemlich die ersten in dieser Ecke, und soviel mir bekannt ist, befindet sich auf den Molukken nur noch die ‚Groningen‘. Bis die hier ist, können Wochen oder Monate vergehen, und dann ist noch lange nicht gesagt, daß sie auch unsere Route nimmt.“

„Es gibt hier auch noch Portugiesen“, sagte der Kapitän. „Und fast alle steuern diesen Kurs über Batavia. Sie segeln an den Karimundjawa-Inseln vorbei, passieren den rauchenden Vulkan und gehen von dort aus in den indischen Ozean. Somit besteht also durchaus Hoffnung, daß man uns hier sichtet.“

„Portugiesen würden uns ganz bestimmt nicht helfen, und sogar unsere Landsleute bringen es nicht fertig, die Fleute vom Riff zu holen. Wir sitzen hier bis in alle Ewigkeit fest.“

„Du warst noch nie ein Optimist“, sagte der Kapitän abfällig. „Du siehst immer nur schwarz. Aber ich habe keine Lust mehr, für nichts und wieder nichts herumzuquatschen. Wir gehen an die Arbeit, und zwar sofort. Das bringt euch Kerle auch auf andere Gedanken. Stellt ein paar Arbeitsgruppen zusammen!“

Im Weggehen sagte Joop Hoorn zu dem kahlköpfigen Profos Piet Bloom mit dem gewaltigen Schnauzbart: „Wenn hier wirklich mal ein Eimer vorbeitörnt, sollte man nicht lange um Hilfe bitten und ihn einfach übernehmen. Jeder ist sich schließlich selbst der Nächste, oder?“

Der kräftige Mann mit dem durchdringenden und stechenden Blick grinste hinterhältig.

„Das ist wirklich eine gute Idee, Mijnheer. Darüber sollte man wahrhaftig gründlich nachdenken, falls uns nicht doch noch ein Sturm von diesem verdammten Riff weht.“

Sie grinsten sich verschwörerisch zu und gingen auseinander.

Ein paar Männer wurden zum Tauchen eingeteilt, um sich eine genauere Übersicht über die Unterwasserschäden und deren Behebung zu verschaffen.

3.

Groenteboer trieb inzwischen mit dem Wrackstück durch die Nacht.

Das Ding rollte im Wasser, drückte ihn unter und schlug ihm einmal so hart an den Schädel, daß er fast das Bewußtsein verlor. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, war halb betäubt und benommen und ließ sich von der saugenden Strömung treiben.

Immer weiter ging es, mal im Kreis, dann wieder ein Stück irgendwohin, bis ihn ein Brecher packte und hart überrollte.

Da wurde er wieder wach und munter, aber sein Verstand funktionierte immer noch nicht so richtig. Es war wie in einem Zwischenstadium aus Traum und Wachsein.

In weiter Ferne sah er ein Licht blinken. Zuerst hielt er es für einen Stern, aber das Licht tauchte immer wieder zwischen hohen Wellenbergen auf, zuckte hin und her und schien auf der Wasseroberfläche wie ein Irrlicht zu tanzen.

Viel später begriff er, daß es eine Laterne der anderen Fleute war, deren zuckendes Licht er sah.

Groenteboer begann zu brüllen. Er schrie aus Leibeskräften, schluckte Wasser und erbrach sich.

Die Angst, von den anderen nicht bemerkt zu werden, aktivierte alle seine Lebensgeister.

Er legte sich auf das Wrackstück und begann mit den Händen in die Richtung zu paddeln, wo er das schwache Leuchten sah.

Stundenlang ging das so. Das Licht kam nicht näher. Er hatte eher das Gefühl, als fiele er immer weiter zurück.

In dieser Nacht war er so einsam wie nie zuvor in seinem Leben.

Heulen und Tosen umfingen ihn, Brüllen und Rauschen, das kein Ende zu nehmen schien und bis in alle Ewigkeit anhalten würde.

Die erbarmungslose See malträtierte seinen Körper und ließ ihn trotz der Wärme unmerklich erstarren und klamm werden.

Er wußte nicht, wie lange er bereits in der aufgewühlten See trieb. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren und verspürte nur eine Mattigkeit, die größer und größer wurde.

Da war das Licht weg – wie ausgelöscht. Vergeblich hielt er danach Ausschau.

Nichts mehr, alles war dunkel, stockfinster. Kein Mond zeigte sich am nächtlichen Himmel, kein Stern beleuchtete seinen einsamen Weg.

Er hatte nicht mehr die Kraft zum Fluchen. Sein „Godverdomme“ blieb ihm im Hals stecken, der trocken und ausgedörrt war.

Groenteboer döste einmal ein, schrak aber sofort wieder hoch, als sich das Trümmerstück unter ihm wegdrehte und zu rotieren begann.

Er versuchte herauszufinden, von welchem Teil des Schiffes es wohl stammen mochte. Es ließ sich jedoch nicht einordnen, so sehr er auch überlegte.

Die Zeit verging unendlich langsam. Hohe Wellen trugen ihn immer weiter fort, doch die Brecher schäumten nicht mehr so wild und gingen allmählich in eine langrollende Dünung über.

Irgendwann begann es zu dämmern. Fahles Licht tauchte am Horizont auf, das schnell heller wurde.

Zu diesem Zeitpunkt hatten Groenteboer bereits die Kräfte verlassen. Seine Muskeln waren verkrampft, seine Hände zitterten. Die Anstrengung war zuviel gewesen. Immer wieder mußte er erneut Halt suchen, denn das Wrackstück hatte die unangenehme Eigenschaft, sich ständig zu drehen, und so entglitt es immer wieder seinen zupackenden Händen.

Jetzt konnte er endlich auch erkennen, an was er sich die ganze Nacht über geklammert hatte. Es war die Galionsfigur der havarierten „Harlingen“, der Kerl mit der drohend vorgereckten Faust und dem gewaltigen Kinn, den er schon einmal in der See treibend gesehen hatte.

Ein schwaches Lächeln legte sich um Groenteboers Lippen, das jedoch schnell wieder erstarb.

Er blickte zum Himmel, der immer noch bedeckt war. Der Wind trieb dunkle Wolken vor sich her.

Die Sonne mußte jetzt gerade an der östlichen Kimm stehen.

Als eine langrollende Dünung ihn wieder hochhob, sah er sich schnell nach allen Seiten um.

In weiter Ferne erkannte er zweierlei. Dicht unter der westlichen Kimm waren verstreut liegende Inseln zu erkennen. Sie sahen wie winzige Perlen in einem riesigen Teich aus.

Diese Inseln befanden sich tief im Westen. Weiter nördlich aber erkannte er die Silhouette eines Schiffes, das in die Riffe gelaufen war.

Sein Herz tat einen schnellen Sprung.

Da verschwand das Bild wieder vor seinen Augen, und er glitt in ein tiefes Wellental.

Der Wind hatte nicht gedreht, er wehte immer noch beständig aus östlicher Richtung. Also mußte eine Strömung dafür verantwortlich sein, daß er sich jetzt tiefer im Süden befand.

Etwa fünf Meilen schien die „Wilhelm van Oranien“ von ihm entfernt zu sein, wie er schätzte. Viel zu weit, um sie schwimmend zu erreichen, zumal seine Kraftreserven erschöpft waren.

Aber versuchen wollte er es trotzdem.

Er legte sich bäuchlings auf den hölzernen Kerl und begann mit den Händen zu rudern, bis er nicht mehr konnte.

Enttäuscht und verzweifelt mußte er feststellen, daß er seinem Ziel überhaupt nicht nähergerückt war. Offenbar war die Strömung zu stark, die ihn in südwestliche Richtung driften ließ.

Er brüllte seine Wut, Enttäuschung und Verzweiflung mit letzter Kraft hinaus.

Da vorn war die Rettung, da lag das Schiff, von dem er meinte, es fast mit den Händen greifen zu können.

„Verflucht noch mal!“ schrie er. „Seht ihr mich denn nicht? Ihr müßt mich doch sehen!“

Die nächste Woge hob ihn hoch und stieß ihn wieder in ein tiefes Tal. Der Rhythmus war immer derselbe, ein ewiges Auf und Ab, und jedesmal sah er dabei die Fleute auf dem Riff.

Einmal entdeckte er Trümmerstücke, die von der „Harlingen“ stammen mußten. Es war ein großer Teil des achterlichen Schanzkleides, wie er sah. Auch ein Faß trieb vorbei. Er sah nur den oberen Teil davon.

Erregt hielt er nach dem großen Trümmerstück Ausschau. Es tauchte auch wieder auf einer Welle auf, war aber mindestens hundert Yards von ihm entfernt.

Groenteboer überlegte, ob er wagen sollte, den Holzkerl zu verlassen, um das Trümmerstück schwimmend zu erreichen. Er traute es sich nicht mehr zu.

Aber da drüben konnte er ausruhen, und sie würden ihn vielleicht auch eher entdecken. Es war eine einmalige Chance, denn die Galionsfigur bot keinen guten Halt.

Er überlegte sehr lange und sehr gründlich. Immerhin war eine Entscheidung zu treffen, von der sein Leben abhing.

Drüben konnte er sich bequem ausstrecken, neue Kräfte sammeln und vielleicht ein Holzstück losbrechen, das er als provisorisches Ruder benutzen konnte. Ohne Zweifel würde er damit die Fleute erreichen. Auf diesem hölzernen Monstrum aber auf keinen Fall.

Das gab schließlich den Ausschlag.

Neue Hoffnung keimte in ihm auf, der Wille zum Leben war wieder da, und für Augenblicke spürte er keinerlei Erschöpfung mehr.

Er ließ die Galionsfigur los und glitt ins Wasser. So ruhig wie nur möglich begann er zu schwimmen, doch nach ein paar Zügen erfaßte ihn plötzlich Panik.

Er sah das Trümmerstück nicht mehr, und er entdeckte es auch nicht, als ihn eine Welle hochhob. Erst als sie ihn wieder absetzte, erkannte er das Treibholz.

Es schien noch weiter entfernt zu sein, als er angenommen hatte, und er fragte sich beklommen, ob er es wohl schaffen würde.

Eine weitere Welle setzte die Galionsfigur in Bewegung. Vom Kamm her schoß sie wie ein Rachegott auf ihn zu, die gewaltige Faust weit und drohend vorgereckt. Der schwere Kerl raste auf ihn los, als wolle er ihn dafür strafen, daß er sich von ihm getrennt hatte.

Groenteboer hob abwehrend die Hände vors Gesicht, um der gewaltigen Faust zu entgehen.

Er schaffte es nicht mehr. Die Faust krachte voller Wucht an seinen Schädel. Der Schlag war so hart, daß er augenblicklich das Bewußtsein verlor.

Groenteboers Leidensweg war beendet, obwohl die Rettung nur ein paar Meilen entfernt war.

Mit vorübergeneigtem Kopf versank er lautlos in der Tiefe.

Der Mann aus Holz aber trieb weiter und glitt in der Dünung auf und ab. Mit dem Strom driftete er langsam nach Westen in Richtung der vielen kleinen Inseln.

Der starke Stürm hatte auch auf der Karimundjawa-Insel Jombang Verwüstungen angerichtet.

Die meisten Hütten der Insulaner hatte der Wind davongeblasen, doch sie wurden rasch wieder aufgebaut.

Diesen Sturm kannten die Insulaner, weil er sie mit hartnäckiger Regelmäßigkeit heimsuchte. Er brauste mindestens achtmal im Jahr über die Inselgruppe und riß die leichtgebauten Hütten mit sich fort.

Eines Tages, so berichteten die alten Legenden, würde der Meeresgott Panoga erscheinen und sie vor den Stürmen bewahren und beschützen.

So hatte es Mapuki, der Insel-Papalagi erzählt, und er hatte es wiederum von seinem Vater gehört.

Seit Generationen warteten sie auf Panoga, doch er erschien nicht. Noch niemand hatte ihn gesehen, obwohl er schon lange in ihren Vorstellungen herumgeisterte.

Groß sollte er sein, mit emporgereckter Faust, die Meer und Sturm Einhalt gebot und sie damit bannte.

Einen Meeresgott mußten sie jedoch haben, und so hatten sie ersatzweise einen großen Hai präpariert und am Strand der Insel aufgestellt.

Er lag auf einem Balkengerüst und drohte mit weitaufgesperrtem Maul und scharfen Zähnen aufs Meer hinaus.

Leider erwies er sich als unzuverlässig, denn er war eben nicht Panoga. Aber eine Gottheit, die sie nicht beschützte, taugte auch nicht viel, und so mußte der Hai sich böse Verwünschungen, Flüche oder Beleidigungen anhören.

Riß der Sturm die Hütten fort, ließen die Insulaner ihre Wut an dem provisorischen Gott aus und verprügelten ihn, denn ein Gott, der die Wünsche nicht erfüllte, mußte dafür büßen.

So war es auf allen Karimundjawa-Inseln, und so war es auch auf der zweihundert Seelen zählenden Insel Jombang.

Heute war die Strafe für den Gott fällig, der sie so schmählich im Stich gelassen hatte.

Nichts hatte er getan, um sie zu schützen, absolut nichts. Er lag nur faul auf seinem Holzgerüst und glotzte aufs Wasser.

Der Papalagi war verständlicherweise von wilder Wut erfüllt, und so zog er mit einer ganzen Meute aus, um den vergeßlichen Tunichtgut für sein Faulenzerleben zu bestrafen.

Dafür hatten sie extra biegsame Stöcke, um ihm die Flausen auszutreiben.

Mapuki ging um die Lagune herum, gefolgt von Toriki, dem Zweitältesten Mann, von Tako und mehr als zwei Dutzend anderen, die mit grimmigen Gesichtern zum Strand marschierten.

Der grauhaarige Papalagi schwang schon seinen Stock und ließ ihn prüfend durch die Luft pfeifen.

Ha, das war ein Geräusch, das diesen verdammten Faulenzer schon von weitem erschrecken würde!

Sie schritten schneller aus, bis sie die Stätte erreichten, wo das Holzgerüst stand. Es befand sich zwischen vier Palmen, und da lag der Haigott faul und träge herum. Der Sturm hatte ihm eine Kokosnuß ins riesige, klaffende Maul geweht, und er sah etwas lächerlich aus.

Mapuki blieb vor ihm stehen und funkelte ihn aus seinen kohlschwarzen Augen drohend an. Den biegsamen Stock hielt er wohlweislich hinter seinem Rücken verborgen.

Mapuki verneigte sich vor dem Haigott, wie es auch die anderen taten.

„Du hast nichts getan, um uns zu helfen!“ rief er klagend. „Der Sturm hat das Meer aufgewühlt und unsere Hütten zerstört! Kannst du mir sagen, warum du wieder nichts unternommen hast?“

Der Haigott schwieg sich aus und starrte aus seinen eingetrockneten und tückischen Augen weiter aufs Meer hinaus.

„Er hat sich mit Kokosnüssen vollgefressen“, sagte Toriki. „Das hat ihn faul und träge werden lassen. Was kümmern ihn unsere Hütten? Es interessiert ihn gar nicht.“

„Wir haben ihm Opfer gebracht – Fleisch, Bananen, Krebse, Fische und Mangos“, klagte der Pagalagi. „Er hat unsere Opfer genommen wie selbstverständlich. Nur eine kleine Gegenleistung hat er nicht erbracht. Du bist ein fauler und träger Meeresgott!“ schrie er plötzlich.

Der Hai glotzte nach wie vor aufs Meer hinaus.

Da stieg in dem Papalagi die Wut hoch.

Blitzschnell holte er das biegsame Stöckchen hinter seinem Rücken hervor und drosch damit auf den Hai ein. Die Schläge waren so laut, daß sie in der ganzen Lagune und auch der Bucht zu hören waren.

Jetzt stürzten sich auch die anderen auf den nachlässigen Wächter und droschen ihm ihre Stöcke auf das gefräßige Maul.

„Ich werde dich lehren, uns um die Opfergaben zu betrügen!“ kreischte der Papalagi empört. „Wir füttern dich, damit du das große Wasser beruhigst, wir verehren dich und beten dich an, aber du lachst uns nur aus. Jetzt nimm auch deine Strafe in Empfang!“

Brüllend und schimpfend stürzte sich die ganze Meute auf den Haigott und malträtierte ihn mit den Stöcken. Einer der aufgebrachten Männer schlug ihm sogar eine halbe Flosse ab.

Sie tobten sich gründlich aus, hieben immer wieder zu und versicherten ihm, er werde es noch bereuen, wenn er sich nicht endlich ändere und vernünftig werde.

Ja, beim nächsten Mal, wenn er sie wieder so schmählich hinterging, würden sie ihm den Bauch aufschlitzen.

Der Haigott nahm das alles mit stoischer Gelassenheit hin.

Endlich hatten sich die Männer abreagiert. Jetzt trafen nur noch böse und drohende Blicke den Haigott, der doch ziemlich mitgenommen wirkte.

Mapuki nahm ihm die Kokosnuß aus dem Maul und warf sie ins Wasser. Dann hob er noch einmal die Faust und schüttelte sie, während er dem Hai drei klatschende Schläge aufs Maul versetzte.

„Sieh dich vor! Eines Tages taucht Panoga auf, und dann können wir auf Faulenzer wie dich verzichten.“

„Ganz recht!“ rief Toriki. „Mit den Opfergaben ist es vorerst zu Ende. Du wirst eine Weile darben müssen, bis wir alles wieder aufgeräumt haben.“

Sie verneigten sich vor dem Haigott und gingen davon.

Der thronte jetzt wieder einsam und reichlich zerfleddert auf seinem Holzgestell. Sie hatten ihn ziemlich übel gerupft.

Ihr Weg führte sie wieder an der Lagune vorbei zur Bucht und von dort zu den Hütten. Die Rache war vollzogen, wie der Pagalagi zufrieden erkannte. Der Meeresgott hatte sie bestraft, indem er nichts getan hatte, und dafür hatten sie ihn bestraft. So war die Gerechtigkeit wiederhergestellt.

Am Strand der Bucht blieb Mapuki plötzlich stehen und blickte aufmerksam ins Wasser. Er setzte seinen farbenprächtigen Kopfschmuck mit den bunten Federn ab und rieb sich die Augen.

„Da schwimmt etwas“, sagte er leise. „Dort vorn, wo der kleine Felsen im Wasser steht.“

Die anderen blieben stehen. Ihre Blicke folgten der ausgestreckten Hand des Papalagis.

Dicht bei dem kleinen Felsen schwamm wirklich etwas. Die Wellen verbargen den Gegenstand mitunter, gaben ihn aber immer wieder frei.

Die Sonne schien grell aufs Wasser, was dazu führte, daß das Ding im Wasser teilweise hell glitzerte. Wieder einmal verschwand es hinter dem kleinen Felsen, und so etwas wie eine Hand ragte für einen kurzen Augenblick aus dem Wasser.

Den Papalagi hatte jetzt die Neugier gepackt.

Er watete ein paar Schritte ins Wasser, bis seine nackten Beine von den kleinen Wellen umspült wurden. Den Kopf weit vorgestreckt, versuchte er, den Gegenstand zu erkennen.

Die anderen zuckten zusammen, als er einen gellenden Schrei ausstieß, sich an die Brust griff, wo sein Herz saß, und jeden Augenblick zusammenzubrechen drohte.

Sofort stürzten sich die anderen Männer ins Wasser. Der Papalagi sah aus, als würde er jeden Augenblick sterben. Vielleicht war es ein Schwächeanfall, was in seinem Alter niemanden wundern würde.

Als sie bei ihm waren, hatte sich sein Körper seltsam verkrümmt. Seine Hand deutete ins Wasser, wobei jegliche Farbe aus seinem Gesicht gewichen war.

Er sagte nur ein einziges Wort.

„Panoga!“

Dieses Wort war wie ein urgewaltiger Schrei und hallte durch die ganze Bucht.

Was die Männer dann erblickten, ließ sie erstarren. Keiner war eines Wortes mächtig.

4.

Das Wort „Panoga“ mußte auf der ganzen Insel gehört worden sein, denn kurze Zeit später versammelten sich alle an der Bucht und sahen ungläubig zu, was da geschah.

Im Wasser, schon kurz vor dem Strand, schwamm Panoga, und er sah genauso aus, wie die alten Legenden berichteten.

Er war groß und von athletischer Figur. In sein Gesicht hatten Meer und Wind unzählige Narben gekerbt. Auch auf seinem ungewöhnlich breiten Brustkorb waren Narben zu sehen.

Die rechte Hand war zu einer gewaltigen Faust geballt, die drohend aus dem Wasser ragte. Sein Blick war grimmig und wild auf die Leute am Strand gerichtet, die ehrfürchtig und schweigend vor ihm zurückwichen.

Sein Kinn verriet die wilde Entschlossenheit, Meer und Sturm zu bezwingen oder beiden Einhalt zu gebieten, damit sie nicht mehr so fürchterlich über die Inseln tobten.

Der Papalagi sank in die Knie, wobei er zu Panoga blickte und die Hände zum Himmel hob.

„Die alten Legenden werden wahr!“ rief er ergriffen aus. „Ich habe es immer gewußt, daß Panoga eines Tages aus dem Meer auftauchen wird! Begrüßt ihn jetzt, wie es sich für einen Gott geziemt!“

Zuerst sanken alle stumm auf die Knie und wagten kaum, Panoga anzublicken, der immer noch halb im Wasser lag. Sie beteten leise mit murmelnden Lippen, fast unhörbar.

Eine kleine Welle warf Panoga weiter an den Strand. Er lag jetzt bäuchlings da und blickte wildentschlossen genau in die Gesichter der Insulaner. Seine Faust zeigte herausfordernd in den Sand.

Da löste sich die ungeheure Spannung, und ein wilder Jubel brandete auf, ein Geschrei, das die ganze Insel erbeben ließ.

Mapuki erhob sich feierlich und breitete die Arme aus.

„Er ist da“, verkündete er. „Er ist zu uns aufgetaucht aus dem Meer, wie es die Legende berichtet. Wir dürfen uns glücklich schätzen. Unsere Ahnen haben vergeblich auf ihn gewartet und unsere Urahnen ebenfalls. Aber zu uns ist er gekommen, und jetzt wird alles gut. Kein Sturm wird mehr unsere Hütten zerstören, und keine Wellen werden die Insel überschwemmen, denn Panoga wird sie bändigen.“

„Panoga wird sie bändigen!“ schrie die Menge in wilder Ekstase. Und wieder flogen die Arme zum Himmel, und Schreie der Entzückung hallten über die Bucht.

Mit wiederum sehr feierlichen Schritten und Tränen in den Augen bewegte sich der Papalagi vorsichtig ins Wasser. Voller Scheu berührte er die nasse Gottheit.

Ja, das war ein Monstrum von einem Gott, beileibe keine schöne Gottheit, aber das sollte sie auch gar nicht sein, sonst würde sie nicht abschreckend auf die Elemente wirken. Sie mußte grimmig dreinblicken, um den Zweck zu erfüllen.

Noch einmal berührte Mapuki den Meeresgott. Für ihn war es selbstverständlich, daß er nach langen Zeiten direkt vom Meeresgrund aus unergründlicher Tiefe aufgestiegen war und sich diese Insel gesucht hatte.

So berichteten es auch die alten Legenden.

Der Gott fühlte sich steinhart und kühl an. Seine Augen schienen zu leben und aufmerksam alles zu beobachten.

„Wir müssen ihm einen geweihten Platz in der Bucht geben“, sagte der Papalagi, „einen Platz, an dem er sich wohlfühlen und direkt aufs Meer blicken kann. Helft mir, ihn an Land zu bringen, damit er nicht wieder in die Fluten zurücksteigt.“

Natürlich durften ihn vorerst nur die Ältesten berühren und tragen. Alle anderen sahen ehrfürchtig dem Schauspiel zu.

Sehr behutsam wurde Panoga angehoben. Er war so schwer, daß vier Männer an ihm zu schleppen hatten.

Sie keuchten laut, als sie ihn endlich aus dem Wasser hatten und vorsichtig auf den Sand legten.

Mit stolzgeschwellter Brust sah sich der Papalagi nach einem geeigneten Platz um. Sie durften keine Zeit verlieren, um Panoga aufzustellen. Er konnte nicht den ganzen Tag hier im Sand herumliegen, sonst wurde er womöglich zornig.

„Hier“, sagte er herrisch und deutete zu einer Stelle in der Mitte der Bucht. Dort gab es einen Palmenhain, und genau davor sollte Panoga seinen Platz erhalten.

Er hatte von hier aus einen Überblick auf das gefräßige Meer und konnte über drei Himmelsrichtungen wachen. Aber seine drohend erhobene Faust mußte nach Osten zeigen, von wo die wilden Stürme fast regelmäßig heranrasten.

Große Steine wurden augenblicklich zu einem Fundament zusammengetragen, das Mapuki sorgfältig in Augenschein nahm.

Sand wurde zur Seite geschoben und die Steine aufgesetzt, bis zwischen ihnen eine große Lücke blieb.

Der Papalagi war mit dem Werk zufrieden und nickte mehrmals vor sich hin. Diese Stelle war genau richtig.

Jetzt durften auch die anderen mitanpacken, um Panoga in die Lücke zwischen den großen Steinen zu stellen.

Mapuki schritt um ihn herum und zeigte immer wieder andere Positionen an, zu denen sie ihn drehen mußten.

Erst nach einer Weile war er zufrieden.

„So bleibt er stehen“, verkündete er. „Füllt jetzt die Grube mit Steinen auf und streut Sand darüber.“

Alle beteiligten sich mit einem wahren Feuereifer an der Arbeit, und sie berührten Panoga dabei scheu und vorsichtig. Er überragte selbst den allergrößten von ihnen noch um zwei Kopflängen.

Die Grube füllte sich mit am Strand herumliegenden Steinen. Danach versuchten sie, den Gott zu bewegen.

Er stand da und rührte sich nicht. Wie mit der Erde verwachsen schien er zu sein. Zwei starke Männer konnten ihn nicht ins Wanken bringen.

„So ist es gut“, lobte Mapuki, „so wird er hier für alle Zeiten stehen bleiben und über uns wachen.“

Er schritt um die Figur herum und betrachtete sie noch einmal ausgiebig von allen Seiten.

Dabei entdeckte er seltsame Zeichen auf der Rückseite des Gottes.

Er rief die Ältesten und zeigte ihnen die Zeichen, aber die vermochte niemand zu entziffern.

„Ein Zauberspruch“, sagte Mapuki. „Es ist ein Zauberwort, das nur Panoga allein kennt. Die Geister des Meeres und der Stürme sind darin gebannt.“

Wieder gingen laute Schreie der Verzückung durch die Menge. Der Jubel war grenzenlos und wollte kein Ende nehmen.

Panoga, der Meeresgott, würde ihr ganzes Leben von nun an ändern.

„Wir werden ein Fest veranstalten“, sagte der Papalagi voller Stolz. „Das Fest wird drei Tage dauern und zu Ehren Panogas abgehalten werden. Bereitet die Gruben für die Erdferkel vor. Wir werden sie mit heißen Steinen füllen und die Ferkel in Bananenblättern dämpfen.“