Segen der Erde - Knut Hamsun - E-Book

Segen der Erde E-Book

Knut Hamsun

0,0
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der wohl bekannteste Roman Knut Hamsuns erzählt die Geschichte von Isak, einem einfachen Bauern, der das karge norwegische Land urbar macht. Mit "Segen der Erde" hat Knut Hamsun einen Klassiker geschaffen, der mit einer schlichten Sprache von fast biblischer Kraft einen Blick in eine vergangene Welt eröffnet und bis heute Norwegens Autoren beeinflusst.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Segen der Erde

Der Autor

Knut Hamsun wurde am 4. August 1859 in Gudbrandsdalen als Knud Pedersen geboren und gilt neben Henrik Ibsen als bedeutendster Schriftsteller Norwegens. Seine Schulausbildung war dürftig, eine Universität besuchte er nie und schlug sich zunächst mit Gelegenheitsarbeiten durch, bis ihm 1890 mit seinem Debütroman Hunger sogleich ein großer literarischer Erfolg gelang. 1920 erhielt er für sein Werk Segen der Erde den Literaturnobelpreis. Der wegen seiner Sympathien für den Nationalsozialismus politisch hoch umstrittene Hamsun starb 1952 in Nørholm.Von Knut Hamsun sind in unserem Hause bereits erschienen: Mysterien · Hunger · Victoria · Auf überwachsenen Pfaden

Das Buch

In Nordnorwegen, fernab der Zivilisation, lässt sich etwa 1870 Isak nieder. Wo er herkommt, ist unklar. Er errichtet eine Torfhütte und betreibt in der Einöde Landwirtschaft. Im darauffolgenden Frühjahr stößt Inger zu ihm. Sie bleibt bei Isak. Gemeinsam bestellen sie die Felder und züchten Vieh. Bald kommen zwei Söhne auf die Welt.Hamsun erzählt die Geschichte des Bauern und seiner Frau, die in der Einsamkeit des Nordlandes die Natur durch harte körperliche Arbeit zu ihrer Heimat machen.

Knut Hamsun

Segen der Erde

Roman

Aus dem Norwegischen von Alken Bruns

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein-buchverlage.de

Mit einem Nachwort von Peter Urban-Halle

Ungekürzte Neuausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage Oktober 2019© für die deutsche AusgabeUllstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019© der deutschen Ausgabe VerlagshausGoethestraße GmbH & Co. KG, München 1999© Gyldendal Norsk Forlag, Oslo 1917Die Originalausgabe erschien unter dem TitelMarkens Grøde 1917 im Gyldendal Norsk Forlag, Oslo. Textgrundlage der Neuübersetzung ist die Ausgabe letzter Handder Samlede værker (Bd. II, Oslo, 1934).Die deutsche Erstausgabe erschien 1899 imAlbert Langen Verlag, Paris – Leipzig – MünchenDie Übersetzung wurde durchgesehen vonProf. Dr. Walter Baumgartner.Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: Light and Warmth, 1976 / © MasabikhAkhunov (1928-2008) / Bridgeman ImagesE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-8437-2122-6

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

Auf einigen Lesegeräten erzeugt das Öffnen dieses E-Books in der aktuellen Formatversion EPUB3 einen Warnhinweis, der auf ein nicht unterstütztes Dateiformat hinweist und vor Darstellungs- und Systemfehlern warnt. Das Öffnen dieses E-Books stellt demgegenüber auf sämtlichen Lesegeräten keine Gefahr dar und ist unbedenklich. Bitte ignorieren Sie etwaige Warnhinweise und wenden sich bei Fragen vertrauensvoll an unseren Verlag! Wir wünschen viel Lesevergnügen.

Hinweis zu UrheberrechtenSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Titelei

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

ERSTER TEIL

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

ZWEITER TEIL

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

Nachwort

Anhang

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

ERSTER TEIL

ERSTER TEIL

I

Den langen, langen Pfad durch die Moore und in die Wälder, wer hat ihn ausgetreten? Der Mann, der Mensch, der Erste, der hier war. Vor ihm gab es keinen Pfad. Später folgte das eine und andere Tier den schwachen Spuren über Heide und Moor und machte sie deutlicher, und noch später spürte der eine oder andere Lappe den Pfad auf und benutzte ihn, wenn er von diesen Bergen zu den nächsten wollte, um nach seinen Rentieren zu sehen. So entstand der Pfad durch die große gemeine Mark, die niemandem gehörte, das herrenlose Land.

Der Mann ist unterwegs nach Norden. Er trägt einen Sack, den ersten Sack, darin sind Mundvorrat und einiges Werkzeug. Der Mann ist stark und grob, er hat einen Eisenbart und kleine Narben im Gesicht und an den Händen – diese Wundmale, stammen sie von der Arbeit oder vom Kampf? Vielleicht kommt er aus dem Gefängnis und will sich verstecken, vielleicht ist er Philosoph und sucht Frieden, dort jedenfalls geht er, ein Mensch inmitten dieser ungeheuren Einsamkeit. Er geht und geht, ringsumher kein Laut von Vögeln oder Tieren, manchmal spricht er mit sich selbst: Ach ja, mein Gott!, sagt er. Kommt er von den Mooren zu einem freundlichen Platz im Wald mit einer offenen Lichtung, stellt er den Sack ab und beginnt die Verhältnisse ringsumher zu untersuchen, nach einer Weile kehrt er zurück, nimmt den Sack auf den Rücken und geht weiter. Das dauert den ganzen Tag, er befragt die Sonne nach der Tageszeit, es wird Nacht, und er wirft sich ins Heidekraut, den Arm unterm Kopf.

Nach ein paar Stunden macht er sich wieder auf den Weg, ach ja, mein Gott! Geht wieder schnurstracks nach Norden, befragt die Sonne nach der Tageszeit, hält Rast mit einem Stück Flachbrot und Ziegenkäse, trinkt Wasser aus einem Bach, geht weiter. Auch dieser Tag geht mit Wandern hin, er muss so viele freundliche Plätze im Wald untersuchen. Was sucht er?

Land, Boden? Vielleicht ist er ein Auswanderer aus den Dörfern, er hält die Augen offen und späht, manchmal ersteigt er einen Hügel und späht. Jetzt sinkt die Sonne wieder.

Er geht auf der Westseite eines Tals mit Mischwald entlang, es gibt auch Laubwälder mit Grasboden, das dauert Stunden, es dämmert, er hört aber das leise Rauschen eines Bachs, und das muntert ihn auf wie etwas Lebendiges. Als er auf die Höhe kommt, sieht er das Tal unten im Halbdunkel und weit hinten im Süden den Himmel. Er legt sich schlafen.

Am Morgen liegt eine Landschaft mit Wald und Weidemark vor ihm, er steigt hinab, hier ist ein grüner Talhang, weit unten erkennt er den Fluss und einen Hasen, der hinüberspringt. Der Mann nickt, als passte es gerade gut, dass der Fluss nur einen Sprung breit ist. Ein brütendes Schneehuhn flattert plötzlich vor seinen Füßen auf und zischt ihn wild an, und der Mann nickt wieder, hier sind Tiere und Vögel, auch das passt gut! Er geht durch Blaubeer- und Preiselbeergebüsch, durch gezackten Siebenstern und niedrigen Farn; wenn er hier und dort stehen bleibt, um mit einem Eisen in der Erde zu graben, findet er hier Muttererde und dort Moor, seit Jahrtausenden gedüngt mit Laubfall und verfaulten Zweigen. Der Mann nickt, ja, hier lässt er sich nieder, hier wird er sich ansiedeln. Zwei Tage lang durchstreift er die Gegend, kehrt aber abends an den Talhang zurück. Nachts schläft er auf einem Lager aus Tannenästen, ja, er ist hier schon so zu Hause, er hat ein Lager aus Tannenästen unter einem Felsvorsprung.

Das Schwierigste war es gewesen, den Ort zu finden, diesen niemandes Ort, seinen; jetzt waren die Tage mit Arbeit ausgefüllt. Er begann sofort, in den entfernteren Wäldern Birkenrinde zu schälen, solange die Bäume im Saft standen, er presste die Rinde und trocknete sie, und wenn er eine große Last beisammenhatte, trug er sie die vielen Meilen zum Dorf und verkaufte sie als Baumaterial. Nach Hause zum Talhang trug er noch mehr Säcke, Säcke mit Lebensmitteln und Werkzeug, mit Mehl und Speck, mit einem Kochtopf, einem Spaten, er ging den Pfad hin und zurück und trug und trug. Ein geborener Träger, ein Prahm in den Wäldern, ach, es war, als sähe er eine Berufung darin, viel zu gehen und viel zu tragen, als wäre ein Rücken, der nichts trug, ein faules Dasein und nichts für ihn.

Eines Tages kam er mit seiner schweren Last gegangen und hatte auch noch zwei Ziegen und einen Jungbock an der Leine. Er freute sich über seine Ziegen, als wären es Kühe, und war gut zu ihnen. Der erste Fremde kam vorbei, ein wandernder Lappe, er sah die Ziegen und verstand, dass er zu einem Mann gekommen war, der hierbleiben wollte, er sagte:

Willst du hierbleiben? – Ja, antwortete der Mann. – Wie heißt du? – Isak. Ich brauche eine Hilfe, kennst du eine? – Nein, aber ich will’s erwähnen, wo ich hinkomme. – Tu das! Dass ich Tiere hab und keine, die sie versorgt.

Isak also, auch das wollte der Lappe erwähnen, der Mann in der Ödmark war kein Flüchtling, er nannte seinen Namen. Er ein Flüchtling? Dann wäre er ja jetzt gefunden. Er war nur ein unverdrossener Arbeiter, mähte Winterfutter für seine Ziegen, begann zu roden, einen Acker umzubrechen, Steine wegzutragen, Zäune aus Steinen zu bauen. Im Herbst stellte er ein Haus auf, eine Hütte aus Torf, dicht und warm, sie knarrte nicht im Sturm, konnte nicht abbrennen. Er konnte ins Haus gehen und die Tür zumachen und drinnen sein, er konnte draußen auf der Schwelle stehen und das ganze Bauwerk besitzen, falls jemand vorbeikäme. Die Hütte war geteilt, auf der einen Seite wohnte er selbst, auf der anderen die Tiere, ganz hinten am Felsen hatte er sein Heuhaus untergebracht. Alles war da.

Wieder kommen zwei Lappen vorbei, Vater und Sohn, sie stützen sich mit beiden Händen auf ihre langen Stäbe und betrachten die Hütte und die Rodung und hören die Ziegenglocken oben am Talhang.

Guten Tag, guten Tag, sagen sie, vornehme Leute hier in der Ödmark! Die Lappen müssen immer schmeicheln.

Wisst ihr nicht eine Hilfe für mich?, fragt Isak. Denn er hat nur das im Kopf.

– Hilfe? Nein. Aber wir wollen es erwähnen.

– Ja, seid so gut! Sagt, dass ich Haus und Land und Tiere habe, aber keine Hilfe.

Ach, nach dieser Hilfe hatte er jedes Mal Ausschau gehalten, wenn er mit seiner Birkenrinde unten im Dorf gewesen war, aber er hatte keine gefunden. Sie hatten ihn angeschaut, eine Witwe, ein paar ältere Mädchen, und hatten nicht gewagt, ihm Hilfe zu versprechen, was immer der Grund sein mochte, Isak verstand es nicht. Verstand er es nicht? Wer wollte bei einem Mann in der Ödmark dienen, meilenweit von Menschen entfernt, ja, eine Tagesreise bis zur nächsten menschlichen Behausung! Und der Mann selbst, an ihm war so gar nichts Schönes oder Prächtiges, im Gegenteil, und wenn er sprach, war er kein Tenor mit himmelwärts gewandten Augen, sondern hatte eine etwas tierische und grobe Stimme.

Dann musste man eben allein bleiben.

Im Winter machte er große Holztröge und verkaufte sie im Dorf und trug Säcke mit Lebensmitteln und Werkzeugen durch den Schnee nach Hause, es waren harte Tage, er war an eine Last gebunden. Da er Tiere hatte und sie selbst versorgen musste, konnte er sie nicht längere Zeit allein lassen, und was machte er jetzt? Not macht erfinderisch, sein Gehirn war stark und unverbraucht, er übte es mehr und mehr. Ehe er ging, ließ er die Ziegen hinaus, damit sie sich an den Zweigen im Wald satt fraßen. Doch er hatte sich noch mehr einfallen lassen: Er hängte ein Holzgefäß, einen großen Trog, am Fluss auf und lenkte ein Rinnsal hinein, es dauerte vierzehn Stunden, bis es voll war. War es randvoll, dann hatte es genau das richtige Gewicht und sank herunter, und im Sinken zog es an einem Tau, das mit dem Heuhaus verbunden war, eine Luke öffnete sich, und Futter für drei Ziegen fiel herab: Die Tiere hatten zu fressen.

So machte er es.

Ein sinnreicher Einfall, eine Eingebung Gottes vielleicht, der Mann half sich selbst. Bis zum Spätherbst ging es gut, dann fiel Schnee, dann Regen, dann wieder Schnee, der liegen blieb, die Mechanik funktionierte nicht recht, das Gefäß füllte sich mit Regen und betätigte die Luke zu früh. Der Mann deckte es zu, und wieder ging es eine Zeit lang gut, aber als der Winter kam, gefror das Rinnsal, und die Mechanik stand endgültig still.

Da mussten sich seine Ziegen in Entbehrung üben, wie er selbst.

Harte Tage, der Mann brauchte Hilfe, hatte aber keine und war doch nicht hilflos. Er arbeitete und machte das Haus fertig, setzte Fenster in die Hütte ein, zwei Glasscheiben, es war ein bemerkenswerter und heller Tag in seinem Leben, er brauchte kein Feuer in der Grube anzufachen, um sehen zu können, er konnte drinnen sein und bei Tageslicht Holztröge machen. Es klarte auf und wurde heller, ach ja, mein Gott! Er las nie in einem Buch, war aber mit den Gedanken oft bei Gott, das ließ sich nicht vermeiden, es war Treuherzigkeit und Beben. Der Sternenhimmel, das Rauschen im Wald, die Einsamkeit, der viele Schnee, die Pracht auf der Erde und über der Erde machten ihn mehrmals am Tag tiefsinnig und andächtig, er war sündig und gottesfürchtig, sonntags wusch er sich zu Ehren des Feiertags, arbeitete aber wie sonst.

Der Frühling kam, er bestellte sein Stückchen Land und pflanzte Kartoffeln. Das Vieh hatte sich vermehrt, jede Ziege hatte Zwillinge bekommen, sieben Ziegen waren jetzt draußen in der Weidemark, Groß und Klein zusammengerechnet. Er dachte an die Zukunft und vergrößerte den Stall, setzte auch bei den Tieren ein paar Scheiben ein. Es klarte auf, es wurde in jeder Hinsicht licht.

Eines Tages kam dann die Hilfe. Sie kreuzte lange oben am Waldhang hin und her, ehe sie sich vorwagte, es wurde Abend, bis sie sich überwand, dann aber kam sie – ein großes Mädchen mit braunen Augen, stark und grob, mit schweren, guten Händen, Lappenschuhen an den Füßen, obwohl sie keine Lappin war, und mit einem Sack aus Kalbsleder auf dem Rücken. Sie war wohl schon etwas bei Jahren, höflich gesagt an die dreißig.

Was hatte sie zu befürchten, aber sie grüßte und sagte eilig: Ich will nur übers Gebirge, deshalb bin ich diesen Weg gegangen. – Ach, sagte der Mann. Er verstand sie kaum, sie sprach undeutlich und wandte auch das Gesicht ab. – Ja, sagte sie. Und es ist ein langer, langer Weg! – Ja, antwortete er. Übers Gebirge willst du? – Ja. – Was willst du dort? – Da wohnen meine Leute. – Ach, deine Leute. Wie heißt du? – Inger. Und du? – Isak. – So, Isak. Und du lebst hier? – Ja, hier leb ich, so wie du’s jetzt siehst. – Nicht unschön!, sagte sie lobend.

Er war ein kolossaler Denker geworden, und ihm kam der Gedanke, dass sie hergeschickt worden war, ja, sie war vorgestern zu Hause losgegangen und wollte gar nicht weiter als bis hierher. Vielleicht hatte sie gehört, dass er eine Hilfe brauchte.

Geh rein und ruh deine Füße aus, sagte er.

Sie gingen in die Hütte und aßen von ihrem Mundvorrat und tranken von seiner Ziegenmilch, dann kochten sie Kaffee, den sie in einer Blase bei sich hatte. Sie machten es sich mit ihrem Kaffee gemütlich, ehe sie schlafen gingen. Nachts war er gierig nach ihr und bekam sie.

Am Morgen ging sie nicht fort, und sie ging den ganzen Tag nicht, sondern machte sich nützlich und melkte die Ziegen und scheuerte Holztröge mit feinem Sand und säuberte sie. Sie ging überhaupt nicht wieder weg. Inger hieß sie. Er hieß Isak.

Nun begann ein anderes Leben für den einsamen Mann. Es war zwar so, dass seine Frau undeutlich sprach und sich wegen der Hasenscharte in ihrem Gesicht immerzu von den Leuten abwandte, aber das war kein Grund, sich zu beklagen. Ohne diesen entstellten Mund wäre sie wohl nie zu ihm gekommen, die Hasenscharte war sein Glück. Und er selbst, war er ohne Makel? Isak mit dem Eisenbart und dem allzu knorrigen Körper, er war wie ein grässlicher Mühlstein, ja, er war, als wenn man ihn durch einen Wirbel im Fensterglas sah. Und wer sonst hatte so was von Gesichtsausdruck! Es war, als könnte er jeden Augenblick eine Art von Barabbas aus sich herauslassen. Es war schon viel, dass Inger nicht davonlief.

Sie lief nicht davon. Wenn er fort gewesen war und nach Hause kam, war Inger bei der Hütte, die beiden waren eins, die Hütte und sie.

Er hatte einen Menschen mehr zu versorgen, aber es lohnte sich, er kam leichter fort, konnte sich rühren. Da war der Fluss, ein gemütlicher Fluss, und abgesehen davon, dass er gemütlich aussah, war er auch tief und reißend, es war durchaus kein unbedeutender Fluss, er musste aus einem großen See oben in den Bergen kommen. Er beschaffte sich Angelgerät und suchte nach diesem See, am Abend kam er mit einer Last Forellen und Saiblinge zurück. Inger empfing ihn verwundert und war überwältigt und war es nicht besser gewohnt, sie schlug die Hände zusammen und sagte: Herr im Himmel! Sie merkte wohl, dass ihr Lob ihm gefiel und ihn stolz machte, sie sagte noch mehr gute Worte: Dass ihr so was noch nie vorgekommen sei, dass sie nicht verstehe, wie er das geschafft habe!

Auch in anderer Hinsicht war Inger ein Segen. Sie hatte zwar nicht so wunderbar viel Verstand im Kopf, hatte aber doch zwei Schafe mit Lämmern bei irgendeinem ihrer Verwandten, und die holte sie. Etwas Notwendigeres hätte man jetzt nicht zur Hütte bringen können als Schafe mit Wolle und Lämmern, vier Lebewesen, das Vieh vermehrte sich in großem Maße, und es war eine Rechenaufgabe und ein Mirakel, wie es sich vermehrte. Außerdem holte Inger Kleider und andere Kleinigkeiten, die sie besaß, einen Spiegel, einen Faden mit ein paar schönen Glasperlen darauf, Wollkämme und Spinnrad. Wenn sie so weitermachte, würde sich bald alles bis unter die Decke stapeln, und in der Hütte wäre nicht genug Platz für alles! Isak war natürlich bewegt bei so viel irdischem Reichtum, aber schweigsam, wie er immer war, fiel es ihm schwer, sich dazu zu äußern, er tappte zur Tür und sah nach dem Wetter und tappte wieder hinein. Gewiss hatte er großes Glück gehabt, und er spürte mehr und mehr Verliebtheit in sich, Anziehung oder wie man es nennen sollte.

Mach dir nicht so viel Mühe!, sagte er. – Ich hab auch ’n Onkel, Onkel Sivert, hast du von dem gehört? – Nein. – Ja, der ist reich. Er ist Bezirkskassierer im Dorf.

Verliebtheit macht den Klugen dumm, Isak wollte sich seinerseits angenehm zeigen und tat des Guten zu viel. Was ich sagen wollte, sagte er: Du brauchst die Kartoffeln nicht zu häufeln. Ich tu’s, wenn ich heut Abend zurückkomme.

Damit nahm er die Axt und ging zum Wald.

Sie hörte ihn Holz schlagen, es war nicht weit entfernt, am Krachen hörte sie, dass er große Bäume fällte. Als sie eine Weile zugehört hatte, ging sie aufs Feld und begann die Kartoffeln zu häufeln. Verliebtheit macht den Dummen klug.

Er kam am Abend heim und schleppte einen mächtigen Stamm am Seil hinter sich her. Ach, dieser vollkommen grobe und treuherzige Isak, er machte mit seinem Stamm so viel Lärm wie möglich und räusperte sich und hustete, damit sie herauskam und so richtig über ihn staunte.

Ich glaub, du hast den Verstand verloren!, sagte sie denn auch, als sie kam. Bist du denn kein Mensch!, sagte sie. – Der Mann antwortete nicht. Fiel ihm nicht ein. Einem Baumstamm gegenüber etwas mehr als ein Mensch zu sein, das war nicht der Rede wert.

Wofür brauchst du den Stamm?, fragte sie. – Weiß nicht, antwortete er und tat geheimnisvoll.

Jetzt aber sah er, dass sie die Kartoffeln schon gehäufelt hatte, und das machte sie fast ebenso tüchtig, wie er es war. Das ging ihm gegen den Strich, er machte das Seil los und nahm es mit. – Gehst du wieder weg?, fragte sie. – Ja, antwortete er beleidigt.

Er kam mit einem zweiten Stamm, schnob nicht und lärmte nicht, sondern zog ihn nur wie ein Ochse zur Hütte und legte ihn ab.

Er zog im Laufe des Sommers viele Baumstämme zur Hütte.

II

Eines Tages packte Inger wieder etwas zu essen in ihren kalbsledernen Sack und sagte: Ich geh noch mal schnell zu meinen Leuten rüber. – So, sagte Isak. – Ja, ich muss kurz mal mit ihnen sprechen.

Isak ging nicht sofort mit hinaus, sondern zögerte lange. Als er schließlich zur Tür tappte und so tat, als wäre er ganz und gar nicht neugierig und nicht voll böser Ahnungen, verschwand Inger gerade am Waldrand. – Hm. Kommst du wieder?, rief er, er konnte es nicht lassen. – Was denn sonst!, antwortete sie. Was denkst du denn! – Ach so.

Nun war er wieder allein, ja, ja, mein Gott! Bei seiner Arbeitskraft und seiner Arbeitslust konnte er nicht immer nur raus- und reingehen und sich selbst im Weg stehen, er tat was, fällte Bäume, machte die Stämme an zwei Seiten flach. Er schaffte bis zum Abend, dann melkte er die Ziegen und ging schlafen.

In der Hütte war es leer und still, ein schweres Schweigen von Torfwänden und Erdboden, er war tief und ernsthaft allein. Spinnrad und Wollkämme aber waren da, und die Perlen am Faden lagen wohlverwahrt in einem Beutel unter dem Dach, Inger hatte nichts mitgenommen. Aber Isak war so entsetzlich dumm, dass er in der hellen Sommernacht Angst vorm Dunkel bekam und an den Fenstern alles Mögliche vorbeischleichen sah. Als es dem Licht nach etwa zwei Uhr sein mochte, stand er kurz entschlossen wieder auf und frühstückte, aß eine riesige Schüssel Grütze für den ganzen Tag, damit er sich nicht noch einmal mit Kochen aufzuhalten brauchte. Er rodete Neuland bis zum Abend, ein neues Stück Kartoffelacker.

Drei Tage lang schlug er abwechselnd Holz und rodete Neuland – morgen würde dann wohl Inger kommen. Es wäre sicher nicht übertrieben, wenn er bei ihrer Ankunft Fisch für sie hätte, aber ihr im Gebirge begegnen, das wollte er nicht, er machte einen Umweg zum See mit den Fischen. Er kam in eine unbekannte Gegend, da gab es grauen Fels und braunen Fels und Gesteinsbrocken, die so schwer waren, dass sie aus Blei oder Kupfer sein konnten. In diesen braunen Steinen konnte vieles stecken, vielleicht sogar Gold und Silber, er verstand sich nicht darauf, und es konnte ihm gleich sein. Er kam zum See, die Fische bissen bei der Witterung in dieser Nacht mit den vielen Mücken gut an, wieder kamen eine Menge Saiblinge und Forellen zusammen, Inger würde Augen machen! Als er morgens auf dem gleichen Umweg, den er gekommen war, nach Hause ging, hatte er den Einfall, ein paar dieser schweren Gesteinsbrocken aus den Bergen mitzunehmen, sie waren braun mit dunkelblauen Flecken darin und mächtig schwer.

Inger war nicht gekommen und kam nicht. Dies war der vierte Tag. Er melkte die Ziegen wie in der Zeit, als er allein mit ihnen gewesen war und niemanden für diese Arbeit gehabt hatte, dann ging er zu einem Steinbruch und trug große Haufen passender Steine für eine Mauer zum Hof. Er hatte tausend verschiedene Dinge zu tun.

Am fünften Abend ging er mit leichtem Misstrauen im Herzen schlafen, im Übrigen waren aber das Spinnrad und die Wollkämme da, und dort lagen die Perlen. Die gleiche Leere in der Hütte und kein Laut, es waren lange Stunden, und als er draußen endlich so was wie ein Trampeln hörte, begriff er, dass es ihm nur so vorkam. Ach ja, mein Gott!, sagte er in seiner Verlassenheit, und so was brachte Isak nicht vor, ohne dass es ihm ernst war. Dort hörte er nun wieder das Trampeln, und kurz darauf sah er etwas an den Scheiben vorübergleiten, was immer es sein mochte, etwas mit Hörnern, lebendig. Er sprang auf, raus auf die Schwelle, und sah eine Erscheinung. Gott oder Satan!, murmelte er, und so was sagte Isak nicht, ohne dazu genötigt zu sein. Er sah eine Kuh, Inger und eine Kuh, sie verschwanden im Stall.

Hätte er Inger nicht leise mit der Kuh im Stall sprechen hören, er hätte sich selbst nicht geglaubt, aber es war so. Im selben Augenblick hatte er eine böse Ahnung: Gott segne sie, natürlich, sie war einmalig, eine fabelhafte Frau, aber zu viel war zu viel. Das Spinnrad und die Wollkämme, na gut, und die Perlen waren bedenklich fein, aber – gut! Aber eine Kuh, gefunden vielleicht auf einem Weg oder der Hausweide eines Hofs, die würde vom Besitzer vermisst und aufgespürt werden.

Inger kam aus dem Stall und sagte, stolz lächelnd: Ich hab nur meine Kuh mitgebracht! – Ach, antwortete er. – Es hat so lange gedauert, weil ich mit ihr nicht so schnell übers Gebirge gehen konnte. Sie ist trächtig. – Eine Kuh hast du mitgebracht?, sagte er. – Ja, sagte sie und hätte vor lauter irdischem Reichtum platzen können. Oder denkst du, das ist nur Spaß!, sagte sie. – Isak befürchtete das Schlimmste, hielt aber an sich und sagte nur: Komm rein, essen.

Hast du die Kuh gesehen? Ist sie nicht schön? – Wunderbar. Wo hast du sie her?, fragte er so gleichgültig wie möglich. – Sie heißt Goldhorn. Was hast du mit der Mauer vor, die du da aufgebaut hast? Du wirst dich noch totarbeiten. Nein, komm und schau dir die Kuh an.

Sie gingen, und Isak war in Unterwäsche, aber das machte nichts. Sie untersuchten die Kuh mit all ihren Zeichen haargenau, am Kopf, Euter, im Kreuz, an den Lenden; rot und weiß, leicht zu füttern.

Isak fragte vorsichtig: Wie alt wird sie sein, was glaubst du? – Glauben?, sagte Inger. Sie ist ganz genau im vierten Futterjahr. Ich hab sie aufgezogen, und alle haben gesagt, sie ist das liebste Kalb, das sie je gesehen haben. Was meinst du, haben wir Futter für sie? – Isak begann zu glauben, was er gern glauben wollte, und erklärte: Futter? Es wird schon genug für sie da sein!

Dann gingen sie hinein und aßen und tranken und gingen zur Ruhe. Sie lagen da und sprachen von der Kuh, dem Ereignis: Ist sie nicht schön? Jetzt kriegt sie ihr zweites Kalb. Sie heißt Goldhorn. Schläfst du, Isak? – Nein. – Und übrigens, sie hat mich gleich wiedererkannt und ist gestern mit mir gegangen wie ein Lamm. In der Nacht haben wir in den Bergen eine Weile ausgeruht. – So. – Wir müssen sie im Sommer anbinden, sonst reißt sie aus, Kuh ist Kuh. – Wo ist sie vorher gewesen?, fragte Isak endlich. – Bei meinen Leuten, da war sie. Sie wollten sie nicht hergeben, und die Kinder haben geweint, als ich sie mitnahm.

War Inger imstande, so wundersam zu lügen? Sie sagte natürlich die Wahrheit, und die Kuh gehörte ihr. Jetzt wurde es prächtig hier auf dem Hof, wohnlich, es fehlte fast gar nichts mehr! Ach, diese Inger, er liebte sie, und sie liebte ihn, sie waren genügsam, lebten im Zeitalter des Holzlöffels und hatten es gut. Schlafen wir!, dachten sie. Und dann schliefen sie. Am Morgen erwachten sie für einen neuen Tag, wieder gab es dies und das zu tun, ja, ja, Arbeit und Freude, wie das Leben so ist.

Zum Beispiel diese Baumstämme, sollte er versuchen, sie richtig zu legen? Isak hatte die Augen offen gehalten, wenn er im Dorf gewesen war, und hatte die Bauweise ergründet, er konnte eine Eckzinke schlagen. Und war das etwa nicht ganz einfach nötig? Auf dem Hof gab es Schafe, gab es eine Kuh, die Ziegen hatten sich stark vermehrt und würden noch mehr werden, der Viehbestand sprengte seinen Teil der Hütte, Isak musste einen Ausweg finden. Jetzt, während die Kartoffeln blühten und die Heuernte noch nicht begonnen hatte, bot es sich an anzufangen. Inger musste ihm hier und da zur Hand gehen.

Isak erwacht in der Nacht und steht auf, Inger schläft wie ein Stein nach ihrer Wanderung. Er geht noch mal zum Viehstall. Er sagt zwar nichts zu der Kuh, was wie schleimige Schmeichelei klingen könnte, tätschelt sie aber freundlich und untersucht sie noch mal von allen Seiten nach einer Marke, dem Zeichen eines fremden Besitzers. Er findet keine Marke und geht erleichtert raus.

Da liegt das Bauholz. Er beginnt es hin und her zu rollen, es im Viereck auf der Mauer auszurichten, ein großes Viereck für das Wohnzimmer und ein kleines für die Kammer. Das machte richtig Spaß, es beschäftigte ihn ganz und gar, sodass er die Zeit vergaß. Jetzt stieg Rauch aus dem Dachloch der Hütte, und Inger kam und rief zum Frühstück. Was machst du da?, fragte sie. – Bist du aufgestanden?, erwiderte Isak.

Dieser Isak, er war so geheimnisvoll, aber es gefiel ihm offenbar, dass sie fragte und neugierig war und Aufhebens von seinem Vorhaben machte. Als er gegessen hatte, blieb er ziemlich lange in der Hütte sitzen, ehe er wieder rausging. Worauf wartete er?

Nein, ich sitz hier rum!, sagte er und stand auf. Wo ich so viel zu tun habe!, sagte er. – Baust du?, fragte sie. Kannst du nicht antworten? – Er antwortete gnädigst, ja, er war so ungeheuer bedeutend, weil er baute und der Meister des Ganzen war, deshalb antwortete er: Du siehst doch, dass ich baue. – Ach so. Ja, ja. – Was soll ich tun?, sagte Isak. Du kommst mit einer ganzen Kuh auf den Hof, die muss doch einen Stall haben.

Die arme Inger, sie war nicht so ungeheuer klug wie er, Isak, der Herr der Schöpfung. Und sie kannte ihn noch nicht, verstand noch nicht seine Sprechweise. Inger sagte: Aber das ist doch kein Stall, was du baust? – Na ja, sagte er. – Ist das dein Ernst? Es wär viel besser, wenn du ein Wohnhaus baust. – Meinst du?, sagte er und sah sie mit einem gespielt leeren Gesichtsausdruck an, als wäre er von ihrer Idee überrascht. – Ja. Dann können die Tiere die Hütte haben. – Er dachte darüber nach: Ich glaub wirklich, das wär das Beste! – Siehst du!, sagte die siegreiche Inger, ich bin auch nicht von gestern! – Nein, und was meinst du zu einer Kammer im Haus? – Eine Kammer? Dann ist es wie bei andern Leuten. Ach, wenn uns das vergönnt wäre!

Es war ihnen vergönnt, Isak baute und schlug Eckzinken und setzte seine Außenwände, zugleich mauerte er eine Feuerstelle aus passenden Steinen, aber diese Arbeit gelang ihm am wenigsten, und er war zeitweise unzufrieden mit sich. Als die Heuernte begann, musste er den Bau ruhen lassen und mit der Sense weit weg zu den Talhängen und mähen, er trug das Heu in ungeheuren Lasten nach Haus. An einem Regentag sagte Isak, er müsse ins Dorf. – Was willst du da? – Nein, weiß ich nicht genau.

Er ging und blieb zwei Tage und Nächte fort, kam zurück, beladen mit einem Herd – der Prahm kam mit einem Herd auf dem Rücken durch den Wald geschaukelt. Du bist ein Unmensch gegen dich selbst!, sagte Inger. Nun riss Isak die Feuerstelle wieder ein, die sich in dem neuen Haus so schlecht ausnahm, und stellte dafür den Herd auf. Einen Herd hat nicht jeder, sagte Inger. Großer Gott!, sagte sie.

Die Heuernte ging weiter, Isak barg Heu in großer Menge, denn Waldgras ist nicht wie Wiesengras, es ist viel schlechter. Er konnte jetzt nur an Regentagen an dem Haus bauen, es ging schleppend voran, und im August, als alles Heu herangeschafft und unter dem Felsvorsprung untergebracht war, war das neue Haus immer noch nicht mehr als halbhoch. Im September sagte Isak, so geht’s nicht, ich glaub, sagte er zu Inger, du musst laufen und mir einen Mann holen, der mit anfassen kann. Inger war in der letzten Zeit ein wenig kraftlos und konnte nicht mehr springen, aber sie machte sich natürlich bereit.

Jetzt aber hatte der Mann sich anders besonnen, er wurde wieder hochmütig und wollte alles allein machen. Mit solchen Kleinigkeiten soll man die Leute nicht behelligen, sagte er, ich schaff es allein! – Du hältst es nicht durch. – Hilf mir nur, die Stämme hinaufzuschaffen.

Als es Oktober wurde, erklärte Inger: Ich kann nicht mehr! Das war gar nicht gut, die Dachbalken mussten unbedingt hinauf, damit er das Dach decken konnte, ehe der Herbstregen kam, es war höchste Zeit. Was war mit Inger los? Sie wurde doch nicht krank? Manchmal machte sie Ziegenkäse, aber sonst taugte sie fast nur noch dazu, Goldhorn ein paarmal am Tag umzupflocken. – Bring einen großen Korb oder Kasten oder so was mit, wenn du wieder im Dorf bist!, hatte Inger gesagt. – Was willst du damit?, fragte Isak. – Ich brauch ihn, sagte sie.

Er zog die Dachbalken mit einem Tau hinauf, und Inger schob mit einer Hand nach, irgendwie half schon ihre Anwesenheit. Es ging Stück für Stück weiter, das Dach war ja nicht sehr hoch, aber die Balken waren ungeheuer groß und dick für das kleine Haus.

Das gute Herbstwetter hielt leidlich an, Inger nahm alle Kartoffeln allein auf, und Isak konnte das Dach decken, bevor es richtig nass wurde. Die Ziegen kamen nachts schon zu den Menschen in die Hütte, auch das ging, alles ging, die Menschen klagten nicht. Isak machte sich wieder fertig, um ins Dorf zu gehen.

Sieh zu, ob du einen großen Korb oder Kasten für mich kriegen kannst!, wünschte Inger wieder demütig. – Ich hab zwei Glasfenster bestellt, die muss ich abholen, antwortete Isak, und ich hab zwei bemalte Türen bestellt, erwiderte er und war überlegen. – Ach so, na ja, dann muss der Korb wohl warten. – Was willst du damit? – Was ich damit will? Hast du keine Augen im Kopf?

Isak ging tief in Gedanken fort und kam nach zwei Tagen zurück, mit einem Fenster und einer Tür fürs Haus und einer Tür für die Kammer, und dann hatte er noch diesen Kasten für Inger vor der Brust hängen, und darin waren verschiedene Lebensmittel. Inger sagte: Du wirst dich noch mal totschleppen. – Ho, tot? Isak war zurzeit so unendlich weit davon entfernt, fast tot zu sein, dass er eine Medizinflasche mit Alkohol aus der Tasche zog und sie Inger gab, mit der Anweisung, tüchtig davon zu trinken, damit sie wieder zu Kräften komme. Und hier waren nun die Fenster und gemalten Türen, mit denen er sich auch noch brüsten konnte, er begann sofort, sie einzusetzen. Ach, wie klein sie waren, die Türen, und gebraucht waren sie auch, aber mit weißer und roter Farbe neu und schön angemalt, sie schmückten das Haus wie Gemälde.

Nun zogen sie ins neue Haus ein, und das Vieh wurde in der ganzen Hütte verteilt; ein Schaf mit einem Lamm blieb bei der Kuh, damit sie sich nicht einsam fühlte.

Die Menschen in der Ödmark waren weit gekommen, wunderbar weit.

III

Solange der Boden frostfrei war, war Isak auf dem Feld und brach Steine und Wurzeln und ebnete sein Land fürs nächste Jahr, und als die Erde gefror, ging er in den Wald und schlug große Mengen Knüppelholz. – Was willst du mit all dem Holz?, konnte Inger fragen. – Weiß nicht genau, antwortete Isak, aber er wusste es gut. Hier stand alter, dichter Urwald bis an die Häuser heran und war jeder Erweiterung des Weidelands im Wege, außerdem gedachte er, das Knüppelholz im Winter irgendwie ins Dorf zu schaffen und an Leute zu verkaufen, die kein Holz hatten. Das konnte nicht falsch sein, Isak war seiner Sache sicher, er holzte den Wald weiter aus und machte Knüppelholz. Inger kam und besuchte ihn oft bei der Arbeit, und wenn er auch so tat, als wäre das gleichgültig und ganz unnötig, verstand sie doch, dass es ihm wohltat. Seltsame Worte konnten zwischen ihnen fallen: Hast du nichts anderes zu tun, als herzukommen und dich totzufrieren?, sagte Isak. – Ich frier nicht, antwortete Inger, aber du schuftest dich kaputt, sagte sie. – Zieh meine Jacke an, da liegt sie! – Das tu ich nicht, ich kann hier doch nicht rumsitzen, wenn Goldhorn kurz vorm Kalben ist! – Ach, soll sie kalben? – Hast du’s nicht gehört? Was meinst du, ziehen wir das Kalb auf? – Tu, was du willst, ich weiß es nicht. – Aber wir können es doch nicht essen! Dann haben wir nur eine einzige Kuh. – Ich kann mir nicht vorstellen, dass du willst, dass wir das Kalb essen, sagte Isak.

Die einsamen Menschen, hässlich und viel zu robust, aber ein Segen füreinander, für die Tiere und die Erde!

Dann kalbte Goldhorn. Ein bedeutsamer Tag in der Ödmark, eine Freude und ein großes Glück, Goldhorn bekam gutes Futter, und Isak sagte: Spar nicht am Schrot!, obwohl er es auf seinem Rücken hergetragen hatte. Da lag nun ein hübsches Kalb, eine Schönheit von Kuhkalb, rot-bunt wie die Mutter, komisch verwirrt nach dem Mirakel, das es durchgemacht hatte. In ein paar Jahren würde es selbst Mutter sein. Aus diesem Kalb wird eine bildschöne Kuh werden, sagte Inger, wenn ich nur drauf kommen könnte, wie sie heißen soll, sagte sie. Inger war kindisch und hatte einen miserablen Verstand. – Wie sie heißen soll?, sagte Isak, einen passenderen Namen als Silberhorn kannst du für sie nicht finden!

Der erste Schnee fiel. Sobald er befahrbar war, ging Isak ins Dorf und tat wie üblich geheimnisvoll und wollte Inger nicht sagen, was er vorhatte. Er kam mit einer gewaltigen Überraschung zurück – mit Pferd und Schlitten. Das kann doch nicht dein Ernst sein!, sagte Inger, du hast das Pferd doch nicht einfach genommen? – Genommen! – Gefunden, meine ich? – Wenn doch Isak jetzt hätte sagen können: mein Pferd, unser Pferd! Aber er hatte es nur für eine Weile geliehen, um sein Knüppelholz zu transportieren.

Isak brachte Knüppelholz ins Dorf und Lebensmittel und Mehl und Hering zurück. Und einmal kam er mit einem Jungstier auf dem Schlitten nach Hause, er hatte ihn unbegreiflich billig bekommen, denn im Dorf wurde schon das Futter knapp. Mager und zottig war er, und besonders gut brüllen konnte er auch nicht, aber er war keine Missgeburt, bei guter Pflege würde er sich erholen. Er war gerade zweijährig. Inger sagte: Was du alles bringst!

Ja, Isak brachte alles, Planken und Bretter, die er gegen Holz eingetauscht hatte, einen Schleifstein, ein Waffeleisen, Werkzeug, alles für Knüppelholz. Inger schwoll vor Reichtum und sagte jedes Mal: Bringst du noch mehr? Wo wir schon einen Stier und was weiß ich nicht alles haben! – Und eines Tages antwortete Isak: Nein, jetzt bringe ich nichts mehr!

Sie hatten für lange Zeit genug und waren wohlversorgt. Was sollte Isak jetzt bis zum Frühjahr tun? Er war im Winter hundertmal hinter seiner Holzlast hergetrabt und hatte drüber nachgedacht: Er wollte den Waldhang weiter auslichten, wollte Knüppelholz schlagen, es im Sommer trocknen lassen und auf dem nächsten Winterschnee doppelte Lasten fahren. Diese Rechnung stimmte. Isak hatte auch hundertmal an was anderes gedacht: Goldhorn – woher kam sie, wem gehörte sie? Inger war ein wildes Mädchen, ach, keine war wie sie, und sie wollte alles, was er von ihr wollte, und war es zufrieden; aber eines Tages könnte jemand kommen und Goldhorn holen und am Seil vom Hof führen. Und das könnte böse Folgen haben. Du hast das Pferd doch nicht einfach genommen?, sagte Inger, oder gefunden?, sagte sie. Das war ihr erster Gedanke, ihr war wohl nicht ganz über den Weg zu trauen, und was sollte er tun? Darüber hatte er nachgedacht. Hatte er nicht auch noch einen Stier für Goldhorn besorgt, für eine Kuh, die vielleicht gestohlen war?

Und nun musste er das Pferd zurückbringen. Schade, es war klein und rund und den Menschen lieb geworden. – Ach ja, aber du hast schon viel geschafft, sagte Inger tröstend. – Gerade jetzt zum Frühling müsste ich’s haben, antwortete Isak, ich brauch das Pferd so sehr!

Am Morgen fuhr er bedächtig mit der letzten Holzfuhre los und war bis zum dritten Tag fort. Als er zu Fuß zurückgeschaukelt kam, hörte er schon von draußen merkwürdige Töne, was immer es sein mochte, er blieb eine Weile stehen. Kindergeschrei – ja, ja, mein Gott, es musste ja so kommen, aber erschreckend war es und ein Wunder, und Inger hatte nichts gesagt.

Er ging rein und sah als Erstes die Kiste, die besagte Kiste, die er auf seiner Brust nach Haus getragen hatte, jetzt hing sie an zwei Seilen vom First herab und war eine Wiege und eine Schaukel für das Kind. Inger ging halb angezogen umher, ja, sie hatte tatsächlich auch die Kuh und die Ziegen gemolken.

Als das Kind nicht mehr schrie, fragte Isak: War’s schon so weit? – Ja, ’s war so weit. – So. – Es ist an dem Abend gekommen, als du losgefahren bist. – So. – Ich wollte mich nur ausstrecken und die Kiste aufhängen, damit alles fertig ist; aber das hat mir nicht gutgetan, hinterher hatte ich Schmerzen. – Warum hast du mir’s nicht gesagt? – Wie sollte ich die genaue Zeit wissen? Es ist ein Junge. – Ach, ein Junge. – Wenn ich nur drauf kommen könnte, wie er heißen soll!, sagte Inger.

Isak durfte das kleine rote Gesicht anschauen, es war wohlgeformt und hatte keine Hasenscharte, und auf dem Kopf war dichtes Haar. Ein hübscher kleiner Mann, bei seinem Stand und seiner Stellung in einer Kiste. Isak fühlte sich seltsam und schwach, der Mühlstein stand vor dem Wunder, das war einmal in einem heiligen Nebel entstanden, es zeigte sich im Leben mit einem kleinen Gesicht wie eine Allegorie. Tage und Jahre würden das Wunder zu einem Menschen machen.

Komm essen, sagte Inger …

Isak rodet Wald und schlägt Knüppelholz. Er ist ein gutes Stück weitergekommen, er hat eine Säge, sägt Holz, und die Stapel werden ungeheuer groß, er macht eine Straße daraus, eine Stadt. Inger ist jetzt mehr ans Haus gebunden und kann nicht bei ihrem Mann sein, wenn er arbeitet, dafür macht Isak Abstecher nach Hause. Komisch, so ein kleiner Kerl in einer Kiste! Isak fiel es nicht ein, sich um ihn zu kümmern, und außerdem war’s ja nur ein Würmchen, lass es liegen! Man war aber doch ein Mensch und konnte das Schreien nicht ganz teilnahmslos anhören, dieses winzige Schreien.

Nein, fass ihn nicht an!, sagt Inger, du hast bestimmt Harz an den Händen, sagt sie. – Harz an den Händen? Hast du den Verstand verloren?, antwortet Isak. Ich hab kein Harz an den Händen gehabt, seit ich dieses Haus gebaut habe. Gib den Jungen her, ich will ihn schaukeln! – Nein, nun ist er gleich still …

Im Mai kommt eine fremde Frau übers Gebirge zu der einsamen Siedlung, eine von Ingers weit entfernt lebenden Verwandten, sie wird gut aufgenommen. Sie sagt: Ich wollt nur sehen, wie’s Goldhorn ergangen ist, seit sie nicht mehr bei uns ist! – Nach dir fragen die Leute nicht, klein, wie du bist!, beklagt sich Inger bei dem Kind. – Ach, er – ich seh ja, wie’s ihm geht. Ein prächtiger Bursche, seh ich! Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich dich hier wiederfinden würde, Inger, mit Mann und Kind und Hab und Gut! – Ich bin nicht der Rede wert. Aber da sitzt er, der hat mich genommen, so, wie ich war! – Seid ihr getraut? Ach so, getraut seid ihr noch nicht. – Aber vielleicht tun wir’s, wenn der Kleine getauft werden soll, sagt Inger. – Wir hätten uns schon trauen lassen, aber es gab keine Gelegenheit. Was meinst du, Isak? – Ja, trauen – versteht sich. – Oline, kannst du nicht im Frühjahr nach der Feldarbeit wiederkommen und die Tiere versorgen, damit wir wegkönnen?, fragt Inger. – Oh, doch, das versprach der Gast. – Du bekommst was dafür. – Ja, das glaubte sie gern … Und nun seid ihr wieder am Bauen, seh ich. Was soll es werden? Habt ihr nicht genug? – Inger nutzte die Gelegenheit und sagte: Frag ihn, ich kriege nichts zu wissen. – Was ich baue?, antwortet Isak, es ist nicht der Rede wert. Einen kleinen Schuppen, falls ich den mal brauche. Was ist mit Goldhorn, willst du sie sehen?, fragt er den Gast.

Sie gehen in den Stall, Kuh und Kalb werden vorgezeigt, der Stier ist ein Prachtstück, die Fremde nickt zu Tieren und Stall, er sei von der besten Art, und nickt auch zu der großen Reinlichkeit, die sei einzigartig. Ja, was Hege und Pflege von Tieren betrifft, sagt die Frau, da steh ich bei Inger für alles ein!

Isak fragt: Goldhorn ist also früher bei dir gewesen? – Seit sie ein Kalb war! Nicht direkt bei mir, aber bei meinem Sohn; aber das läuft ja aufs selbe hinaus. Bei uns steht sogar noch ihre Mutter im Stall!

Isak hatte lange nichts so Erfreuliches gehört, ein Stein fiel ihm vom Herzen, Goldhorn war jetzt mit Recht Ingers und seine Kuh. Um die Wahrheit zu sagen, hatte er sich fast schon den traurigen Ausweg aus seiner Ungewissheit ausgedacht, Goldhorn im Herbst zu schlachten, das Fell zu enthaaren, die Hörner zu vergraben und jede Lebensspur der Kuh zu tilgen. Das war nun nicht mehr nötig. Er wurde geradezu hochtrabend Ingers wegen und sagte: Reinlich? Sie hat nicht ihresgleichen! Bei mir war es soso, bis ich eine Frau bekam. – Das war ja nicht anders zu erwarten!, sagte die Frau Oline.

Diese Frau von jenseits der Berge, ein freundliches Wesen, das eine vornehme Sprache führte, ein verständiges Wesen namens Oline, sie blieb ein paar Tage und durfte in der Kammer schlafen. Als sie wieder ging, bekam sie ein wenig Wolle von Ingers Schafen mit auf den Weg, versteckte das Bündel aber vor Isak, was immer der Grund sein mochte.

Das Kind, Isak und die Frau – die Welt war wieder wie früher, tägliche Arbeit, viele kleine und große Freuden, Goldhorn gab reichlich Milch, die Ziegen hatten kleine Zickel bekommen und gaben auch reichlich Milch, Inger hatte schon eine Reihe weißer und roter Käse gemacht und zum Reifen hingelegt. Sie wollte so viel Käse machen, plante sie, dass sie sich einen Webstuhl dafür kaufen konnte – oh, diese Inger, sie konnte weben.

Und Isak baute einen Schuppen, er hatte wohl auch einen Plan. Er zimmerte diesen neuen Anbau der Hütte mit einer doppelten Bretterwand, setzte eine Tür und ein hübsches kleines Fenster mit vier Scheiben ein, dann legte er ein Dach aus Schalbrettern obenauf und wartete nun mit der Birkenrinde, bis der Boden aufgetaut war und er Grassoden stechen konnte. Nur das Notwendige und Nützliche, kein Fußboden, keine gehobelten Wände, aber Isak zimmerte eine Box wie für ein Pferd und machte eine Futterkrippe.

Es war gegen Ende Mai. Die Sonne hatte den Boden aufgetaut, Isak deckte seinen Schuppen mit Grassoden, und der Schuppen war fertig. Dann eines Morgens verzehrte er eine Mahlzeit für einen ganzen Tag, packte außerdem Essen ein, nahm Hacke und Spaten auf die Schulter und ging zum Dorf. – Bring vier Ellen Kattun mit!, rief Inger ihm nach. – Was willst du damit?, antwortete Isak.

Es schien, als wollte er für immer fortbleiben, Inger sah jeden Tag nach dem Wetter, sah nach der Windrichtung, als erwartete sie ein Segelschiff, ging nachts hinaus und lauschte, sie dachte daran, das Kind auf den Arm zu nehmen und ihm nachzuziehen. Endlich kam er mit Pferd und Karren zurück. Brr!, sagte Isak laut vor der Tür, und obwohl das Pferd ruhig und freundlich war und die Hütte brummelnd wiedererkannte, rief Isak ins Haus: Komm und halte das Pferd!

Inger hinaus. – Was ist das?, sagte sie. Nein, Isak, hast du’s wieder ausgeliehen? Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Es ist der sechste Tag. – Wo soll ich gesteckt haben? Ich musste an vielen Stellen einen Weg machen, um mit meinem Wagen durchzukommen. Halt mal das Pferd, hab ich gesagt. – Deinen Wagen? Du hast den Wagen doch nicht gekauft?

Isak stumm, schwer vor Stummheit. Er beginnt, Pflug und Egge, die er sich verschafft hat, Nägel, Lebensmittel, eine Brechstange, einen Sack Korn vom Karren zu heben. – Wie geht’s dem Kind?, fragt er.

Das ist wohlauf. Ob du den Karren gekauft hast?, frage ich. Und ich spare und spare für einen Webstuhl, sagte sie geradezu scherzhaft, so froh war sie, dass er wieder zu Hause war. Isak war wieder eine lange Weile stumm und mit seinen Dingen beschäftigt, er überlegte und sah sich um, wo er all die Waren und Geräte unterbringen sollte, es schien gar nicht einfach zu sein, auf dem Hof einen Platz dafür zu finden. Als aber Inger aufhörte zu fragen und sich darauf verlegte, mit dem Pferd zu plaudern, brach Isak das Schweigen: Hast du schon mal ’nen Hof gesehen ohne Pferd und Wagen und Pflug und Egge und alles, was dazugehört? Und wenn du es unbedingt wissen willst, ich hab das Pferd und den Karren gekauft und alles, was drin ist, antwortete er. – Inger konnte nur noch den Kopf hin und her wiegen und sagen: Großer Gott!

Und Isak, er war jetzt nicht klein und verzagt, es war, als hätte er wie ein großer Herr für Goldhorn bezahlt: Bitte – eine runde Summe, ich steuere ein Pferd bei! Er war so sehr bei Kräften, dass er den Pflug noch einmal aufhob, ihn mit einer Hand zur Hauswand trug und dort aufstellte. Er war so ein richtiger Herr Direktor! Und dann nahm er die Egge, die Brechstange, eine neue Mistgabel, die er gekauft hatte, all die teuren Landwirtschaftsgeräte, Kleinode auf dem Hof. Großartig, komplette Ausstattung, jetzt fehlte nichts mehr.

Hm. Mit dem Webstuhl, da wird sich Rat finden, sagte er, so ich bei Gesundheit bleibe. Da ist der Kattun, sie hatten nur den blauen.

Isak war bodenlos und schüttete mit vollen Händen aus. Als ob er in der Stadt gewesen wäre.

Inger sagt: Nur schade, dass Oline das alles nicht zu sehen bekommen hat, als sie hier war.

Nichts als Albernheiten und Eitelkeit seitens der Frau, und Isak schnob zu ihren Worten. Ach, aber er hätte gewiss nichts dagegen gehabt, wenn Oline die Herrlichkeit gesehen hätte.

Das Kind weinte.

Geh wieder zum Jungen rein, sagte Isak. Das Pferd hat sich jetzt beruhigt.

Er spannt aus und führt das Pferd in den Stall – er stellte sein Pferd ein! Er füttert und streichelt es und liebkost es. Was er für Pferd und Karren schuldete? Alles, die volle Summe, eine große Schuld; aber sie sollte nicht älter werden als bis über den Sommer. Er hatte Knüppelholz dafür, Rinde zum Bauen vom vorigen Jahr und auch ein paar gute Stämme Bauholz. Es war kein Problem. Später, als sich seine Spannung und sein Übermut legten, hatte er vor Angst und Sorge manche bittere Stunde, alles kam jetzt auf den Sommer und den Herbst an, auf die Jahresernte!

Die Tage waren mit Feldarbeit und wieder Feldarbeit ausgefüllt, er säuberte neue Flächen von Wurzeln und Steinen, pflügte, düngte, eggte, hackte, zerkleinerte Klumpen mit den Händen, mit den Absätzen, war ganz der Landmann und verwandelte die Felder in Samtdecken. Er wartete noch ein paar Tage, es sah nach Regen aus, und er säte Korn.

Seit Hunderten von Jahren wohl hatten seine Vorfahren Korn gesät, es war ein Akt der Andacht an einem stillen und milden Abend ohne Wind, möglichst mit einem gnädigen und ganz leichten Nieselregen von vorn, möglichst auch bald nach dem Zug der Graugänse. Die Kartoffel war eine neue Frucht, sie hatte nichts Mystisches, nichts Religiöses, Frauen und Kinder konnten beim Setzen helfen, diese Erdäpfel, die aus dem Ausland kamen wie der Kaffee, ein großartiges, herrliches Nahrungsmittel, aber doch eher mit der Rübe verwandt. Korn, das war Brot, Korn oder nicht Korn, das war Leben oder Tod. Isak ging barhäuptig und im Namen Jesu und säte, er war wie ein Klotz mit Händen dran, innerlich aber war er wie ein Kind. Er war achtsam bei jedem Wurf, war freundlich und ergeben gestimmt. Seht, diese Körner werden keimen und zu Ähren und mehr Korn werden, so ist es auf der ganzen Erde, wenn man Korn sät. In Palästina, in Amerika, im Gudbrandsdal – ach, wie weit ist die Welt, und das winzige Viereck, das Isak beim Säen abschritt, war genau die Mitte von allem. Von seiner Hand strahlten Fächer von Korn aus, der Himmel war bewölkt und gütig, es sah nach einem unendlich feinen Nieselregen aus.

IV

Nach der Feldarbeit im Frühjahr kamen Tage mit mehr Zeit, die Frau Oline aber kam nicht.

Isak musste nicht mehr auf die Felder, er rüstete sich mit zwei Sensen und zwei Rechen für die Heumahd aus, machte einen langen Boden für den Karren, um Heu fahren zu können, und besorgte sich Kufen und Holz für einen Schlitten im Winter. Er machte viele gute Sachen. Und diese zwei Bretter an der Wand im Haus, die brachte er auch an, sodass man verschiedene Dinge darauf legen konnte, den Almanach, den er endlich gekauft hatte, Rührlöffel und Kellen, die nicht in Gebrauch waren. Inger sagte, die beiden Regale seien eine Wohltat!

Inger fand, alle Dinge seien eine Wohltat. Goldhorn zum Beispiel, die wollte nicht mehr weglaufen, sondern gab sich zufrieden mit dem Kalb und dem Stier und war den ganzen Tag lang im Wald. Und die Ziegen, sie gediehen und schleiften ihre schweren Euter fast über die Erde. Inger nähte ein langes Kleidungsstück aus blauem Kattun und eine kleine Mütze aus dem gleichen Stoff, das Hübscheste, was man je gesehen hatte, und das war der Taufanzug. Der Junge selbst lag da und verfolgte die Arbeit von Zeit zu Zeit mit seinen Blicken, er war schon ein ordentlicher Bursche geworden, und wenn er unbedingt Eleseus heißen sollte, wollte Isak sich dem nicht länger widersetzen. Als das Kleid fertig war, war eine lange Schleppe von zwei Ellen Kattun daran, und jede Elle hatte ihren Preis, aber daran war nichts zu ändern, das Kind war nun mal der Erstgeborene. – Wenn deine Perlenkette je getragen werden soll, dann jetzt!, sagte Isak. – Ach, Inger hatte schon dran gedacht, an die Perlen, sie war nicht umsonst Mutter, sie war ganz dumm und stolz. Die Perlen reichten dem Jungen nicht um den Hals, vorn an seiner Mütze aber würden sie schön aussehen, und dort wurden sie angebracht.

Oline aber kam nicht.

Wären die Tiere nicht gewesen, sie hätten alle zusammen losgehen und nach drei Tagen mit einem getauften Kind zurückkommen können. Und wäre nicht die liebe Trauung gewesen, hätte Inger allein gehen können. – Und wenn wir die Trauung erst mal aufschieben?, sagte Isak. – Inger erwiderte: Bis Eleseus zu Hause bleiben und melken kann, dauert’s zehn, zwölf Jahre!

Nein, Isak musste zur Vernunft kommen. Eigentlich hatte alles ohne Anfang angefangen, die Trauung war vielleicht genauso notwendig wie die Taufe, was wusste er. Es sah jetzt nach Dürre aus, nach wirklicher, schlimmer Dürre, wenn es nicht bald regnete, würde die Saat verbrennen; aber alles lag in Gottes Hand. Isak machte sich bereit, ins Dorf zu laufen und jemanden zu holen. Wieder die vielen Meilen laufen.

All diese Mühen wegen einer Trauung und einer Taufe! Die Menschen in der Ödmark haben wahrlich viele kleine und große Sorgen!

Dann kam Oline …

Jetzt waren sie verheiratet und getauft, alles in Ordnung, sie hatten sogar daran gedacht, sich zuerst trauen zu lassen, damit das Kind ehelich war. Die Dürre aber blieb, und jetzt verbrannten die kleinen Kornfelder, diese Samtdecken, und was war der Grund? Alles lag in Gottes Hand. Isak mähte seine Wiesen, auf denen nicht viel Gras stand, obwohl sie im Frühjahr gedüngt worden waren; er mähte und mähte an den Waldhängen, im abgelegenen Ödland, und wurde nicht müde, Futter zu mähen und zu trocknen und nach Hause zu bringen, denn er hatte jetzt ein Pferd und einen großen Viehbestand. Mitte Juli aber musste er auch das Korn als Grünfutter schneiden, es war zu nichts anderem zu gebrauchen. Jetzt kam alles auf die Kartoffeln an!

Was hatte es auf sich mit den Kartoffeln? Waren sie nur so was wie Kaffee aus dem Ausland und entbehrlich? Ach, die Kartoffel ist eine einmalige Frucht, ob Dürre, ob Nässe, sie wächst. Sie trotzt dem Wetter und hält viel aus, und wird ihr ein bisschen gute Behandlung durch den Menschen zuteil, lohnt sie es fünfzehnfach. Seht, die Kartoffel hat nicht das Blut der Traube, aber sie hat das Fleisch der Kastanie, man kann sie braten oder kochen und zu allem gebrauchen. Ein Mann kann ohne Brot sein – hat er Kartoffeln, ist er nicht ohne Nahrung. Die Kartoffel kann man in heißer Asche rösten und als Abendmahlzeit verspeisen, sie lässt sich kochen und kann als Frühstück dienen. Was braucht man dazu? Wenig, die Kartoffel ist genügsam, eine Schale Milch, ein Hering sind genug. Die Reichen essen sie mit Butter, die Armen stippen sie in ein wenig Salz auf einer Schale, Isak verschlang sie sonntags mit einer Schüssel Rahm aus Goldhorns Milch. Die geschmähte und gepriesene Kartoffel!

Jetzt aber waren auch die Kartoffeln wie verhext.

Isak blickte tagsüber unzählige Male zum Himmel. Der Himmel war blau. An manchen Abenden sah es nach einem Schauer aus. Isak ging ins Haus und sagte: Ob es nicht doch noch regnet? Ein paar Stunden später war wieder alle Hoffnung vorbei. Die Dürre dauerte jetzt sieben Wochen, und die Hitze war groß, die Kartoffeln standen die ganze Zeit in voller Blüte, sie blühten unnatürlich und wunderbar. Die Äcker sahen von Weitem wie Schneefelder aus. Wie sollte das alles enden? Der Almanach gab keinen Hinweis, die Almanache waren nicht mehr wie früher, sie waren zu nichts nütze. Jetzt sah es wieder nach Regen aus, und Isak ging zu Inger hinein und sagte: Heute Nacht wird es wohl mit Gottes Hilfe regnen! – Sieht es danach aus? – Ja. Und das Pferd ruckt an der Deichsel. Inger schaute durch die Tür hinaus und sagte: Ja, jetzt kommt’s! – Einige Tropfen fielen. Die Stunden vergingen, die Menschen legten sich schlafen, als Isak nachts hinausging und nachschaute, war der Himmel blau. – Ach, mein Gott!, sagte Inger. Gut, aber dann trocknet morgen jedenfalls dein restliches Laub, sagte sie und spendete Trost, so gut sie konnte.

Jawohl, Isak hatte tüchtig Laub geschnitten und hatte jetzt eine Menge Laub von der besten Sorte. Das war wertvolles Futter, er behandelte es wie Heu und deckte es im Wald mit Rinde zu. Jetzt war nur noch ein kleiner Rest draußen, deshalb antwortete er Inger in tiefer Verzweiflung und Gleichgültigkeit: Ich hol’s nicht rein, egal, ob es trocken ist! – Das ist doch nicht dein Ernst?, sagte Inger.

Am nächsten Tag holte er es also nicht herein – da er es gesagt hatte, holte er das Laub nicht herein. Mochte es dort liegen bleiben, es würde ja doch nicht regnen, sollte das Laub doch in Gottes Namen da liegen! Irgendwann vor Weihnachten könnte er es hereinholen, wenn die Sonne es bis dahin nicht ganz und gar verbrannt hatte!

Er fühlte sich gründlich gekränkt, es machte ihm keine Freude mehr, vor der Tür zu sitzen und über das Land zu schauen und es zu besitzen. Da standen die Kartoffeln in sinnloser Blüte und vertrockneten, mochte also das Laub liegen, wo es lag, bitte sehr! Aber Isak – vielleicht verfolgte er in all seiner Arglosigkeit einen kleinen schlauen Gedanken, vielleicht geschah es aus Berechnung, und er wollte den blauen Himmel jetzt vor dem Mondwechsel herausfordern.

Abends sah es wieder nach Regen aus. Du hättest dein Laub reinholen sollen, sagte Inger. – Warum?, sagte Isak und stellte sich völlig verständnislos. – Ja, ja, du machst dich lustig, aber es könnte Regen geben. – Du siehst doch, dieses Jahr gibt es keinen Regen.

In der Nacht aber schien sich das Glasfenster doch sehr zu verdunkeln, auch war es, als triebe etwas dagegen und befeuchtete es, was immer das sein mochte. Inger wachte auf und sagte: Es regnet, sieh mal, die Scheiben! – Isak schnob nur und antwortete: Regen? Das ist kein Regen. Ich weiß nicht, wovon du sprichst! – Spotte nicht!, sagte Inger.

Ja, Isak spottete. Und er betrog nur sich selbst. Gewiss war es Regen, sogar ein kräftiger Schauer, aber als Isaks Laub tüchtig durchnässt war, hörte er auf. Der Himmel war blau. Hab ich nicht gesagt, dass es keinen Regen gibt?, sagte Isak eigensinnig und ziemlich gotteslästerlich.

Für die Kartoffeln brachte der Schauer nichts, und die Tage kamen und gingen, der Himmel war blau. So begann Isak, an seinem Holzschlitten zu arbeiten und war fleißig und beugte sein Herz und hobelte demütig Kufen und Deichseln, ach ja, mein Gott! Sieh, die Tage kamen und gingen, das Kind wuchs, Inger machte Butter und Käse, im Grunde kam es nicht drauf an, tüchtige Menschen überstanden auch ein schlechtes Jahr in der Ödmark. Und außerdem – als neun Wochen vergangen waren, wurden sie mit Regen geradezu überschüttet, einen Tag und eine Nacht lang Regen, es goss sechzehn Stunden lang, die Himmel waren geöffnet. Zwei Wochen früher hätte Isak gesagt: Es ist zu spät! Jetzt sagte er zu Inger: Du wirst sehen, der rettet uns ein paar Kartoffeln! – Oh ja, sagte Inger zuversichtlich, der rettet alles!

Und nun sah es wieder besser aus, jeden Tag kamen Schauer, das zweite Gras wurde grün, es war wie Zauberei. Die Kartoffeln blühten, jawohl, sie blühten schlimmer als zuvor, und ganz oben trieben sie große Beeren, und das war ganz und gar nicht richtig; niemand aber wusste, was unter ihren Wurzeln war, Isak hatte nicht gewagt, nachzuschauen. Dann kam Inger eines Tages mit über zwanzig kleinen Kartoffeln, die sie unter einem Strauch gefunden hatte. Und sie haben immer noch fünf Wochen zum Wachsen!, sagte Inger. – Diese Inger, sie wollte von Herzen trösten und gute Worte machen mit ihrer Hasenscharte. Ganz erbärmlich war sie anzuhören, sie zischelte, es war, wie wenn Dampf aus einem Ventil leckt; aber ihr Trost tat gut in der Ödmark. Und lebensfroh, das war sie von Natur. – Du könntest vielleicht noch ein Bett bauen!, sagte sie zu Isak. – Ach, sagte er. – Es eilt ja nicht, aber …