Segen der Erde. Roman - Knut Hamsun - E-Book

Segen der Erde. Roman E-Book

Knut Hamsun

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Beschreibung

Ein Roman von übernatürlicher Ruhe, herber Schönheit und biblischer Kraft: In Segen der Erde lässt Knut Hamsun das Leben der norwegischen Siedler zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufleben. Bei seiner Veröffentlichung im Jahr 1917 erregte der Roman internationales Aufsehen, drei Jahre später sollte er seinem Autor den Nobelpreis für Literatur einbringen. In dem »monumentalen Werk«, so die Schwedische Akademie, beschwört Hamsun die elementare Verbindung zwischen Mensch und Land herauf: Der Ackerbauer Isak verlässt sein Dorf, um sich in der unberührten nordnorwegischen Wildnis anzusiedeln. Eines Tages steht Inger vor seiner Tür. Sie wird seine Frau, und durch harte Arbeit sowie unermüdliche Willenskraft gelingt es ihnen, für sich und ihre Söhne ein Leben in Wohlstand zu erschaffen. Doch mit der Zeit treten die Konflikte zwischen der alten Tradition des ursprünglichen Landlebens und den zunehmenden Annehmlichkeiten der modernen Gesellschaft immer deutlicher zutage. – Mit einer kompakten Biographie des Autors. 

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Seitenzahl: 657

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Knut Hamsun

Segen der Erde

Roman

Aus dem Norwegischen übersetzt von Pauline Klaiber-Gottschau, überarbeitet von Julius SandmeierMit einem Nachwort von Gabriele Haefs

Reclam

Norwegischer Originaltitel: Markens Grøde

 

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH

Coverabbildung: Harald Oscar Sohlberg, MarkensGrøde (1916) – Bridgeman Images

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962122-7

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020723-9

www.reclam.de

Inhalt

Erster Teil

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

Zweiter Teil

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Zu dieser Ausgabe

Nachwort

Zeittafel

Erster Teil

1

Der lange, lange Pfad über das Moor in den Wald hinein – wer hat ihn ausgetreten? Der Mann, der Mensch, der erste, der hier war. Für ihn war noch kein Pfad vorhanden. Später folgte dann das eine oder andere Tier der schwachen Spur über Sümpfe und Moore und machte sie deutlicher, und wieder später schnupperte allmählich der oder jener Lappe den Pfad auf und benützte ihn, wenn er von Berg zu Berg wanderte, um nach seinen Rentieren zu sehen. So entstand der Weg durch die weite Allmende, die niemand gehörte, durch das herrenlose Land.

Der Mann kommt in nördlicher Richtung gegangen. Er trägt einen Sack, den Sack, der Mundvorrat und einiges Handwerkszeug enthält. Der Mann ist stark und derb, er hat einen rostigen Bart und kleine Narben im Gesicht und an den Händen – diese Wundenzeichen, hat er sie sich bei der Arbeit oder im Kampf geholt? Er kommt vielleicht aus dem Gefängnis und will sich verbergen, vielleicht ist er ein Philosoph und sucht Frieden, jedenfalls aber kommt er dahergewandert, ein Mensch mitten in dieser ungeheuren Einsamkeit. Er geht und geht, still ist es ringsum, kein Vogel, kein Tier ist zu hören, bisweilen redet er ein paar Worte mit sich selbst. Ach ja, Herrgott im Himmel!, sagt er. Wenn er auf seiner Wanderung an Moore und wirtliche Stellen oder offene freie Plätze im Walde kommt, legt er seinen Sack ab, geht umher und untersucht die Bodenverhältnisse; nach einer Weile kehrt er zurück, nimmt seinen Sack wieder auf den Rücken und wandert weiter. Dies währt den ganzen Tag, er sieht an der Sonne, welche Zeit es ist, es wird Nacht, und er wirft sich ins Heidekraut und schläft auf seinem Arm.

Nach einigen Stunden geht er wieder weiter. Ach ja, Herrgott im Himmel! Geht wieder geradeaus nach Norden, sieht an der Sonne die Tageszeit, hält Mittagsrast mit einem Stück Hartbrot und Ziegenkäse, trinkt Wasser aus einem Bach dazu und setzt seinen Weg fort. Auch diesen ganzen Tag wandert er ununterbrochen weiter, denn er muss sehr viele wirtliche Plätze im Walde untersuchen. Was sucht er? Land, Erde? Er ist vielleicht ein Auswanderer aus den Dörfern, denn er schaut sich scharf und spähend um, manchmal ersteigt er auch einen Hügel und späht von da umher. Jetzt ist die Sonne wieder am Untergehen.

Er befindet sich jetzt auf der Westseite eines langgestreckten Tales mit gemischtem Wald, hier ist auch Laubwald, und Weideflächen mischen sich darein, stundenlang geht es so fort; es dämmert, aber der Mann hört das leise Rauschen eines Flusses, und dieses leichte Rauschen ist wie etwas Lebendiges und muntert ihn auf. Als er die Höhe erreicht, sieht er das Tal im Halbdunkel vor sich liegen und weit draußen nach Süden den Himmel darüber. Nun legt er sich schlafen.

Am Morgen sieht er eine Landschaft mit Wald und Weideland vor sich ausgebreitet. Er steigt hinunter: Da ist ein grüner Berghang, weit unten erblickt er ein Stück des Flusses und einen Hasen, der in einem Sprung darüber hinwegsetzt. Der Mann nickt, als sei es ihm gerade recht, dass der Fluss nicht breiter ist als ein Hasensprung. Ein brütendes Schneehuhn flattert plötzlich zu seinen Füßen auf und zischt ihn wild an, und wieder nickt der Mann: Hier sind Tiere und Vögel, das ist abermals gerade recht! Seine Füße waten durch Blaubeerenbüsche und Preiselbeerkraut, durch siebengezackte Waldsterne und niedere Farnkräuter; wenn er da und dort anhält und mit einem Eisen in der Erde gräbt, findet er hier Walderde und dort mit Laub und verrotteten Zweigen seit Tausenden von Jahren gedüngten Moorboden. Der Mann nickt, hier will er sich niederlassen, ja, hier sich niederlassen, das will er. Noch zwei weitere Tage streift er in der Gegend umher, kehrt aber am Abend immer wieder zu dieser Halde zurück. Des Nachts schläft er auf seinem Lager aus Tannenzweigen, er ist ganz daheim hier, er hat ja schon ein Lager unter einem Felsvorsprung.

Das Schlimmste war gewesen, den Ort zu finden, einen Ort, der niemand gehörte, der sein war; jetzt kamen die Tage der Arbeit. Er fing sofort an, in den etwas weiter entfernten Wäldern Rinde von den Birken zu schälen, jetzt, während der Saft noch in den Bäumen war. Dann legte er die Rinden fest zusammen, beschwerte sie mit Steinen und ließ sie trocknen. Wenn er eine große Last beisammenhatte, trug er sie die vielen Meilen zurück ins Dorf und verkaufte sie als Baumaterial. Und auf seine Halde dort droben brachte er neue Säcke mit Lebensmitteln und Werkzeug heim: Mehl, Speck, einen Kochtopf, einen Spaten; unverdrossen wanderte er den Pfad hin und her und schleppte sich ab. Ein geborener Lastträger, ein Prahm, der durch die Wälder ging, o es war, als liebe er diesen seinen Beruf, viel zu gehen und viel zu tragen, als dünke ihn, ohne Last auf dem Rücken zu gehen, ein faules Dasein, das für ihn nicht passe.

Eines Tages kam er dahergewandert mit seiner schweren Last auf dem Rücken und außerdem mit zwei Ziegen und einem jungen Bock an der Leine. Er war so beglückt über die Ziegen, gerade als seien es Kühe, und er war gut gegen sie. Der erste fremde Mensch kam vorüber, ein wandernder Lappe. Dieser sah die Ziegen und erriet, dass er auf einen Mann traf, der sich da niedergelassen hatte, und sagte:

Willst du hier dauernd wohnen? – Ja, antwortete der Mann. – Wie heißt du? – Isak. Weißt du keine Magd für mich? – Nein, aber ich will darüber reden, dort, wo ich vorüberkomme. – Ja, tu das! Sage, dass ich Haustiere habe, aber niemand, der sie besorgt.

Isak also, ja, auch das wollte der Lappe ausrichten. Der Mann auf der Halde war kein Flüchtling, er sagte seinen Namen. Er ein Flüchtling? Dann hätte man ihn aufgespürt. Er war nur ein unverdrossener Arbeiter, er sammelte Winterfutter für seine Ziegen, fing an Boden urbar zu machen, einen Acker zu roden, Steine wegzuschaffen, Steinwälle aufzurichten. Im Herbst hatte er eine Wohnung fertig, eine Erdhütte, eine Gamme, die war dicht und warm, sie krachte nicht in den Fugen beim Sturm, und sie konnte nicht abbrennen. Er konnte in diese Heimstätte hineingehen, die Türe hinter sich zumachen und da drinnen bleiben, oder er konnte vor der Türöffnung stehen und sich als den Herrn seines Hauses zeigen, wenn jemand vorbeikäme. Die Gamme war in zwei Teile geteilt, in dem einen wohnte er selbst, im andern seine Tiere. Ganz innen unter dem Felsen hatte er seinen Heuboden errichtet. Alles war da.

Wieder kommen ein paar Lappen vorüber, Vater und Sohn. Sie bleiben stehen, stützen sich mit beiden Händen auf ihre langen Stöcke, betrachten die Hütte und das urbar gemachte Land und hören die Ziegenglocken oben am Hang.

Ja, guten Tag, sagen sie, hier sind ja große Leute hergekommen. Die Lappen schmeicheln immer.

Ihr wisst wohl keine Magd für mich?, versetzt Isak, denn er hat nur das eine im Kopf.

Eine Magd zur Hilfe? Nein. Aber wir wollen es weitersagen. – Ja, wenn ihr so gut sein wollt. Und dass ich ein Haus und Ackerland und Vieh habe, aber keine Magd zur Hilfe, das sollt ihr sagen.

Ach, sooft er mit seinen Birkenrinden drunten im Dorfe war, hatte er nach dieser Magd zur Hilfe ausgeschaut, aber keine gefunden. Sie hatten ihn betrachtet, eine Witwe, ein paar ältere Mädchen, es aber nicht gewagt, ihm Hilfe zu versprechen; woher das kommen mochte, das begriff Isak nicht. Begriff er es wirklich nicht? Wer wollte bei einem Manne dienen, draußen im Ödland, meilenweit von den Menschen, ja eine Tagereise von der nächsten menschlichen Behausung entfernt! Und der Mann selbst war nicht die Spur lieb und hübsch, im Gegenteil, wenn er sprach, war er kein Tenor mit gen Himmel gerichteten Augen, sondern hatte eine etwas tierische und grobe Stimme.

Dann musste er eben allein bleiben.

Im Winter machte er große Holztröge, verkaufte diese im Dorfe und kam mit Säcken voll Lebensmitteln und Werkzeug durch den Schnee zurück. Das waren harte Tage, ja er hatte eine schwere Last. Er hatte ja Haustiere, und die konnte er nicht längere Zeit verlassen. Wie hielt er es da? Die Not macht erfinderisch, sein Gehirn war stark und unverbraucht, und er übte es immer mehr. Das Erste, was er tat, wenn er fortging, war, die Ziegen loszulassen, so dass sie an den Zweigen im Walde ihren Hunger stillen konnten. Aber er wusste auch noch einen anderen Ausweg. Er hängte am Fluss ein großes Holzgefäß auf und ließ ein kleines Rinnsal hineinlaufen; es dauerte vierzehn Stunden, bis dies Gefäß voll war. Wenn das Gefäß bis zum Überlaufen voll war, dann hatte es gerade das rechte Gewicht, dass es heruntersank, aber indem es sank, zog es an einer Leine, die mit dem Heuboden in Verbindung stand, eine Luke öffnete sich, drei abgemessene Geißenmahlzeiten fielen herunter, und die Tiere hatten ihre Nahrung.

Auf diese Weise machte er es.

Eine geistreiche Erfindung, ja vielleicht eine Eingebung von Gott, dem Manne war geholfen. Es ging gut bis in den Spätherbst, dann kam Schnee, dann Regen, dann wieder Schnee, dauernd Schnee; da wirkte die Einrichtung mit der Heuversorgung verkehrt, das Gefäß füllte sich mit Regenwasser und öffnete die Luke vor der Zeit. Der Mann deckte das Gefäß zu, dann ging es wieder eine Weile gut, aber als der Winter einsetzte, fror das Rinnsal ein, und die Einrichtung versagte gänzlich.

Da mussten die Ziegen und auch der Mann selbst entbehren lernen.

Das waren harte Tage, der Mann musste Hilfe haben, hatte jedoch keine. Er wurde aber deshalb doch nicht ratlos. Er schaffte an seinem Heim weiter, machte ein Fenster in die Hütte, ein Fenster mit zwei Glasscheiben. Das war ein merkwürdiger und heller Tag in seinem Leben, als er nicht auf dem Herd Feuer anzünden musste, um sehen zu können, nun konnte er drinnen sitzen bleiben und bei Tageslicht Tröge aus Holz anfertigen. Es wurde besser für ihn und lichter. Ach ja, Herrgott im Himmel! Er las nie in einem Buche, seine Gedanken beschäftigten sich aber oft mit Gott, er konnte nicht anders, Vertrauen und Ehrfurcht wohnten in seiner Seele. Der Sternenhimmel, das Rauschen des Waldes, die Einsamkeit, die Schneemassen, die Gewalten auf der Erde und über der Erde stimmten ihn oftmals am Tage nachdenklich und andächtig; er fühlte sich sündig und war gottesfürchtig, des Sonntags wusch er sich zur Ehre des Feiertages, arbeitete aber sonst wie alle Tage.

Der Frühling kam heran, er bebaute seinen kleinen Acker und steckte Kartoffeln. Er hatte jetzt einen größeren Viehbestand, jede Ziege hatte Zwillinge gebracht, es waren jetzt sieben Geißen, groß und klein zusammengerechnet. Mit der Zukunft vor Augen erweiterte er seinen Stall und setzte auch da ein paar Fensterscheiben ein. Es wurde heller und tagte in jeder Weise.

Eines Tages kam die Hilfe. Droben auf der Halde wanderte sie lange hin und her, ehe sie sich hervorwagte. Es wurde Abend, bis sie herankam, aber dann kam sie – ein großes, braunäugiges Mädchen; sie war so üppig und derb, mit festen guten Händen, mit Lappenschuhen an den Füßen, obgleich sie keine Lappin war, und mit einem Kalbfellsack auf dem Rücken. Sie war wohl schon etwas bei Jahren, höflich gesprochen, nahe an den Dreißigern.

Warum sollte sie sich denn fürchten? Sie grüßte, fügte jedoch rasch hinzu: Ich muss nur über die Berge, darum bin ich diesen Weg gegangen. – So, sagte der Mann. Er verstand sie nicht ganz, sie redete undeutlich und wendete überdies das Gesicht weg. – Ja, sagte sie. Und es ist ein sehr weiter Weg. – Ja, antwortete er. Willst du über das Gebirge? – Ja. – Was willst du dort? – Ich habe meine Leute dort. – So, hast du deine Leute dort? Wie heißt du? – Inger, und wie heißt du? – Isak. – So, Isak. Wohnst du hier? – Ja, ich wohne hier und habe es so, wie du hier siehst. – Das ist wohl nicht übel, sagte sie lobend.

Isak war im Denken ein ganzer Mann geworden, und nun kam ihm der Gedanke, dass sie wohl im Auftrag von jemand gekommen, ja dass sie direkt von zu Hause hierher gekommen sei und nicht weiterwolle. Sie hatte vielleicht gehört, dass ihm weibliche Hilfe fehle.

Komm herein und ruh dich aus!, sagte er.

Sie traten in die Hütte, aßen von ihrem Mundvorrat und tranken von seiner Geißenmilch; dann kochten sie Kaffee, den sie in einer Blase bei sich hatte. Sie hatten es sehr behaglich beim Kaffee, ehe sie schlafen gingen. Nachts lag er da und war gierig nach ihr und bekam sie.

Am Morgen ging sie nicht wieder weg und den Tag über auch nicht; sie machte sich nützlich, melkte die Ziegen und scheuerte die Holzgefäße mit feinem Sand und machte sie sauber. Sie ging nie wieder fort. Inger hieß sie, Isak hieß er.

Nun begann ein anderes Leben für den einsamen Mann. Das Einzige war, dass seine Frau undeutlich redete und wegen einer Hasenscharte immer das Gesicht wegwendete; aber das war nichts, um sich darüber zu beklagen. Ohne diesen verunstalteten Mund wäre sie wohl nie zu ihm gekommen, die Hasenscharte war sein Glück. Und er selbst, war er ohne Fehl? Isak mit dem rostigen Vollbart und dem zu untersetzten Körper, er war wie ein gräulicher Mühlgeist, ja wie durch eine verzerrende Fensterscheibe gesehen. Und wer sonst ging mit einem solchen Ausdruck im Gesicht umher? Es war, als könne er jeden Augenblick eine Art von Barrabas loslassen. Es bedeutete schon viel, dass Inger nicht davonlief.

Sie lief nicht davon. Wenn er fort war und wieder heimkam, war Inger bei der Hütte, die beiden waren eins, die Hütte und sie.

Er hatte nun einen Menschen mehr zu versorgen, aber es lohnte sich, er konnte länger fort sein, er konnte sich rühren. Da war der Fluss, ein freundlicher Fluss, der neben seinem freundlichen Aussehen auch tief und raschen Laufes war; es war durchaus kein geringer Fluss, er musste aus einem großen See droben im Gebirge kommen. Nun verschaffte Isak sich Fischgeräte und suchte diesen See auf, wenn er dann am Abend heimkam, brachte er eine ordentliche Anzahl Forellen und Alpensalme mit. Inger empfing ihn mit großer Verwunderung, sie war ganz überwältigt, schlug die Hände zusammen und rief: Um alles in der Welt! Sie merkte wohl, wie erfreut und stolz er über ihr Lob war, und da sagte sie noch mehr freundliche Worte: dass sie so etwas noch nie gesehen habe und gar nicht verstehe, wie er das zuwege bringen konnte.

Auch auf andere Weise war Inger ein Segen für ihn. Obgleich sie nicht gerade ein schönes Gesicht und Verstand im Kopfe hatte, so hatte sie doch bei einem ihrer Leute zwei Schafe mit ihren Lämmern stehen, und die holte sie. Das war das Notwendigste, was jetzt in die Gamme gebracht werden konnte, Schafe mit Wolle und Lämmern, vier lebende Tiere, der Viehstand vermehrte sich im großen Stil, wunderbar war es, wie er zunahm. Inger holte außerdem noch ihre Kleider und andere Sachen, die ihr gehörten, einen Spiegel, eine Schnur mit einigen hübschen Glasperlen daran, Kardätschen und ein Spinnrad. Sieh, wenn sie so weitermachte, war bald alles voll vom Boden bis zur Decke, und die Gamme hatte nicht Raum für alles! Isak war natürlich sehr bewegt beim Anblick dieser irdischen Reichtümer; aber da er von Natur wortkarg war, fiel es ihm schwer, sich darüber auszusprechen, er ging hinaus vors Haus, sah nach dem Wetter und kam wieder herein. Ja, gewiss hatte er großes Glück gehabt, und er fühlte immer mehr einen heißen Drang in sich aufsteigen, Zuneigung oder Liebe, oder was es nun genannt werden konnte.

Du brauchst nicht so viel mitzubringen, sagte er. – Ich habe sogar anderswo noch mehr. Und dann habe ich den Oheim Sivert, den Bruder meiner Mutter, hast du von ihm gehört? – Nein. – Das ist ein reicher Mann, er ist Bezirkskassierer der Gemeinde.

Die Liebe macht den Klugen dumm; Isak wollte sich auf seine Weise angenehm zeigen, und da tat er zu viel.

Was ich sagen wollte, begann er; du sollst die Kartoffeln nicht hacken. Ich werde sie hacken, wenn ich heute Abend heimkomme.

Damit nahm er die Axt und ging in den Wald. Sie hörte ihn im Walde Bäume fällen, es war nicht weit weg, und sie hörte am Krachen, dass er große Stämme fällte. Nachdem sie eine Weile zugehört hatte, ging sie hinaus und hackte die Kartoffeln. Die Liebe macht den Dummen klug.

Am Abend kam er mit einem großen Balken an, den er an einem Seil hinter sich herschleppte. Ach, der grobe, treuherzige Isak, er machte so viel Lärm mit dem Balken, als er nur konnte, räusperte sich und hustete, damit sie herauskommen und sich nicht wenig über ihn verwundern sollte.

Ganz richtig, als er daherkam, rief sie auch: Ich glaube, du bist verrückt! Du bist doch wohl ein Mensch!, sagte sie. Der Mann erwiderte nichts. Das fiel ihm nicht ein. Im Vergleich zu einem Baumstamm etwas mehr als ein Mensch zu sein, das war nicht der Rede wert. – Und wozu willst du denn den Stamm?, fragte sie. – Ach, das weiß ich selbst noch nicht, antwortete er wichtigtuend.

Aber jetzt sah er, dass sie die Kartoffeln schon gehackt hatte, und dadurch zeigte sie sich fast ebenso tüchtig wie er. Das war jedoch nicht nach seinem Sinn, da machte er das Seil von dem Baumstamm los und ging damit fort. Gehst du wieder?, fragte sie. – Ja, antwortete er beleidigt.

Er kam mit einem zweiten Baumstamm daher, schnaufte nicht, lärmte nicht, sondern zog ihn nur wie ein Ochse bis zur Gamme heran und ließ ihn da liegen.

Im Laufe des Sommers schleppte er noch viele Baumstämme vor die Gamme.

2

Eines Tages legte Inger wieder Mundvorrat in ihren Kalbfellsack und sagte: Jetzt mach ich wieder einen kurzen Besuch bei meinen Leuten. – So, sagte Isak. – Ja, ich muss nur einiges mit ihnen besprechen.

Isak ging nicht zugleich mit ihr hinaus, sondern zögerte noch lange in der Gamme. Als er endlich auf die Schwelle trat und gar nicht neugierig tat, aber voll banger Ahnungen war, verschwand Inger gerade am Waldesrand. Hm. Kommst du wieder?, konnte er nicht unterlassen, ihr nachzurufen. – Nicht wiederkommen!, erwiderte sie. Ich glaube, du spottest. – So.

Dann war er wieder allein. Ach ja, Herrgott im Himmel! Mit seinen Arbeitskräften und seiner Arbeitslust konnte er nicht nur in der Gamme aus und ein gehen und sich nur selbst im Wege sein, da fing er an zu arbeiten; er zweigte seine Baumstämme ab und hieb sie auf zwei Seiten flach. Bis zum Abend schaffte er daran, dann melkte er die Ziegen und legte sich schlafen.

Öde und stille war’s in der Gamme, dumpfes Schweigen schlug ihm entgegen vom Lehmboden und von den Torfwänden. Aber das Spinnrad und die Kardätschen waren an ihrem Platz, und die Perlen an ihrem Faden lagen wohlverwahrt in einem Beutel unter dem Dach. Inger hatte nichts mitgenommen. Isak war jedoch so unendlich dumm, dass er sich in der hellen Sommernacht vor der Dunkelheit fürchtete und bald dies, bald das an den Fensterscheiben vorbeischleichen sah. Als es nach der Helligkeit draußen ungefähr zwei Uhr sein mochte, stand er lieber wieder auf und aß sein Frühstück. Er kochte eine ungeheure Schüssel Grütze, gleich für den ganzen Tag, damit er nicht noch mehr Zeit aufs Kochen verwenden müsste. Bis zum Abend brach er zur Erweiterung des Kartoffelackers Neuland um.

Drei Tage lang behaute er abwechslungsweise Baumstämme und brach Land um, am nächsten Tag kam dann wohl Inger. Es wäre nicht zu viel, wenn er bei ihrer Ankunft Fische für sie bereit hätte, dachte er; aber er wollte sich nicht auf den Weg machen und ihr geradeswegs übers Gebirge entgegengehen, deshalb machte er einen Umweg nach dem Fischplatz. Dabei kam er in unbekannte Gegenden des Gebirges, da waren nun graue Felsen und braunes Geröll, ganz schwere Steine, die aus Blei oder Kupfer sein konnten. Vieles konnte in diesen Steinen enthalten sein, vielleicht Silber und Gold; er verstand sich jedoch nicht darauf, und so konnte es ihm einerlei sein. Er kam an das Fischwasser; die Fische bissen bei dem schnakenvollen Wetter in dieser Nacht gut an, es gab wieder eine schwere Menge Salme und Forellen, und Inger würde aufschauen. Als er bei Tagesanbruch auf demselben Umweg, auf dem er hergekommen war, wieder zurückging, nahm er ein paar Stücke von dem Geröll mit, sie waren braun mit dunkelblauen Flecken darin und gewaltig schwer.

Inger war nicht gekommen und kam auch nicht. Nun war es schon der vierte Tag. Er melkte die Ziegen wie damals, wo er noch allein mit ihnen gewesen war und niemand anderen zu dieser Arbeit hatte, dann ging er zur Geröllhalde und trug große Haufen zu einer Mauer passender Steine auf den Hofplatz. Er hatte wahrlich vielerlei Arbeit.

Am fünften Abend ging er mit leisem Misstrauen im Herzen zu Bett, im Übrigen waren ja aber das Spinnrad und die Kardätschen noch da und auch die Perlen. Dieselbe Öde in der Hütte und nirgends ein Laut! Das wurden lange Stunden, und als er endlich eine Art Schritt draußen vernahm, dachte er, das sei nur etwas, was er sich einbilde. Ach ja, Herrgott im Himmel!, sagte er in seiner Verlassenheit, und solche Worte sprach Isak nicht, wenn er sie nicht wirklich meinte. Jetzt hörte er die Schritte aufs Neue, und kurz nachher sah er etwas am Fenster vorbeigleiten, was es nun auch sein mochte, aber etwas mit Hörnern war es, leibhaftig. Er sprang auf und zum Hause hinaus, und da sah er etwas! Gott oder Teufel!, murmelte er, und so etwas sagte Isak nicht, ohne dass er sich dazu gezwungen fühlte. Er sah eine Kuh, Inger und eine Kuh, die im Stalle verschwanden.

Wenn er nun nicht Inger im Stall noch leise mit der Kuh hätte reden hören, hätte er wahrlich seinen Augen nicht getraut, aber er hörte sie, und im selben Augenblick stieg ihm eine böse Ahnung auf: Himmel! Natürlich war sie eine ausgezeichnete, verteufelte Frau, aber zu viel war zu viel. Spinnrad und Kardätsche, das mochte hingehen, die Perlen waren bedenklich vornehm, aber auch die mochten hingehen. Aber eine Kuh, vielleicht auf einem Weg oder auf der Weide eines Bauern gefunden, die von dem Besitzer vermisst wurde und nach der man forschen würde!

Jetzt trat Inger wieder aus dem Stall und sagte stolz lächelnd: Ich habe nur meine Kuh mitgebracht! – So, erwiderte er. – Es dauerte so lange, weil ich nicht rascher mit ihr übers Gebirge konnte; sie ist trächtig. – Hast du eine Kuh mitgebracht?, sagte er. – Ja, antwortete sie, und war vom Reichtum dieser Erde bis zum Zerspringen erfüllt. Oder meinst du, ich lüge dich an?, sagte sie. Isak fürchtete das Schlimmste, hielt sich aber im Zaum und sagte nur: Komm jetzt herein und iss etwas.

Hast du die Kuh gesehen? Ist sie nicht schön? – Prächtig. Woher hast du sie?, fragte er so gleichgültig, als er konnte. – Sie heißt Goldhorn. Was willst du mit der Mauer, die du da aufgeführt hast? Du schindest dich noch zu Tode, ja, das tust du. Ach, komm und sieh dir die Kuh an!

Sie gingen hinaus, Isak war in Unterkleidern, aber das tat nichts. Sie betrachteten die Kuh unendlich genau und von allen Seiten, den Kopf, das Euter, das Kreuz, die Lenden; rot und weiß, gut gebaut.

Isak sagte vorsichtig: Für wie alt hältst du sie? – Halten?, entgegnete Inger. Sie ist ganz genau, aufs Tüpfelchen genau, im vierten Sommer. Ich habe sie selbst aufgezogen, und alle sagten damals, es sei das netteste Kalb, das sie von ihrer Kindheit an gesehen hätten. Was meinst du, haben wir Futter für sie?

Isak fing an, das zu glauben, was er gerne glauben wollte, und erklärte: Was das Futter betrifft, so werden wir genug für sie haben.

Dann gingen sie hinein und aßen und tranken und legten sich zur Ruhe. Aber sie redeten noch lange von der Kuh, von dem großen Ereignis. Ja, aber ist es nicht eine schöne Kuh? Jetzt bekommt sie das zweite Kalb. Sie heißt Goldhorn. Schläfst du, Isak? – Nein. – Und denk dir, sie hat mich sofort wiedererkannt und ist mir gestern wie ein Lamm gefolgt. Wir haben heute Nacht eine Weile auf dem Gebirge ausgeruht. – So? – Wir müssen sie aber den ganzen Sommer auf der Weide anbinden, sonst reißt sie aus, denn Kuh ist Kuh. – Wo ist sie vorher gewesen?, fragte Isak schließlich. – Bei meinen Leuten, die haben sie versorgt. Sie wollten sie nicht hergeben, und die Kinder weinten, als ich sie mitnahm.

War es möglich, dass Inger so herrlich lügen konnte? Sie sprach natürlich die Wahrheit, und die Kuh gehörte ihr. Nun wurde es großartig und behaglich auf dem Hofe, bald gab es nichts mehr, was noch fehlte! O diese Inger, er liebte sie, und sie liebte ihn wieder, sie waren genügsam, sie lebten im Zeitalter des Holzlöffels und hatten es gut. Wir wollen schlafen!, dachten sie. Und dann schliefen sie. Bei Morgengrauen erwachten sie zum nächsten Tag; es gab wohl allerlei, mit dem man sich abplagen musste, jawohl, Kampf und Freude, wie das Leben eben ist.

Da waren nun zum Beispiel diese Balken. Sollte er versuchen, sie aufzulegen? Isak hatte sich wohl umgesehen, als er im Dorfe war, und sich die Bauart ausgedacht, er konnte eine Eckfuge aushauen. Und musste er es nicht durchaus tun? Jetzt waren Schafe auf den Hof gekommen, eine Kuh war gekommen, der Ziegen waren es viele geworden und würden immer mehr werden, der Viehstand sprengte den einen Raum der Gamme, er musste einen Ausweg finden. Am besten war es, er fing gleich an, solange die Kartoffeln blühten und die Heuernte noch nicht begonnen hatte; Inger musste da und dort mit Hand anlegen.

In der Nacht erwacht Isak und steht auf. Inger schläft, fest und tief schläft sie nach ihrer Wanderung. Er geht wieder in den Stall. Jetzt redet er die Kuh ja nicht so an, dass es in widerliche Schmeicheleien übergeht, aber er tätschelt sie freundlich und untersucht sie aufs Neue nach allen Richtungen, ob sie nicht irgendein Merkmal, ein Zeichen von einem fremden Eigentümer habe. Aber er findet kein Zeichen und geht erleichtert fort.

Da liegt das Bauholz. Er fängt an, es auseinanderzurollen, es in einem Viereck auf die Mauer zu heben, ein großes Viereck für die Stube und ein kleines Viereck für die Kammer. Es war sehr unterhaltend und nahm ihn so in Anspruch, dass er darüber die Zeit vergaß. Jetzt rauchte es aus dem Dachloch der Gamme, Inger trat heraus und meldete, das Frühstück sei fertig. Und was hast du denn hier vor?, fragte sie. – Bist du aufgestanden?, erwiderte Isak.

Seht, dieser Isak, er tat sehr geheimnisvoll, aber es gefiel ihm gut, dass sie fragte und neugierig war und ein Wesen aus seinem Vorhaben machte. Als er gegessen hatte, blieb er noch ziemlich lange in der Gamme sitzen, ehe er wieder hinausging. Worauf wartete er?

Nein, ich bleibe hier sitzen!, sagte er schließlich und stand auf. Und ich habe doch so viel zu tun!, sagte er. – Baust du ein Haus?, fragte sie. Kannst du nicht antworten? – Er antwortete aus Gnade, ja, er fühlte sich außerordentlich groß, weil er ein Haus baute und dem Ganzen vorstand, deshalb antwortete er: Du siehst doch wohl, dass ich baue. – So? Ja, ja. – Kann ich denn anders?, sagte er. Du kommst wahrhaftig mit einer ganzen Kuh daher, und da muss ich doch einen Stall für sie haben.

Arme Inger, sie war nicht so unmenschlich klug wie er, wie Isak, der Herr der Schöpfung. Und es war, ehe sie ihn kennenlernte, ehe sie seine Art zu sprechen verstand. Inger sagte: Aber du wirst doch nicht am Ende einen Stall bauen? – So, sagte er. – Du führst mich wohl an, denn es wäre ja viel besser, du bautest ein Haus. – So, meinst du das?, erwiderte er und sah sie mit verstellt ausdrucksloser Miene an, ja, als ob ihm bei ihrer Frage erst ein Licht aufginge. – Ja, dann können die Tiere die Gamme bekommen. – Er überlegte und sagte dann: Ich glaube wirklich, so wird es am besten sein! – Da siehst du, sagte die siegende Inger, ich bin auch nicht so ganz auf den Kopf gefallen. – Nein. Und was meinst du zu einer Kammer neben der Stube? – Eine Kammer? Dann wäre es bei uns wie bei anderen Leuten. Ja, wenn uns das widerfahren würde.

Und es widerfuhr ihnen. Isak baute und hieb Eckfugen aus; er legte die Balken im Viereck, und zugleich mauerte er eine Feuerstelle aus dazu passenden Steinen; aber diese letzte Arbeit gelang ihm am wenigsten, und er war zuzeiten recht unzufrieden mit sich. Als die Heuernte begann, muss er von seinem Bauwerk heruntersteigen, um weitum in den Halden das Gras zu mähen; danach trug er das Heu in ungeheuren Lasten nach Hause.

An einem Regentag sagte Isak, er müsse hinunter ins Dorf.

Was willst du dort?, fragte Inger. – Ich weiß es selbst nicht genau, antwortete er.

Er ging, war zwei volle Tage abwesend und brachte dann einen Kochherd angeschleppt – der Prahm kam durch den Wald dahergesegelt mit einem Kochherd auf dem Rücken.

Du bist nicht wie ein Mensch gegen dich selbst, sagte Inger. Nun riss Isak die Feuerstelle, die sich in dem neuen Haus so schlecht ausnahm, wieder ein und stellte den Herd an ihren Platz. Nicht alle Leute haben einen Kochherd, sagte Inger, und nun haben wir einen!, sagte sie.

Die Heuernte ging ihren Gang, Isak brachte Heu in Massen heim, denn Waldgras ist leider nicht dasselbe wie Wiesengras, sondern viel geringer. Nun konnte er bloß an Regentagen an seinem Haus bauen, da ging es langsam vorwärts, und im August, als Isak alles Heu unter dem Felsenhang wohl geborgen hatte, war das neue Haus erst halb gebaut.

Im September sagte Isak zu Inger: So geht es nicht, ich glaube, du musst hinunter ins Dorf gehen und mir einen Mann zur Hilfe holen. Inger aber war in der letzten Zeit etwas schweratmig geworden und konnte nicht mehr so schnell laufen, doch machte sie sich selbstverständlich fertig, seinen Auftrag auszurichten.

Aber indessen hatte der Mann es sich anders überlegt, er wurde wieder hoffärtig und wollte alles allein machen. Es ist nicht der Mühe wert, die Leute darum anzugehen, sagte er, ich bringe es schon allein fertig. – Nein, du kannst es nicht schaffen, versetzte Inger. – Doch, hilf mir nur mit den Balken.

Als der Oktober herangekommen war, sagte Inger: Ich kann nicht mehr! Das war nun sehr schlimm. Die Dachbalken sollten und mussten aufgesetzt werden, damit das Haus gedeckt wurde, ehe die Herbstregen einsetzten, es war höchste Zeit. Was hatte Inger nur? Sie wurde doch nicht krank?

Wohl bereitete sie ab und zu noch Ziegenkäse, sonst aber leistete sie nichts mehr, als die Kuh Goldhorn auf der Weide viele Male am Tage an einen andern Platz anzubinden. – Bring einen großen Korb oder eine Kiste oder so etwas mit, wenn du wieder ins Dorf gehst, hatte Inger gesagt. – Was willst du damit?, fragte Isak. – Ich brauche es, antwortete sie nur.

Isak zog die Dachbalken an Seilen hinauf, und Inger schob mit einer Hand nach; es war, als helfe es schon, wenn sie nur dabei war. Allmählich ging es doch vorwärts, es war ja kein sehr hohes Dach, aber die Balken waren abenteuerlich groß und dick für das kleine Haus.

Das gute Herbstwetter hielt sich einigermaßen, Inger hackte alle Kartoffeln allein heraus, und Isak bekam das Haus unter Dach, ehe der Regen endgültig einsetzte. Die Ziegen waren jetzt schon nachts bei den Menschen in der Hütte drinnen, auch das ging, alles ging. Die Menschen klagten nicht darüber. Isak machte sich wieder zu einem seiner Gänge ins Dorf fertig. Du solltest für mich einen großen Korb oder eine Kiste mitbringen, sagte Inger wieder, und es klang wie ein demütiger Wunsch. – Ich habe mir einige Fenster mit Glasscheiben bestellt, die ich holen muss, erwiderte Isak. Und ich habe auch zwei angestrichene Türen bestellt, fügte er überlegen hinzu. – Nun ja, dann muss der Korb eben warten. – Was willst du mit dem? – Was ich damit will? Ja, hast du denn keine Augen im Kopf?

In tiefe Gedanken versunken, ging Isak seines Wegs dahin, und als er nach zwei Tagen zurückkam, brachte er nicht allein ein Fenster, eine Tür zur Wohnstube und eine Tür zur Schlafkammer mit, sondern über die Brust herunter hing ihm auch die Kiste für Inger, und in der Kiste waren verschiedene Esswaren.

Inger sagte: Wenn du dich nur nicht eines Tages noch zu Tode abschleppst! – Hoho, zu Tode! Isak war so unendlich weit davon entfernt, sich zu Tode zu schleppen, dass er aus seiner Tasche eine Arzneiflasche mit Naphtha zog und sie Inger mit der Ermahnung übergab, recht tüchtig davon zu trinken, damit sie wieder gesund werde. Und da waren nun die Fenster und die angestrichenen Türen, mit denen er großtun konnte, und er machte sich auch gleich daran, sie einzusetzen. Ach, diese kleinen Türen, und gebraucht waren sie auch schon, aber gemalt waren sie hübsch mit weißen und roten Farben, die schmückten die Stuben wie Bilder an den Wänden.

Jetzt zogen sie in das neue Haus ein, und der Viehbestand wurde in der ganzen Gamme verteilt. Zu der Kuh wurde ein Mutterschaf mit seinen Lämmern hineingestellt, damit sie es nicht gar so einsam hätte.

Die Leute auf dem Ödland hatten es nun weit gebracht, wunderbar weit!

3

Solange das Erdreich noch weich war, brach Isak Steine und Wurzelstöcke heraus und richtete sein Land fürs nächste Jahr, und als dann der Boden gefror, ging er in den Wald und fällte große Mengen Klafterholz.

Was willst du mit all dem Holz?, konnte Inger fragen. – Das weiß ich nicht so genau, antwortete Isak; aber er wusste es recht wohl. Der alte düstere Urwald stand noch zu dicht ans Haus heran und versperrte jede Erweiterung des Wiesenlandes, außerdem wollte er das Klafterholz während des Winters auf irgendeine Weise ins Dorf hinunterschaffen und es an Leute verkaufen, die kein Brennholz hatten. Isak war überzeugt, dass das ein sehr guter Gedanke sei, deshalb fällte er fleißig Bäume und hieb sie zu Klafterholz zurecht. Inger kam oft heraus und sah ihm zu; er tat zwar, als sei ihm das gleichgültig und als sei das gar nicht notwendig von ihr, aber sie fühlte doch, dass sie ihm dadurch wohltat.

Manchmal fielen dabei merkwürdige Worte zwischen ihnen. Hast du nichts anderes zu tun, als hier herauszulaufen und dich zu Tode zu frieren?, sagte Isak. – Ich friere nicht, antwortete Inger, aber du wirst dich noch krank schaffen. – Jetzt ziehst du gleich meine Jacke an, die dort drüben liegt. – Das fiele mir gerade noch ein, ich kann doch nicht hierbleiben, wenn Goldhorn eben am Kalben ist. – Ach so, Goldhorn ist am Kalben? – Hast du das nicht gewusst? Und was meinst du, sollen wir das Kalb aufziehen? – Das machst du, wie du willst, ich weiß es nicht. – Aber wir können doch das Kalb nicht aufessen, so viel ist gewiss. Denn dann hätten wir immer wieder nur eine einzige Kuh. – Und ich bin auch fest überzeugt, du möchtest gar nicht, dass wir das Kalb aufäßen, sagte Isak.

Diese einsamen Menschen, so ungeschlacht und zu sehr ihren Trieben ergeben, aber voller Güte gegeneinander, gegen das Vieh und gegen die Erde!

Dann brachte Goldhorn ein Kalb zur Welt. Das war ein bedeutungsvoller Tag im Ödland, eine überaus große Freude und ein großes Glück. Goldhorn bekam guten Mehltrank, und Isak sagte: Spar nicht am Mehl!, obgleich er es auf seinem Rücken heraufgetragen hatte. Da lag nun ein hübsches Kalb, eine Schönheit von einem Kalb, rosig war es auch, sonderbar verwirrt nach dem Wunder, das es durchgemacht hatte. In ein paar Jahren würde es selbst Mutter sein. Dieses Kalb wird eine prachtvolle Kuh werden, sagte Inger, und ich weiß gar nicht, wie es heißen soll, sagte sie. Inger war etwas kindisch und hatte für so etwas nur eine schlechte Erfindungsgabe. – Heißen?, sagte Isak. Du kannst keinen passenderen Namen finden als Silberhorn.

Nun fiel der erste Schnee, und sobald der Schnee fest und tragfähig war, zog Isak hinunter ins Dorf. Er tat geheimnisvoll wie immer und wollte Inger nicht sagen, was er im Sinn hatte. Und er kehrte zurück, zur größten Überraschung – mit Pferd und Schlitten. Ich glaube, du treibst deinen Scherz, sagte Inger, und du hast doch wohl das Pferd nicht genommen? – Ich, das Pferd genommen! – Gefunden, meine ich! Ach, wenn Isak jetzt hätte sagen können: mein Pferd, unser Pferd! Aber er hatte es nur für einige Zeit leihweise bekommen, er wollte sein Klafterholz mit ihm hinunterführen.

Isak fuhr Klafterholz ins Dorf und brachte dafür allerlei Esswaren und Mehl und Heringe mit herauf. Und einmal kam er mit einem jungen Stier auf dem Schlitten, er hatte ihn unglaublich billig bekommen, weil im Dorf bereits Futtermangel herrschte. Mager und zottig war der Stier, und er konnte nicht so recht brüllen, aber er war keine Missgeburt und würde sich bei guter Pflege bald herausmachen, er war eben zweijährig. Inger sagte: Du bringst doch alles mit.

Ja, Isak brachte alles; er brachte Planken und Bretter, die er für Klafterholz eingetauscht hatte, er brachte einen Schleifstein, ein Waffeleisen, Handwerkszeug, alles für Klafterholz eingetauscht. Inger schwoll vor Reichtum, und sie sagte jedes Mal: Bringst du noch mehr? Jetzt haben wir einen Stier und alles, was wir uns nur denken können! – Und eines Tages antwortete Isak: Nein, jetzt bringe ich übrigens nichts mehr.

Sie hatten jetzt genug für lange Zeit und waren wohlgeborgene Leute. Was würde sich Isak nun im Frühjahr vornehmen? An die hundertmal hatte er es sich ausgedacht, wenn er hinter seiner Holzfuhre hergeschritten war: Er wollte auf der Halde weiter umroden, wollte den Boden urbar machen, Klafterholz zurechtmachen, es im Sommer trocknen lassen und im nächsten Winter noch einmal so viel hinunterfahren. Die Rechnung stimmte, es war kein Fehler darin. Und an die hundertmal hatte Isak auch an etwas anderes gedacht, nämlich an die Kuh Goldhorn. Woher kam sie, wem gehörte sie? So eine Frau wie Inger gab es nicht mehr, o sie war ein tolles Mädchen, und sie wollte alles, was er von ihr wollte und war zufrieden damit. Aber eines schönen Tages konnte jemand kommen und Goldhorn zurückverlangen und sie an einem Strick davonführen. Und viel Schlimmeres konnte daraus erwachsen. Du hast doch wohl das Pferd nicht genommen oder es gefunden?, hatte Inger gesagt. Das war ihr erster Gedanke gewesen; man konnte ihr wohl nicht so recht glauben, und was sollte er tun? Daran hatte er gedacht. Hatte er nicht auch einen Stier für Goldhorn, vielleicht für eine gestohlene Kuh erstanden?

Und nun musste das Pferd zurückgegeben werden. Das war schade, denn das Pferd war klein und rund und sehr zutraulich geworden. O ja, aber du hast schon sehr Großes damit geleistet, sagte Inger tröstend. – Aber im Frühjahr sollte ich eben das Pferd haben, da würde ich es so notwendig brauchen!, versetzte Isak.

Im Morgendämmern fuhr er mit seiner letzten Holzladung langsam von zu Hause fort und blieb zwei volle Tage weg. Als er wieder zu Fuß heimwärts wanderte, hörte er vor dem Hause einen sonderbaren Ton. Was konnte das sein? Er blieb lauschend stehen. Kindergeschrei – ach ja, Herrgott im Himmel, es war nicht anders, aber es war schrecklich und sonderbar, und Inger hatte nichts gesagt.

Er trat ein und sah zuerst die Kiste, die vielbesprochene Kiste, die er auf seiner Brust heraufgetragen hatte! Sie hing nun an zwei Stricken vom Dachfirst herunter und war eine Wiege und eine Schaukel für das Kind. Inger ging halb angekleidet umher, ja, sie hatte wahrhaftig auch die Kuh und die Ziegen gemolken!

Als das Kind schwieg, fragte Isak: Hast du das alles schon getan? – Ja, jetzt ist es getan. – So. – Es kam an dem Tag, an dem du wegfuhrst, am Abend. – So. – Ich musste mich nur noch recken, um die Kiste aufzuhängen, dann war alles vorbereitet; aber das konnte ich nicht ertragen, es wurde mir übel danach. – Warum hast du mir nichts davon gesagt? – Konnte ich denn die Zeit so genau wissen? Es ist ein Junge. – Ach so, es ist ein Junge. – Und wenn ich jetzt nur wüsste, wie er heißen soll!, sagte Inger.

Isak durfte das kleine rote Gesicht sehen; es war wohlgeformt und hatte keine Hasenscharte, und es hatte dichtes Haar auf dem Kopf. Ein hübscher kleiner Kerl war er, seinem Stand und seiner Stellung nach, wie er da in seiner Kiste lag. Isak war es ganz seltsam zumute, und er fühlte sich ordentlich schwach; der Mühlengeist stand vor dem Wunder; es war einmal in einem heiligen Nebel entstanden, es zeigte sich im Leben mit einem kleinen Gesicht wie ein Sinnbild. Tage und Jahre würden das Wunder zu einem Menschen machen.

Komm und iss etwas, sagte Inger …

Isak fällt Bäume und schichtet Klafterholz. Er ist jetzt weiter gekommen, als er war. Er hat eine Säge. Er sägt Brennholz, und die Klafterbeugen werden gewaltig groß, er macht eine Straße aus ihnen, ein ganzes Dorf. Inger ist jetzt mehr ans Haus gebunden und kann den Mann nicht bei seiner Arbeit besuchen, aber dafür macht Isak kleine Abstecher zu ihr. Putzig mit so einem winzigen Kerl in einer Kiste! Es konnte Isak nicht einfallen, sich um ihn zu kümmern, und außerdem war es ja nur ein kleiner Wurm, mochte er da liegen bleiben! Aber man war doch ein Mensch und konnte das Geschrei nicht teilnahmslos mit anhören, so ein kleines Geschrei.

Nein, fass ihn nicht an!, sagte Inger. Denn du hast gewiss Harz an den Händen, sagte sie. – Ich, Harz an den Händen? Du bist wohl verrückt!, erwiderte Isak. Seit das Haus fertig geworden ist, habe ich kein Harz mehr an den Händen gehabt. Gib den Jungen her, dann will ich ihn in Schlaf wiegen! – Nein, jetzt ist er gleich still …

Im Mai kommt eine fremde Frauensperson übers Gebirge zu der einsamen Ansiedlung; sie ist eine Verwandte von Inger und wird gut aufgenommen. Sie sagt: Ich wollte nur sehen, wie es Goldhorn geht, seit sie von uns fortgekommen ist! – Die Leute fragen nicht viel nach dir, nach so einem kleinen Kerl, flüstert Inger betrübt dem Kinde zu. – Ach, er – nun das seh ich ja, wie es ihm geht. Es ist ein prächtiger Junge, das seh ich! Und wenn mir jemand das vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich dich hier wiederfinden würde, Inger, mit Mann und Kind und Haus und allem Übrigen! – Von mir sollst du nicht reden, das ist nicht der Mühe wert. Aber da ist nun er, der mich so genommen hat wie ich war! – Seid ihr getraut? So, ihr seid noch nicht getraut? – Aber wir werden jetzt sehen, wenn der Kleine getauft wird, sagt Inger. Wir haben uns schon trauen lassen wollen, aber es hat sich nicht einrichten lassen. Was sagst du dazu, Isak? – Ja, trauen lassen – versteht sich. – Kannst du nicht nach der Heuernte hierherkommen, Oline, und das Vieh versorgen, während wir die Reise machen?, fragte Inger. – O doch, das versprach der Besuch. – Wir werden dich dafür schadlos halten. – Ja, das wisse sie wohl … Und nun wollt ihr noch weiterbauen, sehe ich. Was baut ihr denn? Habt ihr noch nicht genug? – Inger schüttelt den Kopf und sagt: Ja, frag du ihn, ich bekomme es nicht zu wissen. – Was ich baue?, sagt Isak, es ist nicht der Rede wert. Einen kleinen Schuppen, für den Fall, dass ich einen brauche. Aber du hast ja nach Goldhorn gefragt, willst du sie sehen?, fragt er den Gast.

Sie gehen in den Stall, Kuh und Kalb werden gezeigt. Der Stier ist ein prächtiges Stück Vieh, der Gast nickt wohlgefällig über das Vieh und den Stall, sagt, sie seien von bester Art, und die ausgesuchte Reinlichkeit, die sei großartig. Ich stehe bei Inger für alles ein, was gute und erfahrene Behandlung der Tiere betrifft, sagte die Verwandte.

Isak fragt: So, also die Kuh Goldhorn ist vorher bei dir gewesen? – Ja, von ihrer Geburt an! Ja, nicht gerade bei mir, sondern bei meinem Sohn; aber das ist dasselbe. Wir haben sogar noch ihre Mutter in unserm Stall!

Isak hatte seit langer Zeit keine angenehmere Botschaft gehört, und ein Stein fiel ihm vom Herzen, jetzt war Goldhorn mit Recht seine und Ingers Kuh. Um die Wahrheit zu sagen, so hatte er sich halb und halb den traurigen Ausweg aus seiner Ungewissheit ausgedacht gehabt, Goldhorn im Herbst zu schlachten, die Haare von der Haut zu schaben, die Hörner in der Erde zu vergraben und so jegliche Spur von der Kuh Goldhorn zu vertilgen. Jetzt war dies unnötig. Er wurde so stolz auf Inger, dass er sagte: Reinlich? Ja, so wie sie gibt es keine mehr. Es muss mir wahrhaftig vorher bestimmt gewesen sein, dass ich eine vermögliche Frau bekommen sollte! – Das war nicht anders zu erwarten!, sagt die Verwandte.

Diese Frau von jenseits des Gebirges, eine freundliche Person mit wohlgesetzter Rede, ein verständiges Menschenkind namens Oline, sie blieb nur ein paar Tage da und schlief in der Kammer nebenan. Als sie wieder fortging, bekam sie etwas Wolle von Ingers Schafen, die sie jedoch, einerlei aus welchem Grunde, vor Isak verbarg.

Das Kind, Isak und die Frau – die Welt wurde dann wieder dieselbe, tägliche Arbeit, viele kleine und große Freuden, Goldhorn gab reichlich Milch, die Ziegen hatten junge Zicklein und gaben auch reichlich Milch, Inger verfertigte eine Reihe weißer und roter Käse und stellte sie zum Reifen auf. Ihr Plan war, so viele Käslaibe herzustellen, dass sie sich einen Webstuhl dafür kaufen konnte – o diese Inger, sie konnte weben!

Und Isak baute einen Schuppen, auch er hatte wohl einen Plan. Er errichtete den neuen Anbau an die Gamme mit einer doppelten Bretterwand, machte eine Tür hinein und ein nettes kleines Fenster mit vier Scheiben; dann legte er vorläufig ein Notdach darauf, und wartete mit der Birkenrinde, bis der Boden auftauen würde und er Wasen ausstechen könnte. Nur das Notwendigste wurde gemacht, kein Bretterboden, keine gehobelten Wände, aber Isak zimmerte einen Stand wie für ein Pferd und machte eine Krippe.

Es war schon Ende Mai, als die Sonne die Hügel aufgetaut hatte und Isak seinen Schuppen mit Wasen decken konnte; nun war das neue Gebäude fertig. Dann eines Morgens aß er eine Mahlzeit, die einen Tag ausreichen konnte, nahm außerdem noch Mundvorrat mit, legte Hacke und Spaten über die Schulter und ging ins Dorf.

Kannst du vier Ellen Zitz mitbringen?, rief ihm Inger nach. – Was willst du damit?, versetzte Isak.

Es sah aus, als wollte er für immer fortbleiben. Inger sah jeden Tag nach dem Wetter, nach der Windrichtung, als erwarte sie ein Schiff, ging in der Nacht hinaus und lauschte, sie dachte daran, das Kind auf den Arm zu nehmen und ihm nachzulaufen. Endlich kehrte er zurück mit Pferd und Wagen. Ptro!, sagte Isak laut vor der Tür, und obgleich das Pferd ruhig und fromm dastand und wiedererkennend nach der Hütte wieherte, rief Isak ins Haus hinein: Kannst du herauskommen und das Pferd ein wenig halten?

Inger kam heraus. Was ist das?, rief sie. Sag, hast du es wirklich wieder entlehnen können? Wo bist du denn die ganze Zeit gewesen? Heut ist der siebente Tag. – Wo sollte ich gewesen sein? Ich musste an vielen Stellen erst den Weg bahnen, um mit meinem Wagen durchzukommen. Halt das Pferd ein wenig, hab ich gesagt! – Mit deinem Wagen? Du hast doch, soviel ich weiß, den Wagen nicht gekauft?

Isak blieb stumm, ganz geschwollen vor Stummheit. Er fängt an, den Karren abzuladen; Pflug und Egge, die er sich angeschafft hat, Nägel, Esswaren, einen Spaten, einen Sack voll Saatkorn. Wie geht es dem Kinde?, fragt er.

Das Kind leidet keine Not. Hast du den Karren gekauft?, frage ich. Und ich quäle und quäle mich um einen Webstuhl ab, sagt sie richtig scherzhaft, so froh war sie, dass er wieder daheim war.

Isak schwieg wieder eine lange Weile und war mit sich selbst beschäftigt. Er überlegte und schaute sich um, wo er alle die Waren und die Geräte unterbringen sollte. Es schien gar nicht so leicht, auf dem Hofe Platz für alles zu finden. Aber als Inger es aufgab, noch weiterzufragen und stattdessen mit dem Pferde plauderte, brach Isak das Schweigen und sagte: Hast du schon einen Hof ohne Pferd und Wagen und Pflug und Egge und alles, was noch dazugehört, gesehen? Und da du es wissen willst, ja, ich habe das Pferd und den Karren und alles, was darauf ist, gekauft. – Danach konnte Inger nur den Kopf schütteln und sagen: Um alles in der Welt!

Und nun war Isak nicht klein und verzagt, es war, als habe er wie ein großer Herr für Goldhorn bezahlt: Bitte – in runder Summe meinerseits ein Pferd! Er war so muskelstark, dass er den Pflug noch einmal aufnahm, ihn mit einer Hand an die Hauswand trug und da aufstellte. So ein Herrscher war er! Und dann trug er die Egge, den Spaten, eine neue Heugabel, die er gekauft hatte, alle die teuren landwirtschaftlichen Geräte, die Kleinode, in den Neubau. Großartig, o volle Ausrüstung, jetzt fehlte nichts mehr!

Hm. Und es wird wohl auch zu einem Webstuhl reichen, sagte er, vorausgesetzt, dass ich gesund bleibe. Da ist der Zitz, sie hatten nichts anderes als diesen blauen Kattun.

Er war grundlos und schöpfte immer mehr. So war’s immer, wenn er vom Dorf kam.

Inger sagte: Es war recht schade, dass die Oline nicht das alles zu sehen bekam, solange sie hier war.

Lauter Getue und Eitelkeit von Seiten des Weibes, und der Mann lächelte verächtlich über ihre Worte. Oh, aber er hätte gewiss nichts dagegen gehabt, wenn Oline diese ganze Herrlichkeit gesehen hätte.

Das Kind weinte.

Geh wieder zu dem Jungen hinein, sagte Isak. Denn nun hat sich das Pferd beruhigt.

Er spannt aus und führt das Pferd in den Stall hinein – stellte sein Pferd in den Stall. Er füttert und striegelt es und liebkost es. Was er für Pferd und Karren schuldig war? Alles, die ganze Summe, eine sehr große Schuld, aber sie sollte nicht älter werden, als bis Ende des Sommers. Er hatte Klafterholz dafür, etwas getrocknete Birkenrinde zum Bauen vom vorigen Jahr und schließlich noch einige gute Stämme. Aber das hielt nicht vor. Als sich später die Spannkraft und der kecke Mut etwas gelegt hatten, stellte sich manche bittere Stunde der Furcht und Besorgnis ein; jetzt kam alles auf den Sommer und den Herbst an!

Die Tage waren mit Feldarbeit ausgefüllt, mit immer mehr Feldarbeit! Er reinigte neue Strecken von Wurzeln und Steinen, pflügte sie um, düngte, pflügte, hackte, zerkleinerte Klumpen mit den Händen und mit den Absätzen, war überall ein fleißiger Ackermann und machte den Acker so glatt wie Plüsch. Dann wartete er ein paar Tage, und als es nach Regen aussah, säte er Korn.

Seit mehreren hundert Jahren hatten wohl seine Vorfahren Korn gesät. Das war eine Arbeit, die an einem milden, windstillen Abend in Andacht vollbracht wurde, am liebsten bei einem geeigneten feinen Staubregen, so es möglich war, am liebsten gleich wenn die Wildgänse gezogen kamen. Die Kartoffel war eine neue Frucht, da war nichts Geheimnisvolles dabei, nichts Religiöses. Frauen und Kinder konnten beim Legen dabei sein, beim Legen dieser Erdäpfel, die von einem fremden Lande kamen, gerade wie der Kaffee, ein großartiges, herrliches Lebensmittel, aber von der Familie der Rüben. Korn, das war das Brot, Korn oder nicht Korn, das war Leben oder Tod. Isak schritt barhäuptig und in Jesu Namen dahin und säte; er war wie ein Baumstumpf mit Händen, aber innerlich war er wie ein Kind. Auf jeden seiner Samenwürfe verwendete er größte Sorgfalt, er war freundlich und ergeben gestimmt. Seht, jetzt keimt das Korn und wird zu Ähren mit vielen Körnern, und so ist es auf der ganzen Welt, wenn Korn gesät wird. Im Morgenland, in Amerika, im Gudbrandstal – ach, wie groß die Erde ist, und das winzig kleine Feld, auf das Isak säte! Das war der Mittelpunkt von allem. Fächer von Körnern strahlten aus seiner Hand. Der Himmel war bewölkt und günstig, es sah nach einem ganz feinen Staubregen aus.

4

Zwischen Frühjahrs- und Herbstarbeit kamen und gingen die Tage, aber Oline kam nicht.

Isak hatte jetzt seine Felder bestellt, er richtete zwei Sensen und zwei Rechen zur Heuernte, machte einen langen Boden auf seinen Karren, damit er Heu daraufladen konnte, richtete sich auch Kufen und geeignetes Holz zu einem Arbeitsschlitten für den Winter her. Er machte viele gute Sachen. Und was zwei Borte an der Wand in der Stube betraf, so brachte er auch diese an, so dass man die verschiedensten Dinge darauflegen konnte, den Kalender, den er sich endlich gekauft hatte, und Quirle und Schöpfkellen, die nicht im Gebrauch waren. Inger sagte, diese beiden Bretter seien etwas außerordentlich Gutes.

Inger fand alles außerordentlich gut. Seht, Goldhorn wollte nun nicht mehr durchgehen, sondern sie vergnügte sich mit dem Kalb und dem Stier und weidete den lieben langen Tag im Walde. Seht, die Ziegen gediehen so, dass ihre schweren Euter fast auf dem Boden schleppten. Inger nähte ein langes Kleidchen aus blauem Kattun und ein Mützchen von demselben Stoff, es war das Hübscheste, was man sehen konnte, es war der Taufanzug. Das Kind selbst lag ganz still da und verfolgte das Werk mit seinen Augen, es war schon ein rechter Junge geworden, und wenn er durchaus Eleseus heißen sollte, so wollte sich Isak auch nicht länger dagegen sträuben. Als das Kleidchen fertig war, hatte es eine zwei Ellen lange Schleppe, und jede Elle kostete ihr Geld, aber das half nichts, das Kind war nun einmal der Erstgeborene. – Wenn dein Perlenhalsband einmal getragen werden soll, so ist es wohl diesmal an der Zeit, sagte Isak. – Oh, Inger hatte auch schon an die Perlen gedacht, sie war nicht umsonst Mutter, sondern durchaus einfältig und stolz. Die Perlen reichten dem Jungen nicht um den Hals, aber sie würden vorne auf der Mütze hübsch aussehen, und da brachte sie sie an.

Aber Oline kam nicht.

Wäre es nicht wegen der Tiere gewesen, dann hätten alle Bewohner das Haus verlassen und mit dem getauften Kinde nach drei bis vier Tagen zurückkommen können. Und wäre es nicht wegen der Trauung gewesen, so hätte Inger allein reisen können. – Ob wir nicht die Trauung so lange verschieben könnten?, sagte Isak. – Aber Inger antwortete: Es wird zehn bis zwölf Jahre dauern, bis Eleseus daheimbleiben und melken kann.

Nun, da musste Isak seinen Verstand gebrauchen. Eigentlich war das Ganze nicht am Anfang begonnen worden, und die Trauung war vielleicht ebenso notwendig wie die Taufe, was wusste er. Jetzt sah es nach Trockenheit aus, nach richtiger böser Trockenheit, wenn nicht bald Regen kam, verbrannte der Ertrag der Felder, aber alles stand in Gottes Hand. Isak machte sich fertig, ins Dorf hinunterzueilen und sich nach einem Menschen zur Aushilfe umzusehen. Da musste er wieder viele Meilen laufen.

All diese Beschwer einer Trauung und einer Taufe wegen! Die Leute im Ödland haben wirklich viele kleine und große Sorgen!

Dann kam Oline …

Jetzt waren sie verheiratet und getauft, alles war in Ordnung, sie waren sogar darauf bedacht gewesen, sich zuerst trauen zu lassen, damit das Kind ehelich wurde. Aber die Trockenheit hielt an, und nun verbrannten die kleinen Kornäcker, verbrannten diese Plüschteppiche, und warum nur? Alles stand in Gottes Hand. Isak mähte seine Wiesenstücke, aber es stand kein hohes Gras darauf, obgleich der Boden im Frühjahr gedüngt worden war. Er mähte und mähte auch auf weit entfernten Halden und wurde nicht müde, zu mähen, zu trocknen und Futter heimzuführen, denn er hatte ja jetzt ein Pferd und einen großen Viehstand. Aber mitten im Juli musste er auch das Korn zu Grünfutter mähen, zu anderem war es nicht zu gebrauchen. So, und nun kam es nur noch auf die Kartoffeln an.

Wie stand es mit der Kartoffel? War sie nur eine Kaffeeart aus fremdem Lande, die entbehrt werden konnte? O die Kartoffel ist eine unvergleichliche Frucht, sie steht draußen in Trockenheit, steht in Nässe, wächst aber doch. Sie trotzt dem Wetter und hält viel aus, bekommt sie nur eine einigermaßen gute Behandlung von den Menschen, so lohnt sie es fünfzehnfach. Seht, die Kartoffel hat nicht das Blut der Traube, aber sie hat das Fleisch der Kastanie, man kann sie braten und kochen und zu allem benutzen. Ein Mensch kann Mangel an Brot haben, hat er Kartoffeln, dann ist er nicht ohne Nahrung. Die Kartoffeln können in warmer Asche gebraten werden und ein Abendessen sein, sie können in Wasser gekocht werden und zum Frühstück dienen. Was brauchen sie an Zuspeise? Wenig. Die Kartoffeln sind genügsam, eine Schale Milch, ein Hering ist genug für sie. Der Reichtum isst Butter dazu, die Armut taucht sie in ein bisschen Salz auf einem Teller. Isak verzehrte sie als Sonntagsspeise mit ein wenig Sahne von Goldhorns Milch. Die missachtete, gesegnete Kartoffel!

Aber jetzt spukte es auch für die Kartoffel.

Unzählige Male am Tag sah Isak nach dem Himmel. Der Himmel war blau. Manchen Abend sah es nach einem Regenschauer aus. Dann ging Isak hinein und sagte: Möchte wissen, ob es nicht doch Regen gibt! Aber nach ein paar Stunden war alle Hoffnung wieder verschwunden.

Jetzt hatte die Trockenheit schon sieben Wochen gedauert, und die Hitze war sehr groß. Die Kartoffel stand in all dieser Zeit in voller Blüte, sie blühte unnatürlich und wunderbar prächtig. Die Äcker sahen von ferne aus wie Schneefelder. Wie sollte das schließlich werden? Der Kalender gab keinen Wink, der derzeitige Kalender war nicht mehr wie früher, der taugte gar nichts. Jetzt sah es wieder nach Regen aus, und Isak ging zu Inger hinein und sagte: Mit Gottes Hilfe wird nun heute Nacht doch Regen kommen! – Sieht es nach Regen aus? – Ja, und das Pferd schüttelt sich im Geschirr.

Inger schaute zur Tür hinaus und sagte: Ja, jetzt wirst du sehen! – Ein paar Tropfen fielen. Die Stunden vergingen, die Leute legten sich zur Ruhe, und als Isak in der Nacht einmal hinausging, um nachzusehen, war der Himmel blau.

Ach du lieber Gott im Himmel!, sagte Inger. Nun, dann wird morgen auch dein letztes Laub trocken, sagte sie und tröstete so gut sie konnte.

Jawohl, Isak hatte auch Laub gesammelt und besaß nun eine Menge vom besten Laub. Das war wertvolles Futter, er behandelte es wie Heu und bedeckte es mit Birkenrinde im Walde. Jetzt war nur noch ein kleiner Rest draußen, deshalb antwortete er Inger tief verzweifelt und gleichgültig: Ich nehme es nicht herein, und wenn es auch ganz austrocknet. – Du weißt nicht, was du redest, versetzte Inger.

Am nächsten Tag holte er es also nicht herein – da er es nun einmal gesagt hatte, holte er das Laub nicht herein. Es konnte draußen bleiben, es kam ja doch kein Regen, mochte es in Gottes Namen draußen sein! Er konnte es vor Weihnachten einmal hereinnehmen, wenn es bis dahin die Sonne nicht ganz und gar versengt hatte.

Ganz tief und vollständig gekränkt fühlte er sich, es war ihm keine Freude mehr, unter der Haustür zu sitzen und über seinen Grund und Boden hinzusehen und alles zu besitzen. Da standen nun die Kartoffeläcker, blühten wie verrückt und vertrockneten, dann mochte auch das Laub bleiben, wo es war, bitte! Oh, aber Isak – vielleicht hatte er mitten in seiner dicken Treuherzigkeit doch einen kleinen schlauen Hintergedanken, vielleicht tat er es aus Berechnung und wollte versuchen, jetzt beim Mondwechsel den blauen Himmel herauszufordern.

Am Abend sah es wiederum nach Regen aus. Du hättest das Laub hereinholen sollen, sagte Inger. – Warum denn?, fragte Isak und tat äußerst unzugänglich. – Ja, ja, du spottest, aber es könnte jetzt doch Regen kommen. – Du siehst doch wohl, dass in diesem Jahr kein Regen kommt.

Aber in der Nacht war es doch, als würden die Glasscheiben ganz dunkel, und es war auch, als jage etwas dagegen und mache sie nass, was es nun auch sein mochte.