Segen und Glück - Paulo Coelho - E-Book

Segen und Glück E-Book

Paulo Coelho

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Beschreibung

Ein Nachtfalter verliebt sich hoffnungslos in einen Stern am Himmel. Als er ihn zu erreichen versucht, entdeckt er die Schönheit der Welt. Ein Junge kommt zur Weihnachtsmesse. Er kennt kein einziges Gebet – und lehrt die Gemeinde doch die Sprache Gottes. In einem Schneesturm am Heiligen Abend macht ein Mensch die Erfahrung, dass er das Gute nicht erzwingen kann.

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Seitenzahl: 92

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Paulo Coelho

Segen und Glück

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Maralde Meyer-Minnemann

Diogenes

Heilige Maria,

ohne Sünde empfangen,

bete für uns,

die wir uns an dich wenden.

Amen.

Der Gaukler Unserer Lieben Frau

Eine Legende aus Österreich berichtet von einer Familie Burkhard, bestehend aus einem Ehepaar mit einem Kind, die auf den Weihnachtsmärkten Gedichte rezitierte, Balladen sang und die Leute mit ihren Jonglierkünsten unterhielt. Wie man sich vorstellen kann, war nie Geld für Weihnachtsgeschenke übrig.

»Der heilige Nikolaus bringt nicht nur Geschenke, die man sehen kann«, erklärte der Vater seinem Sohn, »sondern auch sogenannte ›unsichtbare Geschenke‹. In ein Heim, in dem Zwietracht herrscht, versucht er in der heiligsten Nacht der Christenheit Harmonie und Frieden zu bringen. Wo Liebe fehlt, pflanzt er ein Samenkorn namens Glauben ins Herz der Kinder. Denen, für die die Zukunft düster und ungewiss aussieht, bringt er Hoffnung. Wir jedenfalls sind gesegnet mit unsichtbaren Geschenken, weil wir leben und unsere Arbeit tun dürfen, die darin besteht, den Menschen eine Freude zu machen. Vergiss das nie.«

Die Zeit verging, aus dem kleinen Jungen wurde ein junger Mann, und eines Tages kam die Familie am eindrucksvollen Stift Melk vorbei.

»Erinnerst du dich noch daran, wie du mir vor vielen Jahren die Geschichte von den unsichtbaren Geschenken erzählt hast, Vater? Ich glaube, ich habe auch einmal eines dieser Geschenke erhalten: die Berufung, Priester zu werden. Hättest du etwas dagegen, wenn ich den ersten Schritt tue, um meinen Traum zu verwirklichen?«

Obwohl sie ihren Sohn brauchten, respektierten die Eltern seinen Wunsch. Sie klopf‌ten an das Tor des Klosters und wurden großzügig und liebevoll von den Mönchen beherbergt, die den jungen Burkhard als Novizen in ihre Reihen aufnahmen.

Es kam der Abend vor Weihnachten. Und ausgerechnet an diesem Tag geschah in Melk ein Wunder: Unsere Liebe Frau stieg mit dem Jesuskind im Arm herunter zur Erde, um das Kloster zu besuchen.

Die Mönche waren glücklich über diesen Besuch und stellten sich in einer langen Reihe auf. Einer nach dem anderen kniete vor der Jungfrau nieder und ehrte sie auf seine Weise. Einer wies auf die schönen Bilder, die die Kirche schmückten, ein anderer brachte ein Exemplar der Bibel, die in jahrelanger Arbeit von Hand geschrieben und mit Buchmalereien reich geschmückt worden war, ein dritter sagte die Namen aller Heiligen auf.

Als Letzter in der Reihe wartete aufgeregt der junge Burkhard. Seine Eltern waren einfache Gaukler und hatten ihm nur beigebracht, mit Bällen zu jonglieren.

Als er an der Reihe war, wollten die Mönche die Ehrungen abschließen, weil sie glaubten, der junge Novize könne nichts Ebenbürtiges beitragen und womöglich dem Ansehen des Klosters schaden. Doch auch er wollte der Jungfrau und dem Jesuskind unbedingt etwas schenken.

Er schämte sich zwar, zog aber unter den missbilligenden Blicken der Mönche ein paar Orangen aus der Tasche und begann sie hochzuwerfen und mit ihnen zu jonglieren. Er schuf mit ihnen einen wunderschönen Kreis in der Luft, so wie er es immer gemacht hatte, als er mit seinen Eltern noch von Jahrmarkt zu Jahrmarkt gezogen war.

Erst da begann das Jesuskind auf dem Schoß der Gottesmutter vor Freude in die Hände zu klatschen. Und die Heilige Jungfrau streckte die Arme nach ihm aus und ließ ihn das Kind, das in einem fort lächelte, eine Weile halten.

Am Ende der Legende heißt es, dass wegen dieses Wunders alle zweihundert Jahre wieder ein Burkhard an das Tor der Abtei Melk klopf‌t und dort aufgenommen wird und dass, solange er dort ist, die »unsichtbaren Geschenke« die Herzen derer verwandeln können, die ihn kennen.

Der König und die kahle Sängerin

Wie jedes Jahr hatte der König seinen Premierminister an Heiligabend zu einem Spaziergang eingeladen. Er genoss es, durch die festlich geschmückten Straßen zu flanieren. Doch um unerkannt zu bleiben, verkleideten sich beide immer als Händler aus fernen Landen.

Sie schlenderten durch das Stadtzentrum, betrachteten die Girlanden, die brennenden Kerzen auf den Treppenstufen vor den Häusern, die Verkaufsstände, die Männer, Frauen und Kinder, die zu ihren Verwandten eilten, um an diesem Abend um einen reich gedeckten Tisch herum zu feiern.

Der Rückweg führte die beiden durch ein Armenviertel. Dort sah es ganz anders aus. Keine Lichter, Kerzen, kein Duft leckerer Speisen. Und es war auch kaum jemand auf der Straße zu sehen. Wie jedes Jahr wies der König seinen Premierminister an, sich künftig besser um die Armen im Reich zu kümmern. Der Minister nickte, wusste aber genau, dass die Angelegenheit im Mahlstrom der Bürokratie, wegen der Verteilung der Staatsfinanzen und der anstehenden Gespräche mit ausländischen Würdenträgern schon bald in Vergessenheit geraten würde.

Plötzlich hörten sie Musik. Sie schien aus einer morschen Bretterhütte zu kommen. Durch eine Ritze konnten sie in die Hütte hineinsehen. Es bot sich ihnen ein seltsamer Anblick: Ein alter Mann saß in einem Rollstuhl und schien zu weinen, während ein kahl geschorenes junges Mädchen tanzte und ein traurig dreinblickender Junge eine Volksweise sang und dazu auf einem Tamburin den Takt schlug.

»Merkwürdig! Lass uns herausfinden, was da los ist«, sagte der König zum Premierminister.

Er klopf‌te an die Tür. Der junge Mann hörte auf zu singen, öffnete und bat sie herein.

»Wir sind Händler auf der Durchreise und suchen einen Schlafplatz. Da haben wir die Musik gehört und gesehen, dass Sie noch wach sind. Können wir bei Ihnen übernachten?«

»Sie werden bestimmt in einer der Herbergen der Stadt unterkommen. Wir können Sie leider nicht aufnehmen. Die Musik mag darüber hinwegtäuschen, aber in unserem Haus herrschen Trauer und Leid.«

»Und dürfen wir erfahren, weshalb?«

»Meinetwegen«, sagte der Alte. »Ich habe meinem Sohn eine gute Ausbildung ermöglicht, damit er eines Tages Sekretär im königlichen Palast werden kann. Aber die Jahre vergingen, und es wurde nie eine neue Stelle ausgeschrieben. Letzte Nacht nun hatte ich einen merkwürdigen Traum: Ein Engel erschien mir und bat mich, einen silbernen Becher zu kaufen, weil der König mich besuchen würde. Er würde etwas trinken und anschließend meinem Sohn eine Anstellung geben.

Der Engel war so überzeugend, dass ich beschloss zu tun, was er gesagt hatte. Da wir kein Geld haben, ist meine Schwiegertochter heute auf den Markt gegangen und hat ihr Haar verkauf‌t, und wir haben mit dem Erlös den Becher gekauf‌t, der dort steht. Jetzt versuchen die beiden mich aufzuheitern, sie singen und tanzen, weil Weihnachten ist, aber es hilf‌t nichts …«

Der König sah den silbernen Becher, bat, man möge ihm darin etwas Wasser bringen, weil er durstig sei. Bevor er wieder ging, sagte er zu den dreien:

»Was für ein Zufall! Heute waren wir beim Premierminister, und der hat uns gesagt, nächste Woche werde die Stellung wieder ausgeschrieben.«

Der Alte nickte gutmütig, glaubte aber nicht recht, was er da hörte, und verabschiedete sich von den Fremden. Doch am nächsten Tag wurde eine Proklamation des Königs auf allen Straßen der Stadt verlesen. Ein neuer Sekretär wurde gesucht. Zu einer festgesetzten Stunde war der Audienzsaal voller Leute, die sich alle um den begehrten Posten bewerben wollten. Der Premierminister trat ein und bat alle Anwesenden, Papier und Stift bereitzuhalten.

»Hier ist das Thema des Aufsatzes: Warum weint ein alter Mann, tanzt eine kahl rasierte Frau und singt ein trauriger Junge?«

Ein entsetztes Raunen ging durch den Saal: Niemand wusste, wie er daraus eine Geschichte machen sollte. Nur ein ärmlich gekleideter junger Mann in einer Ecke des Raumes lächelte und begann zu schreiben.

A, b, c, d

»Der Glaube lebt noch immer im Herzen der Menschen«, sagte sich der Priester, als er die volle Kirche sah. Es waren die Arbeiter des ärmsten Viertels von Rio de Janeiro, die sich alle zur Christmette eingefunden hatten. Er freute sich darüber. Würdigen Schrittes begab er sich zum Altar.

»A, b, c, d …«

Es klang wie eine Kinderstimme. Die Anwesenden schauten sich ärgerlich um, wer es wagte, die Messe zu stören. Doch die Stimme fuhr fort:

»A, b, c, d …«

»Schluss damit«, sagte der Priester.

Das Kind – es war ein Junge – schien wie aus einer Trance zu erwachen. Es warf einen ängstlichen Blick in die Runde, und sein Gesicht überzog sich mit Schamesröte.

»Was soll das? Siehst du denn nicht, dass du unser Gebet störst?«

Der Junge senkte den Kopf, und Tränen rannen ihm über die Wangen.

»Wo ist deine Mutter?«, wollte der Priester wissen. »Hat sie dir nicht beigebracht, wie man sich bei einer Messe benimmt?«

Mit gesenktem Kopf sagte der Junge:

»Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Pater, aber ich habe nie beten gelernt. Ich bin ohne Vater und Mutter auf der Straße aufgewachsen. Heute ist Weihnachten, und ich wollte mit Gott reden. Ich weiß nicht, welche Sprache Er spricht, also sage ich die Buchstaben, die ich kenne. Ich hatte mir gedacht, dass Er dort oben die Buchstaben nehmen und daraus die Wörter und Sätze machen könnte, die Ihm gefallen.«

Der Junge erhob sich.

»Ich gehe jetzt«, meinte er. »Ich möchte die Leute nicht stören, die genau wissen, wie man mit Gott redet.«

»Komm mit mir«, sagte daraufhin der Priester.

Er nahm den Jungen bei der Hand und führte ihn zum Altar. Dann wandte er sich an die Gläubigen.

»Heute Abend werden wir vor der Messe ein ganz besonderes Gebet sprechen. Wir werden Gott selber schreiben lassen, was Er hören möchte. Jeder Buchstabe entspricht einem Augenblick in diesem Jahr, in dem wir eine gute Tat getan, mutig für einen Traum gekämpf‌t oder ein Gebet ohne Worte gesprochen haben. Wir werden Ihn bitten, den Buchstaben unseres Lebens eine Ordnung zu geben. Wir werden uns alle ganz fest wünschen, dass diese Buchstaben Ihm erlauben, die Wörter und Sätze zu schaffen, die Ihm gefallen.«

Mit geschlossenen Augen begann er das Alphabet aufzusagen. Und alle Menschen in der Kirche fielen mit ein:

»A, b, c, d …«

Die Tanne von Saint-Martin

Als der Priester der kleinen Dorfkirche von Saint-Martin in den französischen Pyrenäen sich an Heiligabend anschickte, die Messe zu lesen, roch er plötzlich einen wunderbaren Duft. Es war Winter und die Blumen längst verschwunden – doch da lag dieser köstliche Duft in der Luft, als wäre es vorzeitig Frühling geworden.

Verwirrt trat der Priester vor die Kirche, um herauszufinden, woher dieses Wunder rührte, und traf auf einen halbwüchsigen Jungen, der auf der Schwelle des Schultores saß. Neben ihm stand etwas, das aussah wie ein goldener Weihnachtsbaum.

»Was für ein wunderschöner Baum!«, sagte der Priester. »Er scheint den Himmel berührt zu haben, denn er verströmt einen himmlischen Duft. Und er ist aus Gold! Woher hast du ihn?«

Der Junge schien sich über die Bemerkung des Priesters nicht zu freuen.

»Je länger ich ging, umso schwerer wurde er, und die Nadeln sind inzwischen ganz hart. Doch Gold ist das sicher nicht. Außerdem habe ich Angst, was meine Eltern sagen werden, wenn ich damit nach Hause komme.«

Der Junge erzählte, wie es dazu gekommen war:

»Heute Morgen bin ich in die große Stadt, nach Tarbes