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Im Spannungsfeld zwischen der Ehe mit einem erfolgreichen Mann und ihrer stillen Sehnsucht nach einem freieren Leben begibt sie sich auf eine Suche. Sie möchte ihr Leben mitgestalten. Während der Ehemann die Karriereleiter hinauf klettert, kommt sie sich mehr und mehr einsam und unfrei vor. Erinnerungen und Neugier bringen ihr die Kunst nahe, der sie sich widmet. Ihr begegnen andere Menschen, Naturzeichen und Erkenntnisse. Sie folgt dem Ruf ihres Mannes in seine neue berufliche Umgebung. Neue Erlebnisse und Sehweisen helfen auf ihrem sehnsuchtsvollen Weg nach dem zweiten Ich.
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Seitenzahl: 79
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Im Spannungsfeld zwischen der Ehe mit einem erfolgreichen Mann und ihrer stillen Sehnsucht nach einem freieren Leben begibt sie sich auf eine Suche. Sie möchte ihr Leben mitgestalten. Während der Ehemann die Karriereleiter hinauf klettert, kommt sie sich mehr und mehr einsam und unfrei vor.
Erinnerungen und Neugier bringen ihr die Kunst nahe, der sie sich widmet. Ihr begegnen andere Menschen, Naturzeichen und Erkenntnisse. Sie folgt dem Ruf ihres Mannes in seine neue berufliche Umgebung. Neue Erlebnisse und Sehweisen helfen auf ihrem sehnsuchtsvollen Weg nach dem zweiten Ich.
Für Karin, die mich begleitet
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Sie steht auf der Terrasse, betrachtet ihren Garten. Die Farbenviefalt der Büsche und Blumenbeete erscheint durch einen Tränenschleier getrübt.
Ob Britta es gemerkt hat? Sie ist mir sehr nahegekommen. Sie hatte wirklich gute Laune gestern auf dem Klassentreffen der Ehemaligen. Wir haben uns an alte Zeiten erinnert, die Späße mit den Lehrern noch einmal aufleben lassen und uns über unsere ersten Beziehungen zu Jungen unterhalten. Vor allem haben wir viel miteinander gelacht. Ich habe mich lange nicht mehr so gut amüsiert. Britta ist meine engste Vertraute, eine echte Freundin. Nach dem Klassentreffen ist sie mit mir nach Hause gekommen, weil es für ihre Heimfahrt auch wegen des Alkoholgenusses zu spät war. Wir haben uns noch lange unterhalten. Es war taghell, als wir ins Bett fanden. Unser gemeinsames Frühstück dauerte bis zur Mittagsstunde.
Jetzt ist sie abgereist und ich bin wieder alleine. Ich muss an ihre Bemerkung denken: >Du bist so wenig fröhlich. Du kommst mir ziemlich leer und ausgebrannt vor. Ist es so, dass Dir etwas fehlt? <
Ein merkwürdiger Tag! Ich habe lange nicht mehr mittags gefrühstückt und ein Gespräch geführt, in dem es auch um mein Leben ging. Britta hat gesagt, auch ich sei wichtig.
Jetzt ist sie bestimmt schon zuhause. Ich bin wieder allein. Wie so oft. Ich muss über unser Gespräch nachdenken.
Der Mond zeigt seine Sichel mit abendlichem Strahlenhaar. Sie erinnert ihre letzten Worte gegenüber Britta.
Ich fühle mich nicht frei. Gibt es trockene Tränen?
Der Abendwind umarmt sie kühl und kräftig. Sie schlingt die Arme um sich.
Ich vermisse Wärme.
Ihre Füße werden noch von den aufgeheizten Waschbetonplatten gewärmt.
Wie sandfreier alter trockener und festgestampfter Wüstenboden, dem sich die Sonnenstrahlen lange gewidmet haben. Ich komme mir vor wie in der Wüste. Allein und richtungslos.
Sie wippt noch einen Moment auf der Stelle und schaut auf ihre hellgrün lackierten Fußnägel.
Ich komme nicht von der Stelle. Fern ist das Land der Freiheit, weit weg von der hiesigen Wüste des Alleinseins.
Wenig später erliegt sie den frischen Drohungen des kühler werdenden Windes. Er umfasst die Terrasse und umschleiert ihren Körper. Sie kehrt in den Schutz des Hauses zurück.
Der Bildschirm des Fernsehers im Wohnzimmer hat eine Diagonale, die der Länge ausgebreiteter Arme entspricht. Aber er umarmt nicht.
Ob er warm ist? Die Frage ist Unfug!
Sie ist alleine im Haus, seitdem ihr Ehemann eine neue Aufgabe im Konzern angenommen hat. Eine Führungsaufgabe in Sofia. Er wird dem gemeinsamen Heim für geraume Zeit fernbleiben.
Ich muss mich auf die neue Situation einrichten, einen Ausgleich zum Alleinsein finden.
Er schwärmte von seiner neuen verantwortungsvollen Aufgabe in Sofia. Er erwähnte die damit verbundene zeitweise Trennung. Danach schwieg er, ließ seine Worte wirken. Sie empfand schließlich den Zwang, seinem beruflichen Wechsel zuzustimmen.
Sie hört noch seine Argumente:
„Es wäre auch für Dich und unsere gemeinsame Zukunft von Vorteil. Wir hätten mehr Geld zu Verfügung. Auch für Tickets. Du kannst öfter zwischendurch zu mir fliegen.“
Er hat >zwischendurch< gesagt und mir keine Chance gegeben, über gemeinsame Alternativen nachzudenken. Er hat einfach entschieden.
Sie schaut lange den Bildschirm an. >Eine besonders hohe Auflösung, ergo eine klarere Sicht! < war das Schlussargument des Verkäufers, was schließlich zum Kauf geführt hatte.
Auflösung! Welch ein Wort!
Sie hat mehr und mehr das Gefühl, dass sie sich selbst auflöst.
Ich lebe in diesem warmen und sicheren Raum allein. Er beherbergt diese Bildmaschine. Er will mich >zwischendurch< mit diesen Tickets versorgen. Mit mehr Geld. Und ich löse mich hier auf.
Mondlicht blinzelte durch die durchlöcherte, durchscheinende Wolkendecke und malte auf dem Terrassenfussboden für einen kurzen Moment so etwas wie ein Ahornblatt mit einer fehlenden Zacke.
Die Bildmaschine gongt.
Nachrichten!
Sie zieht eine Decke über ihre hoch gezogenen Beine.
Klarere Sicht durch eine Maschine?
Sie schaute durch den Bildschirm hindurch.
Meine Sicht ist nicht klarer.
Sie hat keine Lust, den restlichen Abend vor dem Bildschirm zu verbringen und sucht ihr Bett auf. Sie döst vor sich hin. Im Halbschlaf erscheint ihre Mutter. Wie so oft. Ihre leicht schrille Stimme dringt in sie. Sie hört wieder und wieder, dass dieser Mann doch nicht das Richtige für sie sei. >Dieser Zugereiste! <
Die Heirat mit Klaus-Peter ist schon fünfzehn Jahre her.
>Bleibe immer ein bisschen unverheiratet! <
Das waren die Worte ihrer Freundin Britta damals, aber diese Aufforderung wollte sie damals nicht verstehen.
Unverheiratet, das ist doch doof. Das war damals. Es ist vorbei.
Sie blinzelt zum Mond, der mit seinen Strahlen ab und zu durch die dahinziehenden Wolken lugt. Sie erfreut sich an dem Lichtspiel und spürt zugleich eine stille Ehrfurcht vor der Veränderung. Mit diesem Gefühl dreht sie sich zur Seite, dorthin, wo die Leere ist, die ihr Mann ihr hinterlassen hat. Ein Vakuum in diesem Einfamilienhaus, in das sie mit ihrem Mann vor einigen Jahren einzog.
>Eine wohltuende Stadtrandlage, fern vom Lärm der City. Dennoch schnell am Puls der Welt durch eine ausgezeichnete Anbindung. <
Das war die Formel des Maklers, die ihren Mann zum Kauf des Hauses mit dem großen Garten überzeugt hat.
Liegend und weiter vor sich hindösend untersucht sie Schubladen in ihrem Kopf.
Sie sind einfach da, diese Schubladen. Der Zimmermann der Zeit hat sie in mich hineingeschoben. Ich kann sie nicht entfernen und den Inhalt einer gefüllten Schublade nicht ignorieren. Ich kann auch die Augen nicht vor einem Bild verschließen, um es zu sehen.
Sie kann nicht verhindern, dass sich die unterschiedlichen Schubladen öffnen und denkt unwillkürlich an das Bild „Die Brennende Giraffe“ von Salvatore Dali, auf dem Schubladen aus dem Körper einer aufrechten Figur herauslugen.
Die Figur auf dem Bild steht aufrecht. Gehe ich aufrecht durch mein Leben? Zeigen die Schubladen im Traum mir mein Leben?
Bestimmen sie meine Freiheit?
Ich habe das Gefühl, nebensächlich zu sein. Das möchte ich nicht! Ich möchte ich sein. Es wird neue Schubladen geben. Das muss sein.
Es gibt es eine Schublade >Frühe Vergangenheit<.
Bilderfluten quellen heraus und krümmen sich im Raum.
Da liegt ihr Vater im Wohnzimmer neben dem großen Eichenschrank, gestolpert, vielleicht zu viel des hoch geschätzten Weines gekostet und jammert leise blubbernd vor sich hin. Lächerlich. Worte, die sie verstehen sollte, zu leise, zu fern, zu unnütz. Das Bild bleibt lange hängen und schwebt vor ihr.
Es gibt weitere Schubladen. Sie tragen keine Etiketten. Sie gehen von selbst in einer nicht vorhersehbaren Reihenfolge auf. Sie wünscht sich, alle diese Schubladen zuzuschieben. Für immer. Aber das ist ein frommer unerfüllter Wunsch.
Bevor sie die ersehnte Nachtruhe findet, kippt eine weitere Schublade nach vorn, aus welcher fratzenhaft das Gesicht ihrer Schwester herausfährt - wie ein stinkiger Blitz. In Kindheitstagen waren sie eng beieinander wie Zwillinge, die sie nicht waren, immer füreinander da und irgendwann - es war wie ein kleiner Tod - verstanden sie sich nicht mehr und empfanden sogar Ängste voreinander. Diese blühten aus, als die Eltern nicht mehr lebten und das gemeinsame Erbe zu verteilen war. Eine widerlich anhaltende Fratze wurde das.
Die Schublade will nicht von alleine zugehen. Ein oft wiederkehrender Traum begleitet schweißtreibend den Rest der Nacht.
Routine, eine feste Freundin des Alltags, langt nach ihren Händen. Während sie alltagsübliche Arbeiten verrichtet - sie kommt sich vor wie ein Automat - kämpft der gewesene Traum gegen die Tagesgewohnheit an und erreicht, dass der morgenduftende Kaffee nicht mehr schmeckt.
Sie schiebt den Automaten in sich beiseite und sucht etwas, dem sie besondere Beachtung schenken kann, um sich vom Traum abzulenken. Sie nimmt einen Bildband aus dem Bücherregal und blättert darin.
Wenn man ein Bild betrachtet, ändert man sich. Das gilt auch, wenn ich die Küchenwand, die Bestuhlung oder den Teppich anschaue. Die Betrachtung verändert mich. Und doch habe ich das Gefühl, dass sich gar nichts ändert. Es ist aber nicht so.
Man kann nichts festhalten. Was bleibt, sind immer wieder kleine Erinnerungen, die wie Bilder irgendwo im Kopfe haften bleiben, vor das geistige Auge treten oder an einer virtuellen Wand hängen. Dabei ist es schwer zu prüfen, ob diese Bilder wahr sind.
Mein Alleinsein quält mich. Ich muss meine Lebenslage prüfen und meinen Tagtraum, die Sehnsucht nach Freiheit, überdenken.
Eva verbringt eine stille Zeit mit sich.
Wie reich und zugleich gefährlich diese Welt der Kunst ist! Ich finde immer neue Fragen. Viele Antworten fehlen noch. Das könnte mich süchtig machen.