Sehnsucht - Annette van den Bergh - E-Book

Sehnsucht E-Book

Annette van den Bergh

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Beschreibung

"Das Blau ruft mich zu sich! Ich sitze am Strand. Ich habe meine Arme um meine langen Beine geschlungen. Mein Kinn ruht auf den Knien. Sie sind spitz. Meine Haut ist noch immer ungebräunt. Bleich, so bleich, summt ein Lied in mir. Der Wind streicht meine Haare aus meinem Gesicht. Eine raue Liebkosung, die mir zeigt, dass Einer mich lieben wollte. Meine Augen, so schwarz, blicken ins Blau hinein. Vor mir das Blau. Ja, das Meer ist blau, so blau! Ein schöner Ruf, ein Appell an meine Seele. Ich folge!" (Sehnsucht) 8 Menschen, 8 Leben, 8 Fiktionen! Fiktive Lebens-Protokolle, das Ich zwischen Freiheit und Determination tappend und immer suchend!

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Seitenzahl: 128

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Annette van den Bergh hat neuere deutsche Literaturwissenschaft und Philosophie studiert. Sie lebt als freie Autorin und Kreativen-Coach in Berlin.

Inhalt

Klaras Gedanke

Golo, der Maler

Annalena Bergengruen

Green Eyes

One-eyed Carlotta

Felix im Glück

Das Haus

Sehnsucht

Klaras Gedanke

Ich bin Klara, ich bin 38 Jahre alt und obwohl meine Bografie mit meiner Geburt begonnen hat, bin ich in einem Leben gefangen, das vor einem dreiviertel Jahr mit einem Gedanken seinen Anfang nahm.

Ich weiß nicht, woher der Gedanke gekommen ist. Er war einfach an diesem Tag da und hat sich in meiner Seele ausgebreitet wie ein Zwang.

„Ich werde für mein Glück büßen müssen“, habe ich gedacht. Ich bin auf dieser Straße gelaufen. Ich hatte einen knöchellangen, schwingenden, taubengrauen Leinenrock an. Ich bin von einer Freundin gekommen. Ich hatte ihren kleinen Neid gespürt und genossen, nachdem ich ihr von meiner Beziehung zu Kurt erzählt habe.

Dann haben wir Sekt getrunken und auf mein neues Glück angestoßen. Ich habe mich danach auf den Heimweg begeben und auf dieser viel befahrenen, endlos erscheinenden, geraden Straße hat mich der Gedanke gefunden wie ein Anfall.

Und ER ist mir entgegen gekommen. ER war wie mein Gedanke. ER erschien auch aus der Entfernung wie in Dunkelheit getaucht. Ich wollte die Straßenseite wechseln. Der Verkehr auf der Fahrbahn hat dieses verhindert und so bin ich ihm entgegen gegangen. ER ist nicht stehen geblieben im Vorbeigehen an mir. Ich habe ihm in die Augen gesehen, mit diesem Gedanken in mir und ER hat meinen Blick erwidert wie ein Wissender, der im selben Bann gefangen ist.

Ich bin in die kleine Seitenstraße eingebogen. Bereits an der nächsten Ecke hätte ich vor der Sicherheit meines Hauseingangs gestanden. Ich habe ihn hinter mir herkommen hören, gewusst wie seine Schritte hinter mir sehr schnell wurden und immer schneller und immer näher an mich herankamen.

Ich bin losgerannt und habe noch im ersten Rennschritt seine Hand, wie eine Klammer um meinen Oberarm greifend, gefühlt. Dann hat ER mich zu Boden gerissen und unter seinem Körper begraben. ER hat seinen Atem in meine Atemzüge gerammt, unentrinnbar wie ein Nebel, so schien es mir. Der Nebel mit dem mich sein Atem betäubt hat, ist schwarz gewesen in meiner Erinnerung. Sein Haar ist schwarz gewesen und seine Augen sind schwarz gewesen und seine Kleidung ist schwarz gewesen.

So habe ich es später auch bei der Polizei berichtet.

„Sein Schwarz hatte sogar eine Schönheit an sich“, sagte ich beim Protokoll und ich erinnere mich, wie der Blick der Polizistin mich forschend gestreift hat wie ein Zweifel.

„Auch Schwarz kann schön sein“, habe ich noch hinzugefügt. Dann habe ich angefangen zu weinen, bis ich mit dem Oberkörper bewusstlos auf dem sterilen Schreibtisch zusammengesunken bin.

Auf dem Asphaltboden unter seinem schweren Körper liegend, bin ich wach geblieben. Ich bin Psychotherapeutin. Ich habe mich in diesem Moment der Empathie bedient. Meine Gedanken haben sehr konzentriert nach einer manipulativen Strategie gesucht, die mein Überleben sichern könnte. Ich habe seine beiden Hände um meinen Hals gefühlt und den Druck, den ER zeitweise verstärkte, um ihn dann wieder erschlaffen zu lassen. Ich habe ihm die ganze Zeit in die Augen gesehen und ich bin in dem Schwarz der Augen fast untergegangen wie in einem dunklen Meer.

In der ersten Ewigkeit des Geschehens schien ER selbst erstaunt zu sein über das, was uns geschehen war. ER lag auf mir, in einer dunklen Toreinfahrt, in einer dunklen, kleinen, stillen Straße, bei Einbruch einer Nacht ohne Mond. Er sah das Glitzern meines Augenpaares und ich sah das Unbestimmbare in seinem Blick.

Wir belauerten einander in der ersten Ruhe dieser Umklammerung: Ich, aus dem Wissen heraus, dass ich mich in der Abhängigkeit seiner körperlichen Kraft befinde und ER, wartend auf ein Signal, das ihm als Legitimation zur Umsetzung weiterer Gewaltenwelten dienen könnte.

Ich habe an Kurt gedacht und ich habe mich in diesen Sekunden der Unschlüssigkeit des keuchenden Mannes, unter dem ich lag, schuldig gefühlt.

„Lass mich los“, sagte ich in sein Gesicht hinein „ich liebe einen Mann“. Seine Finger verkrampften sich um meinen Hals und ER erhöhte den Druck bis ich husten musste.

„Schlampe, wie Jede!“, zischte ER mit seinem Atem in meinen Mund hinein und ich nahm das Schimpfwort auf, wie ein Stadttier die Abgaswolke des startenden Motors inhalieren muss. Sein Körper wurde von fordernder Härte, seine Hände lösten sich von meinem Hals und griffen unter den Rock und unter das Shirt.

„Hör auf“, sagte ich warm.

„Ich liebe ihn wirklich und ich liebe auch Dich. Ich liebe alle Menschen. Du irrst dich!“

Noch einmal löste ER seinen Oberkörper von mir und strich sich fahrig über sein Gesicht, als wolle ER ein Spinnweben entfernen.

Ich habe meine Beine unter ihm hervorgezogen, den Rock glatt gestrichen und wollte aufstehen, ihm immer direkt in die Augen blickend, ohne Wut und ohne Angst, wie ein tapferer Kriegskamerad, der dem schlotternden Soldat ein gutes Vorbild geben will. Ich hatte es fast geschafft, mich aufzurichten, als ER einem unvorhersehbaren Hass in seinem Gesicht Raum gab, der mich wie unter Bann in eine vollständige Handlungslähmung versetzte.

„Du lügst“, sagte sein Hass zu mir und da ER seine Legitimation gefunden hatte und ein Gefühl, das die folgende Tat tragen konnte, warf ER sich erneut auf mich, diesmal zielgerichtet und ohne jeden Zweifel.

Seine Hände hatten wieder meinen Hals umfangen, er drückte seinen Mund auf mein Keuchen und quetschte seine Zunge hinein in den Schlund, ER löste eine seiner Hände von meinem Hals und ich hörte das fast musikalisch anmutende Geräusch eines sich öffnenden Reißverschlusses und er zwang eine meiner Hände an seine Hose und es ist klar gewesen, dass es keine Worte mehr zwischen uns geben würde.

Die Worte sind tot gewesen und so löste sich der Schrei aus mir und quoll zwischen seinen Händen, die meine Kehle und meinen Mund einfangen wollten, in die Freiheit hinaus.

Mein Schrei ist wie ein selbständiges Leben gewesen, ein grelles, gellendes, raues Sein wie ein Sturm oder wie ein Gewitter. Mein Schrei hat mir weh getan, seine Schallwellen ließen meinen Oberkörper fast explodieren und machten ihn zittern. Dann mischte sich der hohe Ton meines Schreiens mit dem Aufheulen eines Motors und ich habe noch schreiend auf dem Asphalt gelegen, als ER über mir gestanden ist, nachdem ER in einem jähen Ruck auf seine Füße gesprungen war, wie ein fremdgesteuerter Roboter-Mann.

„Wenn Du schreist, geht das nicht!“, hat ER eine eigentümlich sanfte Stimme auf mich herabregnen gemacht. ER hat sich umgewandt und ist mit raschen Schritten in die Dunkelheit der Häuserschluchten hineingegangen, bis ER von den Schatten verschluckt worden ist.

Mein Schrei ist zur Ruhe gekommen und ich bin taumelnd dagestanden und habe ihm hinterher gesehen. Ich spürte noch seine Körpertemperatur auf meiner Haut und fühlte, wie ein Rinnsal kleiner Schweißperlen versucht hat, sie davon zu waschen.

Ich bin taumelnd nach Hause gegangen und habe zitternd mit dem Schlüssel meine Wohnungstür geöffnet und das Licht in allen Zimmern angeknipst und dann habe ich angefangen mich zu wundern, dass ich so ruhig und so leer geworden bin.

Eine Leere hat sich in mir ausgebreitet, die an den Moment erinnert, in dem ein Alptraum durch das Grauen des Morgens verscheucht wird und wir uns langsam in das Licht des Tages zurücktasten, das uns dann eine Weile genauso surreal wie der vorhergegangene Traum erscheint.

Meine Gedanken sind ohne jede Gefühlsbegleitung funktionstüchtig geblieben und ich habe als Erstes meine Freundin angerufen und ihr konzentriert und kurz von dem Geschehen berichtet.

Ein Anruf bei meiner Freundin ist mir in diesem Moment vernünftiger erschienen, als ein Anruf bei Kurt, der noch für zwei Tage von Berufs wegen in einer anderen Stadt in einem Hotelzimmer schlafen würde.

Meine Freundin fragte, ob sie vorbeikommen sollte, aber ich nahm in ungewohnter Klarheit ihre mitschwingende Unlust bezüglich der Realisierung dieses Angebotes auf. In ihrer Stimme klang eine Sachlichkeit mit, die von mir als Übertönung einer Häme erkannt wurde.

“Es geschieht Dir recht!“, hat sie in diesem Augenblick gedacht.

Diese Leere meiner Innenwelt, in Kombination mit einer seismografischen Scharfsicht auf die unbewusste Motivation meiner Umwelt, ist seitdem Bestandteil meines neuen Lebensgefühls.

In diesem Moment aber bin ich nur erstaunt gewesen, wie viel Wahrheit ich ungeschönt als energetischen Fluss zwischen mir und einem Menschen zur Kenntnis nehme.

„Du musst sofort die Polizei verständigen!“, sagte meine Freundin zu mir und ich bedankte mich für ihren Ratschlag und wünschte ihr höflich eine gute Nacht.

Die Stimme des Notrufe aufnehmenden Polizisten klang ebenfalls sehr höflich und bereits zehn Minuten später bin ich nicht mehr allein mit mir gewesen, sondern ich fand mich umgeben von drei hilfreich grün gekleideten Menschen, zwei Männern und einer Frau, die alle große Betroffenheit und echtes Mitgefühl ausströmten.

„Es ist sehr mutig von Ihnen, dass Sie eine Anzeige aufnehmen möchten!“, sagte die Polizistin, die dazu auserkoren war, ein sensibles Erstgespräch mit mir zu führen. Die männlichen Polizisten haben sich diskret und respektvoll im Hintergrund gehalten und die Fragen nach den Berührungen und der Gewalterfahrung durch ihn, sind vorsichtig an mich herangetragen worden.

Die Polizistin hatte mir mit ihrem Kompliment klar mitgeteilt, dass die Sache in der Regel zu Ungunsten des weiblichen Opfers verläuft, aber ihre warme Aufmerksamkeit und ihr Bedauern dieses Sachverhaltes haben mir gut getan. Sie installierte ein kleines Licht in der nebeligen Leere meines Inneren, so schien es mir.

Die Polizisten haben Ihre Visitenkarten hinterlassen und einen Termin im Revier für die Protokollaufnahme angesetzt. Ich solle und könne die Fotos von verdächtigen Personen mit einschlägiger Vergangenheit in der Kartei einsehen. Dann ließen sie mich allein.

„Nur schwarze Gesichter dunkler Gedanken“, dachte ich, „werden von nun an meine Leere beleben“.

Dann sah ich seine schwarzen Augen vor mir und bin wie eine Tote auf mein Bett gefallen, bis mich das Dunkel einer traumlosen Nacht in Gewahrsam nehmen konnte.

In meinem neuen Leben, im Hier und Jetzt, neun Monate nach dem Geschehen dieser Nacht, befinde ich mich allein mit ihm. Mein Gedanke hat sich verselbständigt wie eine Lawine und mein bisheriges Sein mit sich hinweg gerissen.

Wieso ist mir am Morgen danach, erwachend in ein helles Licht einer grellgelben Sonne hinein, das alte Leben bereits so fern erschienen, als habe ich gewusst, dass es mir keinen Halt bieten könnte?

Ich wusste mit meinem ersten morgendlichen Gedanken, dass ich Kurt informieren müsste, damit er erfuhr, was mit seiner Liebe geschehen war. Aber ein Zögern ist in mir gewesen, das mir wie ein Raunen erschien, das von Enttäuschung, Schuld und Kälte sprach.

Kurt ist nicht der Mann, so wusste ich, der es ertragen konnte, dass die Finger eines anderen Mannes von seiner Frau Besitz ergriffen hatten. Und Kurt würde spüren, so war ich gewiss, dass ein Gedanke der Frau den anderen Mann zu sich gerufen hatte. Kurt würde mich durchschauen, in der Ambivalenz meiner Liebe zu ihm und meinem Zweifel an diesem Glück.

„Kurt ist ein Macher“, habe ich gedacht, „ein erfolgsverwöhnter Karrierist, wenn er spürt, dass das Machen allein nichts ausrichten kann, wird er die Enttäuschung darüber nicht tragen können und mich als Spiegelbild dieses Versagens mit einem schwarzen Tuch bedecken wollen, bis er mich nicht mehr sehen muss“.

Ich wusste an diesem Morgen danach, wie alles verlaufen, in welche Richtung ich getrieben werden würde, unaufhaltsam wie ein dunkles Wasser.

Wieder registrierte ich die Leere in mir, begleitet von der Klarheit einer sezierenden Akkuratesse meines Wahrnehmungsapparates.

Ich wartete in dieser Kälte auf die Rückkehr eines normalen Tagesablaufs, der mit seinen Ritualen Struktur und Ablenkung mit sich bringen sollte. Nach der Dusche habe ich mich besonders sorgfältig eingecremt und angezogen und zurecht gemacht, mit schwarzer Hose, schwarzem T-Shirt und Perlenkette. Ich erinnerte mich an die unbedingte Seriosität meines Jobs als Psychotherapeutin und wollte die drei eingeplanten Therapie-Sitzungen, mit den bereits vertrauten Klienten, in besonderem Maße konzentriert gestalten.

Dann habe ich mich gewundert, dass meine Hände zitterten, als ich das Frühstücksbrot mit Butter und Marmelade bestrich und mich vor mir selbst geekelt, als ich bemerkte, dass mir immer wieder ein Brocken zerkautes Brot aus dem Mund auf den Teller gefallen war.

„Ich bin nicht mehr in Ordnung“, habe ich gedacht.

Dann habe ich mir die Haare zurückgestrichen und bin in mein Therapiezimmer gegangen und habe gewartet. Als die Klientin, vor mir auf der Couch liegend, wild zu kichern begann, als Begleitmusik zu ihrem Bericht ihres vergangenen Tages, hat mich eine Wut gepackt, die ich zu kaschieren suchte.

So verging der Tag in meiner Anstrengung um Kontrolle und als der letzte Klient sich verabschiedet hatte und ich einkaufen gegangen war und meine Freundin kurz nachgefragt hatte, wie es mir geht und ich wieder ihre Missgunst zu spüren glaubte, viel deutlicher als die an mich herangetragenen Worte, habe ich mich gerade auf mein Sofa gesetzt und das Telefon zwischen meine Beine geklemmt.

Die Stimme von Kurt klang erfreut, als er mich hörte und eine Sekunde lang fühlte sich mein Herz von der Erinnerung an eine wärmende Zeit, von der ich gerade Abschied nehmen sollte, berührt.

„Er versteht es nicht“, habe ich gedacht und dann habe ich ihn jäh unterbrochen und mit kurzen, knappen Worten und überlegener Sachlichkeit das Geschehen berichtet.

„Hast Du ihn gekannt?“, hat er mit belegter Stimme gefragt und ich habe verneint.

Dann hat er geschwiegen und ich habe mich wieder über diesen Zustand einer seismographischen Feinfühligkeit, bezüglich der Gedanken eines Anderen, gewundert.

Ich habe gewusst, dass er gerade überlegte, was er zu tun habe. Ob ich von ihm nun erwarten würde, dass er frühzeitig zu mir zurückkehren müsse. Oder ob es genügen würde, erst am kommenden Tag, zur Mittagszeit, die Arme um den Körper seiner Frau zu schlingen, als sei er ihr Held, in guter wie in schlechter Zeit.

„Es genügt, wenn Du Morgen wie geplant zurückkommst“, habe ich zu ihm gesagt und gespürt, wie erleichtert er sich anfühlte.

„Ich lass das Handy an, du kannst mich jederzeit erreichen“, sagte er in einem Ton, der mir Halt zu sein versprechen wollte und wir verabschiedeten uns, jeder auf seine Art:

„Ich bin bei dir“, hauchte er. „Ja“, erwiderte ich.

Dann bin ich aufgestanden und zum Fenster gegangen.

Ich habe meine Straße hinuntergesehen, bis zu der Stelle, an der sie die andere Straße kreuzt, in der ich unter dem schweren Körper gelegen hatte. Wieder habe ich mich an seinen schwarzen Blick erinnert und gedacht, dass ER derjenige ist, der bei mir ist. Seitdem ist ER der einzige, zu dem ich eine nahe Verbindung spüre.

Früher hätte ich dieses Gefühl nicht als Nähe bezeichnet, da Nähe für mich eine wärmende Sympathie beinhaltet hat. Doch die Nähe, die ihn und mich zu einer Einheit aus Telepathie und Empathie verschmelzen lässt, besitzt die Intensität eines gemeinsamen Schicksals wie Bannspruch aus göttlichem Mund.

„Alles zerrinnt, doch es wird kein Entrinnen geben!“

Dieses Wissen ist das einzige Leben in meiner Leere und dieses Wissen teile ich nur mit Ihm!

Als Kurt am kommenden Tag vor mir stand, habe ich mich einen Augenblick in Kurts Umarmung fast beschützt gefühlt. Seine muskulösen, gebräunten Arme riefen mich zu sich und hinein in das alte Leben unserer eigentlich noch nicht lange währenden Zweisamkeit. Heute weiß ich, dass ich in diesem Moment bereits in einer anderen Welt verschwunden gewesen bin, in die Kurts Arme nicht mehr hineinreichen konnten.

„Lass ihn los!“, sagte er später zu mir, „wie einen bösen Traum!“

Dann konnte ich Kurt dabei beobachten, wie er geschäftig mit der Polizistin telefoniert hat.