Sein letzter Brief - Carlos Tankano - E-Book

Sein letzter Brief E-Book

Carlos Tankano

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Beschreibung

Ein angesehener Literaturwissenschaftler erschießt, kurz bevor er selbst an einer unheilbaren Krankheit stirbt, eine ihm unbekannte Frau. Polizei und Staatsanwaltschaft legen den Fall "Mord ohne Motiv" zu den Akten. Der Bruder der Ermordeten will sich mit der Einstellung des Verfahrens nicht abfinden und beauftragt Lazarus Wolfson mit Nachforschungen. Wolfson ist Hypochonder, übergewichtig und gesundheitlich angeschlagen. Mit Hilfe modernsten technischen Equipments dirigiert er seine Mitarbeiter vom Schreibtisch aus. Nach und nach erfahren Assistentin Sarah Eick und der unerschrockene Fahnder Fritz Baumkron von merkwürdigen Vorlieben und obskuren Forschungsvorhaben des Literatur-Professors. Bei ihren Ermittlungen muss sich Sarah mit angolanischem Kizomba-Tanz und mit wissenschaftlichen Publikationen befassen, in denen spezielle Gewohnheiten einiger bekannter Paare, darunter Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, Frida Kahlo und Diego Reviera, aufgedeckt und analysiert werden. Einer Lösung näher zu kommen, hofft das Späher-Team durch Kontakt zu einem Priester und Pfarrer, der in der psychologisch verwickelten Mord-Geschichte eine undurchsichtige Rolle spielt.

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Carlos Tankano

Sein letzter Brief

Carlos Tankano

Sein letzter Brief

Mord für einen guten Zweck

Psychothriller

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografi– sche Daten sind im Internet über http://dnb.d– nb.de abrufbar.

© 2013 Carlos Tankano

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Titelfoto © 2013 Juri Sokolov – Fotolia.com

Alle Rechte vorbehalten

Erstmals als e– book erschienen bei Neobooks.com

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Printed in Germany

ISBN 978-3-8442-7752-4

ISBN der Taschenbuchausgabe:

978– 3– 8442– 7441– 7

Für Adri, Belli, Joschi, Marlies und Silvi

Inhalt

Beichtgeheimnis

Lazarus Wolfson

Schrotschuss-Recherche

Emotionen

A.T.

Amtsgericht

Schweinebäuche

Fabulierstunde

Concert Roma -Suite

Katastrophen

Familienabgrund

Explosion

Lebensoptimierung

Konzertflügel

Kizomba

Trauerfall

Wutbürger

Kugelfisch

Schweigegebot

Gulasch

Die Personen

Quellen der Zitate

Beichtgeheimnis

Am Tag bevor Burckhardt von Stessen starb, war er noch ganz klar im Kopf. Obwohl er keine Schmerzen hatte, fühlte er sich hundeelend und schwach. Die Krankenschwester vom medizinischen Pflegedienst hatte ihn gewaschen, ihm beim Anziehen geholfen, ihn in einen Sessel gesetzt und angeboten, ein Frühstück zu machen. Das lehnte er ab. Seit drei Tagen schon hatte er nicht mehr gegessen. Alles, was er zu sich nahm, war leicht gesüßter Tee aus einer Schnabeltasse.

Seine Frau Almut, die er abgöttisch liebte, hatte an diesem Vormitttag einen Termin beim Therapeuten. Der sollte ihr helfen, das furchtbare Schicksal ihres Mannes zu akzeptieren und die Kraft zu finden, nicht selber allen Lebensmut zu verlieren.

Nachdem die Krankenschwester vom medizinischen Pflegedienst gegangen war, konnte Burckhardt von Stessen sicher sein, bis zum frühen Nachmittag nicht mehr gestört zu werden. Dann würde seine Frau heimkommen, ihm helfen, auf der Toilette seine Notdurft zu verrichten, und – wie jeden Tag um diese Zeit – würde eine andere Pflegekraft erscheinen, um ihn unten herum zu waschen, ihm eine Windel anzulegen und ihn zum Mittagsschlaf ins Bett zu bringen. Alle Tabletten waren mittlerweile abgesetzt. Nach einer missglückten Rückenmarks- Transplantation war er austherapiert. Ihm war nicht mehr zu helfen.

Burckhardt von Stessen nahm sein Smartphone aus der Tasche und orderte ein Taxi. Schwer gestützt auf seinen Stock, nahm er alle Kraft zusammen und bewegte sich mit Trippelschritten vorwärts. Nach wenigen Metern musste er innehalten, um Luft zu schnappen. Der Taxifahrer hatte Mühe, die kraftlosen Beine seines Fahrgastes ins Auto zu hieven. Von Stessen nannte eine Adresse. Während der Fahrt befielen ihn plötzlich Zweifel, ob er wirklich tun sollte, was er sich vorgenommen hatte. Nach kurzem Überlegen aber war er seiner Sache wieder sicher: Er musste den Plan ausführen, den er in jahrelanger Denkarbeit entwickelt hatte, und von dem nur er selber wusste. Nicht einmal seine Frau Almut, vor der er sonst keine Geheimnisse hatte, ahnte etwas von seinem Vorhaben. Am Ziel angekommen, bat er den Taxifahrer, ihn zur Haustür zu begleiten und dann zu warten: >>Es wird nicht lange dauern.<<

Im Lift drückte er den Knopf für die oberste Etage. Auf der Penthouse- Ebene angekommen, musste er sich für einen Moment an die Wand lehnen. Ihm war schwindlig. Schließlich läutete er. Als die Hausherrin öffnete, fragte er mit zittriger Stimme:

>>Frau Brandeisen?<<

Die schätzungsweise 50 Jahre alte elegant gekleidete Dame muss auf den ersten Blick erkannt haben, dass sich der Mann in einem erbärmlichen Zustand befand.

>>Ja, kann ich Ihnen helfen?<<

Burckhardt von Stessen sagte:

>>Entschuldigen Sie bitte! <<

Dann zog er eine Pistole mit Perlmutt– Griffschalen aus der Tasche und schoss ihr eine 9- Millimeter- Kugel direkt zwischen die Augen. Ohne einen Laut von sich zu geben, stürzte die Dame nach vorn. Sie war sofort tot.

Burckhardt von Stessen fuhr mit dem Lift, der noch auf der obersten Etage bereitstand, nach unten, gab dem Fahrer die Adresse der katholischen St. Ansgar– Gemeinde, deren Gottesdienste er in gesunden Tagen regelmäßig besucht hatte. Dort angelangt, bat er den Taxifahrer, auf ihn zu warten:

>>Es wird nicht lange dauern.<<

Der Priester und Pfarrer, der den Besucher schon erwartet hatte, kam ihm entgegen. Von Stessen hatte tags zuvor um diesen Termin gebeten. Der Gottesmann hakte ihn unter und führte ihn in der Kirche schnurstracks zum Beichtstuhl. Als die beiden nach einiger Zeit wieder herauskamen, war der Geistliche kreidebleich. Um Fassung bemüht, reichte er von Stessen die Hand und versicherte ihm, was ohnehin selbstverständlich war, dass er das ihm anvertraute Geständnis dem Beichtgeheimnis unterwerfe und es gegenüber niemand, auch nicht gegenüber den Strafverfolgungsbehörden, preisgeben werde.

Zurück in seinem Bett, war Burckhardt von Stessen so schwach, dass er mit seiner Frau nicht mehr sprechen, sondern nur noch flüstern konnte. Sie beugte sich zu ihm hinunter und glaubte ihn sagen zu hören:

>>Ich möchte einfach nur noch weg sein. Sei nicht traurig.<<

Erschöpft von der Anstrengung, die ihn das Flüstern gekostet hatte, schwieg er eine Weile. Dann bewegten sich seine Lippen wieder, und Almut von Stessen hörte ihn hauchen:

>>Wünsche dir alles Gute – und viel, viel Liebe.<<

>>Tsch, tsch<<, machte Frau von .Stessen begütigend:

>>Du redest zu viel. Schlaf´ jetzt erst einmal gut. Dann wird es dir morgen besser gehen.<<

Auf Zehenspitzen verließ sie den Raum. Kurz nach Mitternacht war Burckhardt von Stessen tot.

Hauptkommissar Anton Achtsam von der Mordkommission im 7. Revier war stinksauer, als er sich am Tatort von den anwesenden Beamten ins Bild setzen ließ. Er hasste Fälle, die der Polizei Rätsel aufgeben. Der Tathergang allerdings war sonnenklar. Der Mörder stand nach kurzer Ermittlungsarbeit fest. Der Taxifahrer konnte sich genau erinnern, wo er den Täter abgeholt und wohin er ihn gefahren hatte. Er lieferte eine präzise Personenbeschreibung. Nachbarn, die den gebrechlichen Mann auf der Straße gesehen hatten, beschrieben ihn so genau, dass Hauptkommissar Achtsam abwinkte, als der Polizei– Zeichner anfragte, ob er ein Phantombild anfertigen solle. Als hätte er sagen wollen, >>Seht her – ich war´s<< , hatte von Stessen am Tatort die Pistole neben die Leiche geworfen. Mit Hilfe der Seriennummer wurde im Nu festgestellt, dass die zugehörige Waffenbesitzkarte vom Ordnungsamt auf den Namen Prof. Dr. Burckhardt von Stessen ausgestellt worden war.

>>Lasst das mal<<, brummte Achtsam, während in weiße Overalls gekleidete Spurensicherer mit Rußpulver nach Fingerabdrücken, mit Stabtupfern nach DNA– Schnipseln und mit Gelatinefolie nach Schuhabdrücken suchten. >>Nicht mehr nötig<<, blaffte Achtsam. Eine Streifenwagenbesatzung, die mit Blaulicht und Sirene zum Wohnhaus der von Stessens gefahren war, hatte die Leiche des Täters und dessen in Tränen aufgelöste Witwe angetroffen.

>>Verdammter Mist! <<, entfuhr es Achtsam. >>Alles hier ist klar wie Kloßbrühe – nur warum, weshalb und wieso ein halbtoter Mann eine ihm offenbar unbekannte Frau erschießt – was soll das? Und der Einzige, der vermutlich weiß, was da los war, darf nichts sagen. Beichtgeheimnis. Die Presse wird schreiben: >POLIZEI RATLOS!<

Entsprechend schlecht gelaunt erschien Achtsam anderntags im Revier. Wieder machte er seinem Ärger Luft und polterte: >>Opfer tot, Mörder tot – genau genommen war´s das. Aber wir, bitteschön, sollen den ganzen Unrat noch mal hin und her wälzen, damit die Journaille sich aufregen und uns beschimpfen kann. Grusch! <<

Achtsam schnauzte auch Beamte an, die sich nichts vorzuwerfen hatten und gab dann Weisung für das weitere Vorgehen: Verhöre der Familienmitglieder, Nachbarn, Kollegen, Freunde und Bekannten, Einvernahme des ehemaligen Arbeitgebers (>>soweit vorhanden<<) und der Ärzte (>>vielleicht war der Täter ja krank im Kopf! <<). Routinemäßig lief die Ermittlungsmaschine an. Am Ende kam es, wie Achtsam, gestützt auf jahrzehntelange leidvolle Erfahrung in seinem Beruf, schon zu Beginn geahnt hatte: Die Auswertungen der Ermittlungsergebnisse und alle Bemühungen, das Motiv des Täters zu ergründen, führten zu nichts.

Auf einer kurz darauf anberaumten Pressekonferenz musste sich Achtsam zusammenreißen und Gelassenheit heucheln. Es wurmte ihn, dass er keine Ermittlungserfolge präsentieren konnte, sich aber die kritischen, respektlosen und teilweise unverschämten Fragen der Journalisten anhören musste. Unglücklicherweise war in diesen Wochen sonst nicht viel los, so dass die lokalen Zeitungen und Magazine, regionalen Rundfunksender und die kostenlosen Anzeigenblätter ihre Hörer und Leser immer wieder mit den vermeintlichen Fehlleistungen der Polizei fütterten. Kaum verwunderlich, dass in manchen Artikeln und Kommentaren personelle Konsequenzen in der Leitung der Mordkommission gefordert wurden.

Hauptkommissar Achtsam tat das bei Tischgesprächen in der Polizeikantine großkotzig als >Journalisten– Gewäsch< ab (>>die wissen nicht, was sie sonst schreiben sollen<<). Doch ganz spurlos ging das Trommelfeuer an ihm nicht vorbei. Es schien ihm sogar, dass der Polizeipräsident, wenn er ihm auf den Fluren des Präsidiums begegnete, nicht mehr so freundlich grüßte wie sonst. Voller Wut, Abscheu und Empörung über die Ungerechtigkeit der Welt spürte Achtsam, dass er dringend eine Auszeit brauchte. Er meldete sich für einen zweiwöchigen Urlaub ab, auch um endlich angesammelte Überstunden abzufeiern. Lieber wäre es ihm gewesen, sich die geleistete Mehrarbeit in Geld vergüten zu lassen. Aber diese Möglichkeit war vom Innenminister aus Ersparnisgründen gestrichen worden.

Lazarus Wolfson

Eine ausreichende, den Hunger vermeidende Nahrungsaufnahme hatte für den übergewichtigen Lazarus Wolfson schon immer hohen Stellenwert. Für wohlbeleibte Männer, zu denen er sich rechnen musste, sei, so seine Überzeugung, Hunger besonders schädlich; denn der menschliche Körper deute einen knurrenden Magen fälschlich als Signal für eine kurz bevorstehende oder gar schon ausgebrochene Hungersnot. Um für die vermeintlich drohenden mageren Zeiten vorzusorgen, weigere sich der Körper, die über lange Zeit angelegten Fettreserven abzubauen. Stattdessen werde wertvolle Muskelmasse verbrannt.

Aus Angst vor dem Hungergefühl aber auch, weil es ihm einfach schmeckte, langte Wolfson stets kräftig zu. Bei einer Körperlänge von 1,73 Metern und einem Gewicht von 95 Kilo war sein Body Maß Index auf den bedenklichen Adipositas-Wert von 32 gestiegen.

Wolfson machte sich Sorgen um seine Gesundheit. Wenn ihn, wie an diesem Morgen, nach einem üppigen Abendessen der Magen drückte, dachte er sogleich an eine sich womöglich ankündigende Magenschleimhautentzündung. Wie viele Hypochonder hielt auch er medizinische Instrumente für die Selbstdiagnose bereit. Noch im Pyjama auf der Bettkante sitzend, holte er aus dem Nachtschrank ein Set für den Helibacter-Pylori-Test. Mit einer Stechhilfe produzierte er aus der Kuppe seines Mittelfingers einen Blutstropfen und ließ ihn auf das Testfeld der Prüfkassette fallen. Nachdem er das Eigenblut mit einer Prüfflüssigkeit kontaminiert hatte, musste er bange zehn Minuten warten, ob sich auf der Glasplatte zwei lilafarbene Streifen zeigen würden. Gottlob blieb die Verfärbung aus. Keine Gastritis.

Soweit es seine Körperfülle zuließ, betrat er eine Dreiviertelstunde später federnd und tatendurstig seine Büroräume. Die waren Teil seiner riesigen Wohnung von fast 380 Quadratmetern. Noch bevor er seinen Schreibtisch erreichte, vor dem ein Drehsessel mit extra breiter Sitzfläche aus einer Spezialanfertigung stand, fing ihn seine Sekretärin Frau Sybille Zwinger ab. Es habe sich ein Herr Brandeisen gemeldet, der möglicherweise einen Auftrag für die Detektei habe und dringend um Rückruf bäte.

>>Das kann warten<<, entschied Wolfson. >>Wer was will, meldet sich wieder – oder lässt es bleiben.<< Wolfson genoss es, nicht nötig zu haben, Kunden nachzulaufen und um Aufträge zu betteln. Er hatte sich den Ruf eines ausgefuchsten Schnüfflers erworben, als es ihm vor zwei Jahren gelungen war, einen Coup zu landen, um den ihn seine Kollegen aus der Schlapphutbrache bewunderten und beneideten. Was Polizei, Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft nicht geschafft hatten, schien dem Büro Wolfson keine Schwierigkeiten bereitet zu haben, nämlich den Beweis zu führen, dass ein angesehener Konzern mit Wissen von Vorstand und Aufsichtsrat durch verschleiernde Auslandsgeschäfte etliche Millionen Euro am Finanzamt vorbei verdient hatte. Der Prozess vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts, in dem Wolfson als Zeuge auftrat, machte das >Büro für private Ermittlungen L. Wolfson< weithin bekannt und verschaffte dem >dicken Detektiv< das Renommee eines Star- Ermittlers.

Eine Stunde später rief der Mensch Brandeisen wieder an. Wolfson hörte seine Sekretärin sprechen: >>Ja, einen Moment bitte, ich werde Sie jetzt mit Herrn Wolfson verbinden.<< Sie sagte das in einem Tonfall, der keinen Zweifel ließ, dass es als besonderes Privileg zu gelten habe, den berühmten Detektiv sprechen zu dürfen. Wolfson wurde wieder einmal bewusst, welch eine qualifizierte Kraft Frau Zwinger war. Sollte sie ihn um eine Gehaltserhöhung angehen, würde er kaum Argumente finden, ihr die Bitte abzuschlagen.

Nachdem Frau Zwinger ihm das Büro- Handy gereicht hatte, wartete er noch eine halbe Minute bis er sich meldete: >>Wolfson, ready to speak, worum geht´s?<<

Es stellte sich heraus, dass am anderen Ende Richard Brandeisen redete, der Bruder der ermordeten Elisabeth Brandeisen- Hernadez. Er wolle das Büro Wolfson beauftragen, denjenigen dingfest zu machen, der den Mörder angestiftet habe, das grauenhafte Verbrechen an seiner Schwester zu begehen. Es handele sich dabei zweifelsfrei um seinen Schwager Jerome Manuel Hernadez, der es in der Ehe mit Schwester Elisabeth nur ausgehalten habe, um schließlich an ihr Geld zu kommen.

>>Damit sind Sie aber bei mir falsch gelandet<<, knurrte Wolfson. >>Die Ermittlungen in dieser Sache führt Hauptkommissar Achtsam von der Mordkommission. Meine Sekretärin kann Ihnen gern dessen Durchwahlnummer zukommen lassen.<<

>>Ach was<<, sagte Brandeisen, >>die Polizei ist unfähig, überfordert und desinteressiert. Bei meiner Vernehmung habe ich denen nichts von meinem Hintergrundwissen erzählt. Die Folge wäre nur gewesen, dass unsere Familiengeschichten in der Öffentlichkeit breitgetreten worden wären. Nein, zur Polizei habe ich kein Vertrauen.<<

>>Tja, das tut mir dann aber leid, dabei kann ich Ihnen nicht helfen<<, bellte Wolfson schroffer als er eigentlich wollte. Das lag daran, dass er in diesem Augenblick einen stechenden Schmerz an seiner Bandscheibe spürte, die ihm schon seit längerem zu schaffen machte. Durch eine andere Sitzposition auf seinem Spezialsessel suchte er Linderung zu erreichen.

>>Hören Sie mal<<, muckte Brandeisen auf, >>ich bin bereit, Sie gut zu bezahlen, ich lasse mich von Ihnen nicht so einfach abwimmeln.<<

>>Jetzt hören Sie mir mal zu<<, nahm Wolfson den aggressiven Ton auf, >>wir haben in letzter Zeit keine Privatfälle bearbeitet, weil Industriekunden uns mit Anfragen zuschütten. Und Sie, Herr Brandeisen, würden uns nicht mit dieser Privatsache kommen, wenn Sie unsere Preise kennten, und wenn Sie wüssten, welche Bedingungen wir außerdem stellen – wenn für uns ein Auftrag überhaupt infrage kommt.<<

Nach dieser Belehrung legte Brandeisen den Hörer grußlos auf.

>>Knallkopp<<, kommentierte Wolfson das Gespräch und vergaß die Angelegenheit.

Zwei Tage später erschien Brandeisen unangemeldet persönlich im Büro Wolfson, stürmte an Frau Zwinger vorbei direkt vor den Chefschreibtisch: >>Lassen Sie uns noch einmal vernünftig miteinander reden<<, schlug er vor. >>Sie haben keinen armen Schlucker vor sich. Nennen Sie mir Ihre Bedingungen.<<

Aus Wolfsons breiter Brust löste sich ein gequälter Seufzer. >>Also schön, nehmen Sie Platz, und machen wir´s kurz: Sie zahlen mir 500 Euro die Stunde. Wir rechnen den Arbeitstag zu zehn Stunden. Das wären nach zehn Tagen 50 000. Sollte danach der Fall nicht gelöst sein, und wollen Sie, dass wir trotzdem dranbleiben, ermäßigt sich der Stundensatz für die weitere Arbeit auf 350 Euro. Wenn wir aber die Sache nach zehn Tagen erfolglos abbrechen, vergüten wir Ihnen von den vorausgezahlten 50 Mille 10 000 Euro zurück.<<

Brandeisen verschlug es für eine Minute die Sprache. >>Ein solcher Stundenlohn ist mir noch nicht untergekommen.<<

>>Niemand zwingt Sie.<<

>>Sie schlagen mir allen Ernstes vor: Friss Vogel oder stirb?<<

>>So ist es.<<

>>Gut, ich überlege es mir. Ich gebe Ihnen innerhalb 24 Stunden Bescheid, ob ich mich darauf einlassen will.<<

>>Tun Sie das. Auf Wiedersehen.<<

Wolfson ging davon aus, dass sich der Fall nun erledigt habe. Doch er täuschte sich. Am nächsten Tag bekam er von Brandeisen grünes Licht. Und auch die Zusatzbedingung, dass er sich als Kunde nicht mit gut gemeinten Ratschlägen in die Ermittlungsarbeit einschalten dürfe, werde er akzeptieren.

>>Wann werden Sie anfangen?<<

>>Frühestens nächste Woche; denn, anders als manche Damen, sind wir nicht jederzeit bereit und können nicht alles hinwerfen, nur weil Sie uns plötzlich ins Haus schneien.<<

>>Meinetwegen, ich hoffe aber, dass Sie vorher Zeit finden, sich meine Geschichte und die Eskapaden meines Schwagers anzuhören, damit Sie einen Ansatzpunkt für Ihre Arbeit bekommen.<<

>>Nein, Ihre Geschichten werde ich mir nicht anhören. Das würde uns auf Nebenkriegsschauplätze führen. Mir ist es Wurst, was Sie über Ihren Schwager denken. Kann gut sein, dass er ein Fiesling ist – unterstellen wir das mal. Damit ist er aber noch nicht qualifiziert, einen Mord zu begehen oder einen solchen anzustiften. Sie müssen akzeptieren, dass wir eine andere Herangehensweise bevorzugen, die letztlich auch Ihren finanziellen Beitrag in Grenzen hält. Ist das verstanden?<<

Brandeisen verzichtete auf eine Erwiderung und beendete kopfschüttelnd das Gespräch.