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Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte E-Book

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Beschreibung

Dieser Band zur französischen Sprachgeschichte vereint die verschiedensten Schwerpunkte zu diesem Thema und liefert neben einigen grundlegenden und gängigen Aspekten vor allem spezifische und ungewöhnliche Einzelperspektiven, eben Seitenblicke, auf die Geschichte der französischen Sprache. Dazu gehört auch der Blick über die Grenzen Frankreichs, genauso wie der Blick über die Grenzen der Disziplin hinaus, so dass auch Beiträge zum Okzitanischen und zu den französischen Kreolsprachen Eingang gefunden haben. Der zeitliche Rahmen reicht dabei vom hohen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, die behandelten Regionen außerhalb Frankreichs vom benachbarten Deutschland und der Schweiz über England bis nach Nordamerika und Afrika.

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Seitenzahl: 1009

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte

Akten der Tagung Französische Sprachgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München (13.-16. Oktober 2016) Sektionen: Interne Sprachgeschichte, Sprachwissenschaftsgeschichte, Kreolsprachen, Okzitanisch, Semicolti / Peu-lettrés, Französisch außerhalb Frankreichs – Sprachkontakt

Barbara Schäfer-Prieß / Roger Schöntag

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

 

 

© 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.francke.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

 

ePub-ISBN 978-3-8233-0101-1

Inhalt

VorwortRoger Schöntag/Barbara Schäfer-Prieß: Einleitung. Seitenblicke auf die französische SprachgeschichteRoger Schöntag: Aktueller Forschungsstand zur französischen Sprachgeschichte: Ein selektiver ÜberblickInterne SprachgeschichteThomas Krefeld: Tacitus, der linke Niederrhein und die Etymologie von fra. bourg, ita. borgo usw.Benjamin Meisnitzer / Bénédict Wocker: Grammatikalisierung in der neueren französischen Sprachgeschichte: die Entstehung von ModalpartikelnBarbara Wehr: Zur Syntax des Subjektpronomens im ältesten Französisch (9.–12. Jh.)Hildegard Klöden: Farbbezeichnungen im NeufranzösischenSprachwissenschaftsgeschichteRoger Schöntag: Die Sprachauffassung von Julien Offray de La Mettrie in seinem Traktat L’homme machine (1748)Corina Petersilka: Die Grammaire française von Jean Jacques Meynier aus Erlangen. Eine hugenottische Französischgrammatik des 18. JahrhundertsGabriele Beck-Busse: Enseigner le français aux non-grammatisés: Christian Gottfried Hase et la Grammaire des Dames dans les pays de langue allemandeKreolsprachenSilke Jansen: L’Histoire naturelle des Indes (« Drake manuscript », ca. 1600) à la croisée des langues de l’Amérique colonialeOkzitanischKathrin Kraller: An der Schwelle zur Volkssprache. Eine kommunikationsgeschichtliche Untersuchung überwiegend lateinischer Notarurkunden aus SüdfrankreichSemicolti/Peu-lettrésStephanie Massicot: Nähesprachliche Elemente in Texten von semicolti? Untersuchung eines französischen Briefkorpus des 19. JahrhundertsHarald Thun: Substandard und Regionalsprachen. Das Corpus Historique du Substandard Français, die écriture populaire und die écriture alternative (1789–1918)Joachim Steffen: Antistandard als politisches Manifest. Umgangssprache, Argot und Normabweichung in Briefen der Pariser Anarchisten von 1892Französisch außerhalb Frankreichs – SprachkontaktGerda Haßler: Lokale, personale und temporale Deiktika in französischen privaten Briefen in Nordamerika (18./19. Jahrhundert)Jürgen Lang: Die französischen Lehnwörter im WolofPhilipp Burdy: Zum Französischen in Genf im Zeitalter der ReformationJessica Stefanie Barzen: Die Rolls of Parliament: eine Untersuchung zur Franzisierung anglonormannischer Skripta anhand von Parlamentstexten aus der Zeit Eduard II. (1307–1327)Nelson Puccio: La France hors de France – eine Typologie der französisch induzierten Toponymie in DeutschlandBarbara Schäfer-Prieß: Wälschen ist Fälschen. Sprachpurismus und Nationalismus bei Friedrich Ludwig JahnFrank Paulikat: Romanisches in der Carmina Burana. Untersuchungen zu CB 118Matthias Schöffel: Französische Bittschriften von Untertanen an Therese Kunigunde aus Bayern. Vorstellung des Korpus und exemplarische AnalyseMatthias Waldinger: Gallizismen im Bairischen. Gibt es spezifisch bairische Gallizismen?Aurelia Merlan: Frankophilie und Frankomanie in den rumänischen Fürstentümern im 19. Jh. und deren Repräsentation in KomödienInmaculada García Jiménez: Sobre galicismos y “zarramplines” en el Diccionario (1855) de Rafael María Baralt

Vorwort

Der vorliegende Sammelband vereinigt ausgewählte Beiträge, die aus der Tagung Französische Sprachgeschichte hervorgegangen sind, die vom 13.–15. Oktober 2016 an der LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT in München stattgefunden hat. Es sei an dieser Stelle nochmals allen Vortragenden und Gästen für ihr reges Interesse an der Veranstaltung gedankt, für die angenehme Atmosphäre und die konstruktiven Diskussionen zu den vielfältigen Themenbereichen. Des Weiteren gilt Dank der LMU und insbesondere dem INSTITUT FÜR ROMANISCHE PHILOLOGIE für die Unterstützung bei der Planung und Organisation sowie bei der Bereitstellung der Räumlichkeiten und technischen Ausstattung. Für den reibungslosen Ablauf sei auch den zahlreichen Hilfskräften gedankt, die uns tatkräftig zur Seite standen, sowie Marie Wieselsberger für ihre akribische redaktionelle Arbeit bei der Korrektur der Manuskripte und Claire Chesnais für die Durchsicht der französischen Resümees. Schließlich sei für die finanzielle Unterstützung dem INSTITUT FRANÇAIS, der UNIVERSITÄTSGESELLSCHAFT der LMU sowie Andreas Dufter (Lehrstuhl Sprachwissenschaft, Romanistik) an dieser Stelle ebenfalls Dank ausgesprochen.

 

 

München im Dezember 2017

Barbara Schäfer-Prieß (LMU München)

& Roger Schöntag (FAU Erlangen)

Einleitung

Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte

Roger Schöntag/Barbara Schäfer-Prieß

Der vorliegende Sammelband zur französischen Sprachgeschichte reiht sich insofern in die bisherige Forschung ein, als er, basierend auf einer Tagung mit zahlreichen Beitragenden und weiteren Gästen, wichtige Themen der historischen Betrachtung der französischen Sprache vereint. Der Titel Seitenblicke ist dabei programmatisch zu verstehen: Zum einen wurde im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen bewusst auf eine thematische und chronologische Einengung bzw. die Reduzierung auf einen Aspekt der Sprachgeschichte verzichtet, um eine möglichst breite Streuung der bearbeiteten Felder zu erzielen und damit zumindest einen Einblick in die Bandbreite aktueller wissenschaftlicher Tätigkeit auf diesem Gebiet zu geben. Zum anderen sollten hier spezifische Einzelperspektiven zusammengeführt werden, die womöglich ansonsten keine Repräsentation auf den gängigen einschlägigen Tagungen gefunden hätten und verstreut publiziert worden wären. Die Seitenblicke beanspruchen daher, unprätentiös aber dennoch im Sinne der Beiträger selbstbewusst, die mögliche Vielfalt und Breite der sprachgeschichtlichen Forschung zum Französischen darzustellen.

Entsprechend den einzelnen Sektionen der Tagung sind auch die folgenden Beiträge verschiedenen thematischen Sektionen zugeordnet, wobei die Themenblöcke eher als ineinandergreifend als streng voneinander abgrenzend zu verstehen sind: I: Interne Sprachgeschichte, II: Sprachwissenschaftsgeschichte, III: Kreolsprachen, IV: Okzitanisch, V: Semicolti/Peu-lettrés, VI: Französisch außerhalb Frankreichs – Sprachkontakt.

Die erste Sektion Interne Sprachgeschichte beginnt mit einem Beitrag von Thomas Krefeld, der sich mit einem etymologischen und gleichzeitig toponomastischen Problem beschäftigt, nämlich der Frage der Herkunft von frz. bourg (it. borgo etc.), für die er mit Hilfe einer präzisen Lektüre des Tacitus, des Abgleichs verschiedener Sprachkontaktszenarien sowie aktueller archäologischer Erkenntnisse neue Lösungsansätze konzipiert.

Der Artikel von Benjamin Meisnitzer und Bénédict Wocker widmet sich der Entstehungsgeschichte französischer Modalpartikeln, einer Wortart, die in den romanischen Sprachen verglichen mit dem Deutschen weniger ausgeprägt ist, dennoch kaum negiert werden kann. Der Beitrag zeichnet den Grammatikalisierungsprozess von quand même, bien und donc im 19. und 20. Jh. anhand einschlägiger Textbelege nach.

In der folgenden Untersuchung von Barbara Wehr zur Syntax des Subjektpronomens in den frühen altfranzösischen Texten (9.–12. Jh.) wird die These vertreten und durch eine Analyse der ältesten Texte belegt, dass entgegen verbreiteter Ansicht im Altfranzösischen seit Beginn der Überlieferung die Setzung des Subjektpronomens der Normalfall war und dass die Nichtsetzung festen Regeln folgte, die auffällige Parallelen in den mittelalterlichen germanischen Sprachen finden, weshalb ein Adstrateinfluss für plausibel erachtet wird.

Hildegard Klöden zeigt einige Entwicklungen moderner Farbbezeichnungen in den Bereichen rose, violet und orange auf und setzt diese mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen in Bezug. Dabei rekurriert sie auf die im Rahmen der Basic Color Theory entworfenen Stadien der Entwicklungen der Farbbezeichnungen und beleuchtet auch die Wortgeschichte einzelner Termini und den sich wandelnden Gebrauchskontext.

Die folgende Sektion Sprachwissenschaftsgeschichte beginnt mit einem Beitrag von Roger Schöntag zur Sprachphilosophie von La Mettrie, der als radikaler Aufklärer am Hofe Friedrichs II. von Preußen Zuflucht fand. In seinem Traktat Lʼhomme machine (1748) räsoniert er über einige der gängigen Themengebiete der zeitgenössischen Sprachbetrachtung wie die Frage nach dem Sprachursprung oder dem Verhältnis von tierischer und menschlicher Kommunikation. Vor dem Hintergrund seiner konsequent materialistischen und atheistischen Weltanschauung bekommen seine diesbezüglichen Ausführungen eine besondere Brisanz.

Corina Petersilka widmet sich in ihrer Forschung den aus Frankreich geflohenen Hugenotten, die in Erlangen angesiedelt wurden und der dortigen Neugründung zu Wohlstand verhalfen. Die in diesem Kontext entstandene Grammaire française (1767) von Jacques Meynier, dem ersten Französischlektor der noch jungen Universität, ist nicht nur ein Zeugnis der bilingualen Sprachsituation, sondern vor allem ein bisher noch nicht untersuchtes Werk, welches zeitgenössische Lehrmethoden mit wissenschaftlicher Erkenntnis verbindet. Meynier war nicht nur ein äußerst produktiver Verfasser von verschiedensten Lehrwerken, sondern gab auch eine kommentierte Fassung der Grammatik von Port-Royal heraus.

In ihrem Artikel zur Grammaire des Dames von Christian Gottfried Hase erläutert Gabriele Beck-Busse das Konzept einer im deutschsprachigen Raumverbreiteten französischen Grammatik für „Ungelehrte und Frauenzimmer“, wie es Hase selbst formuliert. Anhand der im Original als Philosophische Anweisung zur französischen, italiänischen und englischen Sprache (1750) titulierten Grammatik zeigt Beck-Busse schlüssig die zeitgenössisch übliche Gleichsetzung von non-grammatisés/Dames in Opposition zu grammatisés/lettrés auf, wobei erstere Kategorie oft noch durch die Attribuierung von non-latinisants ergänzt wurde. Mit Hase liegt der für die Forschung besondere Glücksfall einer „doppelten“ Grammatik vor, insofern als in dieser zwei manuels enthalten sind, wobei eine Lehranweisung sich explizit an Gelehrte richtet und die andere an Ungelehrte und Frauen, was eine entsprechend andere Methodik und Versprachlichung zur Folge hat.

Im Rahmen der folgenden Sektion Kreolsprachen referiert Silke Jansen über ihre erstmalige Auswertung des sogenannten Drake manuscript für die sprachwissenschaftliche Forschung. Die in dieser Handschrift enthaltene Histoire naturelle des Indes von ca. 1600 ist eine Darstellung eines anonymen Autors der Fauna und Flora des neuen Kontinents sowie der Lebensumstände der indigenen Bevölkerung und der dorthin transportierten afrikanischen Sklaven in den spanischen Kolonien. Die lexikalische Analyse des dort vorzufindenen Spezialvokabulars zeitigt eine Mischung aus französischen (auch dialektalen) und spanischen Lexemen sowie solchen aus verschiedenen lokalen amerikanischen Sprachen. Dies dokumentiert einerseits die sprachliche Situation französischer Reisender jener Zeit, in der das Spanische die lingua franca dieses kolonialen Kontextes war, andererseits wird hier bereits eine erster Eindruck einer später sich herausbildenden langage des îles und schließlich eines französischbasierten Kreols geliefert.

In der Sektion Okzitanisch, die wie die vorherige Sektion bewusst in die Französische Sprachgeschichte inkorporiert wurde, um auch den „Grenzbereichen“ ein breiteres Forum zu bieten, berichtet Katrin Kraller über die Sprachverwendung in südfranzösischen Urkunden. In ihrer Analyse dreier Notariatsurkunden aus dem 12. Jh. zeigt sie auf, dass der Ablöseprozess des Lateinischen als Sprache schriftsprachlicher Distanz in diesem Bereich durch die romanischen Sprachen bzw. hier konkret zunächst das Okzitanische keineswegs linear verlief, sondern kommunikativ-pragmatischen Kriterien unterworfen war. Ein wichtiger Aspekt war dabei der der kommunikativen Reichweite, also der Verständlichkeit auch für illiterate Volksschichten. Demgegenüber stand das Bedürfnis nach Fachtermini, um die spezifischen juristischen Belange ausdrücken zu können, aber auch um an Rechtstraditionen anzuknüpfen. Die Wahl der Varietät (latin, latin farci, occitan), aber auch der jeweiligen konkreten Art der Versprachlichung (okz. vs. lat. Fachwortschatz) wurde maßgeblich durch die Kommunikationssituation determiniert.

Die anschließende Sektion wurde durch das Begriffspaar semicolti/peu-lettrés charakterisiert, in dem bereits ein Teil der in den folgenden Beiträgen anklingenden Problematik einer adäquaten Beschreibung von Schriftzeugnissen wenig geübter Schreiber, die in der Regel als Substandardsprecher zu identifizieren sind, angedeutet wird.

Stephanie Massicot wirft in einer Untersuchung zum Französischen des 19. Jhs. die Frage nach der oft postulierten konzeptionellen Nähesprachlichkeit in semicolti-Schriftzeugnissen auf. In ihrer Analyse von Bittbriefen von bagnards bzw. deren Angehörigen aus den Archives nationales d’outre-mer (ANOM) in Aix-en-Provence zeigt sie im Rahmen eines kommunikativ-pragmatischen Ansatzes, dass zwar durchaus nähesprachliche Elemente auftreten, diese aber weitaus differenzierter eingeordnet werden müssen und eine reine defizitorientierte Perspektive auf einzelne sprachliche Charakteristika zu kurz greift und ein Blickwinkel, der die gesamte Textgestaltung sowie den beabsichtigten Kommunikationsakt berücksichtigt, bestimmte Strategien und Verfahren der Schreiber ans Licht bringt.

Im daran anschließenden Beitrag stellt Harald Thun eine erste größere Analyse aus seinem Projekt des Corpus Historique du Substandard Français (CHSF) vor, welches 65.000 Textdokumente aus verschiedenen Archiven Frankreichs aus der Zeit von 1789 bis 1918 umfasst. Die meist (aber nicht immer) von Substandardsprechern stammenden, von ihm als „deviante“ Texte bezeichneten Schriftzeugnisse decken ein breites Spektrum sprachlicher Variation ab, das nicht nur das Französische und seine regionalen Ausprägungen umfasst, sondern auch die Regionalsprachen mit einschließt. Thun bezeichnet diese in zahlreichen Dokumenten, die den unterschiedlichsten Textsorten (Privatbrief, Bittschreiben, Beschwerde, Soldatenbrief etc.) zuzuordnen sind, sich widerspiegelnde Art des Schreibens als écriture populaire bzw. in Bezug auf die langues régionales als écriture alternative und postuliert damit eine bisher vernachlässigte Varietät einer „zweiten“ französischen Schriftsprache.

In seiner Untersuchung zur Sprache der Anarchisten in Frankreich rekurriert Joachim Steffen ebenfalls auf das Kieler Korpus zum Substandard (CHSF) und arbeitet die sprachlichen Merkmale und Kommunikationsabsichten der anarchistischen Droh- und Beleidigungsbriefe heraus, in denen ganz bewusst mit Normabweichungen vom bon usage gespielt wird. Der Verstoß gegen die Regeln in äußerer Textgestaltung, Orthographie, Textgliederung und diskurstraditioneller Versprachlichung sowie die Verwendung von gruppenspezifischem Vokabular (argot) geht dabei immer nur so weit, dass die Botschaft (d.h. die Drohung) noch verstanden wird, d.h. die Kommunikation nicht abbricht. Dieser Anti-Standard ist dabei Teil der politischen Haltung, deren sprachlicher Reflex nur vor dem Hintergrund einer ausgeprägten Norm funktionieren kann.

Die letzte Sektion beinhaltet die Themengebiete Französisch außerhalb Frankreichs und damit einhergehende Sprachkontakte. Der erste Beitrag in diesem Bereich ist eine Untersuchung von Gerda Haßler zu lokalen, personalen und temporalen Deiktika in Privatbriefen aus dem kolonialen Nordamerika des 18. und 19. Jahrhunderts. Die festgestellte hohe Dichte derartiger deiktischer Elemente ist dabei auf die Relevanz der Origo-Verortung des Schreibers in seiner Korrespondenz mit einem Leser in einem anderen Lebenskontext (Frankreich) zurückzuführen. Auch die Beschreibung der „neuen“ Lebensumstände als thematischer Schwerpunkt in den Briefen sowie emotionale Bindungen erklären wohl eine Häufung der deiktischen Ausdrucksmittel.

Im folgenden Artikel widmet sich Jürgen Lang einer afrikanischen Sprachkontaktsituation. Die hauptsächlich im Senegal sowie auch in Gambia und Mauretanien gesprochene Sprache Wolof, eine westatlantische Sprache, hat im Laufe der kolonialen und postkolonialen Sprachkontaktsituation mit dem Französischen eine nicht unerhebliche Anzahl an Lehnwörtern übernommen, die hier nach verschiedenen Bereichen aufgeschlüsselt werden. Des Weiteren wird die Art der lautlichen und grammatischen Integration der Lehnwörter diskutiert, ist doch das Wolof als sogenannte Klassensprache einer anderen typologischen Gruppe zuzuordnen. Die Untersuchung auf Basis des Dictionnaire wolof-français zeigt auch, dass es nicht nur Entlehnungen gab, um Bezeichnungslücken zu schließen, sondern auch zahlreiche französische Wörter ins Wolof eingingen, die in Konkurrenz zu einheimischen Lexemen standen und diese gegenbenenfalls auch verdrängten.

Der Beitrag von Philipp Burdy beschäftigt sich mit dem Französischen zur Zeit der Reformation (16. Jh.) im ursprünglich frankoprovenzalischen Sprachraum. Die Analyse der Registres du Consistoire de Genève, in der die Arbeit des von Calvin gegründeten Konsistoriums zur sittlichen und religiösen Überwachung der Genfer Bürger dokumentiert ist, zeigt zum einen, dass erst mit der Reformation das Französische in größerem Umfang als Schriftsprache in der Westschweiz Verwendung findet und die frankoprovenzalische Scripta ablöst und zum anderen, dass die Grundlage der heutigen regionalfranzösischen Varietät der Suisse romande auf dem regionalen français écrit dieser Epoche beruht. Die in den registres vorgefundenen sprachlichen Spezifika, die auf einzelne frankoprovenzalischer Subvarietäten bzw. der mittelalterlichen Scripta zurückgehen, werden sorgsam aufgelistet.

Jessica Barzen setzt sich in ihrem Artikel zum Anglonormannischen mit dem Einfluss des kontinentalen Französischen auf diese in England entstandene Varietät des Altfranzösischen auseinander. Anhand von drei bekannten phonographischen Besonderheiten der anglonormannischen Scripta diskutiert sie den Prozess der Franzisierung, der sich in den Rolls of Parliament zu Beginn des 14. Jahrhunderts widerspiegelt. Diese Veränderungen im Anglonormannischen können dabei auch Anhaltspunkte für eine Periodisierung dieser Varietät geben, die vom 11. bis zum 14. Jh. die Sprache der englischen Oberschicht und neben dem Lateinischen die Sprache der Verwaltung und Justiz war.

In seinem Beitrag zu französisch inspirierten Ortsnamen in Deutschland eröffnet Nelson Puccio ein besonderes Panorama des Sprach- und Kulturkontaktes zwischen beiden Nachbarländern. Die erstmalige Systematisierung makro- und mikrotoponomastischer Gallizismen (u.a. Siedlungsnamen, Schlossnamen, Straßennamen, Hotelnamen, u.a.) nach Bildungsmuster und spezifischer Entlehnungssituation in direktem Sprachkontakt oder durch allgemeinen Kulturkontakt zeigt eine vielschichtige Durchdringung im Bereich der Namensgebung und die damit verbundenen Konnotationen auf.

Die im deutschsprachigen Raum früher omnipräsente französische Sprache und Kultur ist auch Thema des Beitrages von Barbara Schäfer-Prieß, die sich den sprachpuristischen Ausführungen des „Turnvaters Jahn“ widmet. In einer Analyse zum Verhältnis von Nationalismus und Sprachpurismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts werden beispielhaft die beiden Schriften Deutsches Volksthum (1810) und Merke zum deutschen Volksthum (1833) von Friedrich Ludwig Jahn untersucht, dessen als Sprachpatriotismus zu kategorisierende Einstellung auf einer Idealvorstellung der unvermischten Nationen und Völker und dementsprechend auch Sprachen beruht. Seine Abneigung richtet sich dabei nicht unbedingt rein gegen die im Deutschen jener Zeit reichlich vertretenen Gallizismen, sondern allgemein gegen Sprachmischung sowie elitäre Sprachverwendung. Ein Ausblick zeigt, wie sich der Sprachpurismus im Verlauf des 19. Jh. in verschiedenen Facetten noch steigert und dann im 20. Jh. nach einer Phase relativer Toleranz im Nationalsozialismus zunächst einen neuen Höhepunkt erreicht, dann aber zugunsten einer ideologischen Internationalisierung und einer Abwendung von dem alten Konzept der Einheit von Sprache und Nation wieder zurückgefahren wird.

Frank Paulikat unterzieht den Text der in der Abtei Benediktbeuern von Andreas Schmeller entdeckten 1803 und 1847 erstmals editierten, berühmten Dichtung der Carmina Burana einer eingehenden Analyse bezüglich der dort vorkommenden romanischen Elemente. Der Codex Buranus (CB), so wie er uns überliefert ist (Bayerische Staatsbibliothek, clm 4660), entstand wahrscheinlich in Südtirol um 1230 und weist nach heutiger Erkenntnis zwei Schreiber auf (h1, h2). Inhaltliche Anspielungen und sprachliche Eigenheiten weisen auf ein nicht erhaltenes französisches Original hin. Die Analyse der Passagen CB95, CB204, CB218 und vor allem CB118 zeigt, dass der Schreiber h2 wahrscheinlich aus dem norditalienischen Sprachraum stammte und bei der Abschrift derfranzösischen und okzitanischen Stellen der ursprünglichen Fassung seine Muttersprache mit einfließen ließ, was die italienischen Elemente erklärt.

Einen Beitrag zum Französischen am bayerischen Hof liefert Matthias Schöffel, der Bittschriften an die Gattin von Herzog Maximilian II. untersucht. Es sind Schreiben von Untertanen niedriger sozialer Schichten an Therese Kunigunde (1676–1730), in denen um eine Anstellung bei Hofe oder um finanzielle Unterstützung nachgesucht wurde. Die aus Polen stammende zweite Frau des bayerischen Kurfürsten sprach wie zu jener Zeit üblich Französisch und lernte das Deutsche nie wirklich, was die Untertanen wohl dazu nötigte, ihr Anliegen in der lingua franca des europäischen Adels vorzutragen. Die orthographische und syntaktische Analyse einiger dieser Bittbriefe zeitigt gängige semicolti-Phänomene, da die Verfasser das Französische wohl hauptsächlich mündlich erworben bzw. zumindest praktiziert hatten. Das Spektrum der unterschiedlich ausgeprägten Schreibkompetenz ist dabei erheblich und liefert ein lebendiges Bild von den Französischkenntnissen außerhalb Frankreichs jenseits der Oberschicht.

Dem Sprach- und Kulturkontakt zwischen Bayern und Frankreich widmet sich auch die Untersuchung von Matthias Waldinger, der einen Versuch unternimmt, die Gallizismen im Bairischen daraufhin zu prüfen, ob sie nur in dieser Varietät vorkommen oder auch in anderen Dialekten des Deutschen bzw. in der Hochsprache. Der größte Teil der im Bairischen vorhandenen Entlehnungen aus dem Französischen geht auf die sogenannte Alamode-Epoche zurück, als der Einfluss des Französischen am stärksten war. Sie „sickerten“ wohl meist als Lehnwörter über die deutsche Standardsprache, vor allem die Schriftsprache, im Sinne eines indirekten Kulturkontaktes ins Bairische, aber auch Entlehnungen über Nachbardialekte oder durch direkten Sprachkontakt von einzelnen Migranten bzw. Migrantengruppen (z.B. Savoyards) können prinzipiell nicht ausgeschlossen werden. Dementsprechend zeigt die Analyse, dass die allerwenigsten der bairischen Gallizismen letztlich plausibel als „spezifisch bairisch“ charakterisiert werden können; allerdings fehlt hierzu wie auch zu anderen deutschen Dialekten noch eine umfassende Dokumentation über Vorkommen und Entlehnungswege.

Um Gallizismen geht es auch im folgenden Beitrag von Aurelia Merlan, die den Einfluss des Französischen auf das Rumänische des 19. Jh. untersucht. Anhand der Komödien dreier Dichter, Costache Facca (ca. 1801–1845), Vasile Alecsandri (1821–1890) und Ion Luca Caragiale (1852–1912), verdeutlicht sie die unterschiedliche Intensität der rumänischen Frankophilie (bis hin zur Frankomanie), die bereits im 18. Jh. begann (Moldau, Walachei) und nicht unerhebliche Auswirkungen auf die rumänische Gesellschaft hatte. Man kann diesen französischen Kultureinfluss in drei Etappen unterteilen: 1780–1830, 1830–1863/66und nach 1863/66. Die dem Realismus zuzuordnenden Komödien eignen sich deshalb besonders gut als Untersuchungsgegenstand, weil sie als ein Spiegelbild der Art der Verbreitung der Gallizismen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten und Regionen fungieren. Die Studie liefert zudem ein wichtiges Inventar an literarisch belegten Lehnwörtern.

Im letzten Beitrag wird der Einfluss des Französischen in Bezug auf eine ganz andere Sprachkontaktsituation und deren lexikographischen Aufarbeitung beleuchtet. Inmaculada García Jiménez setzt sich mit der Kritik an dem Diccionario de galicismos (1855) des Venezolaners Rafael Maria Baralt auseinander, die vor allem seitens des venezolanischen Universalgelehrten und Grammatikers Andrés Bello und des französischen Philologen Henri Peseux-Richard laut wurde. Ein weiterer Aspekt des Beitrages gilt den von Baralt kritisierten traductores zarramplines, die für zahlreiche französische barbarismos in der spanischen Sprache verantwortlich seien. Wer sich hinter den von Baralt nicht genannten „unfähigen“ Übersetzern verbirgt, war bisher nicht bekannt, doch vorliegende Untersuchung zeigt, dass zumindest zwei von ihnen mit einer gewisser Plausibilität ausgemacht werden können, nämlich Antonio de Capmany und José de Covarrubias.

Ergänzend zu den hier von den Herausgebern gelieferten Kurzvorstellungen der einzelnen Beiträge des Sammelbandes sei auch auf die von den jeweiligen Autoren selbst verfassten abstracts auf Französisch verwiesen, die den auf Deutsch verfassten Artikeln vorangestellt sind.

Aktueller Forschungsstand zur französischen Sprachgeschichte: Ein selektiver Überblick

Roger Schöntag

Eine Übersicht über alle Facetten der französischen Sprachgeschichte, die in der Forschung bisher oder in den letzten Jahren behandelt wurden, zu liefern – und die zudem den Anspruch auch nur einer gewissen Vollständigkeit reklamieren würde – wäre ein Unterfangen, das an dieser Stelle nicht geleistet werden kann und auch nicht soll. Dennoch erscheint es sinnvoll, einleitend zu vorliegendem Sammelband zumindest eine Auswahl rezenter Publikationen und Forschungsprojekte vorzustellen (ab den 2000er Jahren), um einerseits einen Einstieg in die einzelnen Aspekte aktueller wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Sujet zu ermöglichen und andererseits, um die vorliegende Publikation in der derzeitigen Forschungslandschaft zu verorten.1

Zunächst seien einige Tagungen (colloques) bzw. Veranstaltungsreihen vorgestellt, die sich mit historischen Aspekten des Französischen befassen. Eine der jüngsten Kongressreihen wird von der Société Internationale de Diachronie du Français (SIDF) organisiert, die nach eigenem Bekunden ein colloque biennal zur histoire du français veranstaltet. Bisher stattgefunden haben die Tagungen in Nancy (I: 2011), in Cambridge (II: 2014) und Paris (III: 2016); die nächste wird in Neuchâtel (IV: 2018) anberaumt. Als Publikation mit entsprechendem thematischem Schwerpunkt ist aus dieser Vortragsreihe allein Ayres-Bennett/Rainsford (2014) hervorgegangen. Eine ebenfalls erst kürzlich ins Leben gerufen Tagungsreihe ist die von Maria Iliescu begründete des Repenser l’histoire du français, die in loser Folge bisher viermal abgehalten wurde, und zwar in Innsbruck (I: 2007), Chambéry (II: 2011), Neuchâtel (III: 2014) sowie in München (IV: 2016) und als nächstes in Erlangen stattfinden wird (V: 2018). Die dazu erschienenen Sammelbände vereinigen Beiträge mit den jeweils angesetzten Schwerpunkten: Lagorgette (2014), Kristol (2017) und demnächst Dufter/Grübl/Scharinger (im Druck 2018). Eine weitere, schon etwas länger laufende Tagungsreihe, ist die vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) initiierte und als DIACHRO betitelte, die bisher bereits achtmal abgehalten wurde (I: Paris 2002 [unpubliziert], II: Paris 2004, III: Paris 2006, IV: Madrid 2008, V: Lyon 2010, VI: Leuven 2012, VII: Paris 2015, VIII: Strasbourg 2017), als prinzipielles Untersuchungsziel die phénomènes de changement en français ausgibt und einige Publikationen zeitigte: Combettes/Marchello-Nizia (2007), Fagard/Prévost/Combettes/Bertrand (2008), Combettes/Guillot/Oppermann-Marsaux/Prévost/Rodríguez Somolinos (2010), Guillot-Barbance/Combettes/Lavrentiev/Oppermann-Marsaux/Prévost (2012), Carlier/Goyens/Lamiroy (2015), Prévost/Fagard (2017). Eine letzte Tagungsreihe, die hier vorgestellt werden soll, sind die sich spezifisch nur dem Mittelfranzösischen widmenden Colloques internationales sur le moyen français, die über mehrere Jahrzehnte stattgefunden hatten (1974–2004), das letzte Mal (XII.) in Montréal. Es sei diesbezüglich nur auf die letzten Aktenbände verwiesen: Buridant (2000), Duval (2003), Vanderheyden/Mortelmans/De Mulder/Venckeler (2007), Di Stefano/Bidler (2007). Ihre Fortsetzung findet die Tagungsreihe in den colloques der Association Internationale des Études sur le Moyen Français (AIEMF), die bisher sechsmal abgehalten wurden (I: Montréal 2004, II: 2006 Poitiers, III: Gargano del Garda 2008, IV: Lovain-la-Neuve 2010, V: Helsinki 2014, VI: Turin 2016) und als nächstes in Paris (2018) stattfindet. Die daraus hervorgegangenen Actes sind folgende: Di Stefano/Bidler (2007) [gleichzeitig letzte Tagung der Vorgängerveranstaltung], Galderisi/Pignatelli (2007), Timelli/Ferrari/Schoysman (2010), Delsaux/Haug (2012). Selbstverständlich findet sich weitere aktuelle Forschung zur französischen Sprachgeschichte im Rahmen anderer, thematisch weitergefasster Tagungen, wie die von der Société de Linguistique Romane, dem Conseil International de la Langue Française (CILF), dem Romanistenverband oder dem Frankoromanistenverband veranstalteten Kongresse. Eine diachrone Sektion hat beispielsweise auch die alle zwei Jahre stattfindende DIA-Tagungsreihe (I–V, 2010–2018).

Es soll nun im Folgenden eine kleine Auswahl von Sammelbänden, Kongressakten und Monographien vorgestellt werden, die in den letzten Jahren erschienen sind und selektiv einige Themenfelder abdecken.

Spezifisch zum Altfranzösischen sei auf Wüest (2017) zur frühen Historiographie verwiesen, auf Varga (2017) zu Syntax und Diskurstradition, auf Gleßgen/Trotter (2016) zur lexikalischen Diversität, auf Floquet/Giannini (2015) zum anglo-français, auf die von Bellon (2015) herausgegebene Festschrift für Queffélec mit grammatischen Einzeluntersuchungen, auf Grübl (2014) zur Koineisierung und Standardisierung,2 auf Zimmermann (2014) zu denSubjektpronomen, auf Arteaga (2013) zur internen Sprachentwicklung, auf Burdy (2013) zur diachronen Wortbildung, auf Glikman (2011) zur syntaktischen Subordination, auf Rainsford (2011) zur Akzentstruktur, auf Kleinheinz/Busby (2010) zur Vielsprachigkeit im mittelalterlichen Kontext, auf Goldbach (2007) zur Pronominalisierung sowie auf Völker (2003) zu Skripta und Variation. Arbeiten zur Editionsphilologie und textliche Einzeluntersuchung zum Altfranzösischen liegen mit Zwink (2017), Gabel de Aguirre (2015), Videsott (2015), Ducos (2014), Gleßgen/Kihaï/Videsott (2011), Carles (2011), Schauwecker (2007), Overbeck (2003) und Holtus/Overbeck/Völker (2003) vor. Die Urkunden- und Literatursprache des Deutschen und Französischen im13./14. Jh. wird bei Gärtner/Holtus (2005) behandelt. Ein weiteres wichtiges Werk zum Altfranzösischen ist zweifellos die umfassende Grammatik von Buridant (2000).3

Zur Übersetzung im Alt- Mittel- und Renaissancefranzösischen liegt der Band von Galderisi/Vincensini (2015) vor, zur Editionsphilologie des Mittelfranzösischen der Aktenband von Van Hemelryck/Marzano (2010) und zu historischen Einzelaspekten u.a. des français ancien, des français moyen und des français classique die Festschrift für Bernard Combettes von Bertrand/Prévost/Charolles/François/Schnedecker (2008).

Soziolinguistische Arbeiten zu verschiedenen Epochen des Französischen wurden von Kremnitz (2013), Pooley/Lagorgette (2011), Lusignan (2004), Ayres-Bennett (2004) und Lodge (2004) vorgelegt, von Buridant (2006) mit zusätzlichem Bezug zum Okzitanischen und von Lusignan/Martineau/Morin/Cohen (2011) die Variation im amerikanischen Kontext mitberücksichtigend. Der Einfluss des Französischen auf andere Sprachen im Verlauf seiner Geschichte thematisiert beispielsweise die Monographie von Gadet/Ludwig (2015) sowie der Kongressband von Horiot (2008).

Einzelne Phänomene der französischen Sprachgeschichte, die ebenfalls verschiedene Epochen betreffen, wurden in folgenden Arbeiten behandelt: das françois italianizé in der Frühen Neuzeit von Scharinger (im Druck 2018), kommentierte Privattexte des 17. und 18. Jhs. von Ernst (im Druck 2018) und Ernst/Wolf (2005), die manuels épistolographiques von Große (2017), die Grammatikschreibung von Beck-Busse (2014), Französischunterricht im England des 15. Jh. von Nissile (2014), Französischlehrwerke in Deutschland des 19. Jh. von Willems (2013), Reflexivmarkierungen von Waltereit (2012), der „Antiakkusativ“ von Heidinger (2010), die Sprachpolitik in der Aufklärung von Große/Neis (2008), Grammatikalisierungsphänomene von Klump (2007), der Normierungsprozess bzw. seine Vertreter von Caron (2004), Texte und Institutionen von Haßler (2001).

In Bezug auf den Sonderbereich der französischbasierten Kreolsprachen sei nur auf Neumann-Holzschuh (2011), auf Hazaël-Massieux (2008) und das noch im Entstehen begriffene Handbuch von Stein/Mutz/ Krämer (2019 im Druck) verwiesen.

Ein gewisser Schwerpunkt der Betrachtungen zur französischen Sprache liegt bei aller Vielfalt wohl auf strukturellem Wandel und Grammatikalisierungsprozessen, wie sie auch zahlreiche Sammelbände zu den romanischen Sprachen im Allgemeinen widerspiegeln; beispielhaft sei diesbezüglich nur auf folgende hingewiesen: Ayres-Bennett/Carlier/Glikman/Rainsford/Siouffi/Skupien-Dekens (im Druck 2018), Dufter/Stark (2017), Detges/Waltereit (2008) und Stark/Schmidt-Riese/Stoll (2008).

Zweifellos werden innerhalb der Romanistik auch zahlreiche andere Themen abgehandelt. Auch diesbezüglich sei nur auszugsweise auf einige Sammelbände verwiesen, in denen auch Einzeluntersuchungen zum Französischen zu finden sind: zur Sprache in der Renaissance Herling/Hardy/Sälzer (2016), zu Entwicklungen im Wortschatz Hillen/Jansen/Klump (2013), zur Pragmatik Wehr/Nicolosi (2012) sowie Iliescu/Siller-Runggaldier/Danler (2010), zu Manuskripttraditionen Wilhelm (2012), zum mittelalterlichen Wissenstransfer Dörr/Wilhelm (2009), zur historischen Semantik Lebsanft/Gleßgen (2004), zum Sprachbewusstsein Haßler/Niederehe (2000).4

Die letzten Monographien zur gesamten französischen Sprachgeschichte oder einzelnen Epochen, die aktuell erschienen sind, stellen im Wesentlichen Neuauflagen älterer Editionen dar, wie beispielsweise Cerquiglini (2013), Klare (2011), Berschin/Felixberger/Goebl (2008), Zink (2007) oder Picoche/Marchello-Nizia (2001). Relativ neu hingegen ist die neu aufgelegte Zusammenschau von Huchon (2016) sowie die kurzen Übersichten zum Alt- und Mittelfranzösischen von Ducos/Soutet (2012) und Duval (2009). Die lautliche Entwicklung und die Morphologie des Altfranzösischen finden sich in den beiden Neuauflagen von Joly (2004, 2009); die zahlreichen reinen Lehrbücher zum Altfranzösischen seien hier nicht berücksichtigt. Maßgeblich sind entsprechend dem allgemeinen Trend in den historischen Wissenschaften größere Kompendien mit einer Sammlung von Einzeldarstellungen. Ein solches Werk wie es beispielsweise für das Spanische mit der Sprachgeschichte von Cano Aguilar (2005) oder für das Italienische mit der mehrbändigen Sprachgeschichte von Serianni/Trifone (1993–1994) erschien, liegt, wenn auch nicht so differenziert wie letzteres, für das Französische mit der Neuauflage von Chaurand (2012) vor. Die umfangreichste Darstellung der französischen Sprachgeschichte bleibt jedoch nach wie vor die von Brunot (1905–1938).5 Was die aktuelle Forschung anbelangt ist zudem vor allem auf die einzelnen einschlägigen Artikel der dreibändigen Romanischen Sprachgeschichte von Ernst/Gleßgen/Schmitt/Schweickard (2003–2008) aus der HSK-Reihe zu verweisen, auf die wenigen historisch ausgerichteten kurzen Beiträge aus dem Handbuch Französisch von Kolboom/Kotschi/Reichel (2008) sowie ganz aktuell auf die entsprechenden Einzeldarstellungen aus dem Manuel de linguistique française von Polzin-Haumann/Schweickard (2015). Ergänzend dazu können auch die entsprechenden historischen Artikel aus dem zu den Fach- und Gruppensprachen vorliegenden Manuel von Forner/Thörle (2016) herangezogen werden, aus dem zur Editionsphilologie von Trotter (2015) und aus dem zur francophonie von Reutner (2017), alle aus der neugegründeten MRL-Reihe.

Zuletzt sei noch auf einige Wörterbuchprojekte hingewiesen, die entweder kürzlich abgeschlossen wurden oder die sich noch in Arbeit befinden, sowie auf damit zusammenhängende und weitere Digitalisierungs- und Datenbankprojekte. Es stehen mit Greimas (2012) zum Altfranzösischen und Greimas/Keane (2007) zum Mittelfranzösischen zwei aktuelle je einbändige Wörterbücher zur Verfügung, die ergänzt werden durch die überarbeiteten etymologischen Wörterbücher von Picoche (2015) und von Dubois/Mitterand/ Dauzat (2011) sowie durch das mehrbändige zur Wortgeschichte von Rey (2016), dessen aktuellste und erweiterte Auflage gerade erschienen ist. Im Wörterbuch von Enckell (2017) wird die historische Schichtung des français non conventionnel dargestellt. Das über mehrere Jahrzehnte entstandene Französische Etymologische Wörterbuch (FEW) von Walther von Wartburg (1922–2002), welches 2002 einen vorläufigen Abschluss gefunden hatte, wird zur Zeit in Nancy (ATILF/CNRS/Université de Lorraine) weiterverfolgt und dort digitalisiert (bisher nur images) – weitere Faszikel sind zumindest in Planung. Noch im Entstehen begriffen ist das Dictionnaire étymologique de l’ancien français (DEAF), welches von Kurt Baldinger begründet wurde und nun von Frankwalt Möhren in Heidelberg weitergeführt wird, zudem gleichzeitig als DEAFél digitalisiert wird. Ebenfalls noch im statu nascendi sind die beiden Wörterbuchprojekte zum Okzitanischen, das DAO und das DAG, die in München respektive Heidelberg fortgeführt werden. An der Heidelberger Akademie der Wissenschaften ist unter der Leitung von Martin-Dietrich Gleßgen auch die Digitalisierung des gaskognischen Wörterbuchs realisiert worden (DAGél). Digitalisiert und mit einer Suchfunktion versehen wurde das nun schon betagte, aber nichtsdestoweniger immer noch dienliche Wörterbuch zum Altfranzösischen von Godefroy (1881–1902), das von Classiques Garnier in Paris gehosted wird, sowie das an der Universität in Stuttgart angesiedelte von Tobler/Lommatsch (1925–2002), beide nach wie vor unverzichtbare Referenzen. Zwar nicht grundsätzlich historisch ausgerichtet aber mit knapper und valider etymologischer Referenz versehen ist die Online-Version des TLF, die in Form des TLFi in Nancy (ATILF/CNRS/Université de Lorraine) verortet ist. Dort ist zudem das elektronische Wörterbuch DMF zum Mittelfranzösischen angesiedelt sowie das Dictionnaire Électronique de Chrétien de Troyes (DÉCT), welches sich aus den Dichtungen Érec, Cligès, Lancelot, Yvain und Perceval speist, sowie das gesamtromanische etymologische Wörterbuch DÉRom unter der Leitung von Wolfgang Schweickard (Saarbrücken) und Éva Buchi (CNRS/ATILF). Ein spezifisches Wörterbuch ist das Anglo-Norman-Dictionary (AND), das 2005 neu aufgelegt wurde und zusätzlich nun an den Universitäten von Aberystwyth und Swansea nach und nach digitalisiert wird (Anglo-Norman Online-Hub). Ebenfalls historisch spezifisch sind die in Bamberg angesiedelten etymologischen Wörterbuchprojekte zum französischen Kreol von Annegret Bollée (als Ergänzung des FEW gedacht), das DECOI (1993–2007) und das DECA (2017–2018). Nicht diatopisch, sondern fachsprachlich orientiert sind die Wörterbuchprojekte DFSM (Paris) zur mittelalterlichen Wissenschaftssprache des Französischen und DiTMAO (Göttingen) zum medizinisch-botanischen Fachwortschatz des Okzitanischen. Einem grammatischen Phänomen widmet sich das Grazer Projekt des Dictionnaire historique de l’adjectif-adverbe (DHAA).

Ein digital aufbereitetes Korpus zum Alt- und Mittelfranzösischen (9.–15. Jh.) steht mit der von Christiane Marchello-Nizia begründeten Base de Français Médiéval (BMF) zur Verfügung, die am ENS in Lyon gehosted wird. Das aktuell von Achim Stein und Pierre Kunstmann an der Universität Stuttgart betriebene Nouveau Corpus d’Amsterdam (NCA) stellt im XML-Format aufbereitete Texte des Altfranzösischen vom Anfang des 11. bis Ende des 14. Jh. zur Verfügung.6 Bei beiden Datenbanken bedarf es zur Nutzung einer Registrierung. Eine Recherche zur älteren Sprachstufe des Französischen bzw. seiner Entwicklung ist auch über die Datenbank von FRANTEXT (ATILF/ CNRS/Université de Lorraine) möglich, die prinzipiell Schriftzeugnisse vom 10.–21. Jh. enthält und verschiedene ergänzende Teildatenbanken umfasst (Frantext Moyen Français, Frantext AFNOR, Frantext CTLF). Während die allgemeine Version (Frantext intégral) 79 Texte zum Altfranzösischen und 279 zum Mittelfranzösischen enthält, beinhaltet die Spezialdatenbank des Frantext MF allein 219 Texte zum Mittelfranzösischen (1330–1550).

Noch im Entstehen ist das deutsch-französische Projekt einer Datenbank zu lateinischen und frühen französischen Texten (PaLaFra), geleitet u.a. von Maria Selig in Regensburg. An der LMU München wird von Thomas Krefeld und Stephan Lücke das alternative geolinguistische Projekt VerbaAlpina betrieben, welches jenseits von Nationalgrenzen operierend auch die Varietäten des französisch- und okzitanischsprachigen Alpenraumes abdeckt.

An elektronischen Editionen der ältesten französischen Texte arbeitet Martin Gleßgen in seinen Projekten an der Universität Zürich (z.B. DocLing, Gleßgen 2015), während Maria Lieber italienische und französische Manuskripte der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden (SLUB) zu erschließen sucht.

Korpora zur jüngeren Sprachgeschichte des Französischen wären beispielsweise das in vorliegendem Sammelband präsentierte Korpus CHSF zum Substandard zwischen 1789 und 1918 von Harald Thun (Kiel) oder das zur Grammaire Générale (CGEC) von Jürgen Trabant an der FU Berlin.

Eine ganze Reihe von Korpora mit sprachhistorischem Bezug werden bei Classiques Garnier gehosted, von denen beispielhaft nur auf das Corpus des remarques sur la langue française (XVIIe siècle) unter der Leitung von Wendy Ayres-Bennett, das Grand Corpus des grammaires françaises, des remarques et des traités sur la langue (XIVe-XVIIe siècles) von Bernard Colombat, Jean-Marie Fournier und Wendy Ayres-Bennett sowie das Corpus de la littérature médiévale des origines au 15e siècle von Claude Blum, Dominique Boutet, Elisabeth Gaucher und Elisabeth Lalou hingewiesen werden soll. Eine andere Übersicht zu Korpora-Projekten findet sich auch auf der Homepage der FU Berlin unter der Rubrik Französische Korpora und Textdatenbanken.

Als übergreifendes Forschungsprojekt zur Diachronie des Französischen sei auf das 2014 gegründete internationale Réseau Corpus Français Préclassique et Classique (RCFC) an der FU Berlin verwiesen, unter dessen Dach verschiedene Einzelprojekte und deren Korpora angesiedelt sind, die sich mit Variation, Sprachwandel und Grammatikalisierung beschäftigen. Des Weiteren sei auf das Laboratoire de Français Ancien (LFA) an der Universität Ottawa unter der Leitung von Pierre Kunstmann aufmerksam gemacht, welches mit dem ATILF und der Universität von Kopenhagen in Kooperation steht und sich der Digitalisierung mittelalterlicher Texte widmet sowie sprach- und literaturwissenschaftliche Studien fördert, die mit diesen Korpora arbeiten.

Abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, dass natürlich auch zahlreiche Artikel zur französischen Sprachgeschichte jenseits der hier erwähnten Sammelbände erschienen sind, sowohl in einschlägigen Fachzeitschriften als auch in Sammelbänden zu allgemein romanistischen Themen oder in Festschriften, die hier nicht alle berücksichtigt werden können. Deswegen der womöglich redundante, aber vielleicht dennoch hilfreiche Verweis – jenseits von bekannten Bibliographien – sowohl auf Kommunikationsorgane wie romanistik.de, die Homepages der jeweiligen Organisationen und Projekte (v. supra) sowie der einschlägigen Lehrstühle und ihrer Mitarbeiter.

Literatur