Sensibel - Svenja Flaßpöhler - E-Book + Hörbuch

Sensibel Hörbuch

Svenja Flaßpöhler

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Beschreibung

»Sensibilität ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Im Kampf um Anerkennung unterdrückter Gruppen spielt sie eine wichtige Rolle. Aber sie kann auch vom Progressiven ins Regressive kippen. Über diese Dialektik müssen wir nachdenken, um die gesellschaftliche Polarisierung zu überwinden.« Svenja Flaßpöhler Mehr denn je sind wir damit beschäftigt, das Limit des Zumutbaren neu zu justieren. Wo liegt die Grenze des Sagbaren? Ab wann ist eine Berührung eine Belästigung? Svenja Flaßpöhler tritt einen Schritt zurück und beleuchtet den Glutkern des Konflikts: die zunehmende Sensibilisierung des Selbst und der Gesellschaft. Menschheitsgeschichtlich steht die Sensibilisierung für Fortschritt: Menschen schützen sich wechselseitig in ihrer Verletzlichkeit, werden empfänglicher für eigene und fremde Gefühle, lernen, sich in fremde Schicksale hineinzuversetzen und mit anderen zu solidarisieren. Doch diese Entwicklung hat eine Kehrseite: Anstatt uns zu verbinden, zersplittert die Sensibilität die Gesellschaft. Erleben wir gerade den Kipppunkt fortschreitender Sensibilisierung? Svenja Flaßpöhler erzählt die Geschichte des sensiblen Selbst aus philosophischer Perspektive, beleuchtet die zentralen Streitfragen der Zeit und arbeitet den Grund für die prekäre Schieflage heraus: Weil die Widerstandskraft bis heute mit kalter Verpanzerung assoziiert wird, gilt sie als Feindin der Sensibilität. Aber stimmt das? »Sensibel« ist ein hochaktuelles, philosophisches und gleichzeitig unterhaltsames Buch, das die Sensibilität dialektisch durchleuchtet und zu dem Schluss kommt: Die Resilienz ist die Schwester der Sensibilität. Die Zukunft meistern können sie nur gemeinsam.  

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Zeit:5 Std. 57 min

Sprecher:Sonngard Dressler

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Cover for EPUB

Svenja Flaßpöhler

SENSIBEL

Über moderne Empfindlichkeit und die Grenze des Zumutbaren

Klett-Cotta

Impressum

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© Svenja Flaßpöhler 2021

Das Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Michael Gaeb.

© 2021, 2023 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg

unter Verwendung einer Abbildung von © Bridgeman Images, Mimosa

Gesetzt von C.H.Beck.Media.Solutions, Nördlingen

Gedruckt und gebunden von CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-608-98715-7

E-Book ISBN 978-3-608-11663-2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Einleitung

Der Riss in der Gesellschaft

Aktive und passive Sensibilität

Leiblich, psychisch, ethisch, ästhetisch: Die vier Dimensionen der Sensibilität

Ziel dieses Buches

I: Prozess der Sensibilisierung

Geschichte der Zivilisation mit Norbert Elias

Das sensible Selbst

Verfeinerung des Verhaltens

Disziplinierung und Empfindsamkeit

Höhepunkt als Kipppunkt?

II: Die Kraft der Wunde

Resilient oder sensibel: Selbsttest

Nietzsche contra Lévinas: ein Streitgespräch

Problematische Verabsolutierungen

Sensible Resilienz

Resiliente Sensibilität?

III: Das Jahrhundert der Empathie

MeToo avant la lettre

David Hume und die Gefühlsansteckung

Rousseaus Feminisierung der Moral

Empfindsamkeit mit Sade

Höhere Stufe der Zivilisation?

IV: Die Gewalt in uns

Freud und das unvergängliche Primitive

Ernst Jüngers inneres Erlebnis

Schmerz als Konstanzprinzip

Die Gewalt der Disziplinierung

Kalte Persona und Ich-Panzer

Was ist ein Opfer?

V: Trauma und Trigger

Der Organismus als Bläschen

Opfer: vom Zählen zum Erzählen

Vom Trieb zum Trigger: die posttraumatische Belastungsstörung

Algophobie?

VI: Sprachsensibilität

Realitätseffekte

Derrida und Butler: Spiel als Widerstand

Verletzende Rede

Kontextsensitivität

Ambivalenz der Sprache

Anmaßender Anspruch?

VII: Die Grenzen der Einfühlung

In einer anderen Haut

Verschlossenes Ich: Thomas Nagel und Jean Améry

Betroffenenperspektive und Standpunkttheorie

Empathie und Ich-Verlust

Ich fühle was, was du nicht fühlst

Intensiver fühlen?

VIII: Gesellschaft der Sensibilitäten

Hochsensibilität und das Paradigma des Besonderen

Resonanzsensibilität

Paul Valéry und der Safe Space

»Snowflakes« versus »OK Boomer«

Fass mich nicht an?

IX: Abstandsregeln

Modernes Distanzverlangen und anthropologische Berührungsfurcht

Regulierung des Sozialen

Feinste Vibrationen: Plessners Plädoyer für den Takt

Was ist zumutbar?

X: Schluss

Das Tocqueville-Paradox

Struktur und Individuum

Der zweifache Blick

Das neue Bündnis

Dank

Anmerkungen

Einleitung

I: Prozess der Sensibilisierung

II: Die Kraft der Wunde

III: Das Jahrhundert der Empathie

IV: Die Gewalt in uns

V: Trauma und Trigger

VI: Sprachsensibilität

VII: Die Grenzen der Einfühlung

VIII: Gesellschaft der Sensibilitäten

IX: Abstandsregeln

X: Schluss

Literatur

Du bist zu hart, ich bin zu weich

Ton Steine Scherben

Für Carsjen

Einleitung

Der Riss in der Gesellschaft

Sind Empfindungen reine Privatsache? Ab wann ist eine Berührung eine Belästigung? Wie viel Nähe ist angenehm und mithin erlaubt? Und wo liegt die Grenze des Sagbaren? Welches Sprechen tangiert die Würde von Menschen – und welches bewahrt sie? Gehört das generische Maskulinum abgeschafft? Ist das ›N-Wort‹ auch als Zitat eine Zumutung? Wer entscheidet das im Zweifelsfall? Sind Betroffene näher an der Wahrheit als Nicht-Betroffene, weil sie Gewalt – ob verbal oder physisch – am eigenen Leibe erfahren haben? Ist Verletzlichkeit die neue Stärke?

Ob MeToo oder Black Lives Matter, ob die Debatten über gendergerechte Sprache, Trigger-Warnungen oder Meinungsfreiheit, ob der Kampf um Anerkennung benachteiligter Gruppen oder die Empfindlichkeiten jener, die um den Verlust von Privilegien fürchten: Offenbar sind wir mehr denn je damit beschäftigt, das Limit des Zumutbaren neu zu justieren. Doch fährt sich der Diskurs hierüber zunehmend fest: Liberale und Egalitäre, Rechte und Linke, Alte und Junge, Betroffene und Nicht-Betroffene stehen sich unversöhnlich gegenüber. Während die einen sagen: Ihr stellt euch an, seid hypersensible »Schneeflocken«!, entgegnen die anderen: Ihr seid verletzend und beleidigend, an eurer Sprache klebt Blut! Der Effekt dieser Frontalstellung ist eine zunehmende Erosion der demokratischen Diskurskultur und ein kaum noch zu kittender Riss, der sich mitten durch die Gesellschaft zieht.

Umso dringender ist zu fragen, wo ein Ausweg gefunden werden kann. Ich schlage vor, einen Schritt zurückzutreten und frei von Polemik eine Entwicklung zu beleuchten, die mit der Genese des modernen Subjekts unauflöslich verbunden ist: die zunehmende Sensibilisierung des Selbst und der Gesellschaft.

Aktive und passive Sensibilität

»Sensibel«, das meint: empfindlich, fühlbar, empfänglich. Positiv wird der Begriff meist im Sinn eines ausgeprägten Einfühlungsvermögens verwendet, negativ bezeichnet er die Überempfindlichkeit eines Subjekts, das dem Leben nicht gewachsen ist. Ein Blick in die Philosophiegeschichte zeigt, dass diese Spannung eine lange Tradition hat.

Schon im Mittelalter unterschied man eine aktive Sensibilität, die sich in einem moralischen Sinn empfindsam auf die Welt ausrichtet, von einer passiven Sensibilität, die empfängt, auf Außenreize reagiert.[1] Die aktive Sensibilität meint so viel wie »mit Empfindung begabt«[2] und ist, verallgemeinernd gesagt, die tugendhafte, edle, gute, für die göttliche Wahrheit empfängliche. Im 18. Jahrhundert wurde sie als moralisches Gefühl systematisch ausgearbeitet: als, vereinfacht gesagt, natürliche Gabe des Menschen, das Gute aus sich heraus zu tun.

Die passive Sensibilität hingegen bezeichnet allgemein das, »was empfunden werden kann«[3]. Im positiven Sinn wurde diese passive Seite (insbesondere während der Epoche der Empfindsamkeit) mit Rührung gleichgesetzt. Überwiegend aber verstand man sie negativ im Sinne von Weinerlichkeit, Überspanntheit, auch (etwa bei Thomas von Aquin) sexueller Willfährigkeit. Die Materialisten im 18. Jahrhundert bezeichneten die passive Sensibilität als »sensibilité physique« und meinten damit die Reizbarkeit der Nerven.

Dass aktive Sensibilität und passive Reizbarkeit oft miteinander einhergehen, zeigt sich mit Blick auf die Gegenwart deutlich: Was für verwerflich und falsch gehalten wird, ist meist das, was auch die Gemüter reizt und umgekehrt – und zwar, wenn auch auf verschiedene Weise, quer durch alle politischen Lager. Während rechte Kräfte empfindlich auf gesellschaftliche Transformationen wie etwa den vorgeblichen »Genderwahn« reagieren und nicht selten mit gezielter Hassrede oder auch konkreter physischer Gewalt agieren, sind linksliberal Denkende dünnhäutig, wenn ihre Vorstellung von gesellschaftlichem Fortschritt hinterfragt wird, was mitunter zu systematischen Boykotts von Personen, gar zu Kündigungen führt.

Doch ist diese Verschaltung von Moral und Reizbarkeit keineswegs neu, sondern hat philosophische Vorläufer: So verabscheute der empfindsame Rousseau die Reizüberflutung der Stadt aus tiefster Seele. In der beschaulichen Pariser Peripherie entwickelte er seine Moral des von Natur aus guten, empathischen Menschen, den es vor schädigenden zivilisatorischen Einflüssen zu schützen gelte (vgl. Kapitel III). Das ländliche Idyll von Montmorency war, wenn man so will, Rousseaus Safe Space.

Dass die Sensibilität ein zweischneidiges Phänomen ist, stellt für das Verständnis der Gegenwart und damit auch für dieses Buch eine wegweisende Einsicht dar. Die Sensibilität ist nach außen und nach innen gerichtet. Bindend und trennend. Befreiend und unterdrückend. Auf den Punkt gebracht: Die Sensibilität trägt eine gewaltsame Seite in sich, was sich bereits in ihrer historischen Genese zeigt. Das Herausbilden von Sensibilität setzt nämlich Zwang voraus. In seinem berühmten Werk »Über den Prozeß der Zivilisation« (1939) zeichnet der Soziologe Norbert Elias eindrücklich die Transformation menschlichen Verhaltens nach, das sich durch fortschreitende Disziplinierung – angefangen beim Essen und Schlafen bis hin zu komplexen sozialen Situationen – zunehmend verfeinert und den Menschen für eigene wie fremde Grenzüberschreitungen sichtlich sensibler werden lässt. Die wesentlichen Methoden dieser Verfeinerung sind, so Elias, die »Dämpfung der Triebe«, »Affektregulation« und die Ausbildung eines kontrollierenden Über-Ichs. Anders gesagt: Um sensibel zu werden, müssen wir uns zähmen, »Fremdzwänge (…) in Selbstzwänge verwandeln«[4] und regulierende Scham- und Peinlichkeitsgefühle ausbilden (vgl. Kapitel I).

Was Norbert Elias beschreibt, ist ein komplexes Ineinandergreifen von ›kalter‹ Disziplinierung und ›warmer‹ Sensibilisierung, von Normierung und Scham, von Selbstkontrolle und empfindsamer Welt- wie Selbstwahrnehmung. Deutlich stellt der Soziologe heraus, dass der Mensch den kulturellen Anforderungen kaum genügen kann, ohne selbst Schaden zu nehmen; eine Beobachtung, die sich mit zentralen Einsichten der Psychoanalyse deckt: Die zunehmende Zivilisierung hat eine dunkle Seite, die sich auch in ihrer Fragilität zeigt.

Entsprechend ist die Sensibilisierung als historische Entwicklung gewiss nicht bruch- und widerspruchslos. Im 20. Jahrhundert zeugen zwei verheerende Weltkriege und die Shoah eindrücklich von der Grausamkeit, die im Menschen wohnt und unter bestimmten Bedingungen hervorbricht. In seinem Buch »Verhaltenslehren der Kälte« analysiert der Historiker Helmut Lethen hellsichtig die Handlungsanleitungen zur Distanz und inneren Verpanzerung zwischen den Weltkriegen. Die Schriften von Ernst Jünger aus dieser Zeit dienen Lethen als Beleg. Gleichzeitig geben Jüngers Aufzeichnungen tiefen Einblick in die psychischen Mechanismen, die den Menschen nicht nur zu unvorstellbarer Gewalt befähigen, sondern ihn auch Unvorstellbares aushalten lassen (vgl. Kapitel IV).

Damit wäre ein zentraler Punkt berührt, den dieses Buch nach und nach freizulegen versucht: Auf ebenjene ›Kälte‹ der genannten Traditionslinie ist entscheidend zurückzuführen, dass der Appell an die Widerstandskraft in unseren Tagen hart und unsensibel oder, mit Klaus Theweleit gesprochen, männlich klingt. Theweleits berühmter These zufolge lebt der Faschismus in der Verpanzerung des Mannes und der gewaltsamen Abwehr der Frau fort: Das Faschistische sei beschreibbar als eine »Ausgeburt entfesselter Männergewalt«[5], als »Normalfall des Mannes unter kapitalistischen/patriarchalischen Bedingungen«[6]. Aus Theweleits »soldatischem Mann« der ersten zwei Weltkriege ist heute der »toxische Mann« geworden.

Resilienz und Sensibilität: ein, so scheint es, unvereinbarer Gegensatz, der sich im Widerstreit der politischen Positionen spiegelt. Widerständig zu sein wird gleichgesetzt mit Gefühllosigkeit. Mit der Unfähigkeit, etwas an sich heranzulassen. Resilienz, so die weit verbreitete Auffassung gerade im linken politischen Spektrum, ist eine männliche, neoliberale Selbstoptimierungsstrategie, die unvereinbar ist mit Empathie und Solidarität.

Die Herkunft des Wortes ›Resilienz‹ scheint dieser Deutung durchaus recht zu geben. Das lateinische resilire meint zu Deutsch: zurückspringen, abprallen. Ursprünglich stammt das Wort aus der Physik und bezeichnet die Eigenschaft von Körpern, nach der Verformung durch eine Außenstörung in ihren Ausgangszustand zurückzukehren.

Doch wird zu zeigen sein, dass Resilienz und Sensibilität keineswegs notwendig in Opposition stehen. Das tun sie nur, solange sie verabsolutiert werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, ob die ›Kältelehren‹ nicht doch Punkte enthalten, die es gerade heute wieder zu entdecken gälte. So offenbart sich bei dem Versuch, die Schriften Jüngers mit Freud zu lesen, dass sich unterhalb der Kriegs- und Gewaltverherrlichung ein Lebensdrang artikuliert, der bei traumatischen Erfahrungen höchster Ohnmacht rettend sein kann (vgl. Kapitel IV und V).

Auch das Werk Friedrich Nietzsches zeugt bei näherem Hinsehen nicht einfach von Verpanzerungsfanatismus. Hohe Verletzlichkeit und plastische Widerstandsfähigkeit gehen in seinen Schriften eine unauflösliche Verbindung ein (vgl. Kapitel II). Solche Berührungspunkte zwischen Sensibilität und Resilienz gilt es in diesem Buch herauszuarbeiten: Denn wenn es gelänge, die Resilienz mit der Kraft der Empfindsamkeit in ein Bündnis zu bringen, wäre der Konflikt, der gegenwärtig die Gesellschaft spaltet, in etwas Drittem aufgehoben.

Dass die Beziehung von Sensibilität und Abwehrkraft im allgemeinen Sinn grundsätzlich viel dialektischer ist, als es auf einen ersten Blick scheint, zeigt sich auch im Zivilisationsprozess selbst. Urbanisierung und Technisierung machen den Menschen dünnhäutig und reizbar; sein Schutz ist die psychische Abschottung. Bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts diagnostiziert der Soziologe Georg Simmel eine »Blasiertheit«[7] des Großstadtmenschen, der sich von den vielen Reizen der Außenwelt wie auch gegen etwaige Ansprüche abschirmt, um ihnen überhaupt standhalten und einen Raum innerer Freiheit ausbilden zu können. Paul Valéry stellt eine ganz ähnliche Diagnose: »Nach einer Phase der Verfeinerung« sei die Sensibilität beim modernen Menschen »im Abnehmen begriffen«, die ständige Reizüberflutung führe schlussendlich zur »Abstumpfung«[8]. Eine Feststellung, die sich heute als zutreffender denn je zu erweisen scheint: Schauen doch weite Teile der Bevölkerung, anstatt ihre Umwelt auch nur aus den Augenwinkeln wahrzunehmen, starr und stur auf ihr Smartphone.

Überreizung und Desensibilisierung sind zwei Seiten einer Medaille:[9] Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die Verwerfungen der Gegenwart noch einmal in einem anderen Licht. Teile der Gesellschaft reagieren auf neu formulierte Ansprüche von Minderheiten mit einer ähnlichen Blasiertheit wie Simmels überforderte Großstadtmenschen. Umgekehrt sind auch die wache (woke) Wahrnehmung von diskriminierenden Implikationen und die entsprechende Beherrschung von politisch korrekten Sprachcodes bisweilen von blasierter Arroganz gezeichnet, die sich wie ein Schutzfilm über die eigene Verletzlichkeit legt.

Historisch ist zu beobachten, dass gerade auf Phasen extremer Gewalt entscheidende Sensibilisierungsschritte folgen. So haben die schwersten weltumspannenden Verbrechen des 20. Jahrhunderts, in denen die Kältelehren ihren schrecklichen Höhepunkt fanden, zu dem menschheitsgeschichtlich vielleicht größten Sensibilisierungsschub geführt. Hervorgegangen aus der Erfahrung zweier Weltkriege und der systematischen Ermordung der europäischen Juden ist immerhin, unter anderem, 1949 das deutsche Grundgesetz, dessen erster Artikel lautet: »Die Würde des Menschen ist unantastbar.« Weder der Staat noch ein anderer Mensch, dies besagt der Satz, hat das Recht, die menschliche Würde anzutasten, das heißt: zu berühren.

Tastsinn und Takt, Feinmotorik und Fingerspitzengefühl kommen in dieser so sinnlichen Formulierung von der unantastbaren Würde zusammen. Verhärtungs- und Verpanzerungsansprüche gehören ab jetzt – und zwar aus guten Gründen – in ein vergangenes Kapitel der Geschichte. Die Sensibilität ist es, die von nun an die Geschicke bestimmt und den Schutzraum des Subjekts über dessen Leiblichkeit hinaus ausweiten soll. Tatsächlich ist mit dem Schutz der Würde, von dem das Grundgesetz spricht, weit mehr gemeint als nur der Schutz vor körperlicher Gewalt. Ja, was die menschliche Würde genau ist, was sie berührt, gar verletzt, ab wann ein Mensch einem anderen, im buchstäblichen Sinn, zu nahe tritt, die Grenze des Respekts überschreitet, ist keineswegs für alle Zeiten festgesetzt und klar umgrenzt, sondern, je nach Grad der gesellschaftlichen Empfindsamkeit, hart umstritten und höchst wandelbar. Stand bis vor wenigen Jahren handfeste Gewalt im Zentrum des Sexualstrafrechts, kann seit der Reform im Jahr 2016 auch ein falsch gedeuteter Wille rechtliche Konsequenzen haben. Galt es für die längste Zeit der Menschheitsgeschichte als unproblematisch, von »Frauen« und »Männern« zu sprechen und ihnen bestimmte biologische Merkmale zuzuweisen, wird dies heute als »transfeindlich« empfunden, also diskriminierend gegenüber Menschen, die in keine dieser Kategorien hineinpassen. War es bis in die 1990er Jahre hinein unverdächtig, mit Schokolade überzogene Zuckerschäume mit einem diskriminierenden Ausdruck zu bezeichnen, ist das ›N-Wort‹ heute klar als rassistisch und verletzend, als eine Form unzumutbarer sprachlicher Gewalt anerkannt.

Die Sensibilisierung der Gesellschaft ist, unbestreitbar, ein wesentlicher Faktor zivilisatorischen Fortschritts. Plurale, hochkomplexe, ausdifferenzierte Gesellschaften sind, auch aufgrund ihrer räumlichen Verdichtung, fundamental angewiesen auf Individuen, die eigene wie fremde Belange sensibel wahrzunehmen vermögen. Doch erleben wir gerade, wie just diese konstruktive Kraft der Sensibilität in Destruktivität umzuschlagen droht: Anstatt zu verbinden, trennt uns die Empfindlichkeit. Sie zersplittert Gesellschaften in Gruppen, wird gar zur Waffe, und zwar auf beiden Seiten der Frontlinie.

Den Kern des Kampfes bildet dabei die Frage, ob es das Individuum ist, das an sich arbeiten muss, um widerstandsfähiger zu werden – oder ob vielmehr die Welt um es herum sich zu ändern hat. Ist das ›N-Wort‹ auf einer Theaterbühne ganz einfach Kunst und also zumutbar – oder handelt es sich um unzumutbaren Rassismus? Ist Anmache an der Hotelbar, ein Blick auf den Busen oder ein Kompliment vom Chef Teil eines erotischen Spiels – oder unerträglicher Sexismus? Sind wir dabei, zu Prinzessinnen auf der Erbse zu werden, die jede noch so kleine Störung als unzumutbar empfinden – oder handelt es sich bei diesen vermeintlichen Nichtigkeiten vielmehr um strukturelle Gewalt, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt? Zugespitzter: Wann ist individuelle Evolution gefragt – und wann gesellschaftliche Revolution? Wann Widerstandskraft und wann eine Transformation der Verhältnisse?

Fragen, auf die es bislang, so scheint es, keine wirklich befriedigende Antwort gibt. Die US-amerikanische Philosophin Judith Butler etwa positioniert sich (auch wenn sie, wie noch zu zeigen sein wird, insgesamt eine durchaus ambivalente Position hat) deutlich auf der Seite der Revolution, wenn sie meint: »Wird jemand durch eine rassistische oder homophobe Äußerung oder Handlung verletzt, ist das eine persönliche Erfahrung. Doch der Akt und seine Wirkung aktivieren eine soziale Struktur. Das Gleiche gilt für sexuelle Belästigung (…): Belästigung besitzt stets eine individuelle Form der Handlung, und doch bildet die Form der Handlung oder Handlungsweise eine gesellschaftliche Struktur ab und reproduziert diese.«[10] So zutreffend und wichtig der Hinweis ist, dass Verletzungen mehr sein können als nur private Befindlichkeiten, so sind sie es doch keineswegs immer. Tatsächlich klärt Butler nicht, was genau eine Struktur ist, wo Rassismus, Homophobie und Sexismus beginnen. Ist die Frage »Wo kommst du her?« schon Rassismus oder nur eine harmlose, interessierte Nachfrage? Wo fängt Sexismus an: erst beim Griff an den Po oder schon beim Gebrauch des generischen Maskulinums? Agiert bereits homophob, wer etwa darauf beharrt, dass es ein Unterschied ist, ob ein Kind zwei gleichgeschlechtliche Menschen oder Mann und Frau als Eltern hat? Oder handelt es sich hier bloß um eine wertfreie Differenzierungsleistung? Und wie gehen wir damit um, dass nicht alle Angehörigen einer Gruppe gleich empfinden? Was die einen als unzumutbar wahrnehmen (etwa die Bezeichnung ›schwarz‹), ist für andere eine geeignete Identifikationsmöglichkeit.

Der Soziologe Andreas Reckwitz wiederum steht, anders als Judith Butler, eher auf der Seite der Evolution. So begrüßt Reckwitz ausdrücklich die zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft und weist darauf hin, dass diese eine verfeinerte Wahrnehmung nicht nur für positive, sondern auch für ambivalente und negative Gefühle hervorbringe. Genau diese unangenehmen Gefühle seien wir aber nicht mehr bereit zu akzeptieren, argumentiert Reckwitz, und verweist auf die aus seiner Sicht problematische Konjunktur der positiven Psychologie: »Sensibilität ja, aber bitte nur verknüpft mit positiven Gefühlen! Sensibilität ja, aber als Sinn für wohlgestaltete ästhetische Formen, als Sinn für rücksichtsvolles Miteinander, als Sinn für die Gestaltung des Wohlbefindens von Körper und Seele. Eine Wohlfühlsensibilität.«[11]

So augenöffnend diese Beobachtung ist, kann auch sie Schlagseite bekommen: Einer Person of Colour, die auf dem Weg zur Arbeit aufgrund ihrer Hautfarbe Beschimpfungen erlebt, zu sagen, sie müsse auch offen sein für negative Gefühle und diese zu ertragen lernen, ist sicher nicht das, was Reckwitz meint. Die Gemengelage ist bei genauerem Hinsehen komplizierter: Nicht jeder Schmerz muss ausgehalten, aber auch nicht jeder Schmerz gesellschaftlich verhindert werden.

Nun maßt sich dieses Buch nicht an, letztgültige Formeln der Zumutbarkeit aufzustellen, im Sinne von: Was darf man, was darf man nicht? Vielmehr geht es darum, das Unzumutbare gerade in den Verabsolutierungstendenzen zu identifizieren, die sich auf beiden Seiten der Frontlinie wiederfinden. Unzumutbar ist eine verabsolutierte Resilienz, weil sie die Ansprüche der anderen an sich abprallen lässt. Unzumutbar ist aber auch eine verabsolutierte Sensibilität, weil sie den Menschen auf ein verletzliches, schützenswertes Wesen reduziert, das sich nicht selbst zu helfen weiß. Die Grenze des Zumutbaren verläuft im Spannungsfeld dieser beiden Pole und verweist auf ein neues Selbst- und Weltverhältnis, das es noch zu finden gilt (vgl. Kapitel X).

Leiblich, psychisch, ethisch, ästhetisch: Die vier Dimensionen der Sensibilität

Im Folgenden werden vier Dimensionen der Sensibilität eine zentrale Rolle spielen. Weil sie in einem engen Bedingungsverhältnis zueinander stehen, sich also überlappen und wechselseitig durchdringen, werden sie das Buch nicht inhaltlich gliedern. Sie helfen aber, den Gegenstandsbereich zu systematisieren. Die vier Dimensionen sind:

Die leibliche Sensibilität. Sie macht uns zunehmend empfindsam für Schmerz und Fremdkörper und lässt uns auch den zumutbaren Abstand zum anderen immer wieder neu vermessen. Die Durchschlagskraft der MeToo-Bewegung ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie sehr sich das Gefühl für Übergriffigkeit in den vergangenen Jahren im Vergleich zum 20. Jahrhundert verfeinert hat. Durch die Corona-Pandemie erhält die »Berührungsfurcht«, um einen Ausdruck Elias Canettis zu gebrauchen, virologische Legitimität: Die angemessene Distanz zum anderen wird buchstäblich zu einer Angelegenheit des Zollstocks.

Die psychische Sensibilität. Sie resultiert historisch gesehen aus der Transformation von Fremdzwängen in Selbstzwänge und geht, wie die leibliche Sensibilität, mit Reizbarkeit und Feinfühligkeit einher. Auch ist die Ausweitung des Gewaltbegriffs auf verletzende Sprache, Bilder etc. hier bedeutsam, führt sie doch unweigerlich zu einer niedrigeren Toleranzschwelle für Außeneinwirkungen.[12] Der abwertende Begriff »Snowflake« wendet die psychische Sensibilität – als vermeintliche Hypersensibilität – ins Polemische: Als »Snowflakes« werden auf abwertende Weise Menschen bezeichnet, die sich einzigartig wähnen, keine gegenteiligen Meinungen aushalten und extrem empfindlich gegen Reize und Zugriffe von außen sind. Unter anderem die Debatte über Trigger-Warnings und Sprachsensibilität, aber auch die Tendenz gesellschaftlicher Singularisierung[13] sind hier angesiedelt.

Die ethische Sensibilität. Sie findet im 18. Jahrhundert ihre philosophische wie literarische Entfaltung und meint, allgemein gesprochen, die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen. Aus Sicht der Historikerin Lynn Hunt ist es alles andere als ein Zufall, dass just in jenem Jahrhundert, in dem die Empathie zum systematischen Gegenstand der Philosophie wurde und die Briefromane Jean-Jacques Rousseaus und Samuel Richardsons tiefe Identifikation mit leidenden Frauenfiguren zu stiften vermochten, auch die Menschenrechte erklärt wurden. Globale Bewegungen wie Black Lives Matter und MeToo oder auch, in kleinerem Maßstab, die verbreitete Solidarität mit der Transgender-Community wären ohne diese Form der Sensibilität undenkbar.

Und schließlich die ästhetische Sensibilität. Sie bezeichnet eine Empfindsamkeit für das Schöne wie das Hässliche, die sublimierte Lust des »Augenmenschen« (Elias) und das spätmoderne Begehren nach Besonderheit und »Resonanz«. In seinem Buch dieses Namens analysiert der Soziologe Hartmut Rosa die Sehnsucht nach einer antwortenden Welt, die den Menschen nicht kaltlässt, sondern berührt. Die ästhetische Erfahrung ist ihm zufolge die Resonanzerfahrung schlechthin.[14]

Ziel dieses Buches

Ein Verhaltenskodex darf hier genauso wenig erwartet werden wie eine vollumfängliche wissenschaftliche Studie der Sensibilität. Bezugspunkt ist vielmehr die Gegenwart mit ihren konkreten, oben beschriebenen Problemlagen. Nur wenn die zunehmende Sensibilisierung tiefer verstanden wird, lassen sich die progressiven und regressiven Tendenzen des Prozesses erkennen. Ziel dieses Buches ist es, die Sensibilität in ihrer Dialektik zu beleuchten und ihr Verhältnis zur Widerstandskraft neu zu fassen, um so Wege aus den Krisen unserer Zeit zu finden.

I: Prozess der Sensibilisierung

Geschichte der Zivilisation mit Norbert Elias

Die Gegenwart mit ihren Verwerfungen hat eine lange Geschichte, in der sich die menschliche Sensibilität nach und nach herausgebildet hat. In seinem berühmten Werk »Über den Prozeß der Zivilisation« beschreibt der Soziologe Norbert Elias diese Entwicklung ausführlich und konkret anhand von Praktiken wie Tischsitten, Hygieneregeln oder Ehebräuchen. Machen wir an dieser Stelle einen radikalen Zeitsprung und unternehmen ein kleines Gedankenspiel, um den zivilisatorischen Weg, den der Mensch im Lauf der letzten Jahrhunderte zurückgelegt hat, zu veranschaulichen. Wir befinden uns im europäischen Mittelalter und stellen uns einen circa dreißigjährigen Mann im 11. Jahrhundert vor – und zwar so, wie sich sein Leben unter Rückgriff auf Elias erschließen lässt. Nennen wir ihn Johan.

Johan ist Ritter. Seine Ausbildung begann im Kindesalter. Gewalt gehört zu seinem Leben, er kennt es nicht anders. Rücksichtnahme oder Fürsorglichkeit kommen in seiner Welt genauso wenig vor wie gewisse für uns heute übliche Grundregeln des Benehmens. Johan schnäuzt sich ganz selbstverständlich in die Finger. Beim Essen an einer großen Tafel nimmt er sich mit derselben Hand Fleischstücke direkt von der Platte auf der Mitte des Tisches, wo das getötete Tier kurz zuvor zerteilt wurde. Gabel und Löffel gibt es ebenso wenig wie Taschentücher, sein Essen führt sich Johan mit seinem eigenen Messer zwischen die Zähne, das er aus guten Gründen stets bei sich trägt.[1] Wenn Johan Hunger hat, macht er sich über das Fleisch her, tunkt gierig sein angebissenes Stück in die gemeinsame Soßenschüssel, schmatzt, schnaubt, spuckt und nimmt auch beim Sprechen kein Blatt vor den Mund. Schmeckt es ihm nicht, sagt er es. Alle Themen, auch Reizthemen, spricht er an, wie ihm der Schnabel gewachsen ist,[2] Verletztheiten anderer, sollte es sie überhaupt geben, verlaufen unterhalb seiner Wahrnehmungsschwelle. Das Glas teilt sich Johan mit seinen Sitznachbarn, oft schwimmen Brotkrumen und Essensreste im Getränk, was Johan aber nicht weiter stört. Wenn er zwischendurch den Drang verspürt, seine Notdurft zu verrichten, hockt er sich in einen Gang. Wird er nachts vom Harndrang geweckt, pinkelt er in eine Ecke des Schlafzimmers. Ob er bei seiner Entleerung gesehen wird, ist ihm ganz gleich. Ebenso, ob andere ihn nackt zu Gesicht bekommen. Sich entblößt vor sozial Niederstehenden zu zeigen, ist völlig normal. Im Bad wird Johan von Frauen bedient. Auch der Nachttrunk wird ihm von Frauen gereicht, was für einen Mann wie ihn, der sich auch sexuell keine Grenzen setzt, gewisse Vorteile birgt.[3] »Es ist nicht peinlich, es ist die natürliche und selbstverständliche Ordnung der Welt, daß die Krieger, die Edlen, Muße haben, sich zu vergnügen, und daß die anderen für sie arbeiten«, schreibt Norbert Elias im ersten Band seines Werks. »Es fehlt die Identifizierung von Mensch zu Mensch.«[4] Noch deutlicher wird er ein paar Seiten später: »Ihre Affekte (die der Krieger; SF) befriedigt es, sich von den anderen unterschieden zu wissen. Der Anblick des Kontrastes erhöht die Lust am Leben.«[5]

Als Johan heiratet, sieht es der Brauch vor, dass er den Geschlechtsakt mit seiner Angetrauten – ihr Name sei Christiane – im Brautgemach vor Zeugen vollzieht. Nur dann ist die Ehe gültig (»Ist das Bett beschritten, ist das Recht erstritten«[6]).

Als Ritter lebt und brennt Johan ganz und gar für den Kampf. Seine einzige wirkliche Sorge ist, von einem Stärkeren besiegt zu werden, Härte und Widerstandsfähigkeit sind überlebenswichtig. Johans eigenen Grausamkeiten indes gebietet niemand Einhalt. Keiner legt die Hand schützend über die Schwachen und Wehrlosen. Johan plündert Kirchen, vergewaltigt, quält Witwen und Waisen, verstümmelt seine Opfer. Einmal hat er in einem Kloster hundertfünfzig Männern und Frauen die Hände abgeschnitten und die Augen ausgequetscht. Christiane ist übrigens nicht zimperlicher als ihr Mann, im Gegenteil. Niederstehenden Frauen lässt sie die Brüste abschneiden oder die Nägel ausreißen.[7] Die eigene Gewaltbereitschaft ist für Johan lebenswichtig und lustbesetzt. Herrscht gerade kein Krieg, kämpft Johan in Turnieren, die nicht weniger brutal verlaufen. Wer die »Entzückung«[8] des Tötens nicht besitzt, stirbt schnell.

Vor diesem Hintergrund braucht kaum noch gesagt zu werden, dass Johan keinen Sinn hatte, ja haben konnte für die Schönheit der Umwelt. Natur: Das war Gefahr und barg jederzeit die Möglichkeit eines Hinterhalts, der früh genug erkannt werden musste. War er in Wäldern oder auf dem freien Feld unterwegs, spähte er nur nach Feinden.

Das sensible Selbst

Kommen wir zur Gegenwart. Circa tausend Jahre später: Aus Johan ist Jan geworden. Wohnhaft in einer Großstadt, verheiratet, zwei Kinder im Grundschulalter. Sozialer Status: gehobene Mittelklasse.