Sexy Nanny gesucht - Cat Schield - E-Book

Sexy Nanny gesucht E-Book

Cat Schield

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

DIE NANNY UND IHR PLAYBOY-BOSS

Die schönsten Frauen in Hollywood liegen Dex Hunter zu Füßen. Aber sie interessieren den attraktiven Filmboss nicht! Denn er denkt nur noch an Shelby Scott, die neue Nanny seines kleinen Halbbruders. Auf unschuldige Weise ist sie einfach umwerfend sexy. Gegen sie verblassen alle Glamour-Girls. Dumm bloß, dass Shelby einmal an den Falschen geraten ist, der ihr jeden Glauben an die Männer genommen hat. Egal, wie zärtlich Dex sie umwirbt, sie sagt ihm glasklar, was sie bestimmt nie wieder will: einen Playboy wie ihn! Was für eine Herausforderung für den erfolgsverwöhnten Dex …

DER BOSS UND DIE NANNY

Eine Luxuslimousine fährt vor, ein attraktiver Mann steigt aus - und Bella fühlt sich auf einmal ganz schwach. Es ist der Milliardär Blake Ford! Vor zwei Jahren hat ein gewagter Geschäftsdeal sie zusammengebracht, und dabei hat Bella sich heiß in ihn verliebt. Ohne Aussicht auf Erfolg, denn Blake war verheiratet. Was er ihr jetzt zu sagen hat, lässt ihren Puls rasen: Seine Ehe ist gescheitert, und er bittet Bella, die Nanny seines Sohnes zu werden. Ein riskantes Angebot! Denn wie soll sie Tag und Nacht mit Blake zusammen sein, ohne erneut ihr Herz zu verlieren?

DER MILLIARDÄR UND DIE SINGLEMOM

Ein Milliardär in Nöten: Pierce Hollisters Jetset-Welt steht Kopf, als seine Exaffäre überraschend ein Baby bei ihm absetzt. Sofort engagiert er eine Nanny, um wieder ungestört zu sein. Doch Anna, die einzige Kandidatin für den Job, bringt noch ein eigenes Kind mit. Plötzlich hallt fröhliches Kinderlachen durch die Luxusvilla des überzeugten Junggesellen! Und nicht nur das: Auch Annas erotische Anziehungskraft lässt Pierce bald keine Ruhe mehr. Warum nur begehrt er ausgerechnet diese sexy Singlemom, die so gar nicht in sein Glamourleben passt?

DIE NANNY UND DER TRAUMMANN

Wilde Junggesellenpartys, zum Schlafzimmer eine Drehtür und im Hintergrund ein leises Weinen: Diese Schreckensvision hat Sierra, als sie erfährt, dass die Adoptiveltern ihrer Zwillingstöchter verunglückt sind. Um die Babys kümmert sich nun deren Onkel, der stadtbekannte Playboy Coop Landon. Als Undercover-Nanny könnte Sierra vielleicht das Schlimmste verhindern! Doch zu ihrer Überraschung ist Coop sehr verantwortungsvoll, ein sexy Traummann, in den sie sich Hals über Kopf verliebt - und den sie jeden Tag aufs Neue belügt. Denn er ahnt nicht, wer sie wirklich ist …

DER MILLIONÄR UND DIE NANNY

Schon bei der Vorstellung, dass Annalise die dunklen Locken ungebändigt auf den nackten Rücken fallen, steigt sein Puls. Hinter ihrer kühlen Fassade steckt bestimmt ein starkes Temperament … Während des Vorstellungsgesprächs schweifen Jacks Gedanken ständig ab! Dabei soll Annalise in erster Linie gut mit seiner Nichte zurechtkommen. Dass er die neue Nanny heiraten will, um das Sorgerecht zu bekommen, behält Jack erst einmal für sich. Aber Annalise wird sicher Ja sagen, wenn er ihr ein großzügiges Angebot macht … Davon ist der Millionär jedenfalls überzeugt!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 1018

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Robyn Grady, Cat Schield, Emilie Rose, Michelle Celmer, Day Leclaire

Sexy Nanny gesucht

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2013 by Robyn Grady Originaltitel: „Temptation On His Terms“ erschienen bei: Harlequin Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1893 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Constanze Suhr

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733721459

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Shelby Scott beobachtete das Schauspiel vor der Tür des weltberühmten Hotels mit gerunzelter Stirn. Passanten registrierten die Szene amüsiert im Vorbeigehen. Dex Hunter legte sich gerade mächtig ins Zeug, während er eine äußerst eifrige Lady küsste – oder besser gesagt, sich von ihr abschlecken ließ. Das Strasskleid der Frau glitzerte in der Sonne und hätte zweifellos jedes im Sturm verirrte Schiff wieder in den heimischen Hafen leiten können. Ein Möchtegern-Starlet, vermutete Shelby. Schließlich besaß Mr Hunter hier in Los Angeles sein eigenes Filmstudio.

Sie hatte Dex Hunter erst heute kennengelernt – als sie ihn im Café angerempelt und er sich daraufhin mit heißem Kaffee bekleckert hatte. Nicht zum ersten Mal hatte sie sich daraufhin geschworen, dass sie den Job als Kellnerin wirklich nur zur Überbrückung machen würde. Denn eigentlich war sie mit dem festen Vorsatz nach Kalifornien gezogen, sich eine gute Stelle als Kindermädchen zu suchen. Darin besaß sie Erfahrung, und jeder zu Hause in Mountain Ridge konnte bestätigen, wie sehr Shelby Scott Kinder liebte. Wie das Glück es wollte, war Mr Hunter gerade auf der Suche nach jemandem.

Als Junggeselle und viel beschäftigter Chef der Hunter Productions brauchte Dex ein Kindermädchen für seinen kleinen Halbbruder, der ihn für eine Weile besuchen würde. So viel hatte sie bei ihrem ersten kurzen Zusammentreffen mit ihm bereits erfahren. Sie hatte Dex sofort von ihrem Wunsch erzählt, als Nanny zu arbeiten, und damit sein Interesse geweckt. Als er dann erfuhr, dass sie alle Bücher aus der Lieblingsserie des kleinen Jungen gelesen hatte und einen Stegosaurus von einem T-Rex unterscheiden konnte, hatte er schon nahezu überzeugt gewirkt. Sein kleiner Bruder sei ganz verrückt nach Dinosauriern, hatte Dex ihr erzählt.

Weil er es eilig gehabt hatte, waren sie übereingekommen, sich heute Abend zu treffen, um beim Dinner über den Job zu reden. Shelby hatte gehofft, vielleicht sogar schon eine Zusage zu erhalten.

Aber dieses billige Schmierentheater, das ihr jetzt geboten wurde, ließ bei ihr alle Hoffnung auf eine seriöse Zusammenarbeit platzen. Dex Hunter konnte sich eine andere Nanny suchen, wenn sein fünfjähriger Bruder aus Australien eintraf. Ich habe jedenfalls von diesen Aufreißer-Typen die Nase voll, dachte Shelby. Ob sie nun in Hollywood lebten oder in Mountain Ridge, Oklahoma …

Verdammt, sie waren doch alle gleich.

Schließlich löste sich Dex Hunter aus der Umklammerung der Frau. Er drehte sich um, als hätte er Shelbys Anwesenheit gespürt, und kam zu ihr herüber. Mit seinen breiten Schultern wirkte er sehr maskulin, und ihn umgab eine Aura von starkem männlichem Selbstbewusstsein. Sie selbst war eins siebenundsiebzig groß, aber er überragte sie deutlich, stellte Shelby fest.

Was sie kurzzeitig aus dem Konzept brachte, war allerdings der intensive Blick seiner faszinierenden gelbbraunen Augen. Im Licht der Straßenlaterne wirkten sie fast wie die Augen einer intelligenten, gefährlichen Raubkatze.

„Sie sind früh dran“, sagte er und rückte seinen Hemdkragen zurecht.

„Ich bin wohl gerade rechtzeitig gekommen“, erwiderte sie schneidend. „Produzieren Sie sich immer so in der Öffentlichkeit, Mr Hunter?“ Sie konnte sich die Frage einfach nicht verkneifen.

Dex Hunter sah sie verwundert an, bis er verstand, was sie meinte. Er warf einen Blick über die Schulter zurück und verzog das Gesicht. „Das war vielleicht nicht die beste Einleitung für unser Vorstellungsgespräch.“

„Es gibt kein Vorstellungsgespräch“, zischte Shelby, drehte sich auf dem Absatz um und steuerte auf die nächste Bushaltestelle zu.

Sie war jetzt seit zwei Wochen in Los Angeles. Kalifornien hatte sie sich nur ausgesucht, weil die Heldin in einem ihrer Lieblingsfilme hier gelandet war, um ein neues Leben anzufangen. Doch plötzlich fühlte sich Shelby allein und total naiv. Bis auf ein paar Tage in Oklahoma City hatte sie ihre Heimatstadt bisher noch nie verlassen. Ihr ganzes Leben hatte sie in Mountain Ridge verbracht – und sie hatte wunderbare Erinnerungen daran.

Bis auf diese eine …

Dex Hunter war ihr gefolgt und versperrte ihr jetzt den Weg. „Sie wollten mit mir beim Dinner über mein Jobangebot sprechen.“

„Wenn Sie sich immer so auf ein Geschäftsgespräch vorbereiten wie eben, möchte ich mir gar nicht vorstellen, was sie so bei sich zu Hause in Gegenwart eines kleinen Jungen treiben. Damit möchte ich nichts zu tun haben.“

„Diese Frau ist eine gute Freundin von mir, wir haben uns nur verabschiedet.“

„Ich komme vielleicht vom Land“, sagte Shelby, „aber von gestern bin ich nicht. Das sah eben nicht nach einer freundschaftlichen Verabschiedung aus.“

„Bernice hat zu viel getrunken. Außerdem hätte sie ja auch meine Verlobte sein können.“

Bei dem Wort Verlobte drehte sich Shelby der Magen um. „Die Vorführung hat mir trotzdem nicht gefallen.“ Wie sie selbst darauf reagiert hatte, auch nicht. Sie fühlte sich unwohl. Verletzlich. „Rufen Sie eine Agentur an, die wird Ihnen jemanden vermitteln.“

„Ich habe heute Nachmittag Ihre Referenzen überprüft und ein paar Leute angerufen“, sagte Dex unbeeindruckt.

Shelby sah ihn erschrocken an und spürte einen Kloß im Hals.

„Im Café erwähnten Sie ein paar Arbeitsstellen in Oklahoma. Ihre Fähigkeiten wurden in den höchsten Tönen gelobt. Vor allem Mrs Fallon von Hatchlings Kindergarten war von Ihnen begeistert.“

Es machte ihr nichts aus, dass er sie überprüft hatte, aber unwillkürlich fragte sich Shelby, mit wem Dex Hunter wohl noch gesprochen hatte. Was wusste er über sie? Nicht dass ihn dieser hässliche Vorfall vom vergangenen Monat interessieren würde. Das Ereignis, über das ganz Mountain Ridge wohl noch jahrelang tratschen würde …

„Ich habe meinen kleinen Bruder schon ein halbes Jahr nicht mehr gesehen …“, fuhr Dex fort und riss sie damit aus ihren Gedanken, „… aber er ist bestimmt noch der gleiche kleine Teufel. Energiegeladen und unwiderstehlich. Sie werden ihn sicher mögen.“ Er lächelte. „Alle lieben ihn.“

Shelby holte tief Luft und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie werden jemand anders finden.“

„Ich will aber Sie.“

„Lassen Sie es einfach sein, und gehen Sie wieder zu …“ Shelby drehte sich zu der Frau um, mit der Dex eben noch so hingebungsvoll geknutscht hatte, und sah, wie diese gerade schluchzend zusammenbrach, von zwei Freundinnen in die Arme genommen wurde und sich mit ihnen entfernte.

„Letzte Woche hat Bernices Freund ihre Verlobung platzen lassen“, sagte Dex, der die Szene ebenfalls verfolgte. „Ich kenne den Mann schon seit Jahren. Nicht gerade der Typ zum Heiraten.“

Shelby zuckte zusammen. Jetzt tat ihr die Frau leid.

„Die Stadt ist für jemanden wie Bernice ein zu hartes Pflaster“, sagte Dex. „Wie auch immer Sie sich wegen des Jobs entscheiden, ich würde trotzdem gern mit Ihnen essen gehen. Sie haben den ganzen Tag gearbeitet und Leute bedient. Ich könnte wetten, Sie sind genauso hungrig wie ich.“

Shelby verzog das Gesicht. „Das klingt fast, als hätte Mrs Fallon aus dem Kindergarten Ihnen etwas über meinen gesunden Appetit verraten.“

Er lachte, und der weiche, tiefe Ton umschmeichelte sie sanft wie warmes Wasser. Aber sie wollte sich doch nicht einlullen lassen!

„Tate hat auch einen guten Appetit“, sprach Dex weiter. „Vor allem Cheeseburger haben es ihm angetan. Allerdings werde ich da wohl ein bisschen einschreiten müssen.“

Shelby lächelte und entspannte sich etwas. Dex Hunter war zweifellos charmant. Und sehr überzeugend …

„Ein Dinner wird sicher nicht wehtun“, sagte sie schließlich. „Aber ich bezahle meinen Anteil selbst.“

Normalerweise hätte sich Dex Hunter für die Vermittlung einer Nanny an eine seriöse Agentur gewandt. Aber sein Gefühl sagte ihm, dass Shelby Scott genau die Richtige für seinen kleinen Bruder Tate war, der gerade seinen besonderen Schutz benötigte.

Jemand hatte auf seinen und Tates Vater, den Medienmogul Guthrie Hunter, mehrere Anschläge verübt. Bevor diese Attentate nicht aufgeklärt und die Schuldigen vor Gericht gebracht waren, brauchte Tate einen sicheren Ort, wo er unterkommen konnte. Niemand aus der Hunter-Familie wollte den Fünfjährigen in Gefahr wissen. Erst vor Kurzem waren Guthrie Hunter und Tate nur knapp einer Entführung entkommen.

Während Dex kurz nachdachte, welches Restaurant am besten geeignet war – ruhig und gemütlich, aber nicht zu intim –, klingelte sein Handy. Er achtete nicht darauf.

„Es könnte doch wichtig sein“, sagte Shelby erstaunt.

„Wir wollen jetzt essen gehen.“

„Da, wo ich herkomme, würde man es als unhöflich betrachten, wenn jemand einen Anruf nicht beantwortet. Genauso, wie die Tür nicht zu öffnen, wenn jemand klingelt.“

Der Blick aus ihren großen grünen Augen wirkte so offen und aufrichtig. Jetzt war wohl der falsche Moment, um ihr zu erklären, dass es in Los Angeles völlig normal war, das Klingeln seines Handys zu ignorieren.

Dex nahm den Anruf an.

Am anderen Ende der Leitung meldete sich sein Drehbuchautor Rance Loggins. „Es funktioniert nicht, Dex“, sprudelte Rance los. „Du meinst, Jada sollte Pete auf der Hochzeitsfeier zur Rede stellen, aber ich halte das für keine gute Idee. Es ist zu vorhersehbar.“

„Du wirst dir schon etwas einfallen lassen. Schlaf eine Nacht drüber.“

„Ich dachte, du wolltest das Drehbuch so schnell wie möglich auf dem Tisch haben.“

Dex warf Shelby einen Blick zu. Sie sah in ihrem korallenfarbenen Kleid und mit dem glänzenden dunkelroten Haar, das in der warmen Brise flatterte, wie eine Mischung aus Engel und Verführerin aus.

„Dex? Bist du noch dran?“, rief Rance. „Ich bin ab morgen für eine Woche weg. Diese Szene ist die Einzige, die uns noch aufhält.“

Vergangenes Wochenende hatte Hunter Productions einen großen Erfolg mit der Uraufführung des neuesten Films verbuchen können. „Easy Prey“ war ein Action-Thriller, in dem einer der aktuell angesagtesten Kinostars mitspielte. Dex hatte noch weitere Filme in den Startlöchern, aber von dem, über den Rance gerade sprach, versprach er sich besonders viel. Er roch einen weiteren Kassenknüller.

Wieder warf er Shelby einen Blick zu, dann sah er auf seine Uhr und überlegte. „Ich komme nach zehn Uhr vorbei“, sagte er schließlich zu Rance.

Stille am anderen Ende.

„Du wimmelst mich ab wegen einer Frau“, bemerkte Rance dann.

„Nein, tu ich nicht.“

Jedenfalls nicht im üblichen Sinn.

„Ich dachte, du hättest vor, Hunter Productions wieder auf die Beine zu bringen.“

Dex kannte Rance schon lange. Er war für ihn nicht nur ein Mitarbeiter, sondern auch ein Freund. Aber das ging zu weit. „Du vergisst wohl, wer hier die Rechnungen bezahlt“, knurrte er.

„Aber dazu musst du das Geld erst mal verdienen“, konterte sein Freund.

Dex beendete das Telefonat.

„Sie müssen das Essen absagen, oder?“, bemerkte Shelby, die gerade mit ihrem Handy ein paar Fotos von den berühmten Modeläden auf dem Rodeo Drive gegenüber knipste. „Das ist schon okay. Eigentlich ist es auch besser so.“

Dex schob die Hände in die Hosentaschen und sah sie an. Er wollte sie nicht so einfach davonkommen lassen. Wenn sie morgen aus irgendeinem Grund ihren Job im Café kündigen würde, wie sollte er sie dann jemals wiederfinden? Aber Rance hatte recht.

Bis zu seinem jüngsten Erfolg hatte Hunter Productions lange keinen großen Kinohit mehr gelandet. Doch wenn er sich heute Abend schon um sein Geschäft kümmern musste, wollte er auch ein bisschen Spaß dabei haben. „Kommen Sie einfach mit“, schlug er Shelby darum vor. „Wir essen anschließend etwas zusammen.“

„Das gefällt mir nicht.“

„Warum nicht?“

„Ich kenne Sie doch gar nicht.“

„Shelby, ich werde nicht über Sie herfallen und Sie in meine Höhle schleifen.“

Sie sah ihn aus schmalen Augen an, und ihr Blick verriet, dass sie sich da nicht so sicher war. Sie war also vorsichtig, und in einer Stadt wie Los Angeles war das auch gut so. Noch ein Pluspunkt für sie.

„Mein Drehbuchautor kommt mit dem Script nicht weiter“, erklärte Dex. „Er schreibt an einer Liebeskomödie mit ernstem Hintergrund. Wir arbeiten gerade an einer Schlüsselszene. Der Mann, in den die weibliche Hauptfigur einmal verliebt war, hat sie betrogen und heiratet nun ihre Freundin. Sie wird zur Hochzeitsfeier eingeladen. Ihr Begleiter für diesen Abend musste absagen, sodass sie allein dort erscheint.“

Shelby hörte mit gerunzelter Stirn zu und schien offensichtlich interessiert zu sein. Also redete Dex weiter. „Unsere Heldin sitzt mit Verwandten der Braut zusammen am Tisch, die ihr ständig vorschwärmen, wie wunderschön die Braut in ihrem Hochzeitskleid aussieht. Dann verschüttet ein tollpatschiger Kellner Suppe über das Kleid der Heldin.“

Als Shelby blinzelte, fiel Dex wieder ein, wie sie im Café gegen ihn gestolpert war. „Die Heldin geht in ihrem beschmutzten Kleid Richtung Damentoilette, um den Fleck auszuwaschen. Während sie sich auf dem Weg dorthin fragt, warum sie sich das alles antut, läuft ihr der Bräutigam über den Weg.“

Shelby sah ihn an. „Und dann?“

„Wir sind uns nicht sicher, was dann passiert.“

Shelby atmete tief durch und sah sich abwesend um. Als sie ihr Handy in den Schulterbeutel schob, fiel ein Stück Papier aus dem Beutel und wurde von einer Böe weggefegt. Shelby versuchte, es in der Luft zu fangen, doch es flatterte davon. Als das Papier vom Wind auf die Straße geweht wurde, rannte Shelby ohne nachzudenken hinterher.

Im gleichen Moment rauschte eine Limousine heran.

2. KAPITEL

Dex stürzte ihr sofort nach. Er riss sie zurück, Shelby verlor das Gleichgewicht und fiel gegen ihn. Während Dex sie mit beiden Händen festhielt, betrachtete er ihr Gesicht. Ihre vor Schreck aufgerissenen Augen hatten eine ganz außergewöhnliche mintgrüne Farbe, gesprenkelt mit blauen Flecken. Aus der Nähe sahen ihre Lippen noch voller aus.

Diese Lippen bewegten sich jetzt leicht zittrig.

„Sieht so aus, als hätte ich mich immer noch nicht an den Autoverkehr gewöhnt“, brachte Shelby heiser heraus. Fast wäre sie im Krankenhaus gelandet. Es hätte sogar noch schlimmer kommen können! Sie erschauerte. Stattdessen lag sie nun in filmreifer Pose in den Armen eines fremden Mannes mit Raubkatzenaugen, der eine solche Hitze verströmte, dass sie das Gefühl hatte, gleich zu zerschmelzen.

Dex stellte sie vorsichtig auf die Füße. Nach und nach drangen die Geräusche der Straße und die vorbeieilenden Menschen auf dem belebten Bürgersteig wieder in ihr Bewusstsein. Shelby zupfte ihr Kleid zurecht. Dabei versuchte sie, eine möglichst ausdruckslose Miene aufzusetzen und ihren rasenden Puls zu beruhigen.

„Alles okay?“, erkundigte sich Dex.

„Alles okay, bis auf meinen verletzten Stolz“, gestand sie. „Ich komme mir so albern vor.“ Nach den neugierigen Blicken der Passanten zu urteilen, war ihr Auftritt um einiges interessanter gewesen als Bernices Show vorhin.

„Dieses Stück Papier muss wohl sehr wichtig sein.“

Sie seufzte. „Nur eine sentimentale Erinnerung.“

Dex sah sich suchend um. Er ging ein paar Schritte auf eine der Palmen zu, die die Straße säumten, bückte sich und kam mit dem besagten Stück Papier – einem Foto – wieder zurück.

Erleichtert nahm Shelby es entgegen und presste es kurz an ihre Brust. Dann schob sie es wieder in ihren Beutel, diesmal in eine verschließbare Seitentasche.

„Jemand, den ich sehr respektiere, sagte mal, dass man Gefühle nie unterschätzen sollte“, bemerkte Dex.

Jetzt war wohl nicht der richtige Moment, um ihn zu fragen, wer diese Person gewesen war, obwohl es Shelby schon sehr interessierte. „Gilt die Einladung noch, zu Ihrem Drehbuchautor mitzukommen?“, erkundigte sie sich.

Dex lächelte erfreut. „Rance und mir wäre es eine Ehre.“

Wenige Minuten später öffnete er ihr die Beifahrertür eines schnittigen italienischen Sportwagens. Während sie in den weichen Ledersitz glitt und sich anschnallte, rutschte Dex hinter das Steuer, ließ den Motor an und fädelte sich in den Verkehr ein.

„Passiert so ein Drehbuch-Notfall öfter?“, fragte Shelby und versuchte, nicht über ihre spontane Entscheidung nachzudenken. Der Tag war zu verrückt gewesen. Sie würde sich nicht wundern, wenn sie plötzlich aufwachte und feststellte, dass alles nur ein Traum gewesen war.

Dex schaltete in den nächsten Gang. „Einen Film zu drehen ist immer eine Herausforderung.“

„Ich stelle mir einen verrauchten Raum vor, in dem der Drehbuchschreiber an einem Tisch vor der Schreibmaschine sitzt und wild in die Tasten haut, während der Produzent nervös im Zimmer auf und ab läuft, den Kopf gesenkt, die Hände auf dem Rücken verschränkt …“

Dex warf ihr kurz einen Blick zu. „Vor der Schreibmaschine?“

„Na gut, ich nehme an, das gehört eher ins vorige Jahrhundert.“

„Da, wo Sie herkommen, hat man doch sicher schon von Computern und Internet gehört, oder?“, scherzte er.

„Oh, sicher. Aber um den Strom zu erzeugen, stellen wir einen Ochsen in die Tretmühle.“

Dex lachte, und dieser dunkle Klang ließ sie sofort wieder an warmes Wasser denken, das sie umfing, sie umschmeichelte …

„Als geborenen Technikfreak würde ich mich allerdings auch nicht bezeichnen“, gestand er. „Ich bin in Australien aufgewachsen.“

„Daher also der Akzent. Ich dachte, Sie wären vielleicht Engländer.“

„Wir Aussies sind aber nicht so käsig weiß.“

Sie musterte ihn von der Seite, seine Hände, den Hals. Soweit sie erkennen konnte, besaß seine Haut einen schönen Bronzeton. „Australien ist ziemlich weit entfernt“, bemerkte sie und musste sich regelrecht von seinem Anblick losreißen. „Wieso sind Sie hierhergezogen? Glück und Ruhm?“

„Meiner Familie gehört Hunter Enterprises.“

„Und dazu gehört Hunter Productions, nehme ich an.“

Er schaltete vor der nächsten Kurve einen Gang zurück. „Meine Mutter kam aus Ihrer Gegend.“

„Aus Oklahoma?“

„Georgia.“

„Also, tut mir leid, das zu sagen, aber Georgia ist ziemlich weit von Oklahoma entfernt.“

„Oje, ich bin wohl etwas schwach in Geografie, was?“

Shelby grinste und lehnte sich zurück. „Um auf Ihre Geschichte zurückzukommen …“

„Meine Mutter und mein Vater haben sich im Kino kennengelernt, im Fox Theatre, diesem riesigen alten Kinopalast in Atlanta, Georgia. Dad war von ihrem Südstaatenakzent und Charme hingerissen. Nach vier Wochen hat er ihr einen Antrag gemacht.“

Shelby lächelte. „Ihr Vater ist also ein Romantiker.“

„Er hat meine Mutter wirklich geliebt.“ Dex wurde plötzlich ernst. „Nachdem sie vor ein paar Jahren gestorben ist, hat er noch einmal geheiratet.“

„Eine nette Frau?“

„Der Meinung ist jedenfalls mein Vater.“

Als sie eine weniger belebte Straße erreichten, trat er aufs Gaspedal. Der Motor heulte auf, und sie rasten förmlich an Häusern und Villen vorbei. Shelby wartete, dass Dex noch mehr von seiner Stiefmutter erzählte, aber er schwieg. Was ja auch einiges aussagte.

Bald fuhren sie durch eine exklusive Wohngegend und schließlich eine breite private Auffahrt hinauf. Ein dunkelhaariger Mann öffnete ihnen die Tür. Sie wurden einander vorgestellt, und Rance Loggins bat sie beide herein.

Rance führte sie durch einen verglasten Korridor, von dem aus man einen herrlichen Blick auf den tropischen Garten hatte, in ein Wohnzimmer mit Parkettboden und Möbeln aus glänzendem Stahl und grauem Leder. Shelby setzte sich auf die Couch, während Dex als Erstes sein Jackett auszog und es über eine Stuhllehne legte.

Er begann mit Rance über die problematische Filmszene zu debattieren und setzte sich dann neben sie. Viel zu dicht, wie Shelby fand. Andererseits fühlte sie sich in seiner Nähe irgendwie sicherer. Das ist merkwürdig, dachte sie. Nur zu deutlich nahm sie seinen Duft wahr und spürte die Hitze, die er ausstrahlte.

Er war ihr so nah … Verstohlen musterte sie seinen Körper, seine langen, offensichtlich muskulösen Beine. Dann fiel ihr Blick auf seine blank polierten schwarzen Schuhe. Sie stellte ihn sich in Cowboystiefeln vor …

„Was meinen Sie denn dazu?“

Aufgeschreckt sah Shelby hoch. Die beiden Männer blickten sie erwartungsvoll an. „Was soll ich wozu meinen?“

Rance wiederholte die Beschreibung der Szene. „Die Heldin hatte mit dem Bräutigam eine Beziehung, bis er sie betrog. Sie war am Boden zerstört. Später verlobte er sich dann mit ihrer Freundin. Sie ist auf der Hochzeitsparty, und sie treffen plötzlich aufeinander und stehen sich gegenüber.“

Dex verschränkte die Hände hinter dem Kopf und streckte seine langen Beine aus. „Sie muss ihm eine Ohrfeige verpassen. Ihm auf die Füße treten. Ihm einen Drink ins Gesicht schleudern. Irgendwas.“

„Wie ich schon sagte, wäre das keine große Überraschung“, meinte Rance. „Das Publikum würde so etwas erwarten.“

Shelby fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und holte Luft. Sie sah alles genau vor sich. „Sie muss vor der ganzen Gesellschaft etwas sagen.“

Dex richtete sich auf und beugte sich zu ihr vor. „Sie meinen, sie soll ihn vor der ganzen Partymeute zur Rede stellen, weil er sie betrogen hat?“

„Nein, so plump ist sie nicht“, entgegnete Shelby. „Sie wird sich zusammenreißen, obwohl sie sich in ihrem befleckten Kleid fürchterlich fühlt, allein und in der Gewissheit, dass alle von ihrer gescheiterten Beziehung gehört haben und sie bemitleiden. Sie bittet um das Mikrofon und erklärt den Gästen, was für ein wunderbares Paar die beiden sind. Dass sie Braut und Bräutigam alles erdenkliche Glück wünscht. Wenn sie dann mit Tränen in den Augen das Mikro zurückgibt, applaudiert niemand im Saal. Alles ist still, während sie den Empfang verlässt, sich an den Tischen vorbeischlängelt, bis zur breiten Flügeltür, die sie weit öffnet und dann in den Sonnenschein hinausgeht. Die Gäste haben die Gerüchte gehört. Im Grunde denken alle das Gleiche: Die Ehe von Reese und Kurt wird nicht halten.“

„Sie meinen Jada und Pete.“

Shelby blinzelte und blickte Rance mit einem gequälten Lächeln an. „Ja, klar, Jada und Pete natürlich.“

Dex musterte Shelby perplex. Was war da gerade passiert? Shelby hatte keine Erfahrung mit Drehbüchern oder als Autorin, soweit er wusste. Trotzdem hatte sie gerade eine perfekte Lösung für den Ausgang dieser Schlüsselszene aus dem Ärmel geschüttelt.

Aber wer waren Reese und Kurt? Und eine noch wichtigere Frage: Wer war diese Shelby Scott wirklich, die sich hinter der Fassade einer jungen Frau aus der Provinz verbarg?

Rance fuhr sich mit den Fingern durch sein dunkles Haar und sprang auf. „Lasst uns das aufschreiben.“ Er setzte sich an seinen Schreibtisch, schaltete den Laptop ein und schob die über den Tisch verteilten Ausdrucke des Drehbuchentwurfs beiseite.

Nach drei Stunden, unzähligen Tassen Kaffee und einem Imbiss vom Chinesen war die Szene perfekt. Rance lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah Shelby an.

„Shelby, schreiben Sie auch?“, fragte er.

„Das ist nicht meine Stärke“, gestand sie und schüttelte den Kopf, sodass ihr das mahagonifarbene Haar über die Schultern fiel. „Aber ich sehe mir viele Filme an.“

Dex schob seine fast leere Pappschachtel mit Chow Mein beiseite. „Haben Sie einen Lieblingsfilm?“

„Sie werden mich auslachen.“

„Nein, bestimmt nicht.“

„Ich liebe Stummfilme“, gestand sie. „Rudolph Valentino mag ich besonders.“

„Viele Frauen in Los Angeles mögen Valentino.“ Rance stand auf und streckte sich. „Vor allem die von der Haute-Couture-Fraktion.“

Shelby lachte, und Dex bemerkte, dass sich Rances Miene auf eine Art aufhellte, wie er es noch nie gesehen hatte. Nach einer unangenehmen Trennung hatte sich sein Freund schon seit über einem Jahr mit keiner Frau mehr verabredet. Dex nahm an, dass Rance gerade beschlossen hatte, etwas gegen diesen Zustand zu unternehmen.

„Die große Mode interessiert mich nicht“, entgegnete Shelby.

„Das sollte sie aber.“ Rance ging zu ihr hinüber. „Ich bin sicher, dass die große Mode Sie mag. Und die Leinwand. Ich staune, dass Dex Ihnen noch keine Probeaufnahmen angeboten hat.“

„Für eine Filmrolle?“ Shelby legte ihre Essstäbchen beiseite. „Das ist nicht mein Ding.“

Sie erzählte von ihrem Beruf als Nanny und wie ihr Treffen mit Dex heute zustande gekommen war. Dann warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr und erklärte: „Jetzt muss ich aber nach Hause gehen. Meine Schicht fängt morgen früh um sieben an.“

„Wo Shelby arbeitet, werden die besten Cheeseburger der Stadt serviert“, sagte Dex. „Und der beste Kaffee – wenn er nicht gerade vorher verschüttet wird.“ Er tauschte einen amüsierten Blick mit Shelby. Dann begann sie, die leeren Fast-Food-Schachteln einzusammeln.

„Ich räume das hier noch schnell weg.“

„Sie sind mein Gast“, widersprach Rance.

„Sie haben beide nicht zugelassen, dass ich meinen Anteil bezahle, deshalb werde ich zumindest das beitragen.“

„Sie haben genug getan, indem Sie uns mit dem Script geholfen haben“, betonte Dex.

„Mehr als genug“, pflichtete ihm Rance bei.

Aber Shelby war nicht zu bremsen und hatte einen Moment später alles eingesammelt.

Als sie in der Küche und außer Hörweite war, rückte Rance seine Brille zurecht. „Sie ist nicht dein üblicher Typ. Zuerst dachte ich, sie wäre wieder so eine Möchtegernschauspielerin, die sich bei dir zum Star hocharbeiten will.“

„Und jetzt?“

Rance legte die Hand aufs Herz. „Jetzt bin ich total verliebt.“

Das wäre sein Stichwort für ein Lachen, zumindest ein Lächeln, aber Dex verzog keine Miene. Stattdessen warf er seinem Freund einen warnenden Blick zu. „Sie ist tabu.“

„Ich dachte, du wolltest sie als Nanny engagieren?“

„Und ich möchte nicht, dass jemand sie von ihrem Job ablenkt.“

„Sie wird mit deinem kleinen Bruder Bilder malen und Sandburgen bauen, mehr nicht.“ Rance tippte auf seine Kopien. „Vielleicht hat sie ja zwischendurch Lust, etwas anderes zu machen.“

„Vielleicht, dir bei den Drehbüchern zu helfen?“

„Warum nicht?“

Er würde Rance erklären, warum nicht. „Sie ist noch jung. Ein nettes Mädchen aus der Kleinstadt. Sie braucht keinen Mann, der ihr Leben durcheinanderbringt.“

„Und ich nehme an, du hast natürlich auch nicht vor, da irgendetwas durcheinanderzubringen.“

Dex hätte Rance am liebsten mit deutlichen Worten den Kopf zurechtgerückt. Shelby war zweifellos eine Schönheit, aber er würde sich nicht mit ihr einlassen. Er hatte keinesfalls vor, sie zu verführen, egal wie sehr sie ihn reizte.

Da kehrte Shelby aus der Küche zurück.

„Sind wir jetzt fertig hier?“, fragte sie.

Rance grinste. „Fürs Erste schon.“

Nachdem sie sich verabschiedet hatten, machten sich Shelby und Dex wieder auf den Weg. Dex gab ihre Adresse ins Navi ein, während ihm Rances Kommentare durch den Kopf gingen. Shelby war kaum in der Stadt, da zog sie bereits mit ihrem Aussehen, ihrer Klugheit und ihrer charmanten Bescheidenheit die Aufmerksamkeit auf sich. Er lenkte den Wagen aus der Einfahrt und die Straße hinunter.

Irgendwie musste er Shelby davon überzeugen, dass sie sein Jobangebot annahm – bevor jemand sie ihm wegschnappte. Er tippte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. „Rance findet, dass Sie ein Naturtalent sind.“

„Anfängerglück.“

„Oder wirkliches Talent.“

„Sie müssen mir keinen Honig ums Maul schmieren, Mr Hunter.“

„Mein Name ist Dex.“

„Wie auch immer. Ich habe meine Meinung wegen des Jobs nicht geändert.“

Er sah stirnrunzelnd zu ihr hin. „Doch nicht wegen der Begegnung mit Bernice, oder?“

Shelby blickte nur geradeaus und schüttelte den Kopf.

„Weshalb dann? Hat Ihnen das chinesische Essen nicht geschmeckt?“, scherzte er.

Sie schwieg immer noch.

„Habe ich erwähnt, dass Sie eine eigene Suite mit Blick aufs Meer bekommen?“

Sie wandte den Kopf ab.

Er versuchte, seine Ungeduld nicht zu zeigen. „Sie geben mir und Tate keine Chance.“

Shelby blickte einfach weiter aus dem Fenster, während die Straßen von Los Angeles vorbeizogen. Dex umfasste das Lenkrad fester. Mann, sie war wirklich dickköpfig. Er wünschte nur, dass sie nicht auch so verdammt attraktiv wäre.

Sie erreichten Shelbys Apartmenthaus, ein schlichtes Gebäude in einer akzeptablen Gegend. Trotzdem stellte er den Motor aus und öffnete seine Tür, um sie ins Haus zu begleiten. Shelby war schon ausgestiegen.

„Sie müssen mich nicht zur Tür bringen“, sagte sie, als er neben sie trat.

Aber seine Mutter hatte ihm und seinen Brüdern beigebracht, eine Frau richtig nach Hause zu begleiten. Und das galt auch für Madam Unabhängig. An der Haustür blieb sie stehen und sah ihn entschlossen an.

„Vielen Dank für den Abend heute. Es war … anders.“

„Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.“

Shelby wollte gerade den Sicherheitscode in das Tastenfeld an der Haustür eingeben, als sie nachdenklich die Hand sinken ließ. „Es tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen mit Ihrem kleinen Bruder helfen kann. Es ist einfach so … Sie brauchen wahrscheinlich ein Kindermädchen, die sich in Ihren Kreisen besser zurechtfindet.“

„Shelby, wenn Sie zu diesen Kreisen gehören würden, wären Sie meiner Meinung nach für den Job nicht geeignet. Ich brauche eine verantwortungsvolle Person, die auf einen fünfjährigen Jungen aufpassen kann, wenn sein großer Bruder gerade nicht da ist. Ich suche keine Partylöwin.“

Als er eine leichte Unentschlossenheit in ihrem Blick bemerkte, kam ihm eine Idee. Er zog sein Smartphone heraus und tippte auf die Videowiedergabe. „Das habe ich bei meinem letzten Besuch in Australien aufgenommen.“

Shelby strich sich ihr volles Haar zurück und beugte sich vor. „Das ist Tate?“, fragte sie.

„Wie er am Strand von Sydney herumalbert.“

Tate stand schwankend in der Brandung, die Sommersonne im Rücken, während die Wellen seine dünnen Beinchen umspülten und ihn hin und her rissen. Schließlich wurde er vom Sog des Wassers umgeworfen und landete auf seinem Hinterteil. Mit beiden Händen schlug er auf den nassen Sand ein und lachte quietschend in die Kamera.

Shelby musste ebenfalls lachen. Als der Film zu Ende war, senkte sie den Blick. Dann hob sie den Kopf und sah Dex mit ihren unglaublichen grünen Augen an.

„Er ist wirklich süß“, sagte sie.

„Und klug. Und sehr liebevoll. Für einen kleinen Jungen kann er ziemlich große Umarmungen verteilen.“

Shelby lächelte bei seinen Worten, dann wurde sie wieder ernst. „Ich will kein Filmstar werden und habe auch kein Interesse an den Berühmten und Reichen. Hier leben weit mehr durchschnittliche Leute als Prominente, und ich hatte mir eigentlich vorgestellt, für eine Durchschnittsfamilie mit Kindern zu arbeiten. Sie, Mr Hunter, sind alles andere als durchschnittlich. Bei Ihnen weiß ich nie, was ich als Nächstes zu erwarten habe. Ich bin nicht gerade ein Fan von Überraschungen.“

„Überraschungen sind aber manchmal gut.“

Sie wirkte nicht überzeugt. „Werden Sie jemanden mitbringen, wenn der Junge im Haus ist?“

„Falls Sie Frauen meinen, ich habe keine Beziehung. Und selbst wenn, ich werde meine Zeit nur Tate widmen, wenn er da ist.“ Er ging noch einen Schritt weiter und nannte ihr das angedachte Honorar.

Shelby machte große Augen. „Aber vielleicht mag Tate mich noch nicht einmal.“

„Ich glaube nicht, dass wir uns darüber Sorgen machen müssen.“

Wieder wurde sie nachdenklich.

„Wie wäre es mit einem Halbjahresvertrag?“

Shelby runzelte die Stirn. „Seine Eltern lassen ihn so lange wegbleiben?“

Dex zögerte. Shelby hatte sowieso schon den Eindruck, dass er ein wildes Leben führte. Es bestand kein Anlass, ihr jetzt etwas über den Grund von Tates Besuch zu verraten. „Ich möchte einfach, dass es sich für Sie lohnt“, erwiderte er, was auch stimmte.

Sie knabberte an ihrer Unterlippe, offenbar hin- und hergerissen.

„Kommen Sie, Shelby. Sagen Sie Ja, Tate zuliebe.“

Nach einer gefühlten Ewigkeit nickte sie. „Sagen Sie mir, wann ich anfangen soll“, erklärte sie lächelnd.

Er hätte sie am liebsten stürmisch umarmt. Keine gute Idee. „Sagen wir Freitag.“

„So bald schon?“

„Tate kommt in einer Woche. Wir müssen alles vorbereiten und das Notwendige besorgen.“

„Oh, natürlich.“ Sie straffte die Schultern. „Das kann ich tun.“

„Sollen wir unsere Abmachung mit einem Handschlag besiegeln?“

Sie griff nach seiner ausgestreckten Hand, und wieder spürte er dieses prickelnde Gefühl. Genauso wie vorher, als er sie an der Straße in den Armen gehalten hatte. Sehr angenehm. Sein Herz schlug schneller. Das ist äußerst unpassend, ermahnte er sich selbst. Er hatte erreicht, was er wollte, nun sollte er sich freuen und gehen.

Shelby genoss die angenehme Wärme, die sie durchströmte, dann riss sie sich zusammen und zog ihre Hand zurück. Ihre Kehle fühlte sich plötzlich trocken an. „Wir sehen uns dann“, brachte sie schließlich hervor.

„Ich freue mich schon darauf.“

Plötzlich hörte sie den Verkehrslärm von der Straße und die lauten Geräusche eines Fernsehers aus der Nachbarschaft nicht mehr. Sie konnte sich nur noch auf Dex’ warme, tiefe Stimme konzentrieren. Hatte er ihre Berührung ebenfalls als so elektrisierend empfunden? Diese Wärme war so beängstigend. So anziehend …

Am liebsten hätte sie ihn auf eine Tasse Kaffee zu sich eingeladen. Oder sollte sie sich besser wünschen, ihm nie begegnet zu sein?

Sie wollte sich im Moment auf keinen Mann einlassen, besonders nicht auf einen Mann wie Dex Hunter. Offensichtlich war er kein Frauenverächter. Und die Frauen waren zweifellos verrückt nach ihm. Sie hatte jedenfalls für eine Weile genug von irgendwelchen Verwicklungen. Ihre letzte schmerzhafte Erfahrung war noch zu frisch in ihr Gedächtnis eingebrannt.

Einen kurzen Moment lang blickte er sie mit seinen Raubkatzenaugen an, als hoffte er auf eine Einladung. Als sie entschlossen das Kinn hob und den Code eingab, nickte er ihr zum Abschied zu, und als sie durch die Tür trat, ging er zurück zu seinem Wagen.

Minuten später, in ihrem möblierten Apartment, setzte sich Shelby aufs Bett und zog das alte Foto aus der Seitentasche ihres Beutels. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie es wütend zerrissen. Dann, bevor sie aus Mountain Ridge aufgebrochen war, hatte sie die Fetzen sorgfältig wieder zusammengeklebt.

Die beiden Mädchen auf dem Foto erschienen Shelby inzwischen wie Geister aus der Vergangenheit. Die eine mit blondem Haar, die andere mit wilden dunkelroten Locken. Freundinnen seit der Grundschule, die sich vorbehaltlos geliebt hatten. Die alles geteilt hatten.

Aber selbst für beste Freundinnen gab es Tabus.

3. KAPITEL

Auf der Fahrt nach Hause wurde Dex durch das Klingeln seines Handys aus den Gedanken an Shelby Scott gerissen. Er nahm den Anruf an, und die Stimme seines jüngeren Bruders Wynn drang aus dem Lautsprecher. Stirnrunzelnd sah Dex auf die Uhr am Armaturenbrett.

„Wynn, es ist zwei Uhr morgens in New York. Was ist denn bei dir los?“

„In Australien ist es später Nachmittag, aber Cole geht nicht ans Telefon. Ich mache mir Sorgen. Gibt’s irgendwelche Neuigkeiten in Bezug auf Dad?“

„Nun, du weißt, dass es noch einen Anschlag auf ihn gegeben hat, nachdem er mit seinem Wagen von der Fahrbahn abgedrängt wurde. Der Schuss hat ihn um Zentimeter verfehlt. Glücklicherweise war sein Bodyguard dabei, als der Verrückte zum dritten Mal auftauchte und Dad und Tate fast entführt worden wären.“

„Ich habe gehört, Dad war bei Onkel Talbot.“

„Ich nehme an, dass Dad nach so vielen Jahren versucht, die Unstimmigkeiten mit seinem Bruder beizulegen.“

Vor Jahrzehnten hatte Guthrie Hunter den Vorsitz im damals noch viel kleineren Familienunternehmen übernommen. Zu der Zeit hatte der Geschäftsbereich nur Printmedien umfasst. Sein Bruder Talbot hatte sich benachteiligt und bevormundet gefühlt, obwohl er eine verantwortungsvolle Position bekommen hatte. Irgendwann hatte er sich aus dem Unternehmen zurückgezogen. Aus seinem Groll gegen Guthrie war eine jahrelange Fehde geworden.

Dex glaubte, dass dieser Bruch einer der Gründe dafür gewesen war, dass Guthrie Hunter nach seiner Herzoperation vor ein paar Jahren sein inzwischen weltweit agierendes Medienimperium Hunter Enterprises zu gleichen Teilen auf Dex und seine Brüder aufgeteilt hatte. Wynn war die Leitung des Printsektors übertragen worden.

Soweit Dex es beurteilen konnte, hatte Wynn dabei den Kürzeren gezogen. Diesen Geschäftszweig durch das digitale Zeitalter zu steuern, erforderte nicht nur einen klugen Kopf, sondern auch eiserne Nerven.

„Nach der Schießerei hat der Privatdetektiv den Täter verfolgt, oder?“, fragte Wynn gerade. „Ich kann es kaum glauben, dass der Idiot sich mitten in den Verkehr gestürzt hat und sich überfahren ließ.“

„Offensichtlich hatte er vorher irgendwelchen Ärger mit unserer Nachrichtenredaktion“, sagte Dex, während er auf den Freeway einbog, über den er in fünf Minuten zu Hause sein würde. „Nachdem er den Unfall nicht überlebt hat, hätte die Sache eigentlich erledigt sein sollen.“

Aber das war ein Irrtum gewesen, wusste Dex jetzt. Nicht lange nach dem Vorfall bei Onkel Talbot hatte man seinen Vater am helllichten Tag überfallen. Dex drehte sich der Magen um, als er daran dachte, dass sein Vater und Tate fast in einem schwarzen Lieferwagen entführt worden wären. Er würde alles dafür geben, um endlich zu erfahren, wer hinter diesen Anschlägen steckte.

„Tate kommt mich eine Weile besuchen“, sagte er zu Wynn. „Dad möchte, dass er in Sicherheit ist, falls noch einmal etwas passieren sollte. Er wollte auch, dass Eloise Sydney verlässt, aber sie bleibt da, weil sie inzwischen ja schon hochschwanger ist.“

„Wahrscheinlich will sie Dad auch nicht allein lassen.“

Dex schnaubte. „Du und deine rosarote Brille.“

„Wir sind vielleicht nicht unbedingt von seiner Heirat mit Eloise begeistert, aber wir sollten Dad Rückhalt geben.“

Dex fragte sich, ob Wynn wirklich keinen Verdacht schöpfte. Bei der vergangenen Weihnachtsfeier, als die ganze Familie zusammengekommen war, hatte Dex seine liebe Stiefmutter Eloise dabei überrascht, wie sie sich gerade an den genervten Cole herangemacht hatte. Sein älterer Bruder war aus dem Zimmer geflohen, und Eloise hatte sich prompt auf ihn konzentriert. Sie verlor wirklich keine Zeit.

Eine Zeit lang hatte er es nicht wahrhaben wollen, genau wie Cole. Sie wollten beide nicht glauben, dass ihr Vater bei der Wahl seiner zweiten Frau dermaßen falsch gelegen hatte – und dass Eloise ihren Mann zum Narren hielt. Anderseits wollten sie keinen Unfrieden in der Ehe ihres Vaters stiften.

Dann begannen die Anschläge auf Guthrie Hunter. Cole hatte gleich Eloise verdächtigt. Doch Recherchen hatten ergeben, dass sie unschuldig war – zumindest, was die Anschläge betraf.

Dex verabredete mit Wynn, dass sie sich weiterhin gegenseitig auf dem Laufenden halten würden. Er beendete das Gespräch, als er in seine Garage fuhr.

Im Wohnzimmer angekommen, hob Dex alarmiert den Kopf. War das Rauch? Ein merkwürdiges Licht draußen hinter dem Fenster erregte seine Aufmerksamkeit. Auf dem Rasen hinter dem Haus brannte etwas. Er öffnete die Terrassentür und lief eilig in den Garten.

Vor seinem von Palmen umstandenen Swimmingpool kokelte eine kleine Holzkiste vor sich hin. Bei näherer Betrachtung sah sie aus wie ein Miniatursarg. Funken stoben in alle Richtungen, als sich ein glühendes Stück Holz löste und auf den Rasen fiel. Ein paar Funken flogen bis auf sein Hosenbein. Aber Dex rührte sich nicht, er spürte nur einen kalten Schauer, der ihm über den Rücken lief. Die Botschaft war eindeutig.

Vor Kurzem hatte er einen Drohbrief erhalten. Wenn er nicht zahlte, würde ein unglücklicher Vorfall, der vor einigen Jahren passiert war, ans Licht kommen. Dex konnte sich denken, worum es ging. Besagter Vorfall hatte mit seinem Freund Joel und dem Brand in einer Fabrik zu tun. Glücklicherweise hatte sich damals niemand in dem Gebäude aufgehalten. Was die Tat nicht entschuldigte. Brandstiftung war eine kriminelle Handlung. Genauso wie das Zurückhalten von Beweisen.

Er hatte zwar mit Cole über diesen Drohbrief gesprochen, trotzdem hatte Dex die Sache nicht wirklich ernst genommen. Jetzt war er sich jedoch nicht mehr sicher. Konnte diese alte Geschichte vielleicht mit den Überfällen auf seinen Vater zusammenhängen? Wollte derjenige, der hinter den Anschlägen steckte, auf einmal seine ganze Familie bedrohen?

Doch die wichtigste Frage war: Durfte er unter diesen Umständen Tate bei sich aufnehmen?

4. KAPITEL

„Kannst du mich nicht bitte mitnehmen, wenn du hier aufhörst?“

Shelby, die gerade dabei war, die Tische abzuwischen, schaute auf. Ihre Kollegin und Freundin Lila Sommers sah sie flehend an.

Shelby lächelte aufmunternd. „Du wirst bestimmt bald eine Antwort auf deine Collegebewerbung bekommen.“ Sie seufzte. „Ich kann nicht fassen, dass du gleich zwei Hauptfächer auf einmal studieren willst. Du bist eine echte Intelligenzbestie.“

„Aber offensichtlich bin ich nicht clever genug, um einen Job beim schärfsten Junggesellen der Stadt zu ergattern. Dex Hunter kommt schon seit Ewigkeiten zum Essen hierher.“

„Ich bin mir nicht sicher, was du mit scharf meinst.“ Shelby setzte eine strenge Miene auf. „Nur weil er Single ist, muss er noch lange nicht das große Los sein.“

„Na gut …“ Lila begann, an den Fingern abzuzählen. „Er ist charismatisch. Unglaublich gut aussehend. Stinkreich. Charmant …“

„Hat dir deine Mutter nie beigebracht, dass du dich gerade vor den Charmeuren in Acht nehmen sollst?“

„Meine Mutter war eine absolute Männerhasserin. Ihr Rat war, mich von allen Männern fernzuhalten. Punkt.“

„Dann hat sie wohl schlechte Erfahrungen gemacht.“

„Allerdings – mit meinem Erzeuger.“

„Oh, Lila, das tut mir leid.“

„Das geht nur die beiden etwas an.“ Lila zuckte die Achseln. „Dad und ich kommen gut klar. Als er erfahren hat, dass ich unbedingt studieren will, hat er versprochen, die Unigebühren für mich zu bezahlen.“ Sie wischte den nächsten Tisch ab. „Wenn ich einen Platz bekomme.“

Shelby dachte an ihren eigenen Vater, ihren verlässlichen Fels in der Brandung. „Ich bin keine Männerhasserin“, sagte sie. „Aber ich werde mich vorläufig auf keinen einlassen.“

„Das kann ich nicht glauben, so wie du Dex Hunter gestern angesehen hast. Es ist ja nichts, was dir peinlich sein müsste. Wenn sich ein Typ wie er für mich interessieren sollte, würde ich schmelzen wie Schokolade auf dem Grill.“

„Du weißt genau, das ist nicht der Grund, warum ich den Job angenommen habe.“

„Du willst bestimmt später auch mal Kinder haben, oder?“, fragte Lila, während sie die Salz- und Pfeffer-Streuer zurechtrückte und die Stühle an ihren Platz schob.

Eigene Kinder? Die wünschte sich Shelby mehr als alles andere. „Aber zuerst müsste ich den richtigen Mann finden“, wandte sie ein.

Und derzeit war sie definitiv nicht auf der Suche.

„Man kann ja nie wissen.“ Lila lächelte frech. „Es könnte Dex Hunter sein.“

Shelby stieg bei der Bemerkung die Hitze ins Gesicht. Schnell schob sie den letzten Stuhl zurecht. „Wir müssen weiterarbeiten. Die Mittagsgäste werden bald hier einfallen.“

„Wäre das nicht ein Traum, wenn ihr beide euch ineinander verlieben würdet und …“

Shelby schlug spielerisch mit ihrem Lappen nach Lila. „Hier wird nicht geträumt.“ Nachdem sie ihrer Freundin von dem peinlichen Vorfall zu Hause in Mountain Ridge berichtet hatte, sollte Lila wissen, dass sie alle Männer für unbestimmte Zeit aus ihren Gedanken gestrichen hatte. Oder zumindest sollte sie das. „Ich werde als Nanny für Dex Hunter arbeiten, mehr ist da nicht.“

„Na, da bin ich ja froh, dass wir das klargestellt haben“, sagte hinter ihr jemand amüsiert.

Shelby stockte der Atem, als sie die Stimme hörte und dazu den verblüfften Ausdruck auf Lilas Gesicht sah. Sie drehte sich langsam um, und da stand Dex vor ihr, lässig gekleidet in Jeans und Oberhemd und mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen. Er wirkte so entspannt. Aber sein Blick war beunruhigend intensiv … wie der einer hungrigen Raubkatze. Der gleiche Blick, der ihr gestern Abend beim Abschied die Knie hatte schlottern lassen.

Aber das änderte nichts an dem, was sie gerade gesagt hatte. Sie war nicht an einer Affäre interessiert. Und diese breiten Schultern, der muskulöse Oberkörper, sein wahnsinniger Sex-Appeal, dieses umwerfende Lächeln …

Das alles interessierte sie überhaupt nicht.

Shelby riss sich zusammen. Was wollte er hier überhaupt? „Stimmt etwas nicht?“, erkundigte sie sich.

„Ich wollte nur Bescheid sagen, dass es eine kleine Planänderung gibt. Tate wird schon morgen Nachmittag eintreffen.“ Dex setzte sich auf einen der Stühle. „Ich habe heute Morgen in Sydney angerufen, um … einige Details zu klären. Mein Bruder Cole, der in Australien wohnt, will Urlaub machen, und er will sichergehen, dass Tate vor seiner Abreise gut bei mir ankommt.“

„Sie scheinen nicht sehr glücklich darüber zu sein.“

„Es hat sich gestern noch etwas anderes ergeben“, sagte Dex, als Lila ihm einen Kaffee servierte und den bereits blitzsauberen Nebentisch noch einmal abwischte, um in der Nähe zu bleiben. „Ich muss eine neue Unterkunft für uns finden, bis ein paar kleine Probleme in meinem Haus beseitigt sind.“

„Probleme wie eine Überschwemmung im Bad oder ein Loch im Dach?“

„Eher so etwas wie Nagetiere im Keller.“ Er blickte nachdenklich in seinen Kaffeebecher. „Ich habe eine Suite in der Stadt angemietet. Es wäre gut, wenn Sie mir helfen könnten, sie entsprechend vorzubereiten.“

Das ging jetzt alles sehr schnell. Shelby setzte sich verblüfft zu ihm. Da ertönte hinter ihnen die wütende Stimme ihres Chefs.

„Diese Stühle sind nur für Gäste gedacht!“

Shelby sprang wieder auf.

Mr Connor hatte die Hände in die Hüften gestämmt und sah sie giftig an. Dann wandte er sich an Dex. „Shelby ist hier angestellt, um unseren Gästen das Essen zu servieren. Sie sind ein guter Kunde, aber ich muss an mein Geschäft denken.“

Dex stand ebenfalls auf. „Ich habe Shelby einen Job angeboten. Sie hat doch sicher bereits bei Ihnen gekündigt.“

„Also Sie waren das.“ Connor machte schmale Augen. „Sicher. Sie hat die Kündigung eingereicht. Aber bis zum Wochenende muss sie noch arbeiten.“

„Ich hatte gehofft, dass Sie Shelby früher aus dem Vertrag entlassen könnten“, entgegnete Dex.

„Wann zum Beispiel?“

„Zum Beispiel jetzt gleich.“

Mr Connor zuckte die Schultern. „Wie ich schon sagte, ich muss an mein Geschäft denken.“

Dex zog seine Brieftasche heraus. „Ich bin sicher, wir können uns irgendwie einigen …“

„Ich will Ihr Geld nicht.“

Dex ließ sich nicht beirren. „Wir müssen die Sache regeln.“ Er zog ein paar große Scheine aus seinem Portemonnaie.

Connor rümpfte die Nase, zögerte, dann hielt er die Hand auf. „Na gut. Aber ich warne Sie. Das ist sie nicht wert.“

Shelby wich einen Schritt zurück, als sie Dex’ wütenden Blick sah. Sie hätte Connor am liebsten eine Ohrfeige verpasst, und sie war sicher, dass Dex den gleichen Impuls verspürte. Doch er verzog nur die Lippen zu einem Grinsen und stopfte Connor die Scheine in den Ausschnitt seines Hawaiihemdes.

„Das sollte reichen, um jegliche Verluste für Ihr Etablissement auszugleichen. Ich denke doch, dass wir alle daran interessiert sind, diesen Abschied friedlich über die Bühne zu bringen.“ Dann zog er noch ein paar Scheine heraus und reichte sie Lila. „Vielen Dank für den tadellosen Service in all der Zeit. Das Essen habe ich genossen, auch wenn Ihr Chef ziemlich unangenehm ist.“

Shelby brauchte keine Minute, um ihre Sachen zu holen. Als sie zurückkam, nahm Dex ihre Hand und zog sie mit sich nach draußen auf die belebte Straße.

„Mr Connor hatte schon rote Flecken im Gesicht, so hat er sich aufgeregt“, sagte sie.

„Mr Connor ist ein Esel.“

„Füttern Sie Esel immer mit einer Menge Scheinen, damit sie Ruhe geben?“

„Nein, eigentlich nicht. Aber wenn ich die Sache nicht auf diese Weise erledigt hätte, wäre ich auf eine andere Idee gekommen.“ Am liebsten hätte Dex diesem Kerl einen ordentlichen Kinnhaken verpasst. Er fuhr sich mit der Hand über seinen knurrenden Magen. „Himmel noch mal, ich habe richtigen Hunger.“

„Bekommen Sie immer Hunger, wenn Sie sich ärgern?“

Normalerweise ärgerte er sich nicht. „Das muss wohl so ein primitiver Instinkt sein, vor oder nach einem Kampf Energie zu tanken.“

„Wenn ich wütend war und Dampf ablassen musste, bin ich immer auf mein Pferd gesprungen und wie eine Wilde losgeritten“, sagte Shelby, während sie sich einen Weg durch die Fußgängermassen bahnten.

„Das ist nicht so gut, wie einen Haufen Pfannkuchen zu verdrücken.“

„Aber besser für die Figur.“

Er blieb stehen und musterte sie. Bisher hatte er gar nicht bemerkt, wie scharf sie in dieser Kellnerinnenschürze aussah. Um ihre Figur brauchte sie sich jedenfalls keine Sorgen zu machen. Sie gingen langsam weiter. Plötzlich fiel ihm auf, dass er immer noch ihre Hand hielt. Er räusperte sich und ließ sie los.

„Haben Sie einen Kammerjäger wegen der Nagetiere bestellt?“, wollte sie wissen.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, für welche Methode ich mich entscheiden soll. Gift oder Fallen.“

„Klingt ja schlimm.“

„Nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssen.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Lassen Sie uns lieber planen. Wir brauchen eine Liste. Lebensmittel können wir in die Suite liefern lassen.“

„Ich würde lieber selbst einkaufen gehen.“

Er blickte sie verständnislos an. „Warum das?“

„Wenn ich alles sehe, weiß ich besser, was ich brauche.“

Das klang für ihn ziemlich umständlich, aber sie schien fest entschlossen zu sein. Also gingen sie auf einem Markt einkaufen – Brot, Eier, Fleisch und frisches Gemüse, inklusive Spinat. Shelby bestand darauf und meinte, dieses Grünzeug wäre für Kinder sehr wichtig. Dex runzelte die Stirn. Solange sie nicht von ihm erwartete, dass er sich auch von diesem Popeye-Zeug ernährte …

Schließlich trafen sie im Beverly Hills Hotel ein. Nachdem die Gepäckträger ihre Einkäufe an sich genommen hatten, parkte ein anderer Hotelangestellter den Wagen, und Dex checkte am Empfang ein. Sie erreichten ihre Suite im selben Moment wie die Pagen mit den Einkäufen. In der Küche warf Dex einen Blick in eine der Einkaufstüten. Er wandte sich rasch wieder ab und zog eine Grimasse.

Shelby reckte den Hals, um in die Tüte zu blicken, dann grinste sie. „Sie stellen sich beim Anblick von Spinat ja an wie ein kleiner Junge. Dabei sind in Spinat unheimlich viele Vitamine drin.“

„Sie klingen wie ein Werbespot.“

Shelby zog den Bund Karotten aus der Tüte. „Die hier enthalten Ballaststoffe und vor allem Vitamin A.“

Dex grinste. „Ich bin mehr der Typ für Kartoffeln. Mit guten Pommes kann man bei mir nichts falsch machen.“

Mit ein paar Dosen in der Hand drehte sich Shelby suchend um, entdeckte die Tür zur Vorratskammer und öffnete sie. „Ich mache die Pommes frites selbst. Und es ist nicht die Sorte, mit der sie heimlich den Hund unter dem Tisch füttern müssen.“

„Ich habe keinen Hund, und Sie brauchen nicht zu kochen.“

„Nicht mal meine Spezialität? Leckeres gebratenes Steak?“

Dex stöhnte gespielt auf. „Sie wagen es, über so etwas zu sprechen, wo ich vor Hunger fast umkomme?“ Er reihte einige Becher Sahne auf dem Küchentresen auf. „Was halten Sie denn von Desserts?“

„Ich bin der Meinung, man sollte jeden Tag mit etwas Süßem beenden.“

Sein Blick fiel auf ihren gerundeten Po. Okay, der Meinung bin ich auch, dachte er und wandte sich zum Kühlschrank, gerade als sich Shelby von der Vorratskammer wegdrehte. Prompt stießen sie zusammen. Schnell legte er den Arm um sie, als sie rückwärts stolperte.

Es war nur eine harmlose Berührung, und sie lachte sogar, als er sagte: „Mit diesen Zusammenstößen müssen wir endlich mal aufhören.“ Aber sein Puls hatte sich sofort erhöht, als er nur allzu deutlich ihre Brüste an seinem Oberkörper spürte.

Schnell lösten sie sich wieder voneinander und räumten weiter die Lebensmittel ein.

„Ich habe vergessen zu erwähnen, dass Ihr Freund mich heute Morgen im Café besucht hat“, sagte Shelby. „Er war auf dem Weg, die Stadt zu verlassen.“

Dex sah zu ihr hin und überlegte stirnrunzelnd, wo er die geräucherte Salami verstauen sollte. „Sie meinen Rance?“

„Er hat mich gefragt, ob ich als Assistentin für ihn arbeiten möchte.“ Shelby griff nach einer Packung Butter. „Ich fühlte mich sehr geschmeichelt.“

„Aber Sie haben den Job nicht angenommen.“

„Ich könnte mich ja irren, aber ich glaube, Mr Loggins erwartet mehr von einer Assistentin, als ich zu geben bereit wäre. Das habe ich ihm auch gesagt. Er hat nichts darauf geantwortet, nur gelächelt.“

Dex grinste in sich hinein. Es war nicht zu übersehen gewesen, dass Rance von ihr hingerissen war. Shelby hatte ja auch wirklich Talent als Drehbuchretterin.

Sie verstaute die Butter im Kühlschrank und wandte sich wieder zu ihm um. „Wenn ich Sie etwas frage, antworten Sie mir dann ehrlich?“

„Klar doch.“

„Sie haben nicht wirklich Ratten im Keller, oder?“ Als er zögerte, sagte sie: „Ich meine diese Tierchen mit den nackten Schwänzen und dem graubraunen Fell. Kleine spitze Zähne …“

Dex lehnte sich gegen den Küchentresen und verschränkte die Arme vor der Brust. Gestern Abend hatte er sich gefragt, ob die Drohungen, die er bekommen hatte, mit den Anschlägen auf seinen Vater zusammenhingen. Aber er hatte diesen Gedanken wieder verworfen. Die Vorfälle hatten nichts miteinander zu tun. Wer auch immer hinter den Erpressungsversuchen steckte, war ein Feigling. Ein Mistkerl, der nicht den Mumm besaß, ihm direkt gegenüberzutreten.

Er wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen. Einige Dinge ändern.

Vor drei Jahren hatte sich ihm sein Freund Joel Chase zerknirscht anvertraut. Er hatte geschworen, dass er das Fabrikgebäude zwar mit Rachegedanken betreten, aber dann seine Meinung wieder geändert hatte. Unglücklicherweise hatte er das angezündete Streichholz nicht gleich gelöscht, sondern damit herumgespielt. Der Brandbeschleuniger hatte den Rest erledigt.

Dex hatte sich in seinem Leben noch nie so hin- und hergerissen gefühlt. Da niemand verletzt worden und Joel voller Reue gewesen war, hatte er den Mund gehalten. Damals wie heute hatte Joel viel mehr zu verlieren als er, sollte die Wahrheit je herauskommen.

Aber Dex wollte sich darüber jetzt keine Sorgen machen. Auch dieser Sturm wird vorüberziehen, sagte er sich. Das musste er sogar, denn er würde eher in einem pinkfarbenen Tutu auf offener Straße Pirouetten drehen, als einem Erpresser – wofür auch immer – Geld aushändigen. Wenn er Tate nicht erwartet hätte, wäre er in seinem Haus geblieben. Er hätte sich diesen Feigling geschnappt und zur Rede gestellt. Nun musste er sich mit der Installation von Überwachungskameras in seinem Haus und auf dem Grundstück begnügen.

Er begegnete Shelbys fragendem Blick. „Sagen wir mal so, ich musste das Haus für eine Weile verlassen.“

„Wenn es etwas gibt, das ich wissen muss, dann sagen Sie es mir bitte“, drängte sie.

„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“

„Ich spüre dieses komische Prickeln in meinem Nacken, und aus Erfahrung weiß ich, dass ich es nicht ignorieren sollte.“

„Dann haben Sie es schon einmal ignoriert?“

Sie blinzelte irritiert, fing sich aber schnell wieder und griff nach einer Packung Kaffee. „Hier geht es nicht um mich.“

Dex rieb sich den Nacken. Er wollte ihr keine Angst einjagen, aber er hoffte, dass sie nicht weiter nachhakte. Obwohl er auch gern ein paar Informationen über ihre Vergangenheit gehabt hätte. Hatte dieses Prickeln im Nacken, von dem sie gerade gesprochen hatte, etwas mit Reese und Kurt zu tun?

Sie legte die letzte Einkaufstüte zusammen. „So, alles fertig.“

Dex stieß sich vom Küchentresen ab. „Dann sehen wir uns mal die Suite genauer an.“

Das Wohnzimmer wirkte sehr geräumig. Die weißen Wände und der weiße Teppich waren aber wahrscheinlich nicht sehr praktisch, wenn ein kleiner Junge hier herumtobte. Gegenüber vom u-förmigen dunklen Ledersofa stand ein ausladender Plasmafernseher. Durch die Fensterfront fiel der Blick auf den Swimmingpool, der von Palmen und einigen Umkleidekabinen gesäumt war.

Er beobachtete, wie Shelby sich prüfend umsah, dann drehte sie sich wieder zu ihm. Mit der Nachmittagssonne im Rücken leuchtete ihr Haar wie glänzendes Kupfer.

„Warum haben Sie sich für eine Hotelsuite statt für ein Haus entschieden?“, wollte sie wissen.

Er riss sich von ihrem Anblick los. „Tate wird hier alles haben, was er braucht. Einen Pool, einen riesigen Spielplatz und ein großes Kinderzimmer.“

Und ein erstklassiges Sicherheitssystem.

5. KAPITEL

Zwei Tage später beobachtete Shelby auf dem Los Angeles International Airport gerührt, wie Dex seinen zum Knuddeln süßen Halbbruder in die Arme schloss und ihn in der Luft herumwirbelte.

„Wie war der Flug?“, erkundigte er sich bei dem vollkommen aufgedrehten Tate, der von einem Ohr zum anderen grinste. „War die Flugbesatzung nett zu dir?“

„Ich habe die ganze Zeit neben einem supernetten Mädchen gesessen!“ Tate wedelte mit der Hand in Richtung der anderen Passagiere, die in die Ankunftshalle strömten. „Da ist sie!“

Eine junge Frau steuerte auf sie zu. Sie war mittelgroß, aber ansonsten alles andere als unauffällig. Das dichte blonde Haar hatte sie zu einem seitlichen Pferdeschwanz zusammengebunden, der über ihre Schulter bis hinunter zur Taille floss. Ihre großen Augen hatten eine unglaubliche eisblaue Farbe. Aus ihrem federnden Gang und den gut modellierten Armen schloss Shelby, dass die Fremde sich offensichtlich gern fit hielt. Doch am eindrucksvollsten war ihre selbstbewusste Ausstrahlung. Sie wirkte stolz und gelassen, als wüsste sie, dass sie die ganze Welt erobern, aber genauso gut auch darauf verzichten konnte.

Dex sah sie verblüfft an. „Das hat mir niemand gesagt …“

Die Frau breitete lachend die Arme aus. „Wir wollten dich überraschen, großer Bruder!“

Tate hielt sich vor Lachen den Bauch. „Wie du gerade geguckt hast!“, rief er kichernd, dann stellte er sich hin, verzog das Gesicht und streckte schielend die Zunge heraus.

Dex umarmte die Fremde. „Was machst du hier?“

„Ich bin nach Sydney geflogen, um zu sehen, wie es Dad geht“, sagte die Frau, bei der es sich offensichtlich um Dex’ Schwester handelte. „Dad hat gedrängelt, weil er Tate so schnell wie möglich hierherschicken wollte. Also haben wir alles in Windeseile erledigt. Ich habe mich freiwillig als Begleitung gemeldet, und hier sind wir.“

Shelby versuchte, sich einen Reim daraus zu machen. Warum hatte es Guthrie Hunter so eilig, seinen Jüngsten nach Los Angeles zu schicken? Es war doch nur eine Ferienreise, oder?

Dex setzte sich den Kleinen auf die Hüfte, als ihm offenbar auffiel, dass er sie den anderen noch nicht vorgestellt hatte. „Teagan, das ist Shelby.“

Shelby lächelte. „Shelby Scott.“

„Shelby ist noch nicht lange in der Stadt“, sagte Dex. „Sie hat mir versprochen, sich um diesen kleinen Kerl hier zu kümmern, wenn ich nicht da bin.“ Er verstrubbelte Tates Haar, als Shelby ihn begrüßte. Tates Augen hatten die gleiche außergewöhnliche gelbbraune Farbe wie die von Dex, nur mit ein paar blauen Einsprengseln.

„Dein Bruder hat mir ein Video von dir gezeigt, wie du am Strand in den Wellen spielst“, sagte Shelby.

„Ich liebe das Meer!“, rief Tate. „Und jetzt bin ich ein Nipper!“

„Du bist ein Junior-Rettungsschwimmer?“ Dex hielt Tate eine Hand zum Abklatschen hin. „Gratuliere!“

„Wie lange seid ihr beide denn schon zusammen?“, erkundigte sich Teagan in diesem Moment.

„Oh, nein!“, sagte Shelby, während Dex gleichzeitig versicherte: „Ich habe Shelby als Nanny für Tate eingestellt.“

„Ach so. Ich hatte gerade gedacht …“ Teagan musterte sie verwirrt, dann lächelte sie. „Es freut mich, Sie kennenzulernen.“

Sie holten das Gepäck und machten sich auf den Weg nach draußen zum Parkplatz. Tate plapperte die ganze Zeit von Dinosauriern und Flugzeugen. Da Dex jetzt mehr Platz im Auto brauchte, als sein Sportwagen bot, hatte er eine luxuriöse Limousine gemietet. Während er Tate anschnallte und dann das Gepäck im Kofferraum verstaute, wollte Shelby gerade einsteigen, als sich Dex’ Schwester zu ihr beugte.

„Tut mir leid, dass ich voreilige Schlüsse gezogen habe“, sagte Teagan leise. „Aber es ist ja wirklich nicht weit hergeholt, dass Sie und mein Bruder ein Paar sein könnten. So glamourös und schön, wie Sie aussehen …“

„Ich? Glamourös?“ Shelby lachte auf. In ihrem einfachen Sommerkleid und ohne Make-up?

„Nun, Sie arbeiten zurzeit vielleicht als Kindermädchen, aber ich könnte wetten, dass Sie bald von einem glücklichen Talent-scout weggeschnappt werden, wenn Sie länger in Los Angeles bleiben.“ Teagan streifte sich ihren Rucksack von den Schultern. „Mein Rat wäre, dass Sie sich so schnell wie möglich einen guten Agenten suchen.“

„Ich will aber nicht weggeschnappt werden.“

„Sie sehnen sich nicht nach Ruhm und Billionen von Dollars? Wollen Sie sich nicht von den Massen anhimmeln lassen?“

Shelby erschauerte. „Ich hab’s nicht so mit den Massen.“

Teagan sah sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung an.

„Hey, ihr beiden, steigt ein. Ihr könnt euch im Auto weiter unterhalten“, sagte Dex, nachdem er das Gepäck verstaut hatte. „Wir müssen den Jungen nach Hause schaffen. Er wird sicher einen Bärenhunger haben.“

„Cheeseburger, Cheeseburger!“, rief Tate vom Rücksitz.

Teagan setzte sich nach vorn auf den Beifahrersitz, während Shelby hinten neben Tate Platz nahm. „Dex und ich waren gestern einkaufen“, erklärte sie Tate, während sie sich anschnallte. „Wir haben ganz viele leckere Sachen zum Essen und viele Spiele zu Hause.“

„Ich freue mich auf dein Haus am Meer“, sagte Teagan und schnallte sich ebenfalls an.

„Wir wohnen allerdings im Hotel.“

Dex nannte den Namen, und seine Schwester pfiff durch die Zähne. „Für dich musste es schon immer nur das Beste sein. Aber du willst doch das Haus nicht verkaufen, oder? Nachdem du allen, ob sie es hören wollten oder nicht, von dem wunderbaren Ausblick vorgeschwärmt hast.“

„Es ist nur vorübergehend.“ Dex ließ den Motor an. „Seid ihr alle angeschnallt? Dann nichts wie los.“

Shelby sah an Teagans verwundertem Blick, dass auch sie sich über den plötzlichen Umzug ins Hotel Gedanken machte. Aber sie fragte nicht weiter nach. „Ich nehme an, du möchtest wissen, wie es Dad geht“, sagte Dex’ Schwester stattdessen.

„Die Beule an seinem Kopf ist schon viel besser!“, rief Tate.

„Das freut mich wirklich, Kleiner“, entgegnete Dex, dann wandte er sich an Shelby: „Teagan führt ein eigenes Fitnessstudio in Seattle.“

Shelby dachte an den federnden Gang der Frau. „Sie arbeiten nicht im Familienbetrieb, Teagan?“

Dex nahm eine Hand vom Steuer, um seiner Schwester kurz die Schulter zu tätscheln. „Sie ist unsere Familienrebellin, nicht wahr?“

„Übersetzt heißt das …“, sagte Teagan und schlug spielerisch die Hand ihres Bruders weg, „… ich wollte mir selbst etwas aufbauen.“

„Sehr bewundernswert“, kommentierte Shelby.

„Und wichtig für meinen Seelenfrieden“, meinte Teagan.

„Wenn du gerade aus Sydney kommst, weißt du sicher schon das Neueste von Cole“, sagte Dex.