Sherlock Holmes - Neue Fälle 29: Die Dolche der Kali - Marc Freund - E-Book

Sherlock Holmes - Neue Fälle 29: Die Dolche der Kali E-Book

Marc Freund

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Beschreibung

in mysteriöser Mord in der Nähe von Torquay ruft Sherlock Holmes und Dr. John Watson auf den Plan. Oscar Farrell, ein alter Einsiedler, wurde in einer kalten Winternacht mit einem indischen Dolch getötet. Der Täter konnte unerkannt entkommen. Weitere Morde geschehen. Nimmt jemand Rache für etwas, das vor Jahren in Indien geschah? Sherlock Holmes versucht, den brutalen Mörder zu stellen. Und Kali, die Totengöttin, verfolgt ihn dabei auf Schritt und Tritt. Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch nur bei www_blitz-verlag_de erhältlich!!!

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DIE NEUEN FÄLLE DES MEISTERDETEKTIVSSHERLOCK HOLMES

In dieser Reihe bisher erschienen:

3001 – Sherlock Holmes und die Zeitmaschine von Ralph E. Vaughan

3002 – Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge von J. J. Preyer

3003 – Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand von Ronald M. Hahn

3004 – Sherlock Holmes und der Werwolf von Klaus-Peter Walter

3005 – Sherlock Holmes und der Teufel von St. James von J. J. Preyer

3006 – Dr. Watson von Michael Hardwick

3007 – Sherlock Holmes und die Drachenlady von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3008 – Sherlock Holmes jagt Hieronymus Bosch von Martin Barkawitz

3009 – Sherlock Holmes und sein schwierigster Fall von Gary Lovisi

3010 – Sherlock Holmes und der Hund der Rache von Michael Hardwick

3011 – Sherlock Holmes und die indische Kette von Michael Buttler

3012 – Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic von J. J. Preyer

3013 – Sherlock Holmes und das Freimaurerkomplott von J. J. Preyer

3014 – Sherlock Holmes im Auftrag der Krone von G. G. Grandt

3015 – Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin von E. C. Watson

3016 – Sherlock Holmes und die Geheimnisse von Blackwood Castle von E. C. Watson

3017 – Sherlock Holmes und die Kaiserattentate von G. G. Grandt

3018 – Sherlock Holmes und der Wiedergänger von William Meikle

3019 – Sherlock Holmes und die Farben des Verbrechens von Rolf Krohn

3020 – Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosie‘s Hall von Michael Buttler

3021 – Sherlock Holmes und der stumme Klavierspieler von Klaus-Peter Walter

3022 – Sherlock Holmes und die Geheimwaffe von Andreas Zwengel

3023 – Sherlock Holmes und die Kombinationsmaschine von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3024 – Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers von Michael Buttler

3025 – Sherlock Holmes und das Urumi-Schwert von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3026 – Sherlock Holmes und der gefallene Kamerad von Thomas Tippner

3027 – Sherlock Holmes und der Bengalische Tiger von Michael Buttler

3028 – Der Träumer von William Meikle

3029 – Die Dolche der Kali von Marc Freund

3030 – Das Rätsel des Diskos von Phaistos von Wolfgang Schüler

Marc Freund

SHERLOCK HOLMESDie Dolche der Kali

Basierend auf den Charakteren vonSir Arthur Conan Doyle

Marc Freund wurde 1972 in Flensburg geboren und wuchs in Osterholz an der Ostsee auf. Im Alter von 16 Jahren veröffentlichte er seine erste Kurzgeschichte. Seit 2010 hat er sich vor allem in der deutschen Hörspielszene einen Namen gemacht und ist dort erfolgreich für mehrere Verlage als Autor tätig. Auf sein Konto gehen aktuell ca. 250 Hörspielarbeiten.

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-228-8Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1

Die unruhig flackernden Flammen des Kaminfeuers zauberten dunkle Schatten an die hohen Wände der Bibliothek. Sie zuckten und tanzten über die Regale, wanderten über die unzähligen ledernen Buchrücken, als wären sie begierig zu lesen, ihr Wissen zu mehren.

Um das abseits gelegene Landhaus fuhr ein schneidender Wind, der den frisch gefallenen Schnee aufwirbelte und zu immer neuen Formationen türmte.

Oscar Farrell stand für einen Augenblick da und starrte in die Flammen. Nur langsam löste er sich aus seiner starren Haltung, tat ein paar Schritte auf den gemauerten Kamin zu und legte zwei dicke Holzscheite nach, die ihn die Nacht über warm halten würden, wenn er in seinem Sessel neben der Öllampe saß, um zu lesen.

Im dunklen Hausflur war das Geräusch von Schritten zu hören. Die Tür zur Bibliothek knarrte leise, als sie einen Spalt breit aufgeschoben wurde.

In den Flur fiel ein Keil aus unruhigem Licht, in dessen Mitte ein bleiches Gesicht auftauchte.

„Wünschen Sie noch etwas, Mister Farrell?“

Die Stimme, die zu dem Gesicht gehörte, klang trocken und rau wie das Rascheln welker Herbstblätter.

Der Hausherr, ein Mann von sechzig Jahren, dessen stramme Haltung selbst heute noch deutlich erkennen ließ, dass er viele Jahre seines Lebens als Berufssoldat verbracht hatte, drehte sich auf der Stelle herum.

„Nein, Miss Hardy. Sie können gehen, falls Sie es vorziehen, die Nacht lieber im Ort zu verbringen.“

Farrells Blick wanderte zu dem einzigen Fenster im Raum, das von einem schweren Vorhang verdeckt wurde. Dahinter wehte der eisige Wind, der sich an den Mauerecken brach und dabei seltsam hohle Pfeiftöne erzeugte, die bisweilen an das Klagen eines verletzten Tieres erinnerten.

Ohne eine Antwort seiner Zugehfrau abzuwarten, zog Farrell seine Augenbrauen zusammen und fügte hinzu: „Und vergessen Sie draußen nicht wieder, die Gartenpforte hinter sich zu schließen.“

Mildred Hardy, die seit fast acht Jahren schon ohne Mann auskommen musste und darauf angewiesen war, sich etwas dazuzuverdienen, presste ihre Lippen auf­einander und schüttelte den Kopf. Sie wandte sich bereits zum Gehen, als ihr offenbar noch etwas einfiel.

„Sie sollten bei Gelegenheit noch mal den Klempner kommen lassen. Die Wasserpumpe im Keller macht schon wieder so merkwürdige Klopfgeräusche.“

Farrell zog seine buschigen Augenbrauen nun so weit zusammen, dass sie sich in der Mitte über der klobig wirkenden Nase berührten.

Für einen Augenblick begegneten sich ihre Blicke, dann wandte sich die Frau mit einem verhärmten Nicken ab und verschwand von der Schwelle.

Farrell lauschte ihren Schritten im Hausflur, lauschte den vertrauten Geräuschen, die wie zu einem Ritual geworden waren. Das Klimpern ihrer Schlüssel, die sie bereits immer im Gehen zückte, das Öffnen der Tür und – so wie heute – das Pfeifen des Windes, der den Schnee über die Schwelle trieb, wo er binnen weniger Sekunden eine Pfütze bilden würde. Die Tür wurde zurück ins Schloss gerammt, und im Hause des pensionierten Soldaten kehrte Ruhe ein. Ein Zustand, den Farrell genoss, denn er hatte Zeit seines Lebens genügend Aufregungen und Lärm über sich ergehen lassen müssen. Er ertrug es kaum noch, Menschen um sich zu haben, und so war es nicht weiter verwunderlich, dass er erleichtert aufatmete, als er sich allein wähnte.

Er kehrte in die Bibliothek zurück, die neben ein paar ausgelesenen Gedichtbänden fast ausschließlich Werke über Pflanzenkunde enthielt. Farrell rückte sich seinen Sessel zurecht und ließ sich nieder, um nach dem aufgeschlagenen Buch zu greifen, das auf einem kleinen Beistelltisch neben ihm bereit lag.

Seine Hände verharrten mitten in der Bewegung, als er das Geräusch hörte.

Ein Klopfen. Doch nicht an der Haustür, nein, der Laut des Türklopfers hatte einen ganz anderen Klang.

Das Geräusch klang viel dumpfer, so als sei es aus Farrells eigenem Innern entsprungen. Dann war es vorbei.

Farrell ließ die Hände langsam sinken und legte sie mit der Unterseite auf seine Beine. So wartete er ab und lauschte in die plötzliche Stille hinein, ob sich die pochenden Laute wiederholen würden.

Der Wind vor der Tür hatte nachgelassen, war herabgeklungen zu einem sanften, neugierigen Säuseln.

Farrells Augen waren weit geöffnet. Er lauschte gespannt, hochkonzentriert. Was er brauchte, war Gewissheit.

Sie kam in Form eines scharrenden Tons aus den Kellerräumen.

Jemand … etwas … kam die Treppe herauf!

Gleichmäßige Laute, Schritte auf den Treppenstufen.

In einer mechanisch wirkenden Bewegung erhob sich der ehemalige Soldat aus seinem Sessel. Sein Herzschlag ging schneller, als würde er sich dem Takt der Schritte auf der Treppe anpassen.

Farrell zwang sich zur Ruhe, doch als er sich auf seinen Schreibtisch zu bewegte, tat er dies bereits mit hektischen Schritten. Noch im Gehen zog er einen kleinen silbernen Schlüssel aus seiner Westentasche und rammte ihn in das Schloss der obersten Schublade seines Sekretärs.

Mit bereits zitternden Fingern zog er die Lade auf und entnahm ihr einen weiteren Schlüssel, ungleich größer wie der erste.

Farrell umrundete den Schreibtisch und hastete auf einen Schrank in der Nähe des Fensters zu. Fieberhaft nestelte er an dem Schloss herum, bis ein leises, erlösendes Klicken ertönte.

Der Hausherr riss den Schrank auf, packte seine Jagdflinte und knickte den langen, schwarz glänzenden Lauf herunter.

Die Schritte hatten das Ende der Kellertreppe erreicht. Es blieb nicht mehr viel Zeit.

Farrell griff mit der rechten Hand nach einer Pappschachtel, in der sich die Munition befand. Umständlich öffnete er sie und nahm zwei lange Patronen heraus, die er schwitzend und zitternd in den doppelten Lauf steckte.

Als die Waffe einrastete und er das erste Mal seit langer Zeit wieder den kalten Stahl in seinen Händen spürte, entspannte sich Oscar Farrell um einen Deut. Sein Herz hämmerte zwar noch immer in seiner Brust, dafür aber arbeitete sein Verstand jetzt wieder klarer.

Er drehte sich um und wandte sich der Tür zu, die in den Hausflur führte. Farrell trat über die Schwelle.

Von irgendwoher war leichte Zugluft zu spüren. Die Tür zum Keller bewegte sich sanft hin und her, immer kurz davor, ins Schloss zu fallen.

„Wer immer Sie sind“, sagte Farrell leise, aber bestimmt, „kommen Sie da raus!“

Niemand antwortete ihm. Die Tür fuhr fort, leise anzuschlagen.

Im Gesicht des ehemaligen Soldaten breitete sich ein entschlossener Ausdruck aus.

Farrell betätigte den Abzug seiner Waffe. Ein ohrenbetäubender Knall durchschnitt die Stille, und nahezu im selben Augenblick wurde das Türblatt in seiner Mitte in Stücke gerissen. Holzsplitter flogen umher, verteilten sich im Flur und blieben Farrell im silbernen Haar hängen.

Langsam, sehr langsam ließ er den Lauf seines Gewehrs sinken.

Stille.

Selbst der Wind hatte den Atem angehalten.

Farrell wechselte die Waffe in die linke Armbeuge und streckte seine Hand nach dem Türgriff aus.

Er packte ihn und zog die Tür mit einem kräftigen Ruck auf.

Dahinter herrschte gähnende Leere. Ein dunkles Viereck, in dem sich nichts abzeichnete. Wer immer hier gewesen sein mochte – er war fort.

Der Gedanke hatte sich gerade erst in Farrells Kopf festgesetzt, als er unmittelbar hinter sich ein leise raschelndes Geräusch wahrnahm.

Er wirbelte auf der Stelle herum.

Etwas Stählernes blitzte auf und fuhr Farrell im nächsten Augenblick in die Brust.

Ein erstickter Laut drang über seine Lippen. Das Gewehr fiel polternd zu Boden.

Farrell wankte und starrte auf seine Brust hinunter. Seine Knie knickten ein, als das Leben zusammen mit dem Blut aus seinem Körper strömte.

Den darauf folgenden dumpfen Aufprall spürte Oscar Farrell nicht mehr.

Kapitel 2

„Zweifellos ein bemerkenswertes Stück.“

Sherlock Holmes drehte und wendete die scharfe Stichwaffe mit der ihm angeborenen Gelassenheit in seinen Händen, die immer dann einsetzte, wenn seine Neugier fürs Erste befriedigt schien.

Dabei schien er es als selbstverständlich vorauszusetzen, sich an dem gewundenen silbernen Dolch keinerlei Schaden zuzufügen. Sein Blick ging über die blitzende Klinge, bevor er zu Dr. Watson hinüberwanderte. „Insbesondere bemerkenswert, weil dieses Kunstwerk vor einigen Tagen noch bis hierher in der Brust eines verdienten Mannes steckte.“

Der Detektiv fuhr mit seinen sorgsam manikürten Fingernägeln über die Klinge und ließ sie an einer Stelle in der Nähe des Schaftes verharren.

„Und an genau dieser Stelle, mein lieber Freund“, fuhr er fort, „hört dieses Utensil auf, ein Kunstwerk zu sein und wird stattdessen zu einem Werkzeug. Zu einem Instru­ment in den Händen eines Mörders.“

Dr. Watson, in seinem Sessel mit dem Schreibbrett sitzend, nickte nachdenklich und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über seinen Schnäuzer.

„Scheußliche Vorstellung“, brummte er, noch immer seinen eigenen Gedanken nachhängend. „Es wundert mich, dass man Ihnen dieses Stück schon so früh wieder ausgehändigt hat“, fügte er hinzu.

Die Bemerkung hatte dem jungen Mann gegolten, der den beiden Bewohnern gegenübersaß.

Sein Name war David Beaden, und er trug sein goldblondes Haar ein gutes Stück länger, als es gemeinhin in diesen Tagen üblich war. Seine Kleidung war teilweise abgewetzt, gerade einen Deut besser, um schäbig zu sein. Sein Schuhwerk war derbe und zeigte Risse.

„Nun, ich habe darauf bestanden, den Dolch so schnell wie möglich zurückzubekommen“, antwortete er mit fester Stimme und fügte hinzu: „Die Polizei hatte ohnehin nicht viel Verwendung dafür. Sie wissen natürlich, dass es sich hierbei um ein äußerst wertvolles Exemplar handelt, nicht wahr, Mister Holmes?“

Der große Detektiv legte den Dolch auf den Tisch zurück und deutete auf den Rubin, der kunstvoll in den Griff der Waffe eingearbeitet war und der im einfallenden Sonnenlicht feuerrot funkelte.

„Sie spielen auf den Edelstein an, wie ich vermute.“

Beaden nickte erwartungsvoll.

„Sie wissen vermutlich, dass der Stein eine Fälschung ist?“, hakte Sherlock Holmes nach.

Der Mundwinkel seines Besuchers sackten herab.

„Ja“, räumte Beaden ein. „Ich habe es gestern von einem versierten Pfandleiher zu wissen bekommen. Eine überaus schmerzhafte Erfahrung.“

Ein amüsiertes Lächeln zuckte um die Mundwinkel des Detektivs.

„Die Sache ist die“, erklärte Beaden und beugte sich auf seinem Stuhl nach vorne. „Ich weiß zufällig, dass dieser Dolch ein überaus wertvolles Geschenk war und dass mein Onkel immer damit geprahlt hat, dass sämt­liche Steine auf diesem Ding echt sind. Einschließlich des Rubins.“

„Was wollen Sie uns damit sagen?“, fragte Holmes.

„Dass der Stein gestohlen worden ist“, platzte es aus dem Besucher heraus. „Mehr noch: Ich behaupte, dass mein Onkel wegen dieses Steins umgebracht worden ist.“

„Ah, Sie glauben also, der Täter hat den Rubin aus dem Dolch entfernt und stattdessen eine passgenaue Kopie eingesetzt, bevor er das Haus Ihres Onkels verlassen hat?“

„Könnte doch immerhin sein?“

Ein unglücklicher Ausdruck überschwemmte Beadens blasses Gesicht.

„Eine Menge ist denkbar“, antwortete Holmes ausweichend.

„Was, wenn Ihr Onkel den Stein zu Lebzeiten bereits versetzt hat?“, gab Dr. Watson zu bedenken.

„Niemals! Das … das hätte er niemals getan.“

„Was macht Sie da so sicher?“, hakte Holmes nach.

Beaden rutschte auf seinem Stuhl hin und her. „Weil … weil er dieses Geschenk niemals verschandelt hätte. Er hat es immer in Ehren gehalten.“

„Was hat es denn überhaupt mit diesem Geschenk auf sich?“, warf Dr. Watson ein.

„Mein Onkel erhielt diesen Dolch als Anerkennung und Zeichen der Freundschaft von seinem alten Kameraden Major John Nichols. Die beiden dienten zusammen in Britisch-Indien. In Peschawar, um genau zu sein.“

„Ein überaus kostbares Geschenk, wenn man von diesem kleinen Makel absieht“, bemerkte Holmes.

„Kleiner Makel“, wiederholte Beaden und ließ ein kurzes, humorloses Lachen folgen. „Dieser … Makel, wie Sie ihn nennen, mindert den Wert des Dolches um weit mehr als zwei Drittel.“

„Hat Ihnen das der Pfandleiher zu verstehen gegeben?“, hakte Dr. Watson nach. Er tauschte mit seinem Freund, dem großen Detektiv, einen kurzen, amüsierten Blick.

„Er hat es mir ins Gesicht gesagt“, knurrte Beaden, der funkelnd auf die Spitzen seiner abgelaufenen Schuhe starrte. „Schäbige einhundert Pfund wollte der Kerl für den Dolch berappen. Einhundert! Da müsste ich ja mit dem Klammerbeutel gepudert sein.“

Sherlock Holmes‘ Züge wurden plötzlich hart. Er straffte seinen Oberkörper und blickte seinen Gast direkt in die Augen.

„Und der Grund Ihres Besuches, Mister Beaden? Was wollen Sie, dass ich für Sie tue?“

Der Angesprochene wiegte seinen Körper auf dem Stuhl hin und her, als müsse er sich seine Antwort hart abringen.

„Ich will, dass Sie den Mörder meines Onkels finden“, presste er schließlich hervor.

„Aus welchem Grund?“, kam es blitzschnell von Holmes zurück.

„Weil … weil die Polizei nicht in der Lage dazu zu sein scheint.“

Der Detektiv schüttelte sanft den Kopf. „Das ist doch wohl nur die halbe Wahrheit, nicht wahr?“

„Also schön“, räumte Beaden ein. „Ich will den verdammten Stein zurück! Und ich bin mir sicher, dass den nur einer besitzen kann: der Mörder.“ Beaden setzte sich kerzengerade und reichte dem Detektiv seine rechte Hand. „Also, Mister Holmes … sind wir im Geschäft?“

Kapitel 3

Am folgenden Tag, es war der zwölfte Januar des Jahres, und der Mord an Oscar Farrell lag somit genau eine Woche zurück, hielt eine Kutsche vor dem in Schnee gebetteten Landhaus in Dartington, einem kleinen Ort in der Nähe von Torquay und auf der Schwelle zum Dartmoor gelegen.

Dr. Watson stieg aus und entlohnte den Fahrer, dessen Gesicht kaum zu erkennen war, da es durch den schwarzen Schal und den tief in die Stirn gezogenen Hut fast vollständig verdeckt war. Dennoch stahl sich in seinen Blick ein gewisses gieriges Funkeln, als er den Wert der Münzen in seiner behandschuhten Rechten zusammenaddiert hatte. Der Mann legte als Zeichen des Dankes zwei Finger an die Hutkrempe.

„Wünschen Sie, dass ich warte, Sir?“, kam es dumpf unter seinem Schal hervor. Durch die feinen Maschen quoll sein zu Dampf gefrorener Atem.

Dr. Watson erklärte ihm, dass dies ein überaus liebenswürdiger Zug wäre und dass es heute möglicherweise noch mehr für den Fahrer zu verdienen gäbe.

„Nun, auf, auf, mein lieber Freund“, bemerkte der Detektiv, nachdem er ausgestiegen war. „Vor uns liegt ein neuer Fall, der unsere Gehirnzellen in Anspruch nehmen wird. Zumindest hoffe ich das.“

Holmes zwinkerte seinem treuen Gefährten zu und setzte sich in Bewegung. Die beiden Männer stapften durch eine dichte Schneedecke, in der sich bereits zwei Spuren befanden, die auf das abgelegene Haus zuführten.

Ringsherum herrschte Stille. Der nächste Besitz lag gute drei Meilen entfernt, kein Vogel sang in den dürren Zweigen der Ulmen, es wehte kaum Wind.

Nur das leise Knirschen unter ihren Stiefeln begleitete die Männer, bis sie das halb eingeschneite Haus erreicht hatten.

Watson betätigte den Türklopfer. Es dauerte nicht lange, bis ihnen geöffnet wurde. Offensichtlich hatte David Beaden ihre Ankunft bereits sehnsüchtig erwartet.

„Mister Holmes, Doktor Watson! Wie gut, dass Sie es so zeitig geschafft haben. Bitte treten Sie näher.“

Die beiden Männer wurden in einen Flur geleitet, der mit Terrazzoboden versehen war. Beaden beeilte sich, hinter ihnen die Tür zu schließen.

Im Innern des Hauses war es beinahe so kalt und ungemütlich wie draußen, was offensichtlich daran lag, dass Beaden es nicht für nötig befunden hatte, den Ofen zu befeuern.

„Darf ich Ihnen Miss Hardy vorstellen? Sie war in den letzten vier Jahren Onkels Zugehfrau. Hat sich ein wenig um den Haushalt und die Wäsche gekümmert. Sie war es auch, die meinen Onkel zuletzt lebend gesehen hat.“

„Abgesehen vom Mörder“, raunte Sherlock Holmes, der der großen, hageren Frau freundlich zunickte.

Mildred Hardy wirkte in dem Raum auf seltsame Weise verloren. Sie stand still auf einem Fleck, so als fürchte sie, sich zu bewegen. Mit der rechten Hand hielt sie krampfhaft ihren Mantel über ihrem mageren Brustkasten zusammen. Ihr war deutlich anzusehen, wie ­unbehaglich sie sich fühlte.

„Was ich zunächst benötige, ist Klarheit über die Verhältnisse in der Mordnacht“, erklärte Sherlock Holmes mit fester Stimme. Er wandte sich an David Beaden.

„Sie waren es, der Ihren Onkel gefunden hat, nicht wahr? Wann genau war das?“

„Am folgenden Tag. Also am siebenten Januar, vormittags. Ich fand ihn dort vorn liegen, bei der Tür zum Keller.“

„Nicht so hastig, junger Freund“, mahnte der Detektiv. „Was führte Sie überhaupt hierher? Sie leben doch in London, soweit ich weiß.“

„Das ist richtig, Sir“, kam es zurück. Beaden trat von einem Bein auf das andere. „Nun, ich war wieder einmal knapp bei Kasse. Leider ein Dauerzustand bei mir.“ Er schob ein heiseres, nervöses Lachen ein, bevor er fortfuhr: „Ich suchte also meinen Onkel auf, in der Hoffnung, dass er mir aushelfen würde.“

„Wie kamen Sie ins Haus?“

„Die Tür war unverschlossen.“

Holmes ließ seinen Blick zurückschweifen und nickte. Er vollführte eine auffordernde Handbewegung. „Fahren Sie fort, Mister Beaden. Tun Sie am besten so, als wären wir gar nicht hier. Stellen Sie den Morgen des Leichenfunds so dar, als würden Sie ihn noch einmal durch­leben.“

Der Angesprochene machte ein säuerliches Gesicht, dann nickte er.

„Also schön. Ich … nachdem mein Onkel auf mein Klopfen nicht reagierte, probierte ich die Tür aus und trat ein. Ich rief nach ihm, aber bereits beim ersten Mal versagte mir meine Stimme den Dienst. Ich … ich sah Onkel Oscar nämlich dort am Boden liegen.“

Beaden deutete auf die zerborstene Tür, die halb offen stand, und hinter der die ersten Stufen einer Betontreppe sichtbar wurden.

„Ich lief sofort hier herüber“, setzte Beaden seinen Bericht fort und war mit wenigen Schritten bei der Keller­tür, vor der sich noch immer ein dunkler Fleck auf dem Boden abzeichnete.

„Mein Onkel lag auf der Seite. Ich kniete mich zu ihm herunter und sprach ihn an. Da wusste ich noch nicht, dass er tot war. Wissen Sie, ich nahm an, er sei gestürzt oder etwas in der Art. Aber dann …“, Beaden schluckte schwer, „dann fasste ich ihn an der Schulter und bemerkte bereits, dass sein Körper eiskalt war. Vorsichtig drehte ich ihn herum. Als er auf dem Rücken lag, sah ich den Dolch aus seiner Brust ragen. Seltsamerweise nahm ich auch erst in diesem Augenblick das viele Blut am Boden wahr.“

Holmes nickte und betrachtete oberflächlich den eingetrockneten Fleck.

---ENDE DER LESEPROBE---