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Zwei neue Fälle für den Meisterdetektiv: Marktgeheimnisse Rund um den Borough Market in Southwark beschäftigt eine rätselhafte Einbruchsserie Scotland Yard. Alle Einbrüche in diverse Läden geschehen, ohne dass die geringsten Spuren hinterlassen werden. Holmes und Watson ermitteln in den Fällen, da Mrs. Hudson langjährige Kundin auf dem Borough Market und daher mit einigen Verkäufern bekannt ist. Bei ihren Ermittlungen sind Holmes und Watson nicht allein. Geisterstunde Die Witwe Dorothy Simons ist langjährige Patientin von Doktor Watson und lebt am Rande des Kensal Green Friedhofs alleine in ihrer Villa. Plötzlich geschehen seltsame Dinge. In der Nacht holen sie unheimliche Geräusche aus dem Schlaf. Gegenstände werden verschoben. Botschaften werden von ihr gefunden, in denen sie aufgefordert wird, das Haus zu verlassen. Bei einem Friedhofsbesuch erscheint ihr verstorbener Mann im Nebel neben seinem Grab. Mrs. Simons vertraut sich Doktor Watson an und berichtet ihm von den Vorfällen. Dieser schaltet sogleich Sherlock Holmes ein.
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Seitenzahl: 269
Veröffentlichungsjahr: 2025
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In dieser Reihe bisher erschienen:
3001 – Sherlock Holmes und die Zeitmaschine von Ralph E. Vaughan
3002 – Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge von J. J. Preyer
3003 – Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand von Ronald M. Hahn
3004 – Sherlock Holmes und der Werwolf von Klaus-Peter Walter
3005 – Sherlock Holmes und der Teufel von St. James von J. J. Preyer
3006 – Dr. Watson von Michael Hardwick
3007 – Sherlock Holmes und die Drachenlady von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)
3008 – Sherlock Holmes jagt Hieronymus Bosch von Martin Barkawitz
3009 – Sherlock Holmes und sein schwierigster Fall von Gary Lovisi
3010 – Sherlock Holmes und der Hund der Rache von Michael Hardwick
3011 – Sherlock Holmes und die indische Kette von Michael Buttler
3012 – Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic von J. J. Preyer
3013 – Sherlock Holmes und das Freimaurerkomplott von J. J. Preyer
3014 – Sherlock Holmes im Auftrag der Krone von G. G. Grandt
3015 – Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin von E. C. Watson
3016 – Sherlock Holmes und die Geheimnisse von Blackwood Castle von E. C. Watson
3017 – Sherlock Holmes und die Kaiserattentate von G. G. Grandt
3018 – Sherlock Holmes und der Wiedergänger von William Meikle
3019 – Sherlock Holmes und die Farben des Verbrechens von Rolf Krohn
3020 – Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosie‘s Hall von Michael Buttler
3021 – Sherlock Holmes und der stumme Klavierspieler von Klaus-Peter Walter
3022 – Sherlock Holmes und die Geheimwaffe von Andreas Zwengel
3023 – Sherlock Holmes und die Kombinationsmaschine von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)
3024 – Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers von Michael Buttler
3025 – Sherlock Holmes und das Urumi-Schwert von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)
3026 – Sherlock Holmes und der gefallene Kamerad von Thomas Tippner
3027 – Sherlock Holmes und der Bengalische Tiger von Michael Buttler
3028 – Der Träumer von William Meikle
3029 – Die Dolche der Kali von Marc Freund
3030 – Das Rätsel des Diskos von Phaistos von Wolfgang Schüler
3031 – Die Leiche des Meisterdetektivs von Andreas Zwengel
3032 – Der Fall des Doktor Watson von Thomas Tippner
3033 – Der Fluch der Mandragora von Ian Carrington
3034 – Der stille Tod von Ian Carrington
3035 – Ein Fall aus der Vergangenheit von Thomas Tippner
3036 – Das Ungeheuer von Michael & Molly Hardwick
3037 – Winnetous Geist von Ian Carrington
3038 – Blutsbruder Sherlock Holmes von Ian Carrington
3039 – Der verschwundene Seemann von Michael Buttler
3040 – Der unheimliche Mönch von Thomas Tippner
3041 – Die Bande der Maskenfrösche von Ian Carrington
3042 – Auf falscher Fährte von James Crawford
3043 – Auf Ehre und Gewissen von James Crawford
3044 – Der Henkerkeller von Nils Noir
3045 – Die toten Augen des Königshauses von Ian Carrington
3046 – Der grausame Gasthof von Ralph E. Vaughn
3047 – Entfernte Verwandte von Jürgen Geyer
3048 – Verrat aus dem Dunkel von James Crawford
3049 – Die Dämonenburg von Nils Noir
3050 – Die Shakespeare-Verschwörung von J. J. Preyer
3051 – Das Monsterlabor von Nils Noir
3052 – Die Bruderschaft des Feuers von James Crawford
3053 – Der tote Landarzt von Uwe Niemann
3054 – Nebel in der Baker Street von Jürgen Geyer
3055 – Das Rätsel der eiskalten Hand von Uwe Niemann
3056 – Nächtlicher Spuk von Jürgen Geyer
3057 – Der Hexenfluch von Nils Noir
Sherlock Holmes - Neue Fälle
Buch 56
* * *
Copyright © 2025 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier
Redaktion: Danny Winter
Titelbild: Nils Noir
Vignette: Mario Heyer
Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten.
www.blitz-verlag.de
V1 16.02.2025
ISBN: 978-3-68984-296-3
Marktgeheimnisse
1. Sorgen im Marktviertel
2. Ein Samstag in Southwark
3. Lestrades Theorie
4. Angst
5. Unter Beobachtung
6. Der Brief
7. Leyton Field
8. Nachtrag
Geisterstunde
1. Eine seltsame Geschichte
2. Besuch in Kensal Green
3. In der Unterwelt
4. Licht am Ende des Tunnels
5. Brüderliche Hilfe
6. Fragen und Antworten
7. Geisterstunde
8. Wer suchet, der findet
9. Nachtrag
Über den Autor
Das Studium der Zeitung schien Sherlock Holmes an diesem Morgen sehr zu fesseln. Besonders ein Artikel auf der ersten Seite nahm sein Interesse in Anspruch. Seine Brauen hatten sich zusammengezogen und konzentriert folgten seine grauen Augen dem Inhalt Zeile für Zeile. Seine Stirn hatte sich mit fortschreitender Länge des Berichtes in Falten gelegt.
„Nun, mein Freund, die heutige Lektüre scheint wohl besonders interessant zu sein, oder täusche ich mich?“ sprach ich ihn an, nachdem ich meine Kaffeetasse abgesetzt hatte.
Zunächst noch etwas abwesend, hob er zögernd den Kopf und blickte mich an. Dann reichte er mir stillschweigend die Zeitung und bedeutete mir mit einem Wink seiner rechten Hand auf das Deckblatt, den dort befindlichen Artikel selbst in Augenschein zu nehmen. Ich begann zu lesen. Es ging in dem vorliegenden Bericht um eine Einbruchsserie im Stadtteil Southwark. An sich nichts Besonderes, wie mir schien, aber im weiteren Verlauf des Artikels wurde dann deutlich, dass es sich dabei nun schon um den achten Einbruch in den letzten vier Monaten gehandelt hatte. Noch immer, so ging aus der Schilderung hervor, konnte man sich auf Seiten der Polizei keinen Reim über den genauen Ablauf der Taten machen. Es folgten noch ein paar Angaben über die bestohlenen Geschäfte bei der Einbruchsserie.
Holmes hatte mich während des Lesens aufmerksam beobachtet und unterbrach mich auch nicht. Nachdem ich geendet hatte, sprach er mich an.
„Nun, Dr., was halten Sie von der Sache? Welche Schlüsse könnten Sie aus dem Bericht ziehen?“
Ich blickte ihn etwas zögerlich an, da ich mir nicht gänzlich sicher war bezüglich eventueller Rückschlüsse zu den geschilderten Vorfällen.
„Auffällig ist schon das Gebiet, in dem sich die Einbruchsserie abspielte. Wenn ich das richtig verstanden habe, handelt es sich ausschließlich um Liegenschaften im Umkreis des Borough Market in Southwark.“
Holmes nickte mir beifällig und ermunternd zu.
„Die Taten waren gut organisiert und liefen schnell und für Außenstehende unauffällig und ohne viel Spuren zu hinterlassen ab. Es waren wohl Leute am Werk, die sich in dem Terrain gut auskannten. Betroffen waren immer Geschäfte und Läden mit recht wertvollen Waren, seien dies Antiquitäten, Schmuck, Porzellan, seltene Weine, Bücher oder auch Gemälde, wenn ich das noch recht zusammenbekomme. Also alles Dinge, die bei einem Weiterverkauf eine erkleckliche Summe einbringen würden. Die Läden wurden wohl vor den Taten genauestens beobachtet. Was mich rätseln lässt, ist die Frage, wie man jeweils ohne große Spuren zu hinterlassen, in die Anwesen eindringen konnte? Keine Türen wurden aufgebrochen, keine Fensterscheiben gingen zu Bruch. Nichts wurde aufgehebelt, keine Tunnel wurden gegraben!“
Mein Mitbewohner hatte sich erhoben und applaudierte mir.
„Bravo, Watson! Das ist wirklich Einiges, was Ihnen da aufgefallen ist. Auch mir kommt es so vor, dass der Borough Market in diesen Fällen eine gewisse Rolle zu spielen scheint. Man sollte sich einmal näher mit der Angelegenheit beschäftigen! Ich finde, es wäre in der Tat reizvoll, weitere Recherchen anzustellen.“ Er zögerte kurz und blickte nachdenklich vor sich nieder.
„Wir könnten vielleicht…“, er wurde durch ein Klopfen an der Zimmertüre unterbrochen.
„Ja, bitte!“ Mrs. Hudson kam herein, um das Frühstücksgeschirr abzuräumen.
„Oh, das trifft sich wirklich gut, Mrs. Hudson! Sagen Sie, hatten Sie nicht einmal vor einiger Zeit erwähnt, dass Sie gelegentlich zum Einkaufen von Obst und Gemüse einen Markt besuchen, der etwas weiter entfernt liegt, weil Sie dort eine größere Auswahl finden würden, die hier in der Umgebung nicht geboten wird?“
„Ja, Sir, das stimmt!“ Unsere Wirtin sah meinen Freund fragend an.
„Zu welchem Markt fahren Sie dann, war das nicht ein ganzes Stück Weg, das Sie dafür zurücklegen…?“
„Nun ja, Sir, es ist schon ein gewisser Weg bis zum Borough Market nach Southwark. Durch die Fahrt zur London Bridge Station dauert es aber nicht allzu lange. Eigentlich sind es zwei Gründe, die mich nach Southwark führen: Zum einen, wie Sie richtig erwähnten, die große Auswahl an frischen Lebensmitteln und zum anderen meine Freundschaft zu Lizzy Miller und deren Mann Duncan, die dort einen kleinen Handel mit Obst und Gemüse aus eigenem Anbau betreiben.“ Holmes graue Augen blitzten auf.
„Aha, so oder so ähnlich hatte ich das auch noch in meiner Erinnerung!“
Er nickte mehr zu sich selbst, legte nachdenklich seine rechte Hand an die Stirn und warf mir dann einen schnellen Blick zu. Ich verstand den Wink seiner Augen.
„Haben Sie zufällig in nächster Zeit vor, einmal wieder zum Borough Market zu fahren?“, wandte er sich dann erneut an Mrs. Hudson.
„Oh, wenn Sie mich so fragen… ich hatte eigentlich vor, noch diese Woche dort hin zu fahren, damit wir über das Wochenende mit genügend Gemüse und Obst versorgt sind. Heute ist Mittwoch… ja, ich denke am Freitag werde ich unterwegs sein.“
„Großartig!“ Holmes strahlte. „Ich hätte da vielleicht eine Bitte an Sie…“
Interessiert verfolgte ich die Rede meines Freundes und war gespannt auf den Vorschlag, den er Mrs. Hudson unterbreiten wollte.
„Könnten Sie beim Einkauf etwas auf die Stimmung unter den Verkäufern an den Ständen achten?“ Mrs. Hudsons Miene drückte etwas Unverständnis aus.
„Wie meinen Sie das, Sir?“
„Entschuldigen Sie bitte, ich möchte Ihnen mit meiner Frage in keiner Weise zu nahetreten! Wenn Sie nicht möchten oder die Sache ist Ihnen unangenehm, steht es Ihnen natürlich frei abzulehnen und Sie vergessen einfach mein Anliegen. Nun, natürlich kennen Sie auch nicht die Beweggründe meiner Bitte. Dürfte ich Ihnen diese vielleicht zum besseren Verständnis einmal kurz schildern?“
Mrs. Hudson sah Holmes nun lächelnd an.
„Erzählen Sie ruhig, Sir! Anhören kann ich mir das Ganze ja einmal…“
Hierauf schilderte mein Freund unserer Wirtin kurz den Inhalt des Zeitungsartikels.
„Ich dachte mir, es wäre interessant, ein paar Reaktionen zu erhalten von Leuten, die tagtäglich auf dem Markt ihre Zeit verbringen. Vielleicht ist es Ihnen möglich, Ihre Bekannten dazu zu befragen, etwa in der Art: ‚Was halten Sie denn von diesen Einbrüchen, von denen man in letzter Zeit in der Zeitung lesen konnte, oder, haben Sie vielleicht irgendwelche Beobachtungen gemacht?‘ Verstehen Sie, Mrs. Hudson? Vielleicht können Sie auf diese Weise einiges in Erfahrung bringen.“ Unsere Wirtin nickte nun verständnisvoll.
„Sie meinen, Sir, nicht nur die Millers wären interessant, sondern auch andere Besitzer von Ständen, die mir bekannt sind?“ Mrs. Hudson zwinkerte mit ihrem rechten Auge verschmitzt zu Holmes hinüber.
„Genau! So etwas in der Art war mir in den Sinn gekommen. Wenn Sie das möglich machen könnten, Mrs. Hudson…?“
„Gut Sir, einverstanden! Ich will es versuchen. Erwarten Sie aber bitte nicht zu viel von mir! Vielleicht bin ich dazu auch etwas ungeschickt.“ Sie senkte leicht verlegen den Blick.
„Nur keine Angst! Versuchen Sie es einfach einmal! Ich wäre Ihnen sehr dankbar, meine Liebe. Es ist sicherlich unauffälliger, wenn Ihre Person in einem ungezwungenen Gespräch beiläufig einige Fragen stellt, als wenn zwei Gentlemen die Verkaufsstände abklappern und dasselbe tun. In diesem Falle würde das sehr offiziell erscheinen und vielleicht Misstrauen aufkommen lassen.“
Es war kein schlechter Plan, wie ich fand. Holmes schien doch sehr darauf bedacht zu sein, Licht in das Dunkel der Einbruchsserie zu bringen.
„Bitte seien Sie doch so nett und kommen nach Ihren Einkäufen einfach noch einmal vorbei und berichten Sie uns, was Sie erfahren konnten! Machen Sie sich aber keinen Kummer, wenn nichts zu ermitteln war! Es soll lediglich ein Versuch sein.“ Freundlich blickte mein Mitbewohner unsere Wirtin an. Mrs. Hudson nickte zustimmend und nahm ihr Tablett mit dem Frühstücksgeschirr auf. Sie entgegnete das Lächeln meines Freundes und verabschiedete sich von uns. Ich hielt ihr dabei noch die Zimmertüre auf.
„Täusche ich mich, oder war das soeben die Geburt einer neuen „Baker Street Spezialeinheit“, mein Freund?“ Augenzwinkernd wandte ich mich an Holmes.
Unschuldig blickte er mich an.
“Was meinen Sie, Dr.?“ Dann aber spielte ein schelmisches Grinsen um seine Mundwinkel.
„Sie liegen in gewisser Weise richtig, Watson! Das mit der Spezialeinheit ist sicherlich etwas zu hoch gegriffen“ - er kicherte nach diesen Worten – „aber dennoch, man sollte den Versuch wagen. Mit ein wenig Glück bringt er uns den Einstieg in eventuelle Ermittlungen, die Einbrüche betreffend.“
Ich klopfte ihm beifällig auf die Schulter.
„Harren wir der Dinge, die da kommen, Holmes! Zweifellos könnte uns Mrs. Hudsons nächster Einkauf schlauer machen.“
Die Zeit bis zum Wochenende verging schnell. Nachdem Holmes und ich am Freitagmorgen noch in der Stadt zu einigen Recherchen unterwegs waren, die einen anderen Fall betrafen, fanden wir uns nach einem Mittagessen in Bayswater wieder in unseren Räumen in der Baker Street ein.
Gegen halb drei klopfte es an unsere Wohnzimmertüre und nach der Aufforderung meines Gefährten trat Mrs. Hudson über unsere Schwelle.
„Hallo Mrs. Hudson! Bitte treten Sie doch ein und nehmen Sie bei uns Platz!“
Freundlich zeigte Holmes auf den Sessel am Kamin. Unsere Wirtin trat näher und ließ sich daraufhin im angebotenen Sessel nieder. Ihr Gesichtsausdruck ließ allerdings nicht auf eine erfolgreiche Einkaufsmission schließen.
„Sie sehen nicht gerade fröhlich aus, wenn ich es so ausdrücken darf “, begann der Detektiv die Unterhaltung.
„Nein, man kann es wahrlich nicht anders bezeichnen, Sir“, entgegnete Mrs. Hudson leise.
„Bitte erzählen Sie uns trotzdem Ihre Eindrücke! Vielleicht gibt es doch Details, die sich als wichtig erweisen könnten.“ Holmes Gesicht schien sich umwölkt zu haben, als er sich neben Mrs. Hudson in den zweiten Sessel platzierte.
„Konnten Sie denn mit einigen Leuten reden“, schaltete ich mich ein.
Mrs. Hudson hob ihren Kopf und ihr enttäuschter Blick traf mich gleich darauf.
„Gentlemen, es war sehr seltsam! Egal wo ich hinkam und wen ich von den mir bekannten Verkäufern traf… es herrschte eine gedrückte, ja ängstliche Atmosphäre.“
„Können Sie das näher erläutern?“
„Nun ja, Mr. Holmes, Sir… ich hatte den Eindruck, als wolle niemand so recht darüber reden, über diese Sache mit den Einbrüchen. So zum Beispiel die Eheleute Miller, die ich zuerst besuchte. Als ich an deren Stand ankam, fiel mir schon gleich die niedergeschlagene Stimmung von Lizzy Miller auf. Wie abwesend fragte sie mich nach meinen Wünschen und nervös und fahrig packte sie mir zögerlich mein gekauftes Gemüse ein. Sie schien gar nicht bei der Sache zu sein. Als ich beiläufig die Einbrüche erwähnte, flackerten ihre Augen mit einem Male und sie machte einen gehetzten Eindruck. Richtig erschrocken war ich dann, als ihr Mann Duncan aus einem Verschlag hinter dem Gemüsestand kurz zu uns trat. Er humpelte und trug seinen linken Arm in einer Schlinge. Sein Gesicht zeigte deutliche Spuren und Schrammen und die Umrandung seines rechten Auges war bläulich, rötlich verfärbt. ‚Um Gottes Willen, Duncan! Was ist passiert?‘ wandte ich mich an den sonst vor Lebenslust und Vitalität strotzenden Duncan Miller.
‚Ach, es ist nichts… ich bin gestürzt, habe den Arm gebrochen und mir das Gesicht aufgeschrammt. Meine eigene Schuld!‘, gab er leise zurück. Danach drehte er sich ohne ein weiteres Wort zu sagen gleich wieder um und verschwand im Verschlag.
Lizzy schaute nur scheu und ohne Kommentar zu Boden. Das Erlebte ließ mir aber keine Ruhe. Mein Mitgefühl verbot mir, einfach so zu gehen. Freundlich sprach ich Mrs. Miller noch einmal an.
‚Lizzy, wenn irgendwas sein sollte, worüber du jetzt nicht reden möchtest…
habe keine Angst und komme zu mir! Wir können über alles reden. Ich habe
immer Zeit für dich. Lass die Kinder mal einen Nachmittag bei Duncan und komme zu mir in die Baker Street…‘
Sie senkte sofort ihren Blick, fing heftig an zu schluchzen und weinte hemmungslos. ‚Ach, die Kinder…‘ presste sie zwischen ihren Zähnen hervor. Verstört streichelte ich ihr über die Wangen und ging dann leise fort.“
Holmes und meine Wenigkeit folgten stumm Mrs. Hudsons Bericht.
Nur kurz schaute mein Freund in meine Richtung und räusperte sich, aber sein düsterer Blick sprach Bände. Unsere Wirtin fuhr fort.
„Was mich dann am meisten beschäftigte, Sir, war das Verhalten der anderen Händler, die ich daraufhin noch aufsuchte.“
„Darf ich kurz dazwischen fragen, wie lange Sie schon zum Borough Market fahren? Kennen Sie die Händler alle ebenso lange?“, wollte ich wissen.
„Es sind nun wohl schon an die fünfzehn Jahre, Dr. Watson. Ja, den größten Teil der Leute kenne ich sicherlich auch seit dieser Zeit. Am vertrautesten bin ich aber mit dem Ehepaar Miller, da mir Lizzy und Duncan von Anfang an sehr sympathisch waren.“
Holmes meldete sich zu Wort. Seine langen Finger trommelten leise auf die Sessellehnen, was eine gewisse Ungeduld erahnen ließ.
„Was meinten Sie, mit dem Ihnen auffälligen Verhalten der anderen Händler?“
„Ich kann es vielleicht nicht gut erklären, aber da war eine… gewisse Scheu …, so als läge etwas Bedrückendes auf den Leuten. Auf meine Anspielungen zu der Einbruchsserie gingen die meisten gar nicht ein, drehten sich weg, oder wichen aus. Keiner sah mir dabei in die Augen, oder lächelte, wie sonst.“
Mrs. Hudson knetete fortwährend die Finger ihrer Hände, die sie in ihrem Schoß hielt. Ihre Beobachtungen bewegten sie doch sichtbar. Leise sprach sie dann weiter.
„Besonders fiel mir auf, dass nirgendwo Kinder zu sehen waren. Die meisten Händler haben Kinder, müssen Sie wissen, Sir. Es fehlte irgendwo das lustige, ja oft laute Treiben, das die Kinder rund um die Stände veranstalteten. Oftmals half auch der ältere Nachwuchs den jeweiligen Eltern am Stand. Sei dies durch Herbeitragen neuer Ware, oder auch beim Verkaufen derselben. Die kleineren spielten währenddessen oft zwischen den Ständen.“ Sherlock Holmes hatte die Brauen zusammengezogen und grübelte über den bisher gehörten Bericht. Er hatte mittlerweile seine Pfeife entzündet und brummte leise vor sich hin, während er kleine Rauchwolken gegen die Zimmerdecke sandte.
„Es handelt sich also um Kinder aller Altersgruppen… vom Kleinkind bis zum schulfähigen Alter, sehe ich das richtig?“
„Ja, das ist richtig, Sir!“
„Nun, Ihre Recherchen sind als sehr interessant zu bezeichnen“, fuhr Holmes nach einigen Sekunden des Innehaltens fort. „Der Markt hat das ganze Wochenende geöffnet, nicht wahr?“
„Ja, Sir! Von acht Uhr am Morgen bis sieben Uhr am Abend.“
„Hmm, gut zu wissen… vielleicht sollte man sich selbst noch einmal ein Bild machen. Was halten Sie davon, Dr.?“
„Das könnte nicht schaden, mein Freund! Vielleicht morgen oder am Sonntag? Ich wäre dabei, Holmes.“
„Ausgezeichnet! Verbleiben wir einstweilen so. Mrs. Hudson, ich danke Ihnen vielmals für Ihre Mühe! Sie haben uns, wie mir scheint, mit einem bemerkenswerten Fall etwas vertrauter gemacht.“
Mrs. Hudson hatte sich von ihrem Sessel erhoben und blickte uns leicht verunsichert entgegen. Holmes nickte ihr freundlich zu und drückte ihr die Hand.
„Nur keine Verunsicherung, meine Liebe! Sie haben wirklich gut beobachtet und die Stimmung an diversen Marktständen anschaulich beschrieben.
Zumindest für meine Wenigkeit ist ein beachtenswertes Bild entstanden. Ich darf annehmen, Dr. Watson sieht das ähnlich?“ Er schaute mich fragend an.
„Ohne Zweifel, mein Bester! Die Angelegenheit sollte durchaus weiterverfolgt werden. Da scheinen sich doch einige Fragen aufzutun.“
Unsere Wirtin verabschiedete sich daraufhin von uns und ging zur Tür.
„Bis zum Abendessen, Gentlemen! Es gibt Roastbeef mit frischem Gemüse!“
Holmes nahm sich abermals die Morgenzeitung vor und studierte noch einige Zeit sehr aufmerksam weitere Artikel über die Einbrüche. Dabei machte er sich auch einige Notizen auf einem zuvor von ihm geholten Blatt Papier.
Ich störte ihn nicht bei seinen offensichtlichen Recherchen. Als er schließlich das Blatt zur Seite legte sprach ich ihn an.
„Was haben der Herr Meisterdetektiv denn überprüft? Mit Sicherheit haben Sie sich doch einen Plan für unser weiteres Vorgehen zurechtgelegt, oder täusche ich mich?“
Lächelnd entgegnete mein Freund: „Ganz recht, Watson, Sie liegen richtig. Wenn Sie nichts dagegen haben, sollten wir morgen einen Ausflug nach Southwark unternehmen und uns vor Ort ein Bild machen.“
„So soll es sein, Holmes! Diverse Gespräche mit den anwesenden Händlern wären mit Sicherheit recht nützlich.“
Ein nicht zu deutendes Lächeln lag auf dem Gesicht meines Gefährten.
„Nicht nur mit den anwesenden Händlern“, gab er vielsagend zurück.
Am frühen Samstagmorgen waren wir gleich nach dem Frühstück und einer kurzen Besprechung mit Mrs. Hudson aufgebrochen und gingen nach einer erfrischenden Fahrt in offener Droschke zu Fuß von der London Bridge auf dem direkten Weg zum Areal des Borough Market, das eingefasst von Borough High Street und Southwark Cathedral vor uns lag.
Es herrschte sonniges Sommerwetter mit milden Temperaturen, das den frühen Morgen sehr erträglich machte. Zu meiner Überraschung betrat Holmes gar nicht das Marktgelände, sondern wandte sich zügigen Schrittes gleich zu der in nördlicher Richtung aufragenden Southwark Cathedral. Schräg gegenüber der Kathedrale bog er in einen Ausläufer der St. Thomas Street ein und blieb gleich an dessen Beginn vor einem dort befindlichen Antiquitätenladen stehen. Er zog das Blatt mit den am gestrigen Abend angefertigten Notizen aus der Rocktasche und ließ nach einem kurzen Blick darauf ein befriedigtes Brummen vernehmen.
„Mein Freund, was wollen wir hier? Ich dachte, unser Weg führt uns auf den Markt und zu diversen Händlern, den Bekannten von Mrs. Hudson.“
Fragend schaute ich meinen Mitbewohner an.
„Nun, Watson, mich interessieren vor allen Dingen auch die Opfer dieser Einbrüche. Was kann man noch zur Vorgehensweise bei den Taten erfahren? Liegt ein bestimmtes Muster zu Grunde? Welche eventuellen Beobachtungen wurden im Vorfeld gemacht? Was wurde entwendet? Verstehen Sie? Deshalb wollte ich in diesem Laden beginnen, wo der letzte Raub stattgefunden hat.“
Nachdem er ausgesprochen hatte, wollte ich gerade ansetzen, um noch eine Frage zu stellen, als die Ladentür geöffnet wurde und ein Mann heraustrat, der uns interessiert musterte.
„Wollen Sie zu mir, Gentlemen? Oder kann ich Ihnen sonst behilflich sein?“
„Habe ich die Ehre mit Mr. Benjamin Horner?“
„Ja, Sir, das bin ich. Wie kann ich Ihnen helfen? Treten Sie doch bitte ein!“
Er hielt uns die Ladentür auf und wir folgten seiner Einladung. Vor einer großen Ladentheke standen linkerhand einige Empire Stühle auf die er zeigte. Wir suchten uns zwei derselben aus und nahmen dankend Platz.
„Mr. Horner, wir möchten Ihnen, wenn Sie erlauben, noch einige Fragen zu dem jüngst bei Ihnen begangenen Einbruch stellen. Mein Name ist Sherlock Holmes. Ich bin beratender Detektiv und das ist Dr. John Watson, mein langjähriger Partner und Chronist.“
Horner zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und machte mit seiner rechten Hand eine auffordernde Geste, während er sich freundlich lächelnd uns gegenüber niederließ.
„Bitte fragen Sie nur, Gentlemen. Ich habe zwar schon der Polizei wohl alles erzählt, aber vielleicht ergeben sich ja noch einige Fragen.“
„Sehr freundlich, Sir!“, Holmes nickte ihm zu.
„Es interessieren mich noch einige Dinge. Der Einbruch ereignete sich am letzten Sonntag, nicht wahr?“
„Das ist richtig! Bemerkt habe ich das am Montagmorgen, nachdem ich in den Laden kam.“
„Sie wohnen nicht hier im Haus?“
„Nein, ich wohne gleich drüben über dem Fluss, Cannon Street, Nähe Monument.“
„Aha, das bedeutet, Sie kommen die Woche über am Morgen hierher und kehren am Abend wieder in Ihre Wohnung auf der anderen Seite der Themse zurück.“
„Korrekt, Sir!“
„Wie sind denn Ihre Geschäftszeiten, Mr. Horner?“, warf ich ein.
„Montag bis Samstag von acht bis zwölf Uhr am Mittag und von zwei Uhr nach dem Mittag bis sieben Uhr am Abend.“ Ich nickte ihm zu.
„Sind Sie alleine hier im Laden, Sir?“ Holmes ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Er schien fasziniert von den vielen Ecken und Winkeln die die unterschiedlichsten Gegenstände vielerlei Art zur Schau stellten.
„Ja, ich bin alleine hier“, beantwortete Horner die Frage.
„Was wurde denn alles gestohlen?“
„Es handelt sich um eine Anzahl goldener Besteckteile, zwei silberne Kerzenleuchter, einen Silberteller, eine kleine chinesische Vase aus der westlichen Han-Dynastie, etwa 100 vor Christus und diverse Gegenstände
vergoldeten Tafelschmuckes. Also alles in allem beziffere ich den Wert auf circa drei- bis fünftausend Pfund, Sir.“
Mein Gefährte spitzte seine Lippen und hob überlegend den schmalen Kopf.
„Gibt es einen Hinterhof hinter Ihrem Geschäft mit eventuellen Fenstern?“
„Ja, Sir, hinter dem Haus liegt ein schmaler Hof und in der Rückfront befinden sich sowohl im Parterre als auch im darüber liegenden Geschoss jeweils zwei Fenster.“
„Aha!... Gab es in der Zeit vor dem Einbruch irgendwelche Dinge, die Ihnen aufgefallen sind? Also in der Art, dass Ungewöhnliches passierte. Dass Sie sich beobachtet fühlten, oder dass Sie bedroht wurden?“
Horner überlegte eine Weile, schüttelte dann aber verneinend seinen Kopf.
„Also da fällt mir nichts ein, Mr. Holmes. Ha, na ja… eine kleine, eher lustige Begebenheit von letztem Samstag kommt mir da noch in den Sinn.
Es war am Nachmittag nur ein Kunde im Laden, der sich sehr für alte Landkarten interessierte. Wir hatten ein langes, sehr nettes Gespräch über diverse Stücke in meinem Angebot. Gleich nachdem der Kunde gegangen war, strömten etwa ein Dutzend Kinder aufgeregt in den Verkaufsraum.
‚Entschuldigung, Sir, haben Sie unseren kleinen Spencer gesehen? Er ist reingeschlüpft, als der Kunde herauskam… er muss noch hier drinnen sein.‘
‚Wer ist denn Spencer? Ist das ein kleines Kind, etwa ein Spielkamerad von euch?‘
Die Kinder wuselten dabei suchend durch den Laden. Ein älterer Junge klärte mich auf: ‚Nein, nein, Sir! Spencer ist ein kleiner Hund, so ein wuscheliger, hat hellbraunes Fell. Er ist uns ausgerissen und wohl in den Laden entwischt.‘ Da ertönte aus einem hinteren Teil des Raumes ein Triumphgeschrei. Ein kleiner Junge trug auf seinen dünnen Ärmchen einen noch kleineren Zottelhund.
‚Ich hab‘ ihn, Sir!‘, krächzte er aufgeregt.
Ich musste sehr über das sich mir bietende Bild lachen!
‚Na, dann ist ja alles in Ordnung, Jungs! Jetzt aber rasch wieder hinaus, es könnten ja noch Kunden kommen.‘ Ich hielt ihnen die Ladentür auf.
Lärmend und mit viel Gelächter verzog sich die Bande wieder nach draußen.
Horner grinste uns an.
„Tja, das war alles, was außergewöhnlich zu nennen wäre, Gentlemen.“
Holmes hatte seine Augenbrauen zusammengezogen und ließ seine langen Finger aneinander klappen. Er sinnierte eine kleine Weile, bevor er sich dann erhob und Horner dankend die Hand drückte.
„Vielen Dank, dass Sie uns Ihre Zeit geopfert haben, Sir! Es war sehr informativ! Sagen Sie… wissen Sie noch einen Namen der Polizisten, die den Fall bearbeiten?“
„Warten Sie… das war glaube ich ein Inspektor… Lenard oder so ähnlich.“
Holmes blickte bedeutsam zu mir herüber.
„Vielleicht Lestrade?“
„Genau, Lestrade! So hieß der Inspektor.“
Ich konnte mir ob dieser Aussage des Ladeninhabers ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
„Na, dann ist die Sache ja ohne Zweifel in besten Händen“, gab Sherlock Holmes trocken zurück.
Wir verabschiedeten uns und verließen das Geschäft. Der Weg führte uns daraufhin an den westlichen Rand des Marktes in die Stoney Street, wo wir nach kurzem Suchen das Juweliergeschäft von Douglas Wenthurst fanden.
Ein Blick durch die Schaufensterscheibe zeigte uns, dass der Besitzer wohl anwesend war. Holmes rieb sich die schlanken Hände und sah mir unternehmungslustig ins Gesicht.
„Auf, auf Dr.! Lassen Sie uns weiter recherchieren! Weitere Fragen harren darauf, Antworten zu erhalten.“
„Wohlan denn!“, antwortete ich ihm und hielt die Ladentür auf. Ein Mann im eleganten grauen Anzug hantierte mit dem Rücken zu uns an einer Vitrine an der rückwärtigen Wand hinter der Verkaufstheke. Beim Geräusch der sich nun wieder schließenden Eingangstür und unserer nahenden Schritte wandte er sich um und begrüßte uns lächelnd.
„Guten Morgen, Gentlemen, was kann ich für Sie tun?“
Holmes stellte uns vor und begann ohne Umschweife mit ähnlichen Fragen wie bei Mr. Horner das Gespräch.
Auch Mr. Wenthurst wohnte nicht in dem Haus, in dem sich sein Geschäft befand. Die Öffnungszeiten waren ähnlich denen des Antiquitätenladens von Mr. Horner. Das Gebäude hatte im Gegensatz zu Mr. Horners Laden zwar keinen Hinterhof, aber es gab einen Spalt links neben dem Geschäft, der etwas mehr als einen Meter breit war. Daran anschließend begann das Nachbarhaus. In dem Spalt befand sich ein Stellplatz für Abfallbehälter. Genau über diesem Stellplatz war ein schmales Fenster in die Wand eingelassen, das nur sehr spärliches Licht in das innen befindliche Treppenhaus sandte. Der Einbruch lag etwas mehr als einen Monat zurück und ereignete sich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Der Wert der geraubten Objekte belief sich auf etwa zehntausend Pfund. Eine wahrlich beträchtliche Summe!
Auf die Frage nach besonderen Beobachtungen oder Vorkommnissen erinnerte sich Mr. Wenthurst lediglich an einige ärgerliche Begebenheiten mit etlichen Straßenkindern, die sich des Öfteren vor seinem Schaufenster niedergelassen hatten, um die eintreffenden Kunden anzubetteln. So auch am Mittwoch vor der nächtlichen Tat. Wiederholt habe er die Kinder aufgefordert, zu verschwinden. An dem bewussten Mittwoch sei ihm aber der Kragen geplatzt und er stürzte zornig aus dem Geschäft hinaus, mitten unter sie. Laut mit ihnen schreiend und schimpfend, verscheuchte er die Quälgeister schließlich. Das war alles, was uns der Juwelier berichten konnte. Ich hatte mir, wie auch zuvor bei Mr. Horner, eifrig Notizen gemacht, was mein Freund Holmes mit einem dankbaren Lächeln bedachte.
Wir dankten Mr. Wenthurst und machten uns wieder auf den Weg.
Ein gewisses Grummeln in der Magengegend und der darauffolgende Blick auf meine Taschenuhr veranlassten mich, meinen Freund Holmes anzusprechen.
„Sagen Sie, Holmes, könnte es sein, dass auch Ihr Magen um kurz nach ein Uhr nach etwas Nahrung verlangt…?“ Mein fragender Hundeblick schien Erfolg zu haben, denn mein Gefährte blieb stehen, reckte den Hals und hob nachdenklich sein Kinn nach oben.
„Ohne Zweifel kein schlechter Gedanke, Watson! Mit Sicherheit sollte ein Mittagessen die Konzentration bei weiteren Recherchen günstig beeinflussen.
Sehen Sie mal dort vorne an der Straßenbiegung, das sieht mir ganz nach einem Restaurant aus. Wir sollten unser Glück versuchen!“
Natürlich war ich einverstanden und die getroffene Wahl war nicht die schlechteste. Das kleine, aber gemütliche Lokal bot uns einen exzellenten Mittagstisch und die Gelegenheit während des Essens das bisher Gehörte zu erörtern.
„Was denken Sie, Watson, wenn Sie die bisherigen Aussagen Revue passieren lassen?“
„Nun, es scheint in der Tat so, als dass den Einbrüchen ein genaues Beobachten der Objekte vorausging. Der oder die Täter könnten des Öfteren vor Ort gewesen sein, was vielleicht darauf hindeutet, dass er oder sie hier in der Nähe zu Hause sein könnte oder könnten.“
Holmes hatte aufmerksam zugehört. „Sehr gut, Dr.! Ihre Schlüsse sind durchaus nicht von der Hand zu weisen! Aber fahren Sie nur fort, ich bin ganz Ohr.“
Ich räusperte mich kurz, trank einen Schluck Wein und redete weiter.
„Auch scheint die Tatsache, dass die bis dato befragten Ladenbesitzer ihre eigentlichen Wohnungen nicht im jeweiligen Geschäftshaus hatten, eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt zu haben. Wie schon gesagt, im Vorhinein wurde sehr genau recherchiert!“
Holmes nahm wieder einen Bissen zu sich und ließ sich alles noch einmal durch den Kopf gehen.
„Was ich mir nur schwer erklären kann“, wandte ich mich nochmals an meinen Freund, „wie ist man so ganz ohne Spuren in die Läden gekommen?“
Holmes legte sein Besteck zur Seite. Nachdenklich stützte er seine Ellbogen auf den Tisch und legte seine schmalen, langen Hände abwechselnd übereinander. Er musterte mich fragend. „Was halten Sie von den erwähnten Kindern?“
„Hm, es ist schon ein wenig eigenartig, dass in den bisherigen beiden Fällen immer Kinder in den Erinnerungen der Ladenbesitzer auftauchen. Aber hier ist ein Marktgelände, Holmes! Es gibt hier unzählige Kinder, die sich den ganzen Tag über irgendwie die Zeit vertreiben müssen. Wenn sie nicht in der Schule sind, oder an den Verkaufsständen der Eltern helfen müssen, sind sie unweigerlich auf sich alleine gestellt“, gab ich zu bedenken.
Der Detektiv zog die Augenbrauen zusammen und nickte zögerlich.
„Nun denn, warten wir die weiteren Befragungen ab“, brummte er nachdenklich in sich hinein. Nach ein paar allgemeinen Plaudereien machten wir uns schließlich gegen halb drei wieder auf den Weg.
Die Buchhandlung von Penelope Oldham lag gegenüber des südlichen Endes des Borough Market, auf der Borough High Street. Der Einbruch in dieses Geschäft lag nun schon einige Zeit zurück. Trotzdem schien es Holmes wichtig, noch einmal die damaligen Ereignisse zu rekapitulieren.
Die Ladentür der Buchhandlung war verschlossen. Holmes klopfte daraufhin gegen die Scheiben der Eingangstür. Nach ein paar Sekunden öffnete jemand von innen die Tür. Eine stattliche Dame mittleren Alters trat heraus und sprach uns freundlich lächelnd an.
„Guten Tag, Gentlemen! Bitte entschuldigen Sie, dass noch zugesperrt war, aber ich hatte noch im Lager zu tun und wohl darüber ganz die Zeit vergessen. Bitte kommen Sie doch herein!“ Sie hielt uns einladend die Türe auf. Wir grüßten und traten ein.
„Haben Sie besondere Wünsche? Belletristik aus verschiedenen Jahrhunderten finden Sie links an der Frontseite. Klassik an der Seitenwand bei den Fenstern. Raritäten, wie zum Beispiel Erstausgaben, im hinteren Geschäftsteil. Für Bildbände, Landkarten und Atlanten müsste ich Sie in den Keller bemühen… das sind natürlich nur Beispiele einzelner Sparten.“ Holmes ließ freundlich lächelnd seinen Blick durch den Laden schweifen, bevor er sich an die Besitzerin wandte.