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Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Ich muss Schluss machen«, flüsterte Martina Winzinger, als sie den Wagen ihres Vaters hörte. »Wenn die Luft rein ist, rufe ich zurück.« Der Hörer flog auf die Gabel. Gleich darauf sprang Martina die Treppe hinab, um ihren Vater zu begrüßen. Josef Winzinger stand in der Halle des einstöckigen Hauses und zog seinen leichten Mantel aus. Martina erschrak, als sie sein müdes Gesicht sah. Er wirkte alt, viel älter als fünfundvierzig. »Hattest du einen anstrengenden Tag?« »Ja, aber auch einen erfolgreichen.« Josef Winzinger arbeitete als Chemiker in einem pharmazeutischen Konzern, der zu den größten in Deutschland gehörte. Inzwischen stand er längst nicht mehr im Labor, sondern leitete die Auslandsabteilung. Martina ging mit ihrem Vater ins Esszimmer, in dem sie schon den Tisch gedeckt hatte. Die beiden lebten allein in dem großen Haus. An vier Tagen in der Woche kam eine Frau, die kochte und putzte. Martinas Mutter war schon vor siebzehn Jahren gestorben. Viel später hatte Josef Winzinger noch einmal geheiratet, aber diese Ehe war geschieden worden. »Bier, Tee oder Wein?«, fragte Martina, als sie sich setzten. »Nur ein Glas Bier.« Josef Winzinger öffnete die Flasche selbst. Dabei sprach er über die letzten Ereignisse in seinem Büro. Als er merkte, dass Martina nicht zuhörte, wechselte er das Thema. »Hast du heute gearbeitet?« Martina hatte Kunstgeschichte studiert. Sie träumte davon, eine berühmte Malerin zu werden. Unter dem Dach hatte sie sich ein Atelier eingerichtet. »Heute sind die Scheiben eingesetzt worden. Das heißt, ich kann ab morgen zu malen anfangen. Die Staffelei steht schon an der richtigen Stelle.« Martina war
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Seitenzahl: 120
Veröffentlichungsjahr: 2018
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»Ich muss Schluss machen«, flüsterte Martina Winzinger, als sie den Wagen ihres Vaters hörte. »Wenn die Luft rein ist, rufe ich zurück.« Der Hörer flog auf die Gabel. Gleich darauf sprang Martina die Treppe hinab, um ihren Vater zu begrüßen.
Josef Winzinger stand in der Halle des einstöckigen Hauses und zog seinen leichten Mantel aus. Martina erschrak, als sie sein müdes Gesicht sah. Er wirkte alt, viel älter als fünfundvierzig. »Hattest du einen anstrengenden Tag?«
»Ja, aber auch einen erfolgreichen.« Josef Winzinger arbeitete als Chemiker in einem pharmazeutischen Konzern, der zu den größten in Deutschland gehörte. Inzwischen stand er längst nicht mehr im Labor, sondern leitete die Auslandsabteilung.
Martina ging mit ihrem Vater ins Esszimmer, in dem sie schon den Tisch gedeckt hatte. Die beiden lebten allein in dem großen Haus. An vier Tagen in der Woche kam eine Frau, die kochte und putzte. Martinas Mutter war schon vor siebzehn Jahren gestorben. Viel später hatte Josef Winzinger noch einmal geheiratet, aber diese Ehe war geschieden worden.
»Bier, Tee oder Wein?«, fragte Martina, als sie sich setzten.
»Nur ein Glas Bier.« Josef Winzinger öffnete die Flasche selbst. Dabei sprach er über die letzten Ereignisse in seinem Büro. Als er merkte, dass Martina nicht zuhörte, wechselte er das Thema. »Hast du heute gearbeitet?«
Martina hatte Kunstgeschichte studiert. Sie träumte davon, eine berühmte Malerin zu werden. Unter dem Dach hatte sie sich ein Atelier eingerichtet. »Heute sind die Scheiben eingesetzt worden. Das heißt, ich kann ab morgen zu malen anfangen. Die Staffelei steht schon an der richtigen Stelle.«
Martina war siebenundzwanzig und hatte erst vor Kurzem ihr Studium an der Kunstakademie abgeschlossen. Josef Winzinger unterstützte seine Tochter, wo er nur konnte. Ihm war es egal, ob Martina berühmt wurde oder nicht. Hauptsache, sie war glücklich. Martina bedeutete ihm alles. Nach seiner gescheiterten Ehe mit Tonia, seiner zweiten Frau, hatte er sich noch mehr abgekapselt und verschlossen. Tonias Name durfte in seiner Gegenwart nicht ausgesprochen werden. Das hätte Martina noch verstanden. Das, was sie nicht verstand, war, dass der Vater auch Doris hasste. Das neunjährige Mädchen war schließlich seine Tochter und konnte nichts dafür, dass die Mutter ihm untreu geworden war.
Als Josef Winzinger zwei Stunden später in seinem Arbeitszimmer saß, telefonierte Martina mit ihrer Ex-Stiefmutter. Tonia hatte nach der Scheidung von Josef wieder geheiratet und hieß nun Walter. Nur Martina wusste, dass Tonia Walter seit drei Jahren verwitwet war, und dass Doris noch eine Schwester hatte, die jetzt sieben Jahre alte Renate, von allen Reni gerufen.
Martina telefonierte von ihrem Atelier aus.
»Walter«, meldete sich eine helle, leicht piepsende Mädchenstimme.
»Bist du es, Doris?«
»Ja«, bestätigte die Neunjährige. »Mutti und Reni spülen ab. Warum hast du vorhin aufgelegt, Martina?«
»Weil mein Vater kam.« Sie nannte ihn ihren Vater, obwohl er ja auch Doris’ Vater war.
Doris konnte sich kaum noch an ihn erinnern. Mit zwei Jahren hatte sie ihn zum letztenmal gesehen. Und erst seit einem Jahr wusste sie, dass Tonias zweiter Mann ihr Stiefvater gewesen war. Bis dahin hatte sie ihn für ihren leiblichen Vater gehalten.
Tonia Walter nahm ihrer Tochter den Hörer aus der Hand. »Hallo, Martina! Nett, dass du noch einmal anrufst. Wir möchten dich gern am Wochenende zum Essen einladen. Wann passt es dir am besten?«
»Am Sonnabend«, sagte Martina schnell. Sie wollte ihren Vater sonntags nicht allein lassen.
»Das dachte ich mir. Sagen wir Sonnabend Mittag?«
»Einverstanden. Was macht Renis Schnupfen? Wieder besser?«
»Viel besser«, krähte Reni, die, neben der Mutter stehend, mitgehört hatte.
»Das freut mich. Also, dann bis Sonnabend.« Martina legte auf. Gedankenverloren blieb sie neben dem Telefon stehen. Auch sie hatte ihre Stiefmutter einmal gehasst oder zu hassen geglaubt. Damals, als der Vater Tonia in den Armen eines anderen Mannes überrascht hatte. Diese Enttäuschung hatte Josef Winzinger nie überwunden. Er hatte angefangen, Tonia zu hassen. Auch Doris, das Kind, das sie ihm geschenkt hatte. Das hatte Martina wieder zur Vernunft gebracht. Wie konnte er ein unschuldiges Kind mit Hass und Verachtung strafen? Doris hatte ihn doch nicht betrogen. Doris war schuldlos am Fehltritt ihrer Mutter.
Damals hatte Martina ihre Stiefmutter zum ersten Mal besucht. Eigentlich nur, um ihre Halbschwester zu sehen. Als sie später erkannt hatte, dass Tonia ihren Fehltritt bereute, hatte sie sich auch mit ihr versöhnt.
Der Vater ahnte davon nichts. Er sollte es auch nicht erfahren, denn es hätte ihm nur weh getan. Der Hass hatte ihn blind gemacht.
Vorsichtig öffnete Martina jetzt die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Josef Winzinger las in einer Akte. Sein Gesicht zeigte einen konzentrierten Ausdruck.
»Ich wollte dir nur gute Nacht sagen, Paps.« Manchmal nannte sie ihn Paps, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte.
Er stand sofort auf und kam zu ihr. »Gute Nacht, Martina. Schlaf gut!«
Streichelnd fuhr seine Hand über ihre Wange.
Spontan stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss.
*
»Martina kommt am Sonnabend«, sagte Tonia, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte.
»Toll!« Doris legte ihre Häkelarbeit aus der Hand. »Mittags oder abends?« Sie hoffte, Doris würde mittags kommen, weil sie dann den ganzen Nachmittag bleiben würde.
»Sie kommt zum Mittagessen.« Tonia ging in die Küche, um den Rest des Abwasches zu erledigen.
Reni kam ihr nach. »Was kochen wir, wenn Martina kommt?«
Tonia überlegte. Etwas Gutes sollte es schon sein, aber ihre Haushaltskasse war leer, und das nächste Geld bekam sie erst in fünf Tagen.
Tonia arbeitete vormittags als Sekretärin. Das, was sie dabei verdiente, reichte gerade zum Leben. Zum Glück war die Wohnung ihr Eigentum. Ihr zweiter Mann hatte sie noch bezahlt.
»Wir könnten Pfannkuchen machen«, schlug Doris vor. »Die isst Martina doch so gern.«
»Eine gute Idee.« Tonia atmete erleichtert auf. Das war ein billiges Essen und würde Martina trotzdem schmecken, weil es ihr Lieblingsgericht war.
Doris fing wieder an, Maschen zu zählen. Sie häkelte einen Rock für ihre Puppe. Die Wolle hatte Martina ihr geschenkt, rot und blau in einem Faden. »Ich weiß nicht mehr weiter.« Doris legte die Arbeit aus der Hand.
»Frag doch Martina, wenn sie kommt«, schlug Reni vor. Sie hatte rotblondes Haar und lustige Sommersprossen auf Nase und Wangen. Dazu die zarte blasse Haut aller Rothaarigen.
Doris war dagegen dunkel und trug das Haar kurzgeschnitten. Ungeduldig fuhr sie sich jetzt durch den dichten Bubikopf. »Warum ist es bloß so schwer, einen Puppenrock zu häkeln?«
»Wenn du ein bisschen wartest, helfe ich dir«, rief Tonia aus der Küche. Doch als sie ihre Arbeit beendet hatte, war es Zeit, schlafen zu gehen.
Doris maulte. »Immer müssen wir so früh ins Bett.«
»Ihr müsst ja auch früh wieder heraus.« Tonia öffnete die Tür zum Kinderzimmer, das Reni und Doris miteinander teilten. »Am Sonnabend dürft ihr länger aufbleiben.«
*
Martina hasste es, wenn sie lügen musste. Doch in diesem Fall blieb ihr keine Wahl. Sie konnte dem Vater nicht sagen, dass sie seine geschiedene Frau besuchte. Das hätte er ihr – Martina – nicht verziehen. Also erfand sie eine Studienkollegin, die Geburtstag hatte. Das war am Freitagabend.
»Du brauchst keine Rechenschaft darüber abzulegen, wie du deine Freizeit verbringst. Immerhin bist du schon siebenundzwanzig.«
Martina schaute über den gedeckten Abendbrottisch. »Du sollst nur wissen, wo ich bin.« Sie hatte ein schlechtes Gewissen.
Doch der Vater hörte ihr gar nicht zu. »Gut, dass du heute Abend zu Hause bist. Ich muss etwas mit dir besprechen.« Er lächelte, und das kam selten vor.
»Es scheint etwas Angenehmes zu sein.« Die Flasche Wein, die er auf den Tisch gestellt hatte, bestätigte Martinas Vermutung.
Er schenkte ein. »Trinken wir auf meine Beförderung.«
»Du bist befördert worden, Paps?«
»Ich soll befördert werden.« Er hob sein Glas.
»Gratuliere.« Martina trank einen Schluck. Dann wollte sie Genaueres wissen.
»Ich soll den Posten eines Direktors übernehmen«, begann Josef Winzinger.
»Paps …«
»Moment. Da ist noch ein Haken dabei. Ich bekomme die Stelle nur, wenn ich ins Ausland gehe. Dieser Posten wird in Chile frei.«
»Was?« Martinas Begeisterung erlosch.
»Wieso gerade Chile?« Ein Land am anderen Ende der Welt, dachte Martina.
Der Vater lächelte amüsiert. Er schien das gar nicht so unmöglich zu finden. »Unser Konzern hat Niederlassungen in verschiedenen südamerikanischen Ländern, auch in Chile.«
Martina versuchte zu begreifen, was diese Nachricht bedeutete. »Was hast du geantwortet, Vater?«
»Bis jetzt noch gar nichts.«
»Aber … denkst du wirklich daran, nach Chile zu gehen?«
Der Vater nickte. »Aber Kind!« Er tastete nach Martinas Hand. »Erschreckt dich das so sehr?«
»Ich weiß nicht … Es macht mir Angst.«
Damit hatte er nicht gerechnet. »Könntest du dir nicht vorstellen, dort zu leben?«
Martina wollte ihren Vater nicht enttäuschen, aber sie wollte auch ehrlich sein. »Im Moment nicht, Paps. Es käme mir so vor, als müsste ich plötzlich auf den Mond ziehen.«
»Martina!« Es klang nachsichtig, aber auch wehmütig.
»Jetzt habe ich dich enttäuscht, nicht wahr?«
»Nein, Kind.« Er streichelte ihre Hand.
»Aber du wärst bereit, nach Chile zu gehen und dort zu arbeiten, stimmt’s?«
»Ja, ich glaube schon.« Eigentlich hatte er sich schon entschieden. Aber die Vorstellung, vielleicht ohne Martina nach Chile gehen zu müssen, ließ ihm das Angebot nur noch halb so verlockend erscheinen. »Ich muss mich ja nicht sofort entscheiden. Jetzt lassen wir ein paar Tage vergehen, und dann sprechen wir noch einmal darüber. Einverstanden?«
Martina nickte. Aber sie wurde das Gefühl nicht los, ihm die Freude verdorben zu haben.
Die beiden sprachen nun von belanglosen Dingen und brachten doch keine Unterhaltung zustande.
»Martina, du hörst mir ja gar nicht zu.«
»Entschuldige, Paps, aber ich muss immer noch an dieses Chile denken. Kannst du mir nicht ein bisschen mehr darüber erzählen?«
Erfreut nickte er. »Gern. Was möchtest du wissen?«
»Wo dieses Werk steht und wie man dort lebt. Alles, was du weißt, eben.«
Er trank einen Schluck Wein und überlegte, womit er beginnen sollte. »Unser Werk liegt am Stadtrand von Santiago de Chile.«
»Ist das die Hauptstadt?«
»Ja, sie liegt in der Mitte des Landes.«
»Am Meer?«
Der Vater schüttelte den Kopf. »Leider nicht.« Er beschrieb die Größe und Aufteilung der Niederlassung. Es waren alles Dinge, die Martina eigentlich nicht so sehr interessierten. Sie wollte etwas über das Land erfahren.
»Sind die Leute dort arm?«
»Für europäische Verhältnisse sogar sehr arm. Mit dem Gehalt eines Direktors lebt man dort wie ein kleiner König.«
»Warum ist der Direktorposten frei geworden?«
»Der jetzige Direktor hört auf zu arbeiten. Er lässt sich pensionieren.«
Die beiden hatten aufgehört zu essen und setzten sich in das gemütliche Wohnzimmer.
»Kannst du nicht erst hinüberfliegen und dir alles ansehen, bevor du dich entscheidest?«, fragte Martina.
»Nein«, antwortete der Vater lächelnd. »Das geht leider nicht. Innerhalb der nächsten vierzehn Tage erwartet die Direktion meine Antwort.«
»So schnell schon?« Martina wusste, dass der Vater seine Entscheidung von ihrer Antwort abhängig machen würde. Sie dachte noch darüber nach, als sie schon im Bett lag. Natürlich hätte sie gern einen Urlaub in Chile verbracht. Auch ein paar Monate dort zu leben, hätte ihr nichts ausgemacht. Aber die Aussicht, für immer oder zumindest für die nächsten Jahre dort bleiben zu müssen, erschreckte sie. Ein fremdes Land, das sie nicht kannte, das sie noch nie gesehen hatte. Wer weiß, was sie dort erwartete. Unerträgliches Klima vielleicht, Menschen, mit denen man sich nicht anfreunden konnte, oder noch Schlimmeres.
Am nächsten Morgen frühstückte Martina mit dem Vater. »Ich möchte dich etwas fragen, Papa. Aber du musst mir ehrlich antworten.«
»Das werde ich tun.«
»Wenn ich mich entscheiden würde hierzubleiben, nicht mit dir nach Chile zu gehen, würdest du den Posten dann auch annehmen?«
Er überlegte. »Schwer zu sagen. Wahrscheinlich nicht.«
»Aber warum nicht, Papa? Du möchtest doch gern einen Betrieb leiten, und du hast auch die Fähigkeiten dazu.«
»Mag sein, aber ich möchte mich nicht von dir trennen.«
Martina schüttelte den Kopf. »Das lässt sich nicht vermeiden. Ich bin jetzt siebenundzwanzig und werde bestimmt einmal heiraten. Dann bist du allein und wirst vielleicht bereuen, meinetwegen auf eine solche Chance verzichtet zu haben.«
Das war natürlich richtig. Josef Winzinger seufzte.
»Was würdest du tun, wenn es mich gar nicht gäbe, Papa?«
Er antwortete spontan: »Nach Chile gehen.«
»Siehst du, das habe ich mir gedacht. Du musst diese Chance nutzen, Papa. Ich bleibe erst einmal hier. Du weißt ja, wovon ich träume.«
Er wusste es. Martina wollte eine berühmte Malerin werden, und das konnte sie wahrscheinlich nur in Europa. Er verstand ihren Wunsch, weil er selbst ehrgeizig war.
»Im Sommer werde ich dich besuchen, und vielleicht gefällt es mir dann so gut, dass ich bleibe. Oder wir einigen uns darauf, dass ich ein halbes Jahr bei dir und ein halbes Jahr in Deutschland lebe.«
Josef Winzinger schaute auf die Uhr. Er musste sich beeilen, wenn er nicht zu spät kommen wollte. »Nimm den Direktorposten an«, drängte Martina. »Wer weiß, wann du hier in Deutschland wieder so ein Angebot bekommst.«
»Überhaupt nicht.« Er stand auf, nahm Tasche und Mantel und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. »Ich werde ein paar Tage darüber nachdenken. Bis heute Abend.«
»Bleibst du den ganzen Tag im Büro? Heute ist doch Sonnabend.«
»Für mich ein Tag wie jeder andere. Außerdem habe ich viel zu tun.« Er winkte ihr zu, bevor er zur Garage ging.
Martina setzte sich in die Küche und schrieb eine Einkaufsliste.
Vier Stunden später betrat sie die Wohnung ihrer ehemaligen Stiefmutter.
»Sie ist da!«, rief Reni und umarmte Martina stürmisch.
Im nächsten Moment stand Doris im Korridor und schob ihre Schwester beiseite. »Rate mal, was es gibt.«
»Keine Ahnung.«
»Riech doch mal.« Doris schob die Küchentür auf.
»Pfannkuchen?«
»Erraten«, riefen Reni und Doris gleichzeitig.
Die Mutter kam aus der Küche. »Guten Tag, Martina. Schön, dass du da bist. Das Essen ist gleich fertig.« Sie sah, wie Martina ihre Einkaufstasche öffnete. »Mein Gott, was ist denn das?
»Lebensmittel.« Martina kam in die Küche und packte aus. »Das könnt ihr doch sicher gebrauchen. Bei uns würde es nur schlecht werden.«
Diese Ausrede benutzte sie immer, wenn sie für Tonia und die Kinder einkaufte.
»Du sollst das doch nicht tun«, sagte Tonia, obwohl sie die Lebensmittel natürlich gut gebrauchen konnte. »Wenn Josef dahinterkommt …«
Martina winkte ab. »Papa weiß doch nicht, was in seiner Küche steht. Außerdem denkt er momentan an ganz andere Dinge. Aber das erzähle ich euch später.« Sie ging mit Tonia in die Küche, um ihr zu helfen.
Doris und Reni deckten den Tisch im Wohnzimmer. Dabei schielten sie abwechselnd zu den beiden Päckchen, die Martina noch nicht verteilt hatte.
»Ob die für uns sind?«