Sie entschied sich für ihr Kind - Patricia Vandenberg - E-Book

Sie entschied sich für ihr Kind E-Book

Patricia Vandenberg

5,0

Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Kathrin Bensdorf hatte die Post aus dem Briefkasten geholt und ging in die Küche, um alles für das Frühstück vorzubereiten. Es war Samstag, und da ließen sie sich immer Zeit, denn ihr Poldi brauchte sich nicht mit der Morgentoilette zu beeilen wie sonst. Sie waren seit zwei Jahren verheiratet und überaus glücklich, denn seit vier Monaten konnten sie sich auf ihr erstes Kind freuen. Kathrin nahm sich nicht gleich die Zeit, die Post durchzuschauen. Zuerst deckte sie den Tisch mit aller Sorgfalt. Nichts durfte fehlen, denn Poldi konnte es nicht leiden, wenn sie zwischendurch aufsprang und hinauslief. Er liebte es gemütlich und ruhig. »Bist du fertig, Schatz?« rief Poldi zurück. »Ich muß das Haar noch fönen, es ist zu dick.« Und ein Gang zum Friseur wäre fällig, dachte Kathrin, aber dazu war Poldi immer nur schwer zu bewegen. Sie sah nun doch die Post durch. Bei dem ersten Brief stieß sie einen kleinen Schrei aus, als sie einen Blick in die Doppelkarte geworfen hatte. »Was ist los, Kätzchen?« fragte Poldi, der nun in der Tür des Wohnzimmers erschienen war. »Billi heiratet, was sagt man dazu, und wir sind herzlich eingeladen.« »Und wen heiratet sie?« fragte Poldi mit mäßigem Interesse. »Einen Gutsbesitzer Henning Harmsen.« Kathrin blickte ihren Mann nachdenklich an.

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Dr. Norden Bestseller – 291 –

Sie entschied sich für ihr Kind

Patricia Vandenberg

Kathrin Bensdorf hatte die Post aus dem Briefkasten geholt und ging in die Küche, um alles für das Frühstück vorzubereiten. Es war Samstag, und da ließen sie sich immer Zeit, denn ihr Poldi brauchte sich nicht mit der Morgentoilette zu beeilen wie sonst.

Sie waren seit zwei Jahren verheiratet und überaus glücklich, denn seit vier Monaten konnten sie sich auf ihr erstes Kind freuen.

Kathrin nahm sich nicht gleich die Zeit, die Post durchzuschauen. Zuerst deckte sie den Tisch mit aller Sorgfalt. Nichts durfte fehlen, denn Poldi konnte es nicht leiden, wenn sie zwischendurch aufsprang und hinauslief. Er liebte es gemütlich und ruhig.

»Bist du fertig, Schatz?« rief Poldi zurück. »Ich muß das Haar noch fönen, es ist zu dick.«

Und ein Gang zum Friseur wäre fällig, dachte Kathrin, aber dazu war Poldi immer nur schwer zu bewegen.

Sie sah nun doch die Post durch. Bei dem ersten Brief stieß sie einen kleinen Schrei aus, als sie einen Blick in die Doppelkarte geworfen hatte.

»Was ist los, Kätzchen?« fragte Poldi, der nun in der Tür des Wohnzimmers erschienen war.

»Billi heiratet, was sagt man dazu, und wir sind herzlich eingeladen.«

»Und wen heiratet sie?« fragte Poldi mit mäßigem Interesse.

»Einen Gutsbesitzer Henning Harmsen.« Kathrin blickte ihren Mann nachdenklich an. »Sie hat mir vor ein paar Wochen mal angedeutet, daß ihre Eltern sie verheiraten wollen, aber ich habe nicht gedacht, daß sie sich verkuppeln läßt.«

»Vielleicht ist sie ganz froh«, meinte Poldi lässig, »eine Schönheit ist sie ja nicht gerade. Nichts gegen deine Freundin Billi, Kätzchen, sie ist wirklich ein liebes Kerlchen, aber eigentlich gehörte sie in das vorige Jahrhundert.«

»Sie hat ja zu Hause nie den Mund aufmachen dürfen ohne gefragt zu sein, das schlägt sich nieder. Wir haben uns immer prima verstanden, wenn ich ihren Eltern als Umgang auch nicht willkommen war, aber Billi ist kein Dummerchen, und wenn sie diesen Mann wirklich heiratet, wird sie auch etwas für ihn übrig haben. Solche Liebe wie zwischen uns, gibt es eben nicht oft.«

Dafür bekam sie gleich einen zärtlichen Kuß. Und dann lasen sie gemeinsam, was Sibylle Werneck dazugeschrieben hatte.

Meine liebe Kathrin, ich hoff e sehr, daß Ihr kommt, denn ich habe ja keine andere Freundin und die meisten Gäste sind Hennings Bekannte, außer meinen Eltern und ein paar Verwandten von uns. Ich möchte Dir vorweg nur gleich schreiben, daß Henning wirklich sehr nett ist, und Du nicht denken mußt, daß meine Eltern ihn gekauft haben, damit ich keine alte Jungfer werde. Es wäre schön, wenn Du nicht so weit weg wärest und ich öfter mit Dir reden könnte. Grüß auch Poldi. Ich hoffe, es geht Euch gut.

»Sie ist verklemmt, durch und durch verklemmt, das verrät doch dieser Brief«, stellte Poldi fest.

»Sie hat doch keinen Menschen, mit dem sie offen sprechen kann«, nahm Kathrin ihre Freundin in Schutz, »ich schreibe auch viel zu selten. Telefonieren kann man ja kaum mit ihr, da hängt immer ihre Mutter dazwischen. Es mag wirklich sein, daß sie heiratet, um von ihrem Elternhaus wegzukommen.«

»Vom Regen in die Traufe?«

»Wir werden es ja sehen. Wir fahren doch hin, Poldi?«

»Wenn es der Arzt erlaubt«, erwiderte er. »Unser Baby und du, ihr sollt nicht gefährdet werden wegen dieser Hochzeit.«

»Aber bei mir ist doch alles in Ordnung, und ich bin gesund«, sagte sie.

»Du fragst auf jeden Fall Dr. Norden, der kennt dich doch besser als der Dr. Leitner.«

Kathrin dachte nicht daran, ihrem Mann zu widersprechen. Sie wußte ja, wie besorgt er war. Sie gehörte gewiß nicht zu den Frauen, die zu allem ja und amen sagten und sich ganz dem Ehemann anpaßten, aber sie akzeptierte Poldis Überlegenheit, weil er sie nicht betonte und keinerlei Druck damit auf sie ausübte. Und sie wußte, daß er auch ihre Ansichten akzeptierte, wenn sie seinen auch widersprachen. Bei ihnen gab es keinen Streit. Sie konnten über Meinungsverschiedenheiten diskutieren und redeten nie aneinander vorbei.

Jetzt war sie Poldi dankbar, daß er die Einladung nicht gleich ablehnte, aber da er ein cleverer Werbefachmann war, nutzte er auch gern solche Gelegenheiten, um mögliche neue Verbindungen zu knüpfen. Und er gab auch offen zu, neugierig auf Sibylles Mann zu sein.

»Meinst du, ich bin es nicht«, sagte Kathrin, während sie sich das Frühstück schmecken ließen. »Ich kann mir Billi als Ehefrau nicht vorstellen, und als Gutsfrau erst recht nicht. Sie kann doch nicht anschaffen. Sie hat doch nur gehorchen gelernt. Es war ihr Pech, als Mädchen geboren zu werden. Bei den Wernecks haben nur die Männer das Sagen, schon seit Generationen. Das hat Großvater schon gesagt, als wir noch Kinder waren.«

Kathrin war viel bei den Großeltern auf dem Lande gewesen, und daher rührte auch ihre Freundschaft mit Sibylle, deren Vater Besitzer eines großen Sägewerkes war, außerdem noch eine Mühle geerbt hatte und durch den Verkauf von ererbten Ländereien sehr reich geworden war.

Doch je reicher er wurde, desto geiziger wurde er. Die beiden Söhne wurden kurz gehalten, solange sie zur Schule gingen, aber immerhin machte er ihnen Zugeständnisse, während Sibylle nach dem Motto, daß die Frauen ins Haus gehörten, Berufspläne überhaupt nicht äußern durfte. Das Abitur durfte sie nur machen, damit man nicht sagen konnte, daß Wernecks Tochter ein Dummchen sei und natürlich auch aus Prestigegründen. Aber dann mußte sie eine Hauswirtschaftsschule besuchen und alles lernen, was eine gute Hausfrau eben wissen mußte. Sie durfte natürlich niemals etwas allein oder mit anderen jungen Leuten unternehmen, weil im Hause Werneck strenge moralische Grundsätze herrschten.

Kathrin hatte es nicht verstanden, daß sich Sibylle nicht dagegen wehrte, als sie volljährig war, aber sie hatte wohl auch nicht den Mut, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Kathrin und Poldi sprachen an diesem Tag noch viel über Sibylle.

»Weißt du noch, wie sie auf unserer Hochzeit mit Berti tanzte, Poldi?« sagte Kathrin sinnend. »Da habe ich sie zum ersten Mal fröhlich gesehen, richtig fröhlich.«

»Aber leider hatte Berti kein ernstes Interesse an ihr. Sie tat ihm einfach leid, weil sie so gehemmt war, und nach ihrem Brief zu urteilen, hat sich daran wahrhaftig nicht viel geändert. Wahrscheinlich ist ihr Zukünftiger auch so ein Mann, der eine bequeme Frau braucht, die für seine Ordnung sorgt, Kinder in die Welt setzt und naiv genug ist, nicht an seiner Treue zu zweifeln, wenn er sich anderweitig vergnügt.«

»Sei nicht so frivol, Poldi«, meinte Kathrin verweisend. »Für dumm verkaufen läßt sich Billi nicht. Aber vielleicht kommt alles ganz anders, als wir jetzt denken, und sie wird richtig glücklich. Ich wünsche es ihr von Herzen, denn sie ist sehr lieb und immer hilfsbereit und versöhnlich.«

*

Solche Eigenschaften wußte Henning Harmsen allerdings zu schätzen. Er war fünfunddreißig geworden und mußte nun endlich ans Heiraten denken, aber darauf hatte ihn tatsächlich erst der Berthold Werneck gebracht, als sie sich auf der Landwirtschaftsausstellung getroffen hatten. Werneck hatte es schlau angefangen, denn er war schon lange auf der Suche nach einem passenden Mann für seine Tochter, die er selbst als Mauerblümchen bezeichnete. Er wußte, daß Henning Harmsen finanzielle Sorgen hatte wegen zweier Mißernten und der Belastung durch die Anschaffung von modernen Maschinen.

Beim gemeinsamen Essen, zu dem er Henning großzügig wie selten eingeladen hatte, lobte er Sibylles Vorzüge über den grünen Klee. Wie tüchtig und zuverlässig sie sei, aber eben so zurückhaltend und feinsinnig. So was würde heutzutage nicht mehr geschätzt von den Männern.

Henning hatte dagegen gemeint, daß solche Eigenschaften doch wohl bei jeder Generation hoch im Kurse stünden.

Werneck hatte dann so ganz nebenbei bemerkt, daß Henning ja wohl die Ärztin Helga Haug heiraten würde, und da hatte er den Jüngeren ehrlich verblüfft gesehen. Daran hätte er nie gedacht, hatte Henning gesagt. Sie würden sich zwar schon seit der Schulzeit kennen, aber sie seien viel zu verschieden, um eine gute Ehe zu führen, und außerdem hätte Helga ja ihren Beruf und würde wohl, wenn sie überhaupt ans Heiraten dächte, einen Kollegen vorziehen.

Ja, Berthold Werneck hatte es wirklich geschickt verstanden, seinen Plan durchzuführen. Er hatte Henning eingeladen und zu seiner großen Zufriedenheit hatte er sich auch gut mit Sibylle unterhalten. Und damit er sich auch ernstere Gedanken machte, hatte Werneck dezent durchblicken lassen, daß Sibylle eine beträchtliche Mitgift bekommen würde. Das allerdings machte Henning recht aufnahmebereit, und ihn störte es keineswegs, daß Sibylle keine Schönheit war. Er gab nicht viel auf Äußerlichkeiten, und häßlich konnte man Sibylle wahrhaftig nicht nennen. Sie war ein stilles Mädchen, sie verstand nicht, etwas aus sich zu machen. Wozu auch, meinte sie, denn für sie interessierte sich doch niemand, und sie war nicht der Typ, der auf Männerfang ausging. Freilich dachte sie manchmal wehmütig, wie glücklich ihre Freundin Kathrin geworden war, die sich nun schon, doch auch erst dreiundzwanzig, auf ein Kind freuen konnte, und Sibylle war auch noch keinem Mann begegnet, der sie zum Träumen veranlaßte. So war es auch bei Henning nicht, aber er gefiel ihr. Daß er älter war, störte sie gar nicht, ganz im Gegenteil, die jungen Burschen waren ihr viel zu leichtlebig.

Hinter ihrem Rücken wurde über ihre Zukunft beschlossen. So ein bißchen merkte es Sibylle doch, daß ihr Vater da sehr die Hände im Spiel hatte, aber auch das störte sie nicht, denn sie begann nun tatsächlich manchmal schon von einem anderen Leben zu träumen, und sie lebte gern auf dem Lande. Auf einem Gut gab es so viele Möglichkeiten, sich zu beschäftigen, und sie brauchte nicht ständig zu hören, was sie tun oder zu lassen hätte. Manchmal haßte sie sich, daß sie keinen Widerstand wagte, aber wenn sie in die müden Augen ihrer Mutter blickte, diese tiefe Resignation spürte, die auch nie ein Aufbegehren gekannt hatte, dachte sie, daß es ihr wohl bestimmt sei, auch so zu werden.

Sie war ja nicht Kathrin, die mit Schönheit und Temperament gesegnet worden war. Sie war ein Schattengewächs.

Henning dachte allerdings bereits, daß sie ein Veilchen sei, das im Verborgenen blühte und seinen zarten Zauber noch nicht entfalten durfte. Er las tatsächlich vieles in ihren Augen, in ihrem Gesicht, was anderen gar nicht offenbar wurde.

Henning war kein Mann der großen und vielen Worte, aber solche erwartete Sibylle auch gar nicht, war sie es doch schon lange gewohnt, immer ins Abseits gedrängt zu werden, wobei man sagen mußte, daß ihren Eltern und Brüdern das gar nicht mehr bewußt wurde, weil sie sich ja selbst dorthin stellte.

Da Henning kein Mann war, nach dem sich die Frauen umdrehten, und welche moderne, junge Frau war schon noch versessen darauf, ein recht einsames Leben auf einem abgelegenen Gut zu führen, erregte die Verlobung dann auch kein besonderes Aufsehen.

Ach, der Harmsen heiratet doch noch, hieß es da, und man staunte ein bißchen, aber es wurde auch gesagt, daß er wohl auf so eine gute Partie gewartet hätte. Und schließlich hätte die kleine Werneck ja Glück, noch einen Mann zu bekommen.

Aber eine war sprachlos, das war die Ärztin Helga Haug. Sie war von einem Urlaub in Griechenland zurückgekommen, als ihr das gleich erzählt wurde.

Sie wollte es nicht glauben, aber sie fand dann in der Post, die sich in ihrer Abwesenheit gestapelt hatte, die Karte vor. Sie zögerte nicht lange, sondern setzte sich in ihren Wagen und fuhr zum Gut Wiedenbrück.

Henning war bei den Pferden, mit denen er eine besonders glückliche Hand hatte, und durch Sibylles Mitgift würde es ihm noch besser möglich sein, die Züchtung auszubauen. Ja, er dachte diesbezüglich ganz realistisch, ohne dabei aber Sibylle eigene Qualitäten absprechen zu wollen.

Er begrüßte Helga unbefangen wie immer und in seiner wortkargen Art mit einem kurzen »Hallo, wieder da?«

»Wie du siehst«, erwiderte sie kühl. »Und in meiner Abwesenheit hast du dich verlobt, da muß ich wirklich staunen.«

»Es hat sich so ergeben.« Er blieb gelassen, obgleich ihn das Funkeln in ihren Augen leicht irritierte.

Helga Haug war vierunddreißig, nur ein Jahr jünger als er, fast so groß wie er und durchaus keine Frau, die bei Männern Interesse erregte oder gar Wünsche weckte. Sie war schlank, um nicht zu sagen mager, hatte ein strenges Gesicht, das durch eine goldgeränderte Brille fast männlich wirkte, und man konnte verstehen, daß Henning nie auf den Gedanken gekommen war, sie zu heiraten, obgleich sie viel beisammen gewesen waren, was allerdings auf Helgas

Initiative zurückzuführen war.

»Ist die kleine Werneck nicht ein bißchen zu jung für dich, Henning«, begann Helga nach einem kurzen Hin und Her von Fragen und Antworten.

»Sie stört es nicht und mich auch nicht«, erwiderte er gleichmütig. »Man kann mit ihr reden. Sie ist nicht oberflächlich oder gar flatterhaft wie die meisten.«

»Genügt das für eine Ehe?«

»Man lebt sich zusammen«, sagte er gemächlich. »Du wirst es sehen, Helga. Wirst sie auch besser kennenlernen.«

»Wird sie damit denn einverstanden sein?« fragte Helga ironisch.

»Warum denn nicht? Sie weiß doch, daß wir schon lange befreundet sind.«

»Und sie ist nicht eifersüchtig?«

»Braucht sie doch nicht.« Damit war dies für ihn erledigt, und sie konnte dagegen auch keine Einwände erheben.

Später sagte er dann nur zu ihr, daß sie nett zu Sibylle sein solle, da sie bei sich zu Hause anscheinend nicht viel Zuneigung erfahren hätte. »Bei den Wernecks geht es nur ums Geld, und nur die Männer zählen.«

»Aber eine gute Mitgift wird sie doch bekommen?« fragte Helga lauernd. Da lächelte er. »Da gibt es nichts zu klagen.«

Helga Haug dachte nicht daran, sich schmollend zurückzuziehen. Das vergönnte sie den Klatschweibern nicht, die schon mit ihren Sticheleien kamen, und natürlich war sie dann auch zur Hochzeit eingeladen worden.

*

Für Sibylle hatte eine aufregende Zeit begonnen. Endlich wurde auch sie einmal beachtet. Da wollte sich ihr Vater doch nicht lumpen lassen mit der Aussteuer, die sie mit in die Ehe bringen sollte. Und sie durfte auch vieles selbst entscheiden. Freilich gefiel es Berthold Werneck sehr, daß auf Gut Wiedenbrück an Mobiliar alles vorhanden war und auch was sonst zu einem perfekten Haushalt gehörte, aber seine Frau Elisa bestand darauf, daß zumindest Silber, Porzellan und Bettwäsche mit in die Ehe gebracht werden mußten. Sie hatte endlich einmal wieder Gelegenheit, ihren Mann daran zu erinnern, welch reiche Aussteuer und Mitgift sie mit in die Ehe gebracht hatte. Er hörte es nicht besonders gern, denn zugeben wollte er schon gar nicht, daß er sie nur deshalb geheiratet hatte. Und er ging so auch von der Voraussetzung aus, daß Sibylle nur deshalb von Henning Harmsen geheiratet wurde.

Nun, seinetwegen sollten auch Silber, Porzellan und Bettwäsche gekauft werden. Einverstanden war er allerdings nicht gewesen, daß Sibylle darauf bestand, ihre Freundin Kathrin und deren Mann einzuladen.

»Die müssen wir dann ja auch noch unterbringen«, murrte er.

»Ich habe schon mit Henning gesprochen. Sie können im Gutshaus übernachten«, erwiderte Sibylle.

»Nun, wenn er einverstanden ist«, meinte ihr Vater, während Elisa einwandte, daß es doch ein bißchen merkwürdig wäre, wenn ein frischgetrautes Paar nicht mal einen Tag für sich allein hätte.

»Wir werden noch viele Tage für uns allein haben«, erwiderte Sibylle.

»Paß nur auf, daß die Haug nicht Dauergast wird«, erwiderte Elisa warnend, »es könnte schon sein, daß sie es selbst auf Henning abgesehen hatte.«

»Henning kennt sie seit der Schulzeit, und warum sollen sie nicht befreundet sein. Ich habe nichts dagegen. Und Henning hat nichts gegen meine Freundschaft mit Kathrin.«

»Sie ist aber weit weg«, sagte Elisa.

»Leider.«

»Daß sie es wagt, im vierten Monat diese weite Reise zu machen«, gab Elisa ihrer Mißbilligung auch noch Ausdruck. »Diese jungen Frauen denken sich wirklich gar nichts.«

»Kinderkriegen ist keine Krankheit, das denken sie. Sie gehen regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen, treiben Gymnastik und achten auf gesunde Ernährung. Früher war das eben anders, Mutter.«

Aufklärung und Schwangerschaft, das waren für Elisa immer noch Begriffe, die möglichst nicht erwähnt wurden. Man war da etwas empfindlich im Hause Werneck.

Es hatte Sibylle gestört, aber es haftete ihr auch an. Kathrin fehlte ihr zu offenen Gesprächen, und schreiben fiel ihr tatsächlich nicht leicht. Da war sie immer besorgt, nicht richtig verstanden zu werden, und wie sollte man auch ausdrücken, was das Herz und die Seele besonders bewegte.

Henning sah sie selten. Wie es sich gehörte, meinte ihre Mutter, aber da es in ihrem Bekanntenkreis mehrere solcher Familien gab, für die die Zeit stehengeblieben zu sein schien, war es Sibylle gar nicht so sehr bewußt geworden, daß andere darüber nur die Köpfe schütteln könnten.

*

Für Kathrin war nun das größte Problem, was man dem Brautpaar schenken könnte. Es ging ihnen finanziell zwar sehr gut, aber schöne Sachen, besonders solche, die beiden gefielen, waren auch sehr teuer.

Poldi hatte viel zu tun, und er meinte auch, daß Kathrin ihre Freundin ja am besten kenne. So entschloß sich Kathrin, erst einmal Dr. Norden aufzusuchen und dann einen Antiquitätenladen, den sie gut kannte.

Bei Dr. Norden hatte sie sich angemeldet, und in der Praxis wurde sie herzlich empfangen. Dorthe Harling und Franzi Spar freuten sich immer, wenn Kathrin kam, stets gute Laune verbreitend.

»Geht es gut?« fragte Dorthe, »aber eigentlich braucht man ja gar nicht zu fragen.«