Skrupellos - Matthias Behrens - E-Book

Skrupellos E-Book

Matthias Behrens

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Beschreibung

Der junge Polizist Martin versieht im kleinen Kaff Bad Wuhlau seinen meist langweiligen Dienst. In einem Supermarkt lernt er die junge Anja kennen. Am nächsten Tag wird eine Prostituierte erschossen aufgefunden. Danach nehmen unheilvolle Dinge ihren Lauf. Die junge Anja ist verschwunden. Martin erkennt, dass Anjas Leben in höchster Gefahr ist. Auf der Suche nach ihr gerät er in ein Milieu aus Sex und Gewalt. Verzweifelt versucht er Anja zu finden und ihr Leben zu retten.

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Seitenzahl: 200

Veröffentlichungsjahr: 2024

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„Wo es keine Vorstellung gibt, gibt es kein Grauen“

Zitat:

Arthur Conan Doyle, britischer Arzt und Schriftsteller (22.05.1859 bis 07.07.1930)

„Erstaunlich, dass der Mensch nur hinter seiner Maske ganz er selbst ist.“

Zitat:

Edgar Alan Poe, US-Amerikanischer Schriftsteller (19.01.1809 bis 07.10.1849)

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1.

Kapitel 2.

Kapitel 3.

Kapitel 4.

Kapitel 5.

Kapitel 6.

Kapitel 7.

Kapitel 8.

Kapitel 9.

Kapitel 10.

Kapitel 11.

Kapitel 12.

Kapitel 13.

Kapitel 14.

Kapitel 15.

Kapitel 16.

Kapitel 17.

Kapitel 18.

Kapitel 19.

Kapitel 20.

Kapitel 21.

Kapitel 22.

Kapitel 23.

Kapitel 24.

Kapitel 25.

Kapitel 26.

Kapitel 27.

Kapitel 28.

Kapitel 29.

Kapitel 30.

Kapitel 31.

Kapitel 32.

Kapitel 33.

Kapitel 34.

Kapitel 35.

Kapitel 36.

Kapitel 37.

1.

Es war ein trüber Tag. Es wollte heute gar nicht hell werden. Es regnete und war kalt. Aber Ende November ist das normal. Trotzdem sah man allen Menschen an, wie sehr sie das störte. Viele dachten noch an den goldenen Herbsttag im Oktober, oder den letzten richtig warmen Tag im September. Aber nun war es November. Die Tage wurden immer kürzer. Einige machten Weihnachtseinkäufe. Aber das tröstete über den grauen, eintönigen Tag nicht hinweg. Nur schnell nach Hause, in das warme gemütliche Heim.

In der Haupteinkaufsstraße ging schnellen Schrittes ein junger Mann. Plötzlich blieb er kurz stehen und ging dann in den Supermarkt gegenüber. Es war 17.00 Uhr. Er hatte Feierabend. Da fiel ihm ein, dass er noch etwas zum Abendessen benötigt. Der junge Mann, er hieß Martin Jakubowski, war Polizist. Er war alleinstehend. Mit seinen dreißig Jahren hat er schon ein paar Jahre Berufserfahrung. Hauptsächlich war er mit kleinen Diebstählen und mit Formen von Vandalismus beschäftigt. Auch ein Nachbarschaftsstreit kam manchmal hinzu. In der kleinen Stadt Bad Wuhlau im ländlichen Thüringen passierte zum Glück selten ein schweres Verbrechen.

Im Supermarkt hatte er schon ein paar Kleinigkeiten in seinen Einkaufswagen getan. Vor ihm ging eine junge Frau. Sie bückte sich, um etwas aus dem untersten Fach eines Regales zu nehmen. Da fiel ihrPortemonnaie aus ihrer Jackentasche. Sie stand auf.

Wahrscheinlich hatte sie es gar nicht bemerkt.

Martin rief: „Hallo, junge Frau. Sie haben ihr Portemonnaie verloren.“

Die junge Frau ging weiter. Martin hob sofort die Geldbörse auf und lief der Frau nach. Sie war inzwischen schon im Nachbargang. Endlich hatte Martin sie erreicht. Er tippte sie kurz auf ihre linke Schulter und sprach: „Entschuldigen Sie!“

Die junge Frau drehte sich um und fragte: „Ja, bitte?“

Martin schaute die Frau an. Sie war noch jung, ziemlich groß und vielleicht Mitte zwanzig, hatte langes, etwas gewelltes blondes Haar und war leicht geschminkt. Martin war irgendwie fasziniert von ihr.

Wortlos stand er ihr nun gegenüber. Die junge Frau lächelte und sprach erneut: „Ja, bitte?“

Martin war richtig erschrocken und stammelte:

„Ent..., Entschuldigung. Sie, sie haben ihre Geldbörse verloren.“ Er zeigte ihr das Portemonnaie.

Die junge Frau war nun ihrerseits etwas erschrocken:

„Oh ja, das ist meines. Vielen Dank. Wie kann ich ihnen danken?“

„Das ist schon in Ordnung. Es freut mich, dass ich ihnen helfen konnte.“ sprach Martin. Innerlich sagte er zu sich: 'Du Idiot. Frag sie nach ihrer Telefonnummer.' Martin wollte schon etwas sagen, da kam eine weitere junge Frau hinzu. Sie hatte ebenfalls langes blondes Haar. Ihre Kleidung war etwas schrill. Lange schwarze Lederstiefel steckten ineiner knallengen dunkelblauen Jeans. Sie hatte eine dicke Felljacke an und sie war auffällig geschminkt.

„Hallo Anja, dass ich dich hier treffe? Ich sehe, du bist in Begleitung. Ich will nicht weiter stören. Ich rufe dich morgen an!“ sprach die andere junge Frau und verabschiedete sich wieder. Das ging so schnell, dass weder Martin noch die junge Anja etwas erwidern konnten. Beide sahen der anderen jungen Frau noch nach. Da standen sie nun. Mitten im Supermarkt. Und beide konnten sich das Lächeln nicht verkneifen.

„Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?“ fragte nun Martin. Er kam sich mächtig mutig vor. Anja schaute auf ihre Uhr, überlegte kurz und sagte: „Ich habe leider kaum Zeit.“

„Schade. Es hätte mich gefreut.“ sprach etwas verlegen Martin und sah sie mit trauriger Miene an.

„Na gut junger Mann. Aber nur kurz.“ sagte lächelnd Anja.

Beide gingen noch an die Kasse und bezahlten ihre Waren. Im Supermarkt war in der Nähe des Einganges, wie in den meisten Supermärkten, ein Backstand. Anja zeigte wortlos dorthin. Martin nickte und sagte etwas steif: „Bitte gern.“

Ein kleiner Tisch war auch noch frei. Sie nahmen Platz. Martin fragte: „Möchten Sie noch etwas Anderes. Ein belegtes Brötchen oder Baguette,oder ein Stück Kuchen?“

„Nein, nur ein Cappuccino.“ sagte Anja. Martin holte nun an der Theke einen Cappuccino und eine Tasse schwarzen Kaffee.

„Eigentlich müsste ich Sie einladen. Sie haben mir schließlich mein Portemonnaie gesichert. Jemand anderes hätte es vielleicht behalten.“ sprach Anja.

„Nein, nein. Das ist völlig okay. So gaben Sie mir schließlich die Gelegenheit, Sie einzuladen. Und dass ich das Portemonnaie nicht behalten habe, liegt vielleicht daran, dass ich Polizist bin.

Genaugenommen bin ich Kriminalkommissar. Ich hoffe, ich erschrecke Sie nicht damit.“ sagte Martin.

Anja schaute Martin nun etwas eigenartig an, sprach aber: „Das ist ein ehrenwerter Beruf. Ich hoffe nur, dass Sie mich nicht verhaften!“

„Das tue ich vielleicht, wenn Sie mir nicht ihre Telefonnummer geben.“ sprach lächelnd Martin.

„Immer langsam. Sie kennen mich ja gar nicht.“

„Oh doch, ich kenne zum Beispiel ihren Namen und weiß, dass Sie wunderschön sind. Das ist doch schon sehr viel. Oder?“

„Und ich weiß, dass Sie Polizist sind und ziemlich frech. Und ich kenne noch nicht einmal Ihren Namen.“

„Martin Jakubowski heiße ich. Dass ich Polizist bin, wissen Sie schon. Ich bin dreißig Jahre alt und ledig.

Jetzt sind Sie wieder dran.“

„Nicht so schnell.“ Anja lachte. Dann stockte sie und sah auf ihre Uhr. Plötzlich machte sie ein erschrockenes Gesicht. „Oh Gott, ich muss los. Ich hatte die Zeit ganz vergessen. Es ist gleich 18.00 Uhr.“

Anja schnappte ihre Jacke und stand auf. Sie nahmnoch schnell den letzten Schluck aus ihrer Tasse und wollte gehen.

Martin hielt sie sanft am Arm fest und fragte noch:

„Können wir uns wiedersehen? Morgen 17.00 Uhr wieder hier?“

Anja schaute ihn kurz an. Ihr Blick hatte etwas Trauriges. Doch dann lächelte sie kurz und sprach:

„Ja, Morgen 17.00 Uhr, hier!“ Dann eilte sie hinaus.

Martin schaute ihr noch nach.

2.

Am nächsten Morgen saß Martin gedankenversunken im Büro. Gegenüber von seinem Schreibtisch saß Melinda Brewster. Sie war Kriminalassistentin.

Melinda war gerade mit dem Studium fertig. Ihr Vater war amerikanischer Soldat und hier in Deutschland stationiert. Melinda schaute nun zu Martin. Der kaute auf seinen Lippen und starrte dem Fenster hinaus.

„Na? War sie hübsch?“ fragte lachend Melinda.

„Was? Wie? Ach so, nee, ich habe nur so an nichts gedacht.“ sprach Martin.

„So ein Quatsch. Das gibt es nicht. Kannst es mir ruhig sagen. So wie du schaust, ist dir gestern Abend irgendeine Laus über die Leber gelaufen. Hat dich jemand versetzt?“ fragte immer noch lachend Melinda.

„Nein, hör auf mit dem Unsinn. Sag mir lieber, wo Molwitz bleibt!“ erwiderte Martin.

Harald Molwitz war Kriminalhauptkommissar. Er leitete das Team. Normalerweise war er immer der erste auf Arbeit.

Plötzlich klingelte das Telefon. Martin nahm den Hörer in die Hand. Es war Harald Lieberknecht: „Hallo Martin. Ich wurde soeben angerufen. Es gibt eine tote Person im Kurpark. Molwitz wurde informiert.

Du und Melinda, ihr kommt beide sofort hierher.“

Martin wollte noch etwas fragen, da hatte Harald schon aufgelegt.

Martin schaute Melinda an und sagte: „Wir sollen sofort in den Kurpark kommen. Da gibt es eine Leiche. Molwitz wurde informiert. Ich frage mich nur, warum man uns hier nichts gesagt hat.“

Melinda und Martin eilten zum Kurpark. Er war nur zehn Fahrminuten vom Revier entfernt. Als sie ankamen, war schon alles abgesperrt. Ein Wachtmeister kam auf Melinda und Martin zu und informierte sie kurz: „Dort hinten im Gebüsch liegt die Leiche. Es ist eine junge Frau, so Mitte zwanzig.“

Von weitem sahen sie auch schon ihren Teamleiter Molwitz stehen. Er beugte sich jetzt gerade über einen leblosen Körper. Daneben kniete Doktor Horst Keilhauer, der Gerichtsmediziner.

Melinda und Martin standen nun unmittelbar neben dem Opfer. Es war eine Frau, sie hatte halblanges blondes Haar. Für die Jahreszeit war sie sehr unpassend gekleidet. Sie hatte lange schwarze Lederstiefel an. Ansonsten trug sie eine sehr dünne hellblaue Bluse und ein sehr knappen Rock. IhrGesicht war nicht zu erkennen. Sie lag auf dem Bauch. Am Hinterkopf war eine stark blutende Stelle zu sehen.

Dr. Keilhauer erklärte kurz: „Gestorben ist sie vermutlich an einem tödlichen Schuss genau ins Herz.

Ich vermute, dass sie mit einem Gewehr erschossen wurde. Größeres Kaliber. So wie die Wunde auf den ersten Blick aussieht, kam der Schuss mindestens aus einer Entfernung von 15 bis 20 Metern. Es war ein glatter Durchschuss. Die Wunde am Kopf kam vom anschließenden Sturz. Ein paar Sekunden wird sie wohl noch gelebt haben.“

Martin schaute sich die Leiche an. Er merkte wie sein Herz plötzlich schneller schlug. Er dachte an den gestrigen Abend. Die junge Frau war ebenso blond.

Nur die Kleidung war eine andere. Martin bückte sich und drehte etwas den Kopf der Leiche. Er erschrak.

Melinda bemerkte dies. Sie sah Martin an und fragte:

„Was ist los? Kennst du diese Frau?“

Auch Molwitz und Dr. Keilhauer sahen nun zu Martin.

Dieser nickte und sagte nur: „Ja. Ich kenne diese Frau.

Was heißt kennen?!? Es ist eigentlich nur eine flüchtige Bekanntschaft. Ich habe gestern Abend eine junge Frau kennengelernt. Es war reiner Zufall. Ich hatte sie noch zu einem Kaffee eingeladen. Da kam dann diese junge Frau hier und sprach meine Zufallsbekanntschaft an. Ich weiß allerdings nicht wie sie heißt und wer sie genau ist.“

„Wir wissen auch nichts. Sie hat nämlich keine Ausweispapiere oder Ähnliches bei sich. AuchSchlüssel, Handy und Brieftasche fehlen.“ sagte Molwitz.

„Du hattest gestern ein Date?“ Melinda schaute Martin grinsend an.

„Date ist übertrieben. Es war reiner Zufall. Sie hatte ihr Portemonnaie verloren und ich habe es ihr hinterhergebracht. Das war alles. Diese Begegnung dauerte nur ein paar Minuten.“ erläuterte Martin.

„Vielleicht kann deine Bekanntschaft uns weiterhelfen?“ Melinda schaute Martin an.

Martin schaute etwas betreten und sagte: „Das sieht schlecht aus. Ich kenne von meiner zufälligen Bekanntschaft nur den Vornamen. Sie heißt Anja.

Unsere Unterhaltung war nur sehr kurz. Sie hat sich sehr übereilt verabschiedet. Ich habe leider keinen Zunamen, keine Telefonnummer und keine Adresse.

Aber heute Abend wollen wir uns wieder treffen.“

„Na gut. Dann müssen wir auf die Ergebnisse der Spurensicherung warten. Schaut euch noch ein bisschen um. Dann fragt in der Kurklinik nach, ob jemand was gehört oder gesehen hat. Anschließend kommt ins Büro. Harald soll die Passanten hier kurz befragen und ihre Daten notieren.“ sprach Molwitz.

Die Befragung in der Klinik ergab nichts. Keiner hat was gesehen oder gehört.

Am Abend ging Martin zu der Verabredung im Supermarkt. Er war schon zehn Minuten vorher da.

Ziemlich nervös saß er an einem Tisch beim Bäcker.

Immer wieder schaute er auf die Uhr. Als die zehnMinuten rum waren, wurde Martin noch nervöser. Er stand kurz auf und holte sich eine Tasse Kaffee.

Immer wieder schaute er zum Eingang. Aber die junge Frau kam nicht. Nun war es schon eine Viertelstunde über der Zeit. Viele Menschen kamen und gingen. Nur die junge blonde Frau erschien nicht.

Martin saß nun wie bedeppert bei seiner Tasse Kaffee am Tisch. Er hatte wirklich gehofft, dass Anja kommen würde. Nicht nur auf Grund der Mordermittlungen, sondern weil er sie wiedersehen wollte. Martin fand sie sehr nett, auch wenn die Begegnung am Vortag sehr kurz ausfiel. Nach einer weiteren Viertelstunde gab er schließlich auf.

Ziemlich enttäuscht stand Martin auf und verließ den Supermarkt. Er schrieb noch eine Nachricht an Molwitz und ging etwas traurig nach Hause.

Am nächsten Morgen kam Martin als Letzter ins Büro.

An seiner Miene konnte jeder sehen, dass er noch sehr enttäuscht vom Abend zuvor war. Melinda war gerade dabei, an eine alte Tafel ein paar Notizen mit Kreide zu schreiben. Dazu heftete sie noch ein kleines Bild von der Toten. Molwitz war immer gegen neue Techniken. Mit Computern stand er auf Kriegsfuß.

Und so nutzten sie immer noch die alte Tafel.

„Na, sie hat dich also versetzt.“ sprach Melinda und drehte sich lachend zu Martin.

Martin nickte nur und nahm sich wortlos eine Tasse Kaffee. Dann setzte er sich an seinen Computer.

Molwitz grinste: „Es scheint dich ganz schön mitzunehmen. Dumm ist nur, wir haben nun ein Problem. Wir haben keine Hinweise, wer die Frau ist.

Wir haben auch keinen Hinweis in unserer Datei gefunden. Ich werde mich nun an die Presse wenden.

Ebenso frage ich bei Europol nach. Irgendjemand muss diese Frau schließlich kennen.“

„So, wie die Frau angezogen ist, könnte man meinen, dass sie aus dem Rotlichtmilieu kommt. Diese Kleidung, dann die auffällige Schminke. Hey Martin?

Wo warst du vorgestern Abend? Im Supermarkt?“

Melinda lachte.

„Es war genauso, wie ich es gesagt habe.“ sagte Martin trotzig.

„Ich gehe zum Staatsanwalt. Wir müssen uns an die Presse wenden. Und die Idee vom Rotlichtmilieu finde ich gut. Ich hatte mal bei der Sitte gearbeitet.

Ich habe da noch so manche Kontakte. Melinda, du machst die Anfrage bei Europol!“ Molwitz stand auf und verließ den Raum.

Martin stand nun ebenso auf und sagte: „Ich fahre rüber zur Rechtsmedizin nach Erfurt. Mal sehen, was die haben.“

Ein paar Stunden später saßen sie wieder im Büro zusammen. Molwitz stand an der alten Tafel. Melinda und Martin schauten zu ihm.

„So, was haben wir?“ fing Molwitz an. „Ich hatte vorhin ein paar interessante Gespräche. Die Tote war in der Tat eine Prostituierte. Ihr kennt doch die Villa 'Abendfreude'? Dort hatte sie ein Zimmer gemietet und empfing dort auch ihre Freier. Ich kenne die Vermieterin. Alle männlichen und weiblichen Prostituierten, welche dort eingemietet sind, machen das so. Und somit ist das ein Haus, in welchem Einraumwohnungen vermietet werden. Die Vermieterin nimmt zwar eine sehr hohe Miete ein, aber das ist ja legale Vermietung und keine Zuhälterei. Nun, unser Opfer ging also dort ihrem Geschäft nach. Privates wusste man nichts von ihr.

Ihr Name ist Susanne Heinrichs. Sie nannte sich 'die wilde Susi'. Ihre Spezialität ist BDSM mit allem was dazu gehört. Wer ihr letzter Freier war, wusste die Vermieterin angeblich nicht. Im Kurpark ging sie auf die Suche nach Freiern. Was noch interessant war, es wird noch eine Prostituierte vermisst. So hinter der Hand kam heraus, dass sie Hals über Kopf das Haus verlassen hat. Ein Mann im mittleren Alter hatte sie eingehakt in einen Wagen geführt. Sie wurde fast abgeführt. Es könnte ihr Zuhälter gewesen sein. Der Beschreibung nach könnte es deine Bekanntschaft sein, Martin. Ihr Name ist Anja Fiebritz. Ob das ihr richtiger Name ist, weiß ich nicht. Ich fragte die Vermieterin noch, ob es nicht schlecht für das Geschäft ist, wenn die Mieter so einfach verschwinden. Darauf zuckte sie nur mit den Schultern. Ein männlicher Mieter sagte mir hinter vorgehaltener Hand, dass sie in Sicherheit gebracht wurde. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht.“ Molwitz setzte sich nach seinen Ausführungen.

Martin hatte die Ausführungen von Molwitz sichtlich nervös verfolgt. Er räusperte sich kurz und sagte: „So, ich war in der Rechtsmedizin. Ich habe hier das Projektil. Es steckte noch im Körper. Es ist ein 8,58 mm Lapua Magnum. Solche Patronen nimmt man als Scharfschützenmunition und für Weitschuss-Jagdgewehre. Das Opfer war nach ein paar Sekunden tot. Der Schuss ging mitten ins Herz.“

„So“, begann Melinda ihre kurze Ausführung, „ich habe eine Anfrage bei Europol gemacht. Aber ich habe noch keine Antwort, ob das Opfer dort bekannt ist.“

Molwitz sah zu Martin und Melinda und sagte: „Na gut, viel haben wir nicht. Mach dich mal schlau Martin, was wir noch über die Vermieterin haben.

Und du Melinda überprüf die Patrone. Vielleicht haben wir sie schon einmal irgendwo gehabt.“

„Ich habe auch noch Verbindungen zu einem kleinen Junkie. Er hilft mir manchmal mit Informationen. Ich könnte ihn kontaktieren.“ meinte Martin.

„Mach das.“ sprach Molwitz kurz.

3.

Am nächsten Tag suchte Martin einen alten Bekannten auf. Es war der Kleinkriminelle Klaus Bienert. Martin hatte ihn schon mal verhaftet. Hin und wieder konnte dieser ihn mit ein paar Informationen hilfreich sein. Sie trafen sich im Kurpark. Klaus Bienert stand an einem Geländer am Teich des Kurparks. Martin schlenderte so am Teich entlang und blieb wie zufällig einen Meter neben Klaus Bienert stehen und beugte sich ebenfalls über das Geländer. Er hatte ein paar Brotkrümel in einer Tüte mitgebracht und begann nun die Enten zu füttern.

„Lange nicht gesehen, Klausi. Was machen die Geschäfte?“ fragte Martin. Er schaute Klaus dabei nicht an, sondern fütterte weiter die Enten.

„Es geht. Es ist nicht gut, wenn man uns beide zusammen sieht. Jeder weiß, dass du Polizist bist.

Was willst du von mir?“ Klaus tat ziemlich erbost.

„Du bist mir noch ein paar Gefallen schuldig. Wenn ich nicht gewesen wär, säßest du heute noch im Knast. Also, was weißt du über die Villa 'Abendfreude'?“ fragte Martin.

„Das ist zurzeit ein ziemlich heißes Gesprächsthema.

Die tote Nutte tut der Szene nicht gut. Keiner glaubt, dass sie zufällig ermordet wurde. Es hat sich schon rumgesprochen, dass sie mit einem Scharfschützengewehr erschossen wurde. Dass sich die Clans gegenseitig die Huren umbringen, halten alle für ausgeschlossen. Ein durchgeknallter Freier kann es auch nicht gewesen sein. Die verprügeln höchstens mal eine Nutte. Mehr nicht.“ Klaus steckt sich nun eine Zigarette an.

„Und was ist mit der zweiten Frau?“ wollte Martin jetzt wissen.

„Du meinst Anja? Naja, was soll mit ihr sein? Der Obermufti hat sie abgeholt. Sie muss jetzt woanders anschaffen. Keine Ahnung, wo sie hingeschafft wurde.“ Klaus zuckte kurz mit den Schultern.

„Dann horch dich mal um!“ sprach Martin.

„Warum ich? Die Clans mögen es nicht, wenn man herumschnüffelt. Das ist gefährlich!“ Klaus wurde nun sehr nervös. „Warum willst du das wissen? Was spielt die für eine Rolle? Was soll das? Ich bin doch nicht lebensmüde. Warum bist du überhaupt so ander interessiert? Mit der stimmt sowieso irgendetwas nicht. Die kam erst vor zwei Tagen hier an. Die musste wohl vorher irgendwo in Dänemark ihren Arsch hinhalten. Ich kann dir jetzt nicht mehr sagen.“

Klaus wollte gehen.

„Eine Frage noch Klausi. Wie läuft das in der Villa ab?

Die Huren haben einen Mietvertrag. Die bezahlen also wie ein normaler Mieter irgendwo Miete und das war es?“ fragte nun Martin.

„ Nee, die ganzen Nachteinnahmen werden den Nutten abgenommen. Ein kleines Taschengeld können sie behalten. Für die Bücher gibt’s eine Quittung nur über die Höhe der offiziellen Miete.

Nach zwei bis vier Wochen müssen sie dann wieder woanders hin. Die sollen sich nicht an einen Standort gewöhnen. Da gibt es eine ständige Rotation zwischen den Standorten.“ erläuterte Klaus.

„Versuch trotzdem, was herauszubekommen! Sonst lasse ich dich wieder hochgehen. Ich finde schon einen Grund.“ Martin blieb hart.

Klaus drehte sich abrupt um und ging wortlos. Martin blieb noch ein paar Minuten stehen und dann ging er ebenso.

Als Martin ins Büro zurückkam, war inzwischen eine Antwort von Europol da. Melinda schaute enttäuscht drein und sagte: „Nichts. Es ist nichts über SusanneHeinrichs und Anja Fiebritz bekannt. Vielleicht sind das auch nicht ihre richtigen Namen. Auch die Munition ist bisher unbekannt.“

„Ich habe, wie schon gesagt, da einen Informanten in der Szene. Ein Kleinkrimineller. Er versucht noch etwas rauszubekommen. Bisher weiß er auch fast nichts. Anja Fiebritz war eventuell bis vor zwei Tagen in Dänemark anschaffen. Das muss aber nicht stimmen. Wo sie jetzt ist, weiß er nicht.“ sprach Martin.

„Da werde ich mal bei unseren Kollegen in Kopenhagen eine Anfrage machen. Aber viel wird nicht rausspringen. Die Kollegen von Europol hätten sonst irgendwas gewusst.“ meinte Melinda.

„Glaub ich auch. Wo ist Molwitz?“ fragte Martin.

„Der ist beim Staatsanwalt.“ sagte Melinda.

„Na gut. Ich mach dann Feierabend. Kommst du noch mit auf ein Bier?“ fragte Martin.

„ Nee, geht nicht. Ich treffe mich noch mit meinen Eltern.“ antwortete Melinda.

„Okay, dann mach’s gut.“ sprach Martin und ging.

Unterwegs nach Hause ging er noch in ein kleines schäbiges Lokal „Zum Bierkrug“. Hier machen auch viele Trucker halt. Er ging hinein. Er kannte Mona, die Wirtin. Sie muss schon um die Siebzig Jahre alt sein.

Sie war wie immer sehr geschminkt. Als er an einemklekleinen Tisch Platz nahm, kam sie auch zugleich zu ihm.

„Hallo Martin, was willst du hier? Ein Bulle in meinem Lokal ist nicht gut.“ sprach Mona.

„Ich möchte ein Bier.“ sprach Martin.

Mona ging und holte ihm ein Bier: „Bitte schön.“

sprach Mona und stellte ihm das Bier auf den Tisch.

„ Mona, ich möchte mal kurz mit dir reden.“ sagte Martin.

„Ich habe keine Zeit, meine Gäste warten.“ sprach Mona kurz.

„Mona, Mona. Ich habe mal ein Auge zugedrückt, als du in Schwierigkeiten warst. Eine Hausdurchsuchung hier wäre bestimmt nicht gut. Ein kurzer Anruf und ein paar Kollegen von mir wären sofort hier. Einen richterlichen Beschluss bekomme ich bestimmt auch.“ sprach Martin und holte sein Smartphone aus der Hosentasche.

Mona überlegte kurz und nahm an Martin seinem Tisch Platz: „Du erpresst mich!“

„Nein, nein. Eigentlich will ich nur, dass dein Geschäft weiter geht.“ Martin lächelte.

„Du bist ein Menschenfreund, na klar. Gut, was willst du wissen?“ fragte Mona nun.

„Es hat sich doch herumgesprochen, was passiert ist, oder?“ fragte Martin.

„Du meinst die tote Hure?“ Mona schaute Martin an.

„Auch. Es ist auch ein anderes Mädchen verschwunden.“ sprach Martin.

„Was willst du von der?“ fragte Mona.

„Nur so. Sie weiß vielleicht etwas.“ sagte Martin.

„Keine Ahnung. Die Nutten kommen und gehen.“

meinte Mona.

„Das kannst du jemand anderes erzählen. Wir sind hier eine kleine Stadt. Wenn hier so was passiert, dann wisst ihr das doch auf jeden Fall.“ Martin schaute Mona an.

„Ich weiß gar nichts. Ich habe hier nur ein kleines Lokal. Meine Gäste sind ehrliche Leute.“ sprach Mona.

„Ach Mona. Ich weiß, dass du hier oben drei Zimmer hast. Ich weiß auch, was darin passiert. Du musst nicht versuchen, mich für dumm zu verkaufen.“

Martin zeigte mit dem Finger nach oben.

Mona überlegte und sagte schließlich: „Du kennst doch Lilo. Die hatte sich mit dieser blonden Anja angefreundet. Sie kannten sich noch von Dänemark.

Beide waren mal dort. Lilo hat es geschafft, sich hier sesshaft zu machen, weil sie krank wurde. Hier in Bad Wuhlau trafen sich dann Lilo und Anja wieder. Also frag Lilo.“ erzählte Mona.

„Ja, ich kenne Lilo ganz gut. Sie ist nicht zufällig Gast hier bei Dir?“ fragte Martin.

„Zufällig hat sie hier ein Zimmer gemietet. Ich weiß, du hattest mal was mit ihr. Ich könnte sie bitten, dich zu empfangen. Allerdings hat sie dann einen Verdienstausfall. Das ist schon ein Problem.“ Mona rieb den rechten Daumen und Zeigefinger aneinander.

„Kein Problem!“ sagte Martin kurz.

Mona stand auf und ging zu einer Tür neben dem Tresen. Nach fünf Minuten stand Mona wieder in der Tür und winkte Martin kurz zu. Er stand auf und ging durch die Tür nach oben.

Mona sagte noch: „Zweite Tür links.“

Martin ging zu der Tür und machte sie ohne zu klopfen auf. Lilo, eine stark geschminkte Frau um die fünfzig, lag nur mit einem sehr knappen Nachthemd bekleidet auf dem Bett.

„Hallo Martin, du warst lange nicht mein Gast.“

flötete Lilo.

„Hallo Lilo.“ sagte Martin nur.

Lilo stand auf und ging auf Martin zu. Sie streichelte mit der linken Hand seinen Kopf während ihre rechte Hand an seiner Hose die Knöpfe langsam aufmachte.

Dann zog sie ihn zu ihrem Bett. Martin nahm sanftLilo ihren Arm und zog ihn aus seiner Hose. Dabei lächelte er sie an und sprach: „Nein, Lilo. Lass das.“

„Ach komm“, sprach Lilo, „während du hier bist verdiene ich nichts. Ich weiß noch, vor vierzehn Jahren, als du das erste Mal bei mir warst. Erinnerst du dich?“

„Ja, natürlich erinnere ich mich.“ sprach Martin.

Gedankenversunken starrte er nun vor sich hin.