Irrflug ins Ungewisse - Matthias Behrens - E-Book

Irrflug ins Ungewisse E-Book

Matthias Behrens

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Beschreibung

Im 23. Jahrhundert. Ein Raumschiff von der Erde fliegt an den Rand unseres Sonnensystems, um den Kuipergürtel zu vermessen. Bevor sie ihr Ziel erreichen, werden sie in folgenschwere Ereignisse hereingezogen und etwas Unglaubliches passiert. Die Crew muss gefährliche und haarsträubende Abenteuer bestehen. Die Angst, nicht wieder nach Hause zu kommen, lässt sie fast verzweifeln.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel

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1.

Es war ruhig in dem Raum im 34. Stock des Hochhauses. Es war Nacht und kaum ein Licht brannte im ganzen Haus. In dem kleinen Raum stand ein Bett. Nur ganz leichte Atemgeräusche waren zu hören.

Plötzlich ging ein leichtes Pfeifen durch den Raum.

´Ich hätte mein Holophone auf lautlos stellen sollen`, dachte Samantha und drehte sich um.

Als das Pfeifen nicht nachließ, stand sie auf und setzte sich auf den Bettrand. Sie betätigte den Sensor vom Holophone und vor ihr erschien eine Frau mittleren Alters auf einem Stuhl sitzend.

„Corinna“, rief sie erstaunt, „ was willst du denn um diese Zeit?“

„Aufgewacht und mitgemacht. Wie viel Uhr ist es in Cairns?“

„6 Uhr.“

„Ich will jetzt ins Bett gehen.“

„Von wo rufst du an?“

„Ich bin in Windhuk. Hier ist es jetzt 22 Uhr. Ich wollt dir nur etwas mitteilen.“

„Mitten in der Nacht?“

„Ich fliege wieder ins All. Die Afrikanische Union rüstet eine Expedition aus, welche den Kuipergürtel vermessen soll. Es fehlt noch eine Pilotin. Ich weiß, du hast im Moment gerade keine Aufgabe. Na, wie wär’s?“

„Ich bin keine Afrikanerin.“

„Na ja, niemand ist vollkommen. Du kannst mitfliegen. Die Crew muss nicht afrikanisch sein. Also, kommst Du mit?“

„Muss ich mich jetzt entscheiden? Wann soll es denn losgehen?“

„In zwei Tagen.“

Samantha wischte sich die Augen, gähnte leicht und sprach: „Na dann viel Spaß. Ich lege mich wieder ins Bett.“

„Komm. Sei kein Weichei. Sag schon zu. Ich brauche dich. Ich brauche dich wirklich. Außerdem kommen wir zuerst zum Pluto.

Auf dem Weg dorthin liegt die Station des Jupitermondes Europa.

Wir sollen dort etwas abliefern, weil wir die einzigen sind, die demnächst in diese Richtung fliegen.“

Samantha schaute nun doch interessiert. „Warum hast du das nicht gleich gesagt? Dein Fred und mein John sind dort.“

„Genau. Außerdem ist es wahrscheinlich Fred seine letzte Fahrt so weit draußen. Wir wollen uns später in der Marskolonie niederlassen. Es gibt dort interessante Projekte. Die Marslandschaft erinnert uns an Namibia. Die großen majestätischen roten Sanddünen sehen aus wie im Sossusvlei. Das Terraformingprojekt auf dem Mars ist sehr interessant. Bis wir alt und grau sind wollen wir interessante Aufgaben haben und trotzdem nicht mehr im All rumgondeln. Wir sind nicht mehr die Jüngsten. Du könntest fast meine Tochter sein.“

„Lieber nicht. Du bist viel zu penibel. Bei dir müsste ich immer aufräumen. Also gut, ich komme mit. Jemand muss euch Alten doch helfen“.

„Ich bin erst fünfzig. Und mit dir Göre komme ich noch klar.

Dann mach dich mal fertig und komm mit dem nächsten Flug hierher. Ich bin auf dem Airport und hole dich ab. Wird nach unserer Zeit bestimmt sehr früh.“

Samantha drückte auf einen Knopf und Corinna verschwand.

Dann stand sie auf und ging zur Dusche.

Anschließend packte sie noch ein paar Sachen, welche sie mitnehmen wollte. Danach ging sie in ihre kleine Küche und sprach zum Computer: „ Hey Fox, mach mir einen starken Kaffee und such mir die nächste Verbindung nach Windhuk raus.“

Fox hieß Samanthas Computer. Über ihn liefen alle technischen Geräte im Haus und auch die Verbindung zu allen Datenbanken der Welt, der Planeten und Raumstationen.

Am Nahrungsautomat ging eine kleine Klappe auf und drinnen stand eine kleine Tasse mit duftenden Kaffee. Dann sprach eine männliche Stimme: „ Um 9.00 Uhr geht eine U-Bahn nach Sydney Airport, Ankunft 10.00 Uhr, Flug mit einem Mesogleiter nach Windhuk 10.20 Uhr, Ankunft 4.00 Uhr Ortszeit.“

„Danke Fox.“

Samantha zog sich an schnappte ihren Rucksack und ging zur U-Bahnstation. Sie wohnte in der Nähe der Esplanade, wo sich auch die U-Bahnstation befand.

Alle größeren Städte weltweit haben den Verkehr unter die Erde gebracht. Viele Städte sind auch untereinander mit einer U-Bahn verbunden. Privater Individualverkehr gibt es so gut wie keinen mehr. Fossile Brennstoffe sind auf der Erde des 23. Jahrhundert fast völlig aufgebraucht. Für die Energie- umwandlung nutzt man Sonnenenergie, Wasserkraft und Kernfusion. Die Luftverschmutzung hatte in den letzten Jahren abgenommen. Aber die Meere sind sehr arg in Mitleidenschaft gezogen worden, die Wälder wurden weitestgehend abgeholzt und der CO2 Gehalt der Atmosphäre hatte sich im 21. Jahrhundert so erhöht, dass die Auswirkungen im 23. Jahrhundert immer noch zu spüren sind.

Zudem ist die Bevölkerung der Erde auf 12 Milliarden gewachsen.

Dies führte am Ende des 22. Jahrhundert zu einem globalen Crash, welcher fast in einem dritten Weltkrieg endete. Nun versucht man verzweifelt nach Lösungen, um die Erde wieder lebenswerter zu machen. Auf der Suche nach neuen Rohstoffquellen forcierte man die Raumfahrt. Aber fossile Rohstoffe gab es im eigenen Sonnensystem nicht. Erze fand man auf anderen Planeten und Monden. Aus Pflanzen gewann man organische Stoffe für die chemische Industrie, aber nicht in ausreichender Menge. Auch das Steigen der Bevölkerung versuchte man nun in den Griff zu bekommen. Samantha seufze, als sie an all diese Probleme dachte.

Die Fahrt mit der U-Bahn war langweilig wie immer. Für diese Fälle hat Samantha immer ein Buch dabei. Sie war altmodisch. Ihr Buch war immer noch aus Papier, nicht diese superdünnen Folien zum zusammenrollen. Damit kann man über das globale Netzwerk sich jedes Buch herunterladen und lesen. Das Buch wurde schon oft totgesagt. Es gibt aber immer noch genügend Verlage, welche gedruckte Bücher herausgeben.

In Sydney angekommen stieg sie in einen komfortablen Mesogleiter. Es war ein kleiner Gleiter. Nur einhundert Passagiere waren an Bord. Der Gleiter erhob sich bis in sechzigtausend Meter Höhe um dann wieder zu landen. Diese Gleiter fliegen regelmäßig bei interkontinentalen Flügen. Ein leichtes Antigravitationsfeld lässt einem die große Beschleunigung nicht spüren. Schon nach wenigen Minuten überflog man die Tropopause, die Grenze zwischen Troposphäre und Stratosphäre. Nach fünfzehn Minuten überflog man die Stratopause, die Grenze zwischen Stratosphäre und Mesosphäre. Dann eine Stunde Flug und man landete wieder.

Kaum in sechzigtausend Meter angekommen gab es einen kurzen Gong und man durfte sich wieder abschnallen. Umgehend rief Samantha den Bordsteward. Dieser kam zu ihrem Erstaunen auch sofort.

Er fragte: „Darf ich etwas für Sie tun?“

„Ich hätte gern ein Frühstück.“

„Was darf es sein?“

„Zwei Toast, baked Beans, Marmelade, Butter und einen starken Kaffee.“

„Kommt sofort.“

Keine zwei Minuten und der Steward brachte das gewünschte.

`Die Nahrungsautomaten funktionieren hier aber schnell`, dachte Samantha und schaute sich um. Es schien kaum einer der Passagiere etwas essen zu wollen. Sie hingehend hatte immer Hunger. Allerdings musste sie sich beeilen, denn der Gleiter setzte schon bald wieder zur Landung an.

In Windhuk gelandet holte sie ihren Rucksack und begab sich in die Ausgangshalle. Diese war sehr großzügig gestaltet. Es gab mehrere Sitzecken und mehrere Nahrungsautomaten. Zwei große Bildschirme waren unter der Decke Angebracht: Diese zeigten die Starts und Landungen der verschiedenen Gleiter. Satelliten im All verfolgten genau diese Gleiter. Man war immer über die Position eines jeden Gleiters, welcher abflog und zur Landung ansetzte informiert.

In der Ausgangshalle wurde Samantha bereits von Corinna erwartet. Sie winkte heftig. Samantha winkte zurück.

„Hallo Sam. Wie versprochen habe ich dich abgeholt.“

„Ich weiß auch gar nicht, wo du wohnst.“

Vor der Halle wartete bereits ein Luftkissengleiter auf beide. Die Fahrt zu Corinnas Wohnung dauerte nur ein paar Minuten. Von Windhuk war nicht viel zusehen. Um diese Zeit schliefen die meisten noch. Nur wenige Gleiter waren auf den Straßen. Die Straßenbeleuchtung setzte alles in ein diffuses Licht. Nur ein paar Läden waren hell erleuchtet.

Corinna wohnte in einem Appartementhaus am Rande der Stadt.

Sie hatte sich dort zusammen mit Fred Kleinschmidt nach der Gaiaexpedition eine Wohnung genommen. Nach ein paar Wochen Urlaub flog John York, Samanthas Freund, wieder ins All. Sie wollten auf dem Jupitermond Europa den allesbedeckenden Eispanzer und das Meer darunter erforschen. Corinna hatte eine Stellung an der Universität Windhuk als Technikerin angenommen. Samantha hingegen hatte eine sehr langweilige Stelle in einem Hotelkomplex in Cairns.

Samantha und Corinna setzten sich auf die Terrasse. Von dort hatte man einen fantastischen Blick auf die Savanne. Hier schien die Welt noch in Ordnung.

„Du siehst gut aus, Corinna. So richtig sexy. Nur deine Frisur ist ein wenig wild.“

„Du kannst das Honigglas wieder einpacken. Sonst wird meine dunkle Haut noch rot. Was die Frisur angeht. Fred will es immer ein bisschen konservativ. Ganz kurze schwarze Locken. Ich habe meine Haare einfach wachsen lassen, nachdem er abgeflogen ist.

Aber ich werde sie wieder abschneiden. Ich sehe wie ein Stachelschwein aus. Wenn wir beim Europa sind, erkennt er mich sonst nicht mehr wieder.“

„Das wird er schon. Ein Stachelschwein hat einen faltigen Hintern.“

„Vielen Dank. Aber mit fünfzig ist der Hintern doch nicht mehr so faltenlos.“

Sie lachten beide. Corinna holte zwei Gläser mit Mineralwasser.

„Übst Du eigentlich noch Kickboxen?“, fragte Corinna.

„Ja natürlich. Kannst ja mit mir zusammen üben.“

„Lieber nicht. Ich mit meiner Figur als Mischung von Medizinball und Sandsack könnte dir nicht als Sparringspartner dienen. Du würdest mich grün und blau schlagen.“

„Ach, so schlimm ist es nun auch nicht. Deine Rundungen sind doch nicht schlecht. Fred findet das sicher toll.“

„Das stimmt. Fred findet alles an mir toll.“, sprach Corinna, stand auf und holte ein Pad aus dem Schrank und gab es Samantha.

„Hier sind einige Informationen. Wir werden zu viert starten. Wir fliegen zuerst zur Raumstation Okavango. Dort liegt unser kleines Schiff. Wir nehmen noch Ausrüstung mit für die Europastation.

Von dort dann zum Pluto. Danach fangen wir mit den Messungen an. Wir suchen vor allem Erze.“

„Wer sind die anderen Zwei?“

„Mara, sie stammt aus Südostasien und ist Geologin und die Planetologin Regina aus Deutschland werden uns begleiten. Mara ist erst siebenundzwanzig und Regina einunddreißig.“

„Na toll. Ein reines Weiberschiff.“

„Ja, wir werden es den Kerlen zeigen.“

„Das möchte sein. Das ist zum Glück nach dem großen Crash vor siebzig Jahren kein Problem mehr.“

„Und du bist die Chefin.“

„Corinna Mumba, Kapitän des Vermessungsschiffes ‚Limpopo„.“

„Ich gönne es dir, Corinna. Schließlich bist du die Älteste.“

„Ich werde es euch jungen Hühnern schon zeigen.“, sie machte eine kleine Pause und sprach weiter: „Kennst Du die Beiden?“

„Von Regina habe ich schon gehört. Sie soll schwierig im Umgang sein.“

„Nicht nur schwierig. Ich hörte, dass sie sehr eigensinnig ist und mit jedem Streit anfängt.“

„Ja, das habe ich eben auch gehört. Sie soll etwas abgehoben sein.

Hoffentlich hält sie sich ein wenig zurück. Habe keine Lust, mich nur herum zu ärgeren. Wenn sie unglücklich ist, muss sie dies nicht an uns auslassen.“

„Wer den Boden unter den Füssen verliert, wird schnell unzufrieden und unglücklich. Naja, wir werden sehen. Soo, “ sprach Corinna gedehnt, „ in zwei Stunden geht die Sonne auf.

Wir legen uns am besten noch ein bisschen aufs Ohr. Heute ist ein anstrengender Tag.“

Nach einem kurzen Frühstück fuhren sie mit der U-Bahn nach Lüderitz, wo sich der Start- und Landeplatz für Raumgleiter befand.

2.

Corinna und Samantha stiegen in den Raumgleiter ein. Er beförderte im Höchstfall zwanzig Personen zur Raumstation.

Heute saßen nur sechs Personen drin. Jeder Sitz war ein Fensterplatz. Es war schon ein überwältigendes Gefühl, wenn man von der Erde abhob. Die künstliche Gravitation verhinderte, dass die Beschleunigung jeden in die Sessel presste. Auch die Schwerelosigkeit war dadurch nicht spürbar. Die Entdeckung der Gravitaionselemente und ihre Nutzbarmachung waren schon ein gewaltiger Fortschritt. `Ach, wenn wir dies nur bei der Gaiaexpedition schon gehabt hätten. Wie angenehmer wäre der Flug gewesen. `, dachte Corinna.

„Bitte nehmen Sie Platz und genießen Sie den Flug. Falls Sie etwas benötigen, rufen Sie mich.“, sprach eine junge Stewardess bei der Begrüßung. Ihre hellgrüne Uniform war enganliegend. Auf dem Kopf trug sie ein kunterbuntes Kopftuch. Ihre bronzefarbene Haut glänzte im hellen Licht und um ihre vollen Lippen spielte ein Lächeln. Der junge Mann, welcher hinter Corinna einstieg, konnte kaum seinen Blick von ihr lassen.

Corinna und Samantha setzten sich. Ihre Plätze lagen sich gegenüber. Ein kleiner Tisch war dazwischen.

„Vielleicht sollte ich mir auch so eine grüne Uniform besorgen.“, sprach Corinna mit Blick auf den jungen Mann.

„Hey, der Junge ist halb so alt wie du. Und außerdem hast du Fred!“

„Du hast Recht. Aber das Leben ist ja so hart. Aber was ist mit Dir?“

„Ich liebe John. Der Junge ist auch zehn Jahre jünger als ich.“

„Das spielt heutzutage kaum noch eine Rolle. Außerdem, Appetit kann man sich ja mal holen, gegessen wird zu Hause.“

„Du bist unverbesserlich.“

Langsam setzte sich der Gleiter in Bewegung. Immer schneller gewann er an Höhe. Es war immer ein grandioses Gefühl, die Landschaft unter sich dahingleiten zu sehen. Sie hatte Glück. Es war wolkenloser Himmel. So konnten sie alles genau sehen. Schon bald hatten sie eine Höhe von 90 Kilometern erreicht. Es gab einige wenige Erschütterungen. Die Station Okavango lag geostationär in einer Höhe von fünfhundert Kilometern über Zentralafrika. Über jedem Erdteil lag eine geostationäre Station.

Über Venezuela lag die Station Orinoco, über Louisiana die Station Mississippi, über den Alpen die Station Donau, über Tonga die Station Sepik und über dem Himalaya die Station Mekong. Alle Stationen lagen in fünfhundert Kilometern Höhe.

Nach dem großen ökonomischen Crash, wurden die politischen Zänkereien und Auseinandersetzungen beendet. Wissenschaft und Technik erhielten dadurch einen gewaltigen Schub. Die einzelnen Stationen übernahmen die Aufgaben der kleineren einzelnen Satelliten. Im 22. Jahrhundert ist es öfters zu Unfällen im All gekommen, als Raumschiffe mit Satelliten kollidierten. Dies gehörte nun der Vergangenheit an. Von jedem Erdteil gab es einen regelmäßigen Shuttleverkehr mit der jeweiligen Station. Ebenso pendelten Shuttles zwischen den Stationen, den Luna Stationen Tycho Brahe, Johannes Kepler und Dmitri Mendelejew. Von der Station Mississippi gab es eine Verbindung zur Marskolonie „Philadelphia“ und von der Station Okavango eine Verbindung zur Raumstation „Ibn Battuta“ beim Asteroidengürtel. Diese war die äußerste ständig bewohnte Station der Menschheit.

Nach nur zwei Stunden Flug haben sie die Station erreicht.

Corinna sah durch das Fenster zur Erde. Das Shuttle flog so, dass man die Erde über den Köpfen sah.

„Ach endlich sind wir da. Ich habe nämlich Hunger. Ich werde vor dem Verladen noch zum Servicepoint gehen. Erst eine kleine Stärkung und dann ist ein Besuch beim Friseur angesagt.“, sprach Corinna.

„Deine kleine Stärkung kenne ich. Ein großes Steak, Bratkartoffeln und Buttererbsen.“, spöttelte Samantha.

„Ich kann auch nichts dafür. Ich habe eben immer Hunger. Und ein bisschen Übergewicht ist auch nicht schlimm. Ich bin ein Meter fünfundfünfzig groß und wiege doch nur etwas mehr als fünfundsechzig Kilogramm. Fred liebt meine Rundungen.“

„Sei froh, dass wir heutzutage künstliche Schwerefelder haben.

Ich sehe dich noch bei den Bremsmanövern in der `Isaac Newton`.

Du hattest ganz schön zu kämpfen bei 3g. Ich wollte dir schon einen Kran besorgen, welcher dich aus dem Sessel hievt.“, witzelte Samantha.

„Lieber durchs Leben gerollt als geklappert.“

„Haha.“

„Morgen um acht Uhr kommen unsere zwei jungen Damen. Dr.

Joshua Khama hat unter den Bewerbern sie persönlich ausgesucht.“

„Oh, der afrikanische Astronautik Chef persönlich. Na, wenn’s dann nichts wird. Wenn du essen gehst, kümmere ich mich um die Formalitäten. O. K.?“

Corinna streichelte sich ihren Bauch und nickte nur. Samantha winkt nur ab.

Bei der Ankunft gingen beide Frauen schnell von Bord. Corinna ging schnurstracks zum Servicepoint während Samantha zur Stationsleitung ging. Mit dreihundert ständigen Bewohnern ist die Station recht groß. Sie dient vor allem als Transitstation. Die Hotelebene hatte zwanzig Zimmer. Außerhalb der Erde lebten etwa schon eine halbe Million Menschen und Experten meinten, mit der weiteren Zunahme von Kolonien und Stationen werden es bald viele Millionen sein. Die Erde wird in den nächsten zweihundert Jahren „entvölkert“. Der Umwelt kann es nur dienlich sein. Gerade starteten zwei interstellare Expeditionen, eine zum Epsilon Eridanus und eine zum Alpha Centauri. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann es die ersten interstellaren Kolonien gibt.

Allerdings ist eine weitere Expedition zu Gliese 581 erst einmal auf Eis gelegt worden. Die Vorgänge bei der Gaiaexpedition sind allen noch in guter Erinnerung. Noch heute, drei Jahre danach, gedenkt man der drei Opfer.

3.

Die Stationsleitung war schon tags zuvor unterrichtet worden und alles war vorbreitet. Das Büro des Kommandanten lag auf dem mittleren Deck. Samantha betätigte das Eintrittssignal. Die automatische Tür öffnete sich und Samantha trat hinein. Das Büro war schlicht eingerichtet. Beeindruckend war das große Panoramafenster mit einem fantastischen Blick auf die Erde. Am Schreibtisch saß ein großer kräftiger Mann.

„Guten Tag.“, sprach Samantha. „Ich bin Samantha Brown. Ich möchte das Material für die Expedition zum Kuipergürtel abholen. Wir nehmen auch Material für die Jupiterexpedition mit.“

„Guten Tag. Ich bin Ayize Grunwald, Kommandant der Station.

Man hat mich informiert, dass Sie kommen. Die angeforderten Materialien liegen im Frachtraum drei bereit.“, sprach der Hüne.

Er bemerkte Samanthas Blick zur Erde.

„Ja, Frau Brown. Sieht richtig träumerisch aus, nicht wahr? Noch zwei Monate, dann habe ich endlich Urlaub und kann für drei Wochen meine Heimatstadt Ulundi im Zululand besuchen. Ich war das letzte Mal vor einem Jahr auf der Erde. Man sieht sie täglich und kann doch nicht hin.“, er seufzte laut und sprach weiter. „Ich werde auch mal im Land meiner Vorfahren in Mitteleuropa vorbeischauen. Ein Ururgroßvater von mir stammt aus Thüringen in Deutschland.“

„Jaja Mutter Erde. Wir werden erst nach einem Jahr wieder hier sein.“

„Gut. Noch ein Wort. Für die Jupiterstation Europa werden vier Photonensprengkörper dabei sein. Seien Sie also vorsichtig.

Normalerweise kann ohne Code nichts passieren, aber man kann ja nie wissen.“

„Sprengkörper? Davon hat man uns nichts gesagt.“

„Nein? Wurden aber mit als erstes geordert. Nun ja, auf jeden Fall müssen Sie diese mitnehmen. Um ein Loch in die mehrere hundert Meter oder Kilometer dicke Eisdecke des Ozeans auf Europa zu sprengen braucht man diese. Die Hitze der Detonation ist mit diesen Sprengkörpern ganz gezielt lenkbar.“

„Naja. Hilft alles nichts. Nehmen wir diese halt mit.“

„So. Unterschreiben Sie hier.“, er hielt ihr ein Pad hin. Samantha unterschrieb. Der Kommandant gab ihr einen kleinen Chip. Er sprach: „Der Chip öffnet ihnen die Tür zum Frachtraum. Sie bedienen auch damit den Frachtroboter. Er bringt Ihnen alles zu Ihrem Shuttle. Na denn. Ich wünsche Ihnen einen guten Flug und viel Erfolg bei der Vermessung. Wenn Sie heute noch zu Abend essen wollen, im oberen Stockwerk ist ein Restaurant. Auch für das Frühstück morgen. Es ist rund um die Uhr geöffnet.“

„O. K. Danke. Auf Wiedersehen.“, sprach Samantha und verließ das Büro.

Samantha ging noch einmal zu Corinnas Zimmer. Sie drückte den Klingelknopf. Corinna öffnete.

„Hallo. Gehen wir jetzt etwas essen?“

„Corinna, das nimmt noch mal ein schlimmes Ende mit dir. Du denkst schon wieder nur ans Essen.“

„Ich kann nichts dafür. Ich habe eben immer Hunger.“

„Na gut. Gehen wir.“

Im Restaurant angekommen, wählten sie einen Platz, bei dem man die Erde sehr gut sieht. In Afrika war gerade Nacht. Die großen Städte leuchten.

„Bei Nacht sieht die Erde wunderschön aus.“, sprach Corinna.

„Sieh dort unten meine Geburtsstadt Brazzaville. Als ich fünf Jahr alt war, zogen meine Eltern dann nach Windhuk. Dort habe ich den Großteil meiner Kindheit verbracht, bin zur Schule gegangen, habe studiert und später am kybernetischen Institut in Windhuk gearbeitet. Dort lernte ich Fred kennen. Als ich dreißig war, bewarb ich mich bei der astronautischen Organisation Afrikas und wurde genommen, Fred ebenfalls. Tja, von da bestimmte das Weltall über unser Leben. Drei Flüge haben wir gemeinsam gemacht, zum Mars, zum Titan und nach Gaia. Wir sollten sogar bei der Kolonisierung des Titan helfen. Glücklicherweise, so muss man jetzt sagen, wurde Fred krank. Das Raumschiff zum Titan ging ja bekanntlich verloren. Es gilt ja bis heute als verschollen. Dreihundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auch Künstler, Architekten Ingenieure, Handwerker haben dabei wahrscheinlich den Tod gefunden. Zumindest sind sie nie gefunden worden.

Schrecklich. Tja, nun sind wir das erste Mal für längere Zeit voneinander getrennt. Ich kann es kaum erwarten ihn wiederzusehen.“

„Tja, wem sagst du das. Mir geht es im Prinzip auch nicht anders.

Bald ist es ja so weit.“

Sie schauten beide etwas sehnsüchtig zum Fenster hinaus. Unter Ihnen leuchteten die Städte. Aber viele Gebiete waren auch dunkel. Die Erde sah von oben sehr romantisch aber auch verletzlich aus. Nichts deutete darauf hin, was sie schon alles durchgemacht hat, wie viele Kriege und Naturkatastrophen, wie viel Leid und Elend aber auch Glücksmomente und Freude.

Während sie so nachdachten kam ein Serviceroboter an ihren Tisch und sprach sie an: „Darf ich Ihnen etwas bringen?“

„Ja für mich eine Pizza mit Schinken und Champignons, dazu ein deutsches Pilsener.“, sprach Corinna.

„Ich möchte nur einen gemischten Salat und ein Glas Mineralwasser.“, fügte Samantha hinzu.

„Du gönnst Dir heute aber viel. Schlägst ja richtig über die Strenge. Bei dem vielen Grünfutter meckerst du irgendwann wie eine Ziege. Ich will Salalalat, Salalat mit Wawawasser.“, Corinna lachte laut.

Nach ein paar Minuten fragte Corinna: „Sagt mal, was ist eigentlich beim Chef hier herausgekommen?“

„Gut dass du fragst. Bei der Aussicht hier vergisst man das wesentliche. Es liegt alles im Frachtraum drei. Aber wusstest Du, dass wir Sprengkörper mitnehmen sollen?“

„Nein. Das ist mir neu. Für was brauchen wir Sprengstoff. Wir sollen nur messen und scannen.“

„Der Sprengstoff ist für die Jupiterstation. Es handelt sich um Photonensprengkörper. Die Codes liegen dabei.“

„Auch nicht schlecht. Wer macht so einen Unsinn? Legt die Codes dazu.“

„Jedenfalls sollen wir alles mitnehmen.“

Der Serviceroboter brachte ihnen inzwischen das Essen. Er stellt beides auf den Tisch und sprach eintönig: „Guten Appetit.“

Corinna schnarrte mit gleicher Tonart zurück: „Dankeschön.“

Sie ließen sich beide das Essen schmecken. Corinna sah man an, dass es ihr geschmeckt hat. Sie streichelte sich ihren Bauch und atmete tief durch.

„Soo, das tat gut. Ich war richtig ausgehungert.“, sprach sie.

„Wo isst du das alles nur hin? Du musst doch einen gigantischen Magen haben.“

„Ich weiß auch nicht. Ich habe eben immer Hunger.“

„Wir sollten nun wirklich zu Bett gehen.“

Sie gingen langsam zu ihren Zimmern. Diese waren geräumig, aber trotzdem schlicht eingerichtet, ein Bett, ein Schrank, ein Sessel und natürlich eine Holophoneeinheit.

Im Zimmer angekommen zog sich Corinna langsam aus und zog ihr Nachthemd an. Sie ging zum Holophone und rief Samantha.

„Hallo Sam. Denke bitte daran. Morgen müssen wir früh aufstehen. Nachdem die zwei jungen Küken angekommen sind, wird alles verladen und ab geht’s.“

„Mich wundert’s, dass Du nichts vom Frühstück erzählst. Ist ja ein ganz neuer Zug von Dir. Du bist doch nicht etwa krank? Muss ich mir Sorgen machen?“

„Nein, ich bin kerngesund. Ich wollte nur sehen, ob Du um mich besorgt bist.

Gute Nacht.“

„Gute Nacht“

4.

Am nächsten Morgen um sechs Uhr dreißig: Ein ohrenbetäubender Lärm riss Corinna aus dem Schlaf. Sie blickte entsetzt auf den Monitor. „Was ist das?“, fragte sich Corinna.

„Wer hat nur so ein grässliches Geräusch als Wecker installiert? Das weckt ja Tote auf.“ Laut schrie sie den Computer an: „Ruhe! Aufhören!“ Der Wecker schwieg nun endlich.

„Wird auch Zeit.“, sagte sie.

Langsam ging sie ins Badezimmer und stieg in die Dusche. Nach ein paar Minuten war sie schließlich fertig und kleidete sich an.

Als sie in den Spiegel sah, lächelte sie und steckte sich die Zunge raus. `Na gut, Fred kann zufrieden sein, ich sehe wieder aus wie ein Mensch. `, dachte sie.

Auf dem Weg ins Restaurant traf sie Samantha. „Guten Morgen Sam.“

„Guten Morgen. Gut geschlafen Corinna?“

„Ausgezeichnet. Aber heute früh werde ich Strafanzeige erteilen wegen Lärmbelästigung. Dieses Ding von Computer hat mitten in der Nacht einen Krach gemacht, dass ich wach wurde.“

„Sechs Uhr dreißig!“

„Sag ich doch. Mitten in der Nacht.“

„Deswegen nennt man es auch Wecker.“

„Folterinstrument wäre besser.“

„Nun schau nicht so griesgrämisch. Wenn Du erst etwas gegessen hast geht es dir besser. Ich weiß das.“

„Das war ein gutes Stichwort. Essen!“

Samantha schüttelt nur den Kopf. Im Restaurant angekommen winkte Corinna sofort den Serviceroboter herbei. Dieser kam auch sofort.

„ So, ich hätte gern. Drei Toast, etwas Butter, ein Stück Rührkuchen, baked Beans, Marmelade, ein gekochtes Ei, eine Scheibe Schinken, zwei Scheiben Edamer und eine Banane, ach ja einen Pott starken Kaffee und ein Glas Orangensaft.“

Samantha schaut sich verdutzt nach allen Seiten um als würde sie nach jemanden schauen.

„Was ist los?“, fragte Corinna.

„Kommen noch ein paar Gäste?“

„Wieso?“

„Du hast bestellt, als würde eine Kompanie zum Essen kommen.“

„Haha. Ich brauche das eben.“

Samantha bestellt sich nur einen Toast mit Butter und eine Tasse Kaffee.

Nach dem Frühstück gingen sie in ihr Raumschiff. Dort warteten schon Mara und Regina.

Corinna sprach sie an: „Hallo, ich bin Corinna und dies ist Samantha.“, sie zeigt kurz auf sie, „ wir werden also für die nächsten Wochen zusammen sein. Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit.“

Regina, eine mittelgroße schlanke, schwarzhaarige, junge Frau sagte darauf nur kurz: „Das hoffe ich auch. Ich bin Regina.“

„Und ich bin Mara“, sagte eine kleine zierliche Frau. Sie hatte die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Beide trugen eine enganliegende Uniform der Afrikanischen Raumfahrtbehörde.

„So, gehen wir an Bord.“, sprach Corinna. „Wir treffen uns in einer Stunde im Cockpit.“

Das Raumschiff war nicht allzu großzügig ausgestaltet. Es besaß fünf Mannschaftskabinen, einen kleinen Speiseraum, Dusche und Toilette, einen großen Frachtraum und das Cockpit. Die Mannschaftskabinen hatten ein Bett, einen Schrank, ein Waschbecken, ein Stuhl, einen Tisch, einen Sessel, an der Wand hing ein großer Monitor und natürlich hatte es ein Fenster.

Nachdem sie in das Schiff gegangen waren ging zunächst jede in ihre Kabine. Alle hatten eine Reisetasche für persönliche Dinge bei sich.

Corinna beeilte sich, denn sie musste noch den Frachtraum inspizieren, ob die Laderoboter alles gut verstaut hatten. Es durfte nicht zurückgelassen werden. Man konnte nicht einfach wieder zurückfliegen um noch etwas zu holen. Besonderes Augenmerk legte sie auf die Sprengkörper. Die Codes hatte sie bereits an sich genommen. Nachdem sie alles geprüft hatte ging sie ins Cockpit.

Die Codes für die Torpedos legte sie in ein kleines Schließfach neben der Hauptkonsole. Am großen Frontfenster standen zwei Schalensessel für den Piloten und den Kapitän. An den Seiten waren die Messgeräte. Davor standen jeweils drei Sessel für die Mannschaft.

Corinna fuhr gerade das System hoch, als Samantha ins Cockpit trat. Sie nahm auf dem Pilotensitz Platz. Danach kamen Mara und Regina.

Corinna sprach: „So Mädels. Alles klar? Kann`s losgehen?“

„Alles klar.“, sprach Samantha.

„Alles klar.“, sprach auch Mara. Regina nickte nur kurz mit dem Kopf.

„Regina? Was ist mit dir?“, fragt Corinna.

„Jaa. Alles klar, Käpt`n.“, das Käpt`n sprach Regina etwas gedehnt, als würde sie sich über die Bezeichnung amüsieren. Man merkte Corinna an, dass sie sich zurückhalten musste, um nicht gleich am Anfang mit Regina eine Auseinandersetzung zu haben.

Samantha schüttelte nur den Kopf.

„Was ist? Passt euch etwas nicht?“, fragte Regina mit einer gewissen Arroganz.

„Dein Kopfschütteln konnte Corinna nicht sehen. Du kannst ruhig antworten, finde ich.“, antwortete Mara.

„Mir scheint, Dir passt etwas nicht.“, sprach Samantha.

„Ich habe nicht um diesen Auftrag gebeten. Ich wollte eigentlich übernächste Woche mit einer europäischen Expedition zum Merkur. Aber man hat mich nicht berücksichtigt.“, sprach Regina etwas ungehalten.

„Tja, woran das wohl liegt?“, fragte Samantha.

„So, nun aber gut. Du bist hier und hörst auf meine Anweisungen.

Wenn dir was nicht passt, sprich es aus, aber diese Arroganz und Überheblichkeit kannst du steckenlassen. Wir müssen einige Wochen und Monate miteinander auskommen. Es wäre gut, wenn das jedem klar ist.“, sagte Corinna. Sie atmete tief durch, drückte einen Knopf und sprach laut: „Raumschiff Limpopo an Station Okavango. Erbitten Starterlaubnis.“

„Erlaubnis erteilt. Viel Glück.“, erklang eine weiche weibliche Stimme aus den Lautsprechern.

„Danke. Bis bald.“, erwiderte Corinna und wandte sich an Samantha: „ Andockklammern lösen! Manövriertriebwerke langsam voraus! Bei fünfhundert Metern Entfernung Haupttriebwerk zünden!“

„Eye, eye Käpt`n.“, antwortete Samantha.

Es gab eine leichte Erschütterung und das Raumschiff „Limpopo“

entfernte sich langsam von der Station. Als die fünfhundert Meter erreicht waren, gab es eine leichte Vibration. Das Haupttriebwerk war gezündet. Das Raumschiff wurde nun zunehmend schneller.

„So nun kann es losgehen. Sam, langsam beschleunigen. Bei einhundert Kilometer Entfernung den Kurs an die Computerberechnung anpassen. Wenn wir auf Kurs sind, den Autopiloten einschalten.“, sprach Corinna.

„O. K.“

5.

Das Raumschiff „Limpopo“ entfernte sich sehr rasch von der Station. Schon nach kurzer Zeit war die Geschwindigkeit von einhundert Kilometer pro Sekunde erreicht. Im Raum bis zum Asteroidengürtel war eine höhere Geschwindigkeit nicht zugelassen. Zu dicht war der Verkehr. Vor dem Asteroidengürtel musste man noch einmal abbremsen auf fünfzig Kilometer pro Sekunde, um einer Kollision vorzubeugen. Nach den Asteroiden konnte man dann auf zwanzigtausend Kilometer pro Sekunde erhöhen. Schon nach zwei Wochen werden sie dann bei der Jupiterstation auf dem Mond Europa ankommen. Corinna und Samantha freuen sich besonders darauf, denn ihre Lebenspartner sind dort. Dann werden sie diese für mehrere Monate nicht mehr sehen. Auf der Europastation will man versuchen, den neuntausend Meter dicken Eispanzer zu durchbohren, und ein Schiff in den darunterliegenden Ozean zu bringen. Man hatte schon in der Vergangenheit Bohrungen durchgeführt, um die genaue Dicke des Eispanzers festzustellen. Bei den Untersuchungen stellte man Leben im Ozean fest. Man fand Bakterien und sogar kleine krebsartige Tiere von circa fünf Zentimetern Größe. Nach den fossilen Lebensspuren von Mikroben auf dem Mars, war der Jupitermond Europa die zweite Stelle im Sonnensystem wo außerhalb der Erde Leben existiert oder zumindest existierte.

Im Raumschiff schaute Corinna aus dem Fenster. „Schade, dass der Mars gerade auf der anderen Seite der Sonne ist. Ich finde seinen Anblick immer wieder faszinierend. Aber dafür werden wir Ceres sehen.“

„Und was findest du an diesem Miniplaneten?“, fragte Regina.

„Ich finde ihn einfach schön und sehr interessant.“

„Warst du schon mal auf ihm?“, fragte Samantha Corinna.

„Nein.“

„Aber ich. Bei meiner Pilotenausbildung musste ich auf ihm landen. Es war ziemlich schwierig. Ceres hat ja eine sehr geringe Gravitation und die Oberfläche ist mit Eis bedeckt. Aber ich habe es geschafft.“, sprach Samantha.

„Naja. Die Bedingungen auf dem Mond Europa sind ähnlich. Da kannst du dein Können beweisen.“, sagte Corinna.

„Ich werde wie immer mein Bestes geben.“, antwortete Samantha.

Nach drei Tagen kam der Mars in Sicht. Der rote Planet kam schnell näher. Corinna führte ein kurzes Gespräch mit dem Leiter der Kolonie, Samuel O’Neill. Er war der erste Mensch, welcher auf dem Mars geboren wurde. Seine Eltern waren einst aus Irland zum Mars ausgewandert. Heute leitete er diese Kolonie.

„Hallo Mars. Hier Raumschiff `Limpopo`.“

„Hallo. Der Mars grüßt euch. Wie geht es euch?“

„Uns geht es ausgezeichnet. Wir sind auf dem Weg zum Jupiter.

Wenn unsere Mission beendet ist, werde ich euch besuchen.

Vielleicht braucht ihr noch ein paar Mitbewohner.“

„Immer. Wir wollen eine zweite Kolonie gründen. Auch unser Projekt zum Terraforming soll bald beginnen. Wir brauchen erfahrene Leute.“

„Ich weiß. Fred und ich freuen uns darauf. Also bis bald.“

„Bis bald und viel Glück. Ende.“

„Danke. Ende.“

Rasch ließen sie den roten Planeten hinter sich. Nun hieß es drei Tage lang ohne größere Änderungen zu verbringen. Jeder ging seinem Hobby nach. Eine hatte Dienst im Cockpit. Alle sechs Stunden wurde man abgelöst.

Als gerade Samantha Dienst hatte, spielte Mara Violine und übte ein neues Stück ein. Corinna las in einem Buch und Regina sah sich einen Film an. Alles schien ruhig. Aber es war die Ruhe vor dem Sturm, denn schon am ersten Tag gab es Krach im Flur.

Regina stürmte bei Mara ins Zimmer und herrschte sie an: „Muss du ständig auf diesem Kasten fiedeln? Das geht mir tierisch auf die Nerven. Ich kann ja meine eigene Stimme nicht mehr hören.

Geht das nicht ein bisschen leiser?“

„Da geht es uns beiden gleich. Ich kann deine Stimme auch nicht mehr hören. Wenn dir meine Musik nicht gefällt, dann setz Kopfhörer auf.“

Regina lief puterrot an und wollte Mara die Violine aus der Hand reißen. Da kam Corinna herein.

„Was ist denn hier los? Ihr schreit ja den ganzen Weltraum zusammen. Spinnt ihr ein wenig.“, sagte Corinna.

„Ich kann dieses Geplärr nicht mehr hören. Den ganzen Tag die Noten rauf und runter, laut und falsch.“, sprach Regina.

„Woher willst du denn wissen, was richtig oder falsch ist? Du hast doch gar keine Ahnung von Musik, von wahrer Kunst. Du kannst dies gar nicht beurteilen.“, entgegnete Mara.

„Ich muss auch keine Ahnung haben, um dieses Gequietsche zu beurteilen. Es nervt nur ungemein.“

„Regina“, sprach Corinna ein Machtwort, „ du gehst jetzt in dein Zimmer! Und du Mara wirst deine Übungen nur noch machen, wenn Regina Dienst hat. Und dann auch nicht sechs Stunden, sondern nur zwei Stunden. O. K.? Seit ihr damit einverstanden?“, Corinna blickte beide an.

Mara nickte und Regina dreht sich um und ging. Auch Corinna schüttelte den Kopf, ging wieder in ihr Zimmer und sprach zu sich selbst: „Zickenkrieg. Das kann ja heiter werden.“

Von da an kam es zu keinen weiteren unliebsamen Vorkommnissen. Mara und Regina gingen sich weitestgehend aus dem Weg. Mara übte nun nicht mehr so oft auf ihrer Violine. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten sahen sich beiden allerdings kaum an. Die Arbeit vernachlässigte allerdings niemand. Der Flug verlief nun etwas ruhiger.

6.

Der Kleinplanet Ceres zeigt sich im fahlen Lichte der fernen Sonne. Er sah gespenstig aus. Unzählige große und kleine Krater bedeckten seine vernarbte Oberfläche, die Zeugen der wilden Vergangenheit dieses kleinen Planeten. Der Asteoridengürtel zwischen Mars und Jupiter war eine Ansammlung vieler kleiner Gesteinsbrocken. Die meisten waren nur wenige Hundert Meter groß. Es gab aber auch Planetoiden wie Ceres, welcher immerhin eine Größe von neunhundertfünfundvierzig Kilometer hat. In nur fünftausend Kilometer Entfernung flog das Schiff „Limpopo“ an ihr vorbei.

Corinna und Regina hatten Dienst im Cockpit. Sie schauten sich auf dem Monitor diesen Planetoiden an.

„Regina, mach ein paar Aufnahmen von Ceres. Es sind noch nicht sehr viele so nah vorbeigeflogen. Vielleicht sollten wir eine Sonde hinschicken und verankern?“

„So wie Bergsteiger sich im ewigen Buch auf einem Gipfel verewigen?“

„Ja. Warum nicht?“

„Wir könnten jeder eine Locke von uns hineinlegen. Spätere Generationen könnten dann aus unserer DNA einen Klon von uns produzieren.“, sprach Regina spöttisch.

„Haha. Aber eine kleine Mitteilung könnt man doch hineinlegen.“

„Wenn du meinst.“

„Ich frage die Anderen.“, sprach Corinna und ging hinaus.

Die beiden anderen waren dafür. Also schrieb jede einen kleinen Zettel, legte ihn in die Sonde und ab ging es. Nur wenige Minuten später landete die Sonde auf Ceres. Schon bald war der Miniplanet außer Sicht. Corinna setzte sich auf ihren Sessel und rief ins Mikrophon: „Samantha bitte ins Cockpit!“

Samantha kam schnellen Schrittes in das Cockpit und nahm am Pilotentisch Platz.

„Sam, rufe bitte die Jupiterstation auf Europa. In ca. drei Tagen werden wir dort sein.“

Samantha drückte auf einige Sensoren und richtete die Antenne auf den Jupiter aus.

„Hallo Jupiterstation Europa. Hier ist das Raumschiff `Limpopo`.“

Als Antwort kam nur ein schwaches Rauschen. Samantha wiederholte ihren Ruf.

„Hallo Jupiterstation Europa. Hier ist das Raumschiff `Limpopo`.

Wir sind auf dem Weg zu Euch.“

Einige Sekunden später kam dann die Antwort: „Hier ist die Jupiterstation Europa. Ich grüße Euch. Es spricht der diensthabende Ingenieur Thomas Wilson.“

„Hallo“, sprach nun Corinna. „Wir können in drei Tagen bei Euch sein. Sind Fred und John da?“

„Nein. Wir sind mit allen eher fertig geworden. Fred und John sind zusammen mit Michele Möller schon im Eis. Die Eisdecke ist hier nicht so dick. In zwei Tagen dürften sie den Ozean erreicht haben. Zurück kommen sie erst in neun Tagen.“

Corinna und Samantha schauten sich enttäuscht und traurig an.

Nun wurde aus dem Wiedersehen nichts.

„Das ist aber sehr schade. Wir haben gehofft, dass wir sie treffen.

Aber wir haben auch Ladung für euch an Bord. Vor allem Sprengraketen.“

„Wir haben genug davon mitgenommen. Dadurch, dass die Eisdecke hier mit nur einhundert Kilometer sehr dünn ist, hatten unsere Sprengkörper ausgereicht. Wann werdet ihr fertig sein mit eurer Mission, oder seid ihr nur wegen uns hier?“

„Nein. Unsere Aufgabe ist es, Vermessungsarbeiten im Kuipergürtel durchzuführen. Das Teilstück, welches wir vermessen, haben wir in drei bis vier Wochen geschafft.“

„Gut, dann kommt auf dem Rückweg noch einmal hier vorbei.

Wir haben nicht viele Lagerkapazitäten. Und im Freien auf der Oberfläche können wir bei diesen Temperaturen nichts lagern.

Hier ist es minus einhundertsiebzig Grad Celsius kalt. Ihr versteht?“

„Gut. O. K. Unser Lagerraum ist groß genug. Die Sachen stören uns nicht. Grüßt John und Fred von Samantha und Corinna.“

„Gut. Mache ich. Es tut mir leid, dass das Treffen nicht geklappt hat. Auf Wiedersehen, bis bald.“

„Bis bald.“

Corinna schaute Samantha an und sprach: „So, Sam. Und nun neue Kursberechnung und volle Beschleunigung zum Transneptunraum. Ich will so schnell wie möglich wieder hier sein. Du sicher auch. Charon und Pluto warten auf uns.“

Regina, die unbeteiligt zugehört hatte sprach zu den beiden: „Ihr müsst es ja nötig haben.“

„Auf uns wartet wenigstens jemand. Kein Grund neidisch zu sein.“, sprach Samantha. Sie hantierte indes auf ihrem Pult herum.

Sie drehte sich zu Corinna und zeigte auf die Kursanzeige.

„Corinna, kennst du diesen Punkt? Schau dir die Koordinaten einmal genauer an.“

„Das, das gibt es doch nicht. Das ist genau die Stelle, wo man uns freigegeben hat.“

„Genau.“

Regina schaute verdutzt zu Samantha und Corinna und wusste nicht, worum es ging.

„Was für eine Stelle meint Ihr?“, fragte sie und zeigt auch auf die Stelle auf dem Pult.

„Dort, an dieser Stelle haben uns die Fremden nach der Gaiaexpedition, wie soll ich sagen, abgesetzt.“, sprach Corinna.

„Genau dort?“

„Ja. Genau dort. Sie hatten uns bei der Neptunbahn abgesetzt.

Beim äußersten Planeten unseres Systems. Aber das kannst du alles in der Datenbank nachlesen.“

„Welch ein Zufall“, sprach Samantha.

„Stimmt. Aber dadurch, dass wir nicht zur Jupiterstation fliegen, ist unser neuer Kurs anders als vorher berechnet.“

Corinna und Samantha schauten sich sorgenvoll an. Sie hatten die Gaiaexpedition nicht vergessen. Erst recht nicht den Heimflug.

Auch die Toten konnten sie nicht vergessen. Bis heute scheut man sich, noch einmal Kontakt mit der Welt bei Gliese 581 aufzunehmen.

„Was soll schon passieren. Die Fremden hatten euch hierhertransportiert. Na und? Es ist nur eine Stelle im luftleeren Raum. Nicht anders, als der Rest des Sonnensystems.“, sagte Regina.

„Du hast gut reden. Du warst nicht dabei, wie unser Raumschiff durchgeschüttelt wurde. Wir waren von einer Singularität gefangen. Zwanzig Lichtjahre in nur wenigen Tagen. Es war der blanke Horror. Das Raumschiff war ziemlich kaputt. Wir hatten viele Verletzte an Bord.“, sprach Samantha.

Corinna nickte mit dem Kopf dazu. Auch ihr schauderte es heute noch bei den Gedanken an diesen Flug. Dass sie diese Stelle noch einmal kreuzen würden war nicht geplant. Aber sie weitläufig zu umfliegen würde Wochen dauern. Man konnte nicht beschleunigen und musste langsam einen Bogen fliegen. Sie mussten da durch.

Die Antriebsaggregate zündeten. Das Raumschiff beschleunigte nun auf zwanzigtausend Kilometer je Sekunde. In ein paar Tagen hoffte man ohne Zwischenfälle im Kuipergürtel anzukommen.

7.