Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Was bricht selbst den stärksten Willen? Das Wissen, dass die gefährlichsten Männer der Welt auf dich Jagd machen. Slayer gilt als der beste Killer der CIA und wird immer geschickt, wenn der perfekte Grad zwischen Brutalität und Professionalität gebraucht wird. Aber sein neuer Auftrag ist ein anderer. Diesmal wird er auf einen ebenbürtigen Killer angesetzt. Colin Raynor. Ein Mann, der zuerst als MI6-Killer zur Legende und dann als al-Qaida-Killer zum Dämon wurde. Beide nehmen den Kampf an und bereiten sich darauf vor, bis Raynor von al-Qaida hintergangen wird. Mit der Zeit kommen immer mehr Informationen ans Tageslicht. Slayer und Raynor erkennen, dass sie es nur gemeinsam schaffen können. Aus dieser ursprünglichen Allianz kristallisiert sich bald eine enge Bruderschaft heraus.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 1024
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Collin Wolf
Slayer
Collin Wolf
Slayer
Alle Rechte bei Verlag/Verleger
Copyright © 2024
Jörg Piesker
https://www.joerg-piesker.de/impressum/
www.joerg-piesker.de
ISBN
Wien
Was war das Schlimmste daran zu wissen, dass bald deine Wohnung gestürmt werden würde? Die Ungewissheit, wann es geschah. Colin Raynor, ehemaliger MI6-Agent und Killer, störte diese aber kein bisschen. Im Gegenteil. Er liebte sie sogar. So konnte er in aller Ruhe seine Walther P99 reinigen, die Magazine mit 9 mm Luger Patronen befüllen und den Schalldämpfer mit Polymergel bearbeiten, damit die Schüsse noch leiser waren. Zwar würde man sie immer noch durch das ganze Wohnhaus und wahrscheinlich auch draußen hören, aber der Wille zählte. Erst vor drei Tagen war Raynor aufgefallen, dass er beschattet wurde. Diese CIA-Agenten hatten sich echt nicht die Mühe gemacht und waren einfach mit dem typischen schwarzen Cadillac Escalade hergekommen, hatten sich an den Straßenrand gestellt und gewartet. Seit zwei Tagen beobachtete er nun schon dieses Prozedere. Zwei Männer saßen vorne und wahrscheinlich ein schwer bewaffneter SAD-Operator auf der Rückbank. Raynors schnelles Gedächtnis brauchte nicht lange um zu erkennen, dass er bald Besuch der Special Activities Division, wie die paramilitärische Spezialeinheit der CIA ausgeschrieben hieß, bekommen würde. Das Ziel war ihm bereits klar. Er sollte nicht festgenommen, sondern eliminiert werden. Viele würden jetzt Panik bekommen, aber nicht Raynor. Nein, er freute sich schon auf den Besuch und konnte es kaum erwarten, mal wieder Blut zu vergießen. Das letzte Mal war jetzt immerhin zwei Monate her. Er würde die Operators ganz einfach mit ein paar 9mm-Geschossen in Empfang nehmen, dann die beiden Agenten in ihrem Escalade ausschalten, in seinen BMW X7 steigen, den er auf einen Parkplatz in der Nähe abgestellt hatte, und abhauen. Seine Sachen hatte er schon in Sporttaschen gepackt und im Kofferraum verstaut. Jetzt hieß es nur noch warten. Raynor schätzte zwar, dass die Operators heute Abend kommen dürften, aber sie könnten gerne auch früher kommen. Er steckte das Magazin in die Walther, ließ eine Patrone in die Kammer gleiten, sicherte sie und steckte sie sich in den Hosenbund. Die anderen drei Magazine steckte er hinter die Walther. Jetzt war er bereit. Es fehlten nur noch seine Opfer.
Etwas außerhalb von Wien, in einem kleinen unscheinbaren Haus, war das Hauptquartier der hiesigen CIA-Task Force. Zwei Agenten und vier SAD-Operators waren Teil dieser Task Force, die intern nur unter dem Namen ›Bond‹ bekannt war. Noah Mitchell, ehemaliger Marine und jetziger SAD-Operator, war der Leiter von ›Bond‹. Er und zwei seiner Operators, Benjamin Campell und Oliver Nathaniel, ebenfalls ehemalige Marines, bereiteten ihre Ausrüstung für den heutigen Einsatz vor. William Winson, der vierte Operator und auch ein ehemaliger Marine, beschattete mit den beiden Agenten, Lewis Jacobs und Logan Baldwin, das Zielobjekt. Ein Wohnhaus, etwas außerhalb der Innenstadt, wo sie den meistgesuchten Killer auf der Welt vermuteten. Colin Raynor. Dieser Kerl war für die Vereinigten Staaten ein Albtraum gewesen. Früher war er beim MI6, wo er nur für Spezialoperationen im militärischen Bereich eingesetzt wurde und dann als Killer für den MI6 und den MI5 tätig. Nachdem diese ›Geschäftsbeziehung‹ aber beendet wurde, wurde er schnell von al-Qaida angeheuert und nach Afghanistan gebracht, wo er seine Fähigkeiten dazu einsetzte, amerikanische Soldaten zu ermorden. SEALs, Berets, Ranger, Marines und viele mehr starben durch seine Hand. Insgesamt 47 Soldaten gingen auf seine Kappe. Zumindest von denen die CIA etwas wusste. Man ging allerdings davon aus, dass die Dunkelziffer bei weit über hundert lag. Dieser Raynor war wahrscheinlich der derzeit beste Killer, der außerhalb von Amerika tätig war. Wenn nicht sogar der Welt. Sein letzter Auftrag lag allerdings schon einige Zeit zurück. Vor zwei Monaten eliminierte er in London einen MI5-Agenten, der zu nah an eine Zelle der al-Qaida herangekommen ist. An sich nichts Besonderes, wäre dieser MI5-Agent nicht der ikonische Max Rapp gewesen, der als der ›James Bond des MI5‹ angesehen wurde. In Sekundenschnelle wurde das MI5 um Jahre in der Terrorabwehr zurückgeworfen. Einen Tag nach dieser Tat rief die CIA dann die Task Force ›Bond‹ ins Leben. Jetzt waren sie also hier und kurz davor, diesen Mann endlich zu erwischen. Diese Gedanken blendete Noah aber aus. Er war bereits im Operator-Modus. Er nahm seine SOPMOD M4, überprüfte ob alles reibungslos funktionierte, lud die fünf Magazine mit der Black Hills-Munition voll, steckte eines in die Waffe hinein und die anderen in seine schusssichere Kampfweste, die mit einer SAPI-Platte verstärkt war. Er brachte das Trijicon MRO-Visier auf der Schiene an und überprüfte, ob die Batterien noch voll waren. Das waren sie. Den SOCOM556-Schalldämpfer von SureFire schraubte er auf den Lauf und überprüfte, ob er wirklich festsaß. Danach machte er sich an sein NVG. Sie würden die Wohnung heute Nacht stürmen und da war es besser, wenn man sich diesen Vorteil sicherte. Er brachte das NVG auf dem Ops-Core-Helm an und überprüfte auch da, ob es wirklich festsaß. Für ihn war es das A und O. Die Schalldämpfer, Visiere und NVGs mussten festsitzen, sonst war das Chaos vorprogrammiert. Zuletzt schaute er sich seine Pistole an. Eine SIG Sauer P365 XL. Die hatte er auf eigenen Wunsch bekommen. Allgemein fand er, dass die Pistolen von SIG Sauer die besten waren. Sei es die P226 oder die P365. Beide waren einer Glock und einer HK in vielen Dingen überlegen. Auch für die SIG hatte er fünf Magazine, die er allesamt volllud. Er schraubte den Schalldämpfer, ein MODX-9 aus dem Hause SIG Sauer, auf den Lauf und vergewisserte sich, dass auch dieser festsaß. Zum Schluss steckte er die vier restlichen Magazine in die Magazintaschen an seinem Gürtel. Als er damit fertig war, schaute er zu Benjamin und Oliver. Beide hatten ebenfalls ihre Ausrüstung zusammengebaut und auch die von William war so weit. Jetzt hieß es nur noch warten, bis William, Lewis und Logan zurückkamen. Dann würde die Party losgehen.
Raynor saß auf seiner Couch und wartete. Mittlerweile war es schon 18 Uhr und die Operators hatten sich bisher noch nicht blicken lassen. Er hatte auch mal rausgeschaut und sofort den Escalade gesehen. Dieses schwarze Ungetüm stach zwischen den ganzen Audis und anderen Wagen deutscher Produktion durch seine Größe unheimlich hervor. Hatten die das nicht bedacht oder gedacht, dass er ein Vollidiot war? Nun, was auch immer für diesen Amateurfehler der Grund war, es war ein Dummer. Der Gedanke, dass sie wollten, dass er sie sah, war ihm schon oft gekommen, aber das war eigentlich sinnlos. Warum sollten sie das wollen? Das verstieß gegen jede Grundregel der Spionage. Das Heulen eines Motors riss ihn aus seinen Gedanken. Er kannte dieses Geräusch. Der Escalade machte sich auf den Weg. Raynor stand von der Couch auf und ging in sein Zimmer. Auf dem Bett hatte er sich seinen Anzug, seinen Mantel, eine schusssichere Weste und Handschuhe bereitgelegt. Er zog sein Hemd aus, legte sich die Weste an, die als Unterlage nur das enge Unterziehshirt hatte, zog sein Hemd wieder an, dann den Anzug und den Mantel. Zum Schluss streifte er sich die Handschuhe über die Hände. Jetzt würde der Spaß endlich beginnen.
Im Haus hatten Noah, Benjamin und Oliver alles schon zusammengepackt und im Kofferraum des Suburban verstaut. Jetzt hieß es nur noch warten und eventuelle Rückfragen klären. Gerade als Noah wieder ins Haus eintrudelte, kam auch schon die erste Frage.
»Werden Logan und Lewis etwa die ganze Zeit im Chevy bleiben, während wir bei Raynor in der Wohnung sind?«, fragte Oliver.
Noah nickte. »So ist es zumindest geplant. Sie erhalten in regelmäßigen Zeitabständen von uns Updates und wenn wir mal einen dieser Abstände verpassen, wissen sie, was los ist und verschwinden von da.«
»Du meinst, falls Raynor uns überrumpeln sollte?«, fragte Benjamin.
Noah nickte erneut. »Es ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Der Kerl ist einer der gefährlichsten Menschen auf der Welt, wenn nicht sogar der Gefährlichste.«
Oliver und Benjamin nickten. Noah war sich aber sicher, dass Raynor es nicht schaffen würde, sie zu überrumpeln. Nicht, dass sie kämpferisch besser waren, das war ganz sicher nicht der Fall, aber an Benjamin musste man erst mal vorbeikommen. Ein 1,96 Koloss mit einem Nacken so breit wie Noahs Oberschenkel und Oberarme wie Baumstämme. Aber von seinem Erscheinungsbild sollte man sich nicht trüben lassen. Benjamin war enorm agil und schnell. In ihren ›Combatives‹, wo sie immer wieder die Techniken aus dem Marine Corps Martial Arts Programm trainierten, konnte Noah nie einen Sieg gegen Benni erzielen. Der Typ war einfach zu gut. Vor allem bei einem Bodenkampf hatte man keine Chance gegen den 123 Kilo schweren Brocken. Allerdings wusste er auch bestens über die Fähigkeiten von Raynor Bescheid und konnte mit Sicherheit sagen, dass Benni seine M4 benutzen müsste, um gegen ihn anzukommen. Dieser Kerl war einfach eine andere Hausnummer. Weshalb Raynor so gut war, wusste niemand. Er kam einfach in die Ausbildung zum MI6-Agenten und war da schon dermaßen gut, dass man ihn in eine Sondereinheit steckte. Eine militärische Ausbildung oder so was hatte er nicht. Später dann konnte man aber herausfinden, dass Raynor ein ehemaliger Zehnkämpfer und Kampfsportler war. Ob man aber dabei so gut werden konnte, wie Raynor es war, sei dahingestellt.
»Noah, sie kommen zurück«, sagte Oliver, während er aus dem Fenster schaute.
»Gut, dann legen wir mal los.«
Sie gingen durchs Wohnzimmer in die Küche und öffneten dort die Tür zur Garage. Das erste, was sie anglotzte, als sie hereinkamen, war der schwarze Suburban. In seinem peripheren Sehfeld nahm Noah die Bewegung der Garagentür wahr und sah, wie der Escalade hereinrollte. Als dieser zum Stehen kam, öffneten sich sofort die beiden vorderen Türen. Lewis und Logan stiegen aus.
»Na ihr Stalker. Gibts was Neues?«, fragte Noah mit einem Lächeln im Gesicht.
Logan schüttelte den Kopf. »Nichts. Er hat seine Wohnung heute kein einziges Mal verlassen.«
Noah nickte und hörte, dass William es mittlerweile auch geschafft hatte auszusteigen. Da sie heute die Ausrüstung für die Stürmung vorbereiten mussten, mussten sie William mit einem B-Arsenal ausstatten. Dieses umfasste eine M16, einen Colt 1911, eine schusssichere Weste und einen Kampfanzug aus Marine-Beständen. Klang zwar immer noch gut genug, aber eine modernere Ausrüstung war da schon besser.
»Ich geh mich erst mal umziehen und dann kanns losgehen«, meinte William.
Noah zeigte mit seiner linken Hand auf die Tür zur Küche.
»Liegt auf deinem Bett. Eine 5.11 Cargohose und ein 5.11 Long Sleeve. Beide in MultiCam Black.«
William reckte den rechten Daumen nach oben und ging schnellen Schrittes zur Tür hinaus. Noah wandte sich an Lewis.
»Wie schätzt du unsere Chancen ein?«, fragte er.
Lewis wippte mit dem Kopf hin und her. »Schwer zu sagen. Wir wissen, dass er uns entdeckt hat. Deswegen ist er heute nicht rausgekommen. Allerdings weiß er nicht, wann wir zuschlagen werden. Ich denke wir müssen diesen Vorteil ausnutzen. Der Überraschungseffekt kann einen großen Einfluss darauf haben, ob die Mission erfolgreich wird oder nicht.«
Noah nickte verständnisvoll. Es war für ihn eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen, wann Raynor sie entdeckte. Wenn du der Einzige in der Gegend warst, der einen Escalade fuhr, fielst du eben auf. Es war aber egal, ob Raynor sie entdeckte oder nicht. Wenn sie ihren Job heute gut machen würden, würde Raynor sterben. Wenn nicht, dann fand Noah seine letzte Ruhestätte auf dem Arlington Cemetery in der gleichnamigen Stadt.
»Kann losgehen«, brüllte eine Stimme von hinten.
Noah drehte sich um und sah William, wie er umgezogen und bereit in der Tür stand.
»Kommt«, rief er und machte eine winkende Bewegung zum Suburban.
Sofort nahmen Logan und Lewis die beiden vorderen Plätze ein. Lewis fuhr und Logan war der Beifahrer. Hinter ihnen würden sich Oliver, Noah und William hinsetzen. Benni kam ganz hinten hin, da er mehr Platz brauchte als alle zusammen. Als alle saßen und die Türen geschlossen waren, ließ Lewis das Garagentor hochfahren, startete den Motor und fuhr los.
Am Wohnhaus von Raynor angekommen, parkten sie in einer Seitenstraße. Sofort stürmten Oliver, Noah, William und Benni aus dem Suburban und öffneten den Kofferraum. Dort öffneten sie dann die Sporttaschen und legten sich zuerst die Westen, dann die Helme und die Handschuhe an. Noah nahm sich seine SIG P365 XL, zog den Schlitten nach hinten und ließ so eine Kugel in die Kammer gleiten. Er entsicherte die Waffe und steckte sie in sein rechtes Hüftholster. Bei der SOPMOD M4 stelle er den Riegel von ›Safe‹ auf ›Burst‹. Dauerfeuer war für ein CQC, einem Close Quarter Combat, sinnlos und viel zu laut. Vor allem wenn man nur einen Gegner hatte. Bei ›Burst‹ konnte man sich entscheiden, ob ein Schuss oder eine Salve. Das war für ihn die beste Variante. Er steckte sich einen Peltor-Kopfhörer ins rechte Ohr und überprüfte, ob das Funkgerät funktionierte.
»Spartan One, check«, sagte er.
»Spartan Two, check«, antwortete Benni.
»Spartan Three, check«, erwiderte Oliver.
»Spartan Four, check«, funkte William.
»Spartan One, hier Hawk One, kann dich laut und deutlich hören«, bestätigte Lewis.
»Spartan One, hier Hawk Two, kann dich laut und deutlich hören«, stimmte Logan ihm zu.
Noah nickte und schaltete sein Visier an. Er wartete, bis alle das Handzeichen gaben, dass es losgehen konnte und lief dann schnellen Schrittes voraus.
An der Tür zum Wohnhaus angekommen, deutete er seinen Männern an, dass sie ihre NVGs herunterklappen sollten. Gesagt, getan und schon wurde alles grün. Noah griff an die linke Seite seines Waffengürtels und holte einen Pick raus, um mit ihm das Schloss zu knacken. Nach langen Recherchen konnten sie herausfinden, dass für dieses Schloss der Rake-Pick am besten war. Er steckte den Pick ins Schloss und zog ihn schnell mit einer Aufwärtsbewegung über die Stifte, die im Schloss eingesetzt waren. Diesen Vorgang wiederholte er, bis die Tür aufsprang. Er steckte den Pick wieder in die am Gürtel befestigte Scheide und winkte seine Männer herein.
Raynor bemerkte die vier schwer bewaffneten Gestalten, die auf das Haus zukamen, sofort. Schnell ging er ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Es sollte so wirken, als würde er gerade dort sein. Dann öffnete er jede Zimmertür und ging in sein Schlafzimmer. Dort knüpfte er den Mantel zu, zog die Walther aus dem Hosenbund und entsicherte sie. Eine körperliche Auseinandersetzung mit den Kerlen konnte er sich nicht leisten. Sie hatten Schutzwesten an und trugen einen Helm. Wenn er dagegen schlagen würde, würde seine Hand sofort brechen. Seine Pistole war das Einzige, was ihm von Nutzen war. Er ging links von der Tür in einer Ecke in Position. Das war die beste im ganzen Zimmer. Die beiden Operators müssten sich um neunzig Grad drehen, um auf ihn schießen zu können. Das würde Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, die er nutzen konnte, um ihnen Kugeln in die Hirne zu pflanzen. Er hörte, wie die Tür zum Haus aufgeschlossen wurde. Das musste er anerkennen. Die Kerle waren gut. Lautlos hatten sie das Schloss geknackt. Das Gleiche würden sie wohl auch bei seiner Tür machen. Aber auch das beanspruchte schon wieder Zeit. Raynor ging jetzt aufs rechte Knie, um sich abrollen zu können, wenn die beiden Operators das Feuer eröffneten. Dann war das Geräusch zu hören, auf das er gewartet hatte. Die Tür wurde aufgeschlossen. Er zielte mit der Walther auf die Zimmertür in der Höhe, wo er den Kopf eines Operators vermutete. Trotz des Fernsehers konnte er die Schritte von den beiden Operators hören, die auf das Schlafzimmer zukamen.
»Gesichert«, hörte er einen von Beiden rufen.
Dann trat der erste durch die Tür. Raynor sah den Operator als Erster und drückte ab. Der Mann sackte augenblicklich in sich zusammen. Bevor er aber auf dem Boden aufkam, kam schon der zweite Operator durch die Tür gestürmt, nahm Raynor sofort ins Visier und feuerte eine Salve auf ihn. Blitzschnell ließ sich Raynor nach rechts fallen, machte eine seitliche Rolle und verpasste dem Operator einen Kopfschuss. Sofort sprang er auf, lief zur ersten Leiche und schnappte sich seine SOPMOD M4. Mit der Waffe im Anschlag stieg er über die zweite Leiche und betrat den Flur. Mit katzenhaften Schritten huschte er den Flur entlang und blieb an der Mündung zum anderen Flur stehen. Er spitzte die Ohren und wartete. Von rechts hörte er Schritte. Raynor schnellte nach vorn, drehte sich nach rechts und schoss dem verdutzten Operator in den Kopf. Drei tot, fehlte nur noch einer. Raynor ging geradeaus weiter in sein Wohnzimmer, aber sah Niemanden. Gerade als er sich umdrehte, sah er den Operator aus der Abstellkammer kommen. Sofort betätigte er den Abzug, traf aber nur die Wand, die den Operator schützte. Dieser wurde durch die Einschläge vorgewarnt, wusste ungefähr, wo Raynor stand und nutzte das. Er schnellte aus der Kammer, nahm Raynor ins Visier und feuerte eine Salve auf ihn. Raynor wurde durch den Aufprall der Kugeln zurückgeschleudert und verlor kurz jegliche Spannung in seinem Körper. Alle Schüsse hatten ihn getroffen. Aber zum Glück nur die Weste. Er machte einen Hechtsprung nach links und rollte weiter, bis er in der Wohnküche war. Er musste erst mal verschnaufen. Immerhin hatte er gerade drei Schüsse kassiert. Die M4 legte er beiseite und schaute sich in der Küche nach einer Waffe um. Sein Blick blieb am Messerblock hängen. Dort nahm er ein langes Fleischmesser heraus und ging in Lauerstellung. Er hörte die Schritte des Operators näherkommen, blieb aber in Deckung. Noch vier Schritte, dann war er in Reichweite. Als der Operator diese dann zurückgelegt hatte, schnellte Raynor hervor und wollte ihm das Fleischmesser in den Hals rammen. Die Reaktion des Operators überraschte ihn völlig. Dieser wirbelte nach rechts, zog sein M4 hoch und schlug Raynor das Messer aus der Hand. Raynor griff sofort nach der M4, was aber ein dummer Schachzug war. Er erkannte erst jetzt den Fehler, den er von Anfang an gemacht hatte. Als die Operators auf das Haus zukamen, hat er vier Gestalten gesehen. Drei kleinere und eine riesige. Wen hätte er eigentlich zuerst töten sollen? Den Riesen. Wen hat er aber stattdessen getötet? Die Kleinen. So war sein Gegner jetzt kein 1,80-Operator, sondern ein um die zwei Meter Hüne mit einem Nacken, der breiter war als seine Oberschenkel. Von der Körperkraft her hatte Raynor keine Chance. Und das bekam er jetzt zu spüren. Anstatt sich zu wehren, zog der Operator die M4 nach oben und machte dann eine ruckartige Bewegung nach links. Durch die Hebelwirkung wurde Raynor hochgeschleudert und kam vor dem Operator auf dem Boden auf. Dort starrte er dann in den Lauf der M4. Mit einer schnellen Drehung nach rechts konnte er nur knapp einem Kopfschuss entgehen. Dann machte er das, was er beim Judo gelernt hatte. Er stützte sich auf den rechten Arm, machte eine 180 Grad Drehung und versuchte dem Operator mit einem Beinfeger von den Beinen zu holen. Dieser konnte es aber durch einen Schritt nach hinten abwenden, stolperte dennoch und ließ dadurch die M4 fallen. Raynor schnellte sofort zur Waffe. Allerdings reagierte der Operator schnell und verpasste ihm einen Frontkick, wodurch Raynor auf dem Rücken landete. Blitzschnell stand Raynor auf und sah sich dem Hünen gegenüber. Dieser griff sofort nach seiner Pistole. Raynor rannte daraufhin los und rammte den Hünen die Schulter gegen die Brust. Sofort durchzuckte ihm ein Stechen. Er war geradewegs gegen die Weste gerannt. Das machte aber nichts weiter, da der Hüne aus dem Gleichgewicht gebracht wurde und dadurch seine Pistole nicht ziehen konnte. Raynor machte einen großen Schritt nach vorne und wollte einen linken Jab anbringen. Diesen parierte der Hüne aber und gab ihm stattdessen einen rechten Cross-Schlag gegen den Unterkiefer. Raynor machte einen Schritt nach rechts, duckte sich und landete einen rechten Haken in die linke offene Seite des Hünen. Dieser beugte sich vor lauter Schmerz nach vorne und da erkannte Raynor seinen Vorteil. Das NVG. Er zog sofort das linke Bein nach, bis beide Füße parallel waren, schnellte wieder nach vorne und schlug mit dem rechten Ellenbogen gegen das NVG. Dieses wurde dadurch gegen die Augenhöhlen des Hünen gerammt. Dieser machte sofort ein paar Schritte zurück und riss das NVG nach oben. Der hatte gesessen. Raynor rannte sofort zum M4 und zielte auf den Hünen. Dieser sah das aber gar nicht, da er sich die Augen rieb. Er machte kurzen Prozess und schickte ein Black Hills Geschoss auf die Reise.
Lewis und Logan saßen im Suburban und waren unsicher. Das letzte Update war schon viel zu lange her. Da musste was passiert sein.
»Soll ich bei der Zentrale anrufen?«, fragte Logan.
Er meinte mit Zentrale die amerikanische Botschaft in Wien, wo ein Team von Agenten und eine QRF bestehend aus SAD-Operators auf sie wartete.
Lewis nickte. »Ruf sie an. Wir verschwinden jetzt von hier.«
Er startete den Motor, wendete und fuhr schnurstracks zurück zum Quartier.
Raynor hatte Schmerzen. Riesige Schmerzen. Sein Kiefer pochte, seine Schulter stach und mit jedem Schritt traten die Rippen gefühlt noch mehr weh. Zum Glück war es aber nicht mehr weit bis zum Parkplatz, wo sein BMW stand. Neben den Schmerzen hatte er aber noch ein Gefühl. Wut. Er war wütend darüber, dass er die Operators so unterschätzt hatte. Vor allem den Hünen. Er hatte Glück gehabt, dass dieser ein NVG getragen hatte, sonst wäre es deutlich schwieriger geworden. Außerdem war er auch wütend darüber, dass sein Mantel, sein Sakko und sein Hemd durchlöchert waren. Jahrelang hatten sie gehalten. Länger als seine Zeit beim MI6, wofür sie eigentlich grundsätzlich da gewesen waren. Maßgeschneidert und teuer ohne Ende. Jetzt waren die Sachen nur noch für die Tonne. Er musste schauen, ob er was retten konnte. Raynor trottete weiter, bis er beim Parkplatz angekommen war. Nur ein paar Autos parkten hier, aber er schob es auf die Uhrzeit. Seinen BMW sah er sofort und ging schnellen Schrittes, aber nicht zu schnell, darauf zu. Er holte den Schlüssel aus der rechten Manteltasche und entriegelte den Wagen. Dann zog er den Mantel und das Sakko aus, öffnete die Tür hinter der Fahrertür, legte die Sachen auf die Rücksitzbank und schloss die Tür wieder. Danach öffnete er die Fahrertür, stieg ein, schloss sie und startete den Motor.
Durch einen Nebeneingang verschaffte er sich Zutritt zum Hochsicherheitsflügel des CIA-Hauptquartiers. Er war einer der Wenigen, die hier Zutritt hatten. Der Grund war sein Job. Er war ein Killer für die CIA. Ein Black Ops Agent. Offiziell arbeitete er gar nicht für die CIA, inoffiziell wusste aber jeder, dass er für sie arbeitete. Es gab neben ihm und den anderen Killern nur drei Personen die ebenfalls Zutritt zu dem Flügel hatten. Seine ›Recruiterin‹ Lily Baker, sein Ausbilder Bill Blair und der Chef der CIA, Alex Moore. Mit diesen Drei hatte er jetzt ein Meeting. Deswegen war er auch hier. Er lief den Gang entlang bis zu einer großen Doppeltür, vor der zwei Wachmänner standen. Wahrscheinlich Agenten des Global Response Staffs. Einer Schutztruppe der CIA die eigentlich zur Absicherung von Personal im Ausland da war. Manchmal wurden diese Agenten aber auch nach Langley gerufen um zum Beispiel den Hochsicherheitsflügel, der von vielen nur ›TS-Quarter‹ genannt wurde, zu überwachen. Er holte seinen Dienstausweis aus der Tasche seines Mantels von Brooks Brothers und hielt ihn den Wachmännern vor die Nase. Diese nickten und traten beiseite. Er ließ den Ausweis wieder in die Tasche zurück gleiten und öffnete die Tür. Im Raum dahinter war ein großer, runder Tisch an dem eigentlich gut zwanzig Leute hätten Platz nehmen können. Gerade saßen aber nur drei da. Baker, Blair und Moore. Alle schauten ihn erwartungsvoll an.
»Hallo Slayer, nehmen Sie Platz«, sagte Moore.
Er ging um den Tisch zu Baker und setzte sich neben sie.
»Sie fragen sich sicher, warum wir Sie herbestellt haben«, fuhr Moore fort.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Es gibt doch immer nur einen Grund warum ich hierherkommen soll. Ich soll jemanden töten.«
Sein Blick ging Moore zu Blair und dann zu Baker. Blair hatte ein Lächeln auf den Lippen. Als er wieder zu Moore schaute, hatte dieser eine Akte in der Hand. Er schob sie über den Tisch zu ihm. Er öffnete die Akte und schaute instinktiv in die linke obere Ecke. Dort sah er ein Bild von einem Mann, der einen Militärhaarschnitt und einen ebenso kurzen Vollbart hatte. Er sah etwas weiter nach rechts und sah den Namen seines Ziels. Colin Raynor.
»Ty?«, hörte er zu seiner Linken.
»Ja?«
Er schaute zu Baker. Diese zeigte aber nur auf Moore.
»Schauen Sie bitte auf den Bildschirm«, sagte dieser mit einer Fernbedienung in der rechten Hand.
Tyron sah sofort zu dem siebzig Zoll 4K-UHD Tier, welches in dem Raum hing. Dort sah er die erste Seite der Akte, nur in digitaler Form.
»Ich übergebe das Wort jetzt an Blair«, übergab Moore die Fernbedienung an Blair.
»So Ty. Wie du schon mitbekommen hast, heißt dein Ziel Colin Raynor. Er war ein ehemaliger Agent des MI6 der auf militärische Einsätze spezialisiert war. Das heißt, dass er eine Ausbildung wie beim SAS absolviert hat. Nach seiner Zeit als Agent, hatte der MI6 ihn als Killer angeheuert. Viele Jahre lang erledigte er die Staatsfeinde der Briten. Zumindest bis sein Nachfolger kam. Dann wanderte er nach Afghanistan aus, weil AQ ihn beauftragt hat, unsere Soldaten zu töten. Unter seinen Opfern waren auch einige SEALs. Seine bestätigten Morde belaufen sich auf 47. Wir gehen aber davon aus, dass es in Wahrheit weit über hundert waren, die er in die Jagdgründe geschickt hat. Nachdem er im Nahen Osten fertig war, hat AQ ihn aber weiterhin beschäftigt. Erst vor zwei Monaten hat er wieder für Schlagzeilen gesorgt, als er Max Rapp in London die Halsschlagader aufgeschlitzt hat. Seitdem hatten wir zwei Agenten und vier SAD-Operators die ihn verfolgt haben. Vor ein paar Stunden haben sie dann seine Wohnung gestürmt und wollten ihn töten. Er tötete aber alle SAD-Operators und verschwand.«
Tyron nickte. »Also ist der Kerl verdammt gut.«
Blair nickte. »Wir gehen davon aus, dass er der beste Killer der östlichen Hemisphäre ist.« »Wo geht’s für mich hin?«, wollte Tyron wissen.
»Erstmal nach Wien ins Hauptquartier der Task Force ›Bond‹.«
»Was ein origineller Name für eine Task Force, die einen ehemaligen Agenten vom MI6 jagt.« Er sah aus dem Augenwinkel, dass sich Baker ein Schmunzeln verkniff, genauso wie Blair. Vor Moore wollten sie zumindest Haltung bewahren. Er war immerhin ihr Chef.
»Du wirst dort von den beiden überlebenden Agenten der Task Force instruiert und ausgerüstet. Danach bist du auf dich alleine gestellt.«
Tyron nickte wieder. »Weiß man wo sich dieser Raynor jetzt aufhält?«
Blair schüttelte den Kopf. »Unsere Leute in Österreich arbeiten daran, aber mach dir keine zu großen Hoffnungen. Wie schon gesagt: Der Typ war mal ein Agent vom MI6. Er weiß, wie man verschwindet.«
»Trotzdem konnte die Task Force ihn aufspüren«, entgegnete Tyron.
»Das war nur Glück. Eine Überwachungskamera am Heathrow hat aufgenommen, wie er in einen Flieger stieg, der nach Wien ging. Dort am Flughafen haben sie dann auf ihn gewartet und bis zu seiner Wohnung verfolgt. Ab da haben sie das Wohnhaus jeden Tag beschattet.« Tyron nickte erneut.
»Sonst noch Fragen?«, fragte Blair.
»Ja.«
»Und welche?«
»Wann geht’s los?«
In der Nähe des ›George Bush Center for Intelligence‹, wie das Hauptquartier der CIA eigentlich hieß, war eine kleine Landebahn für Flugzeuge, auf der eine Gulfstream G450 stand und auf den Abflug wartete. Tyron ging entspannten Schrittes auf den Luxus-Jet zu, der mit offener Tür und ausgefahrener Treppe nur darauf wartete, dass er einstieg. Als er an der Treppe ankam, sah er sofort eine blonde Flugbegleiterin. Typisch, immer dieselbe, dachte er sich und ging die Stufen hinauf.
»Hallo, Herr Hunt. Wollen Sie vielleicht einen Kaffee?«, fragte die Flugbegleiterin mit einem Lächeln im Gesicht und zeigte auf eine gläserne Kanne, in der wahrscheinlich frisch gebrühter Kaffee war.
»Gerne, stellen Sie aber bitte noch eine zweite Tasse mit Milch und Zucker hin«, antwortete er, zog seinen Mantel aus und hängte ihn über einen Garderobenständer.
»Weshalb?«, fragte die Flugbegleiterin, die eigentlich Jenny hieß, aber aus Sicherheitsgründen kein Namensschild trug. Er wusste es nur, weil er schon so oft mit der Gulfstream geflogen war, dass er mittlerweile sogar die Familiengeschichte des Piloten kannte.
»Weil dort« – zeigte er auf die Landebahn – »ungefähr dreihundert Meter entfernt, die zweite Passagierin angetrottet kommt.«
Jenny kniff die Augen zusammen und tat so, als würde sie nicht erkennen, dass Baker mit einer Laptop- und einer Aktentasche in den Händen auf den Jet zukam. Tyron lächelte, hing sein Sakko über den Garderobenständer und setzte sich auf einen lederbezogenen Sitz, mit Blickrichtung Eingang. Jenny kam sofort mit seiner Tasse Kaffee an und stellte die Kanne auf ein Tablett, damit das Holz durch die Hitze keinen Schaden nahm. Danach ging sie wieder in den Gang, nur um mit einer leeren Tasse, sowie Milch und Zucker zurückzukommen.
»Danke sehr«, sagte Tyron mit einem Lächeln im Gesicht.
»Wenn Sie noch etwas wollen, brauchen Sie nur zu rufen.«
Tyron schüttelte den Kopf. »Bisher nicht, aber wer weiß? Es wird ein langer Flug.«
Jenny lächelte und verschwand wieder in Richtung Cockpit. Ein paar Sekunden später betrat Baker die Maschine. Sie legte die Laptop- und Aktentasche ab, zog ihre Jacke aus, hängte diese auch über den Garderobenständer und setzte sich gegenüber von Tyron hin. Sie beäugte kurz die vor ihr stehende Tasse, neben der die Milch und der Zucke standen, verzog ein Lächeln und schüttelte den Kopf.
»Wirklich so vorhersehbar?«, fragte sie ironisch, da sie wusste, dass Tyron den Ablauf kannte. »Glückstreffer«, zuckte Tyron mit den Schultern.
Es war bisher immer der gleiche Ablauf gewesen. Beredung im Flügel mit Blair, Baker und Moore und dann der Hinflug mit der Gulfstream, wo ihm Baker die HUMINT-Informationen über sein jetziges Ziel näherbrachte. Genauso übergab sie ihm dort das Zielpaket plus Notebook, wo alle Akten und Informationen nochmal elektronisch abgespeichert waren. Baker legte die Laptoptasche auf den Tisch und schob sie ihm hin. Tyron und öffnete den Reißverschluss und konnte für einen kurzen Moment seinen Augen nicht trauen.
»Ein MacBook 14 Pro?!«
Baker nickte und verzog ein Lächeln.
»Mann, das ist echter Rich Kid Shit«, meinte Tyron.
Baker zuckte mit den Schultern. »Wir können eben nicht immer sparen.«
Tyron nickte anerkennend. »Gut, jetzt rück schon raus. Was hast du für mich?«
Baker goss sich Kaffee ein, gab etwas Milch und Zucker hinzu und legte vor sich die Aktentasche hin.
»Wie du weißt war Colin Raynor ja ein ehemaliger MI6 Agent.«
Tyron nickte.
»Dementsprechend war es für unsere HUMINT-Quelle in Großbritannien einfach an Informationen über ihn zu kommen. Allerdings sind diese eher dürftig.«
»Kein Wunder bei einem MI6-Agenten.«
Baker schüttelte den Kopf. »Nein, selbst dafür hat unsere HUMINT-Quelle kaum Informationen über ihn bekommen.«
»Alles klar. Schieß mal los.«
»Gut. Also wie du weißt, war er zuerst ein Agent beim MI6, der auf militärische Einsätze spezialisiert war. Dafür wurde er wie ein SAS-Soldat trainiert und nahm auch öfter an Trainingsoperationen teil. Allerdings wird ein Agent nicht einfach so auf militärische Einsätze spezialisiert. Das werden immer nur die Besten der Grundausbildung.«
»Und folglich war er das auch.«
»Genau. Nur, dass er besser war, als jeder andere vor ihm. Überall hatte er die volle Punktzahl. Alle stempelten das als unmöglich ab, da die Grundausbildung des MI6 so konzipiert ist, dass die Agenten eben nicht viele Punkte bekommen. Ab vierzig Punkten war man schon einer der Besten aller Zeiten. Aber Raynor hat hundert erreicht.«
»Also hat er betrogen.«
»Das dachten die Leute beim MI6 zuerst auch, bis sie dann etwas herausgefunden haben, was sie alle schockiert hat.«
»Und was?«
»Raynor hat sich auf keinen einzigen Tests vorbereitet. Er hat alle aus der Kalten absolviert.« »Meinen Respekt hat er.«
»Nachdem die Leute das herausgefunden haben, haben sie schnell in seiner Vergangenheit recherchiert. Sie waren unsicher, da in Raynors Bewerbung stand, dass er keine Vorkenntnisse hätte. Dies hat sich dann auch bewahrheitet. Er hatte keine militärische Ausbildung und vor dem MI6 auch keinen Job. Jahre später kam dann heraus, dass Raynor aber sportlich extrem aktiv war. Kampf- und Kraftsport waren seine Leidenschaft, genauso wie alles was mit Ballistik und Geheimdiensten zu tun hatte.«
»Und wie war seine Karriere als Agent?«
»Kometenhaft. Nachdem man ihn auf militärische Einsätze spezialisiert hatte, wurde er sofort in den Nahen Osten gerufen, wo er den Royal Marines half eine Terrorzelle aufzulösen und mit einer Einheit von der SAS ein ganzes Dorf aus der Herrschaft von Terroristen befreite. In Großbritannien selber absolvierte er eine Ausbildung zum CTSFO und half bei der SCO19. Dort nahm er dann auch an Schulungen durch Spezialeinheiten der British Army teil. Für seine Dienste wurde er mehrfach ausgezeichnet, was für einen MI6-Agenten eigentlich unüblich war. Genau deswegen, wurde er nicht zum Ritter geschlagen. Sonst hat er alle Ehrungen erhalten, die du als Agent oder Soldat bekommen kannst. Bis heute ist er der am höchsten dekorierte MI6-Agent aller Zeiten und einer der am höchsten dekorierten Soldaten. Beim SAS und den Royal Marines ist er sogar der am höchsten dekorierte aller Zeiten.«
»Wie wurde er dann bitte ein Killer, wenn er ein so unfassbar guter Agent war?«
»Ganz einfach. Er wollte mehr. Aber vor allem wollte er mehr Geld und mehr Freiheit. Also hat der MI6 ihn als Killer eingestellt. Dort wurde er ebenso schnell der Beste, wie als Agent. Er tötete haufenweise hochrangige Ziele. Unter anderem sogar abtrünnige SAS-Söldner. Sein Codename war ›Nuckelavee‹. Eine Kreatur aus der keltischen Mythologie, der der gefürchtetste aller schottischen Elfen ist.«
»Geiler Codename, muss ich ihm lassen.«
»Leider half auch sein Codename ihm nicht dabei, seine Entlassung zu verhindern. Der MI6 hat ein System bei seinen Killern aufgebaut, dass so gestrickt ist, dass jeder Killer nach fünf Jahren entlassen wird und ein anderer seinen Platz einnimmt.«
»Und wie heißt sein Nachfolger?«
»Dieser heißt Timothy Badger und trägt den Codenamen ›Headhunter‹.«
»Gehe ich richtig mit der Annahme, dass Badger Raynor nicht mal im Geringsten das Wasser reichen kann?«
»Ja, das tust du.«
»Warum wurde Raynor dann durch Badger ersetzt?«
»Weil Badger beim SAS eine gute Karriere hinlegte und ihm nachgesagt wurde, dass er der Einzige wäre, der Raynor gefährlich werden könnte.«
»Ich denke, Raynor hat das nicht auf sich sitzen lassen.«
»Nein. Deswegen hat er sich als amerikanischer Söldner ausgegeben und angefangen hochrangige Ziele des MI6 zu ermorden. Der MI6 hat natürlich Badger auf ihn gehetzt, aber Raynor hat ihn so schwer verletzt, dass Badger ein Jahr lang im Krankenhaus lag. Davon sechs Monate im Koma.«
»Da hat wer seine Entlassung aber sehr persönlich genommen.«
»Nachdem er Badger aus dem Weg geräumt hatte, siedelte er sofort in den Nahen Osten über, da die al-Qaida ihn angeheuert hatte. Den Rest kennst du ja.«
»Allerdings.«
»Um dir den weiteren Ablauf zu erläutern: Wir fliegen jetzt nach Wien wo du dich mit Special Agent Jacobs und Special Agent Baldwin treffen wirst. Danach bist du auf dich allein gestellt.«
»Waidmannsheil«, sagte Tyron und schaute auf seine mit Tattoos übersäten Unterarme.
Rechts waren Wölfe zu sehen, die den ganzen Unter- sowie den Oberarm zierten. Links waren spartanische Krieger zu erkennen, die Kampfbereit ihre Schilde und Speere erhoben. Auch dieses Tattoo zierte seinen ganzen Arm und dazu noch seine Brust wo es mit den Worten ›Molon labe‹ abschloss. Das Motto der Spartaner was auf Deutsch so viel hieß wie ›Komm und hol sie dir!‹.
Mittlerweile hatte der Schmerz in seiner Schulter nachgelassen und er konnte den Arm wieder vollständig bewegen. Er saß in seiner Hütte und grübelte, wo er neue Anziehsachen herbekam. Seine jetzigen konnte er nicht mehr nutzen, da der Hüne sie ja zerschossen hatte. Er nahm sein Handy vom kleinen Beistelltisch und schaltete es an. Das tat er ohne jegliche Sorge. Es hatte nämlich einen Ghost-Chip. Ein kleines Souvenir, welches er an seinem letzten Tag beim MI6 hatte mitgehen lassen. Das Gute war, offiziell gab es dieses Handy nicht. In keinem System oder Programm war es erfasst worden. Nur er und eine Handvoll IT-Techniker wussten, dass es dieses Handy gab. Früher waren Ghost-Chips laut gewesen und surrten ohne Ende, allerdings gab dieser keine Geräusche von sich. Eine neue Technik, an welcher Jahrzehnte lang gefeilt wurde. Er öffnete Google Maps auf seinem Handy, zoomte an die Schweiz und seinen jetzigen Standort heran. Nach einer intensiven Suche entschied er sich für ein Einkaufszentrum in der Stadt St. Gallen. Dort dürften viele Menschen sein und er würde nicht so auffallen. Er zog sein Hemd an, dann das Sakko und den Mantel darüber. Diesen knüpfte er zu und hoffte, dass es so aussah, als wären nur ein paar Knöpfe rausgerissen worden. Er steckte sich sein Portemonnaie in die rechte und sein Handy in die linke Manteltasche. Den Schlüssel seines BMWs nahm er sich vom Küchentisch und öffnete die Tür zur Garage. Er ließ das Garagentor hochfahren, stieg in den BMW, startete den Motor und fuhr los. Das Garagentor schloss sich sowieso automatisch.
St. Gallen
Nach einer halben Stunde kam er in der Großstadt an und richtete sich nur noch nach seinem GPS.
Dieses besagte: ›Rechts abbiegen, einen Kilometer dem Straßenverlauf folgen, links abbiegen und dann ist das Ziel auf der rechten Seite.‹
Nach zehn Minuten war auch das erledigt. Er parkte im Parkhaus des Einkaufszentrums und machte sich auf die Suche nach dem Bekleidungsgeschäft. Das neumodisch, runde, weiße Zentrum wirkte im Kontrast zu den älteren und einfacheren Gebäuden schon futuristisch. Seine Einschätzung, dass hier massenhaft Leute waren, erwies sich zum Glück als richtig. Er hatte keinen Bock von Beamten der ›Einsatzgruppe Tigris‹ gejagt zu werden. Schnellen, aber nicht zu schnellen Schrittes ging er zum Bekleidungsgeschäft, welches er mittlerweile in seinem Blickfeld hatte. Dabei huschten seine Augen immer hin und her um zu überprüfen, ob jemand ihn nicht zu interessiert beäugte. Bisher war das aber nicht der Fall gewesen. Im Bekleidungsgeschäft angekommen, ging er zielgerichtet in die Herrenabteilung und suchte sich mehrere Mäntel heraus. Hemden, Sakkos, Jeans, Gürtel, Lederhandschuhe, davon auch welche mit Stoff gefüttert, und Lederschuhe durften natürlich auch nicht fehlen. Dürfte zwar viel kosten, aber das war zweitrangig. In seinem Portemonnaie hatte er über 10.000 Schweizer Franken in Bar. Er ging mit den ganzen Sachen zur Kasse und sah die funkelnden Augen der Kassiererin sofort. Nach gut fünf Minuten waren alle Sachen eingescannt und ein Preis von 3.242,56 Schweizer Franken war auf dem Bildschirm zu sehen. Der Blick der Verkäuferin als er 3.300 Schweizer Franken in bar auslegte war unbezahlbar. Sie packte die Sachen in die Tüten und gab ihm das Wechselgeld. Den Kassenbeleg lehnte er ab und verabschiedete sich mit einem »Uf Wiederluege.« Entspannten Schrittes ging wieder ins Parkhaus und zu seinem Auto. Er öffnete die Hintertüren und legte die vier Tüten dort ab. Danach stieg er wieder hinters Steuer, startete den Motor und fuhr los.
Irgendwo in den Schweizer Alpen
Wieder in seiner Hütte angekommen, ging er sofort in sein Schlafzimmer und befüllte seinen Kleiderschrank mit den Sachen. Als er damit fertig war, wählte er eine Nummer auf seinem Handy.
»Ident«, meldete sich eine männliche Stimme.
»Vier, drei, sechs, achtzehn, elf, eins, sechsundachtzig.«
»Ident bestätigt, grüß dich Raynor.«
»Zurück.«
»Warum rufst du an?«
»Ich brauche mal wieder ein paar Sachen.«
»Okay, ich schicke dir die Adresse auf dein Telefon und das Passwort, mit dem du reinkommst.«
»Geht klar.« Raynor legte auf und schlief noch etwas. Ganz nach dem Soldaten-Spruch: Schlaf, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.
Nachdem er ein paar Stunden geschlafen hatte, war er eindeutig ausgeruhter und fitter. Während seiner Flucht hatte er kein einziges Mal die Augen zu gemacht. Zu hoch war das Risiko, dass weitere Agents von der CIA, oder Polizisten aus Österreich hinter ihm her waren. Das alles bewahrheitete sich aber nicht. In falscher Sicherheit wollte er sich aber auch nicht wiegen. Bestimmt wurde noch nicht nach ihm gesucht, aber das würde bald der Fall sein und da könnte sich eine Unaufmerksamkeit als tödlicher Fehler herausstellen. Er ging ins Bad, duschte, putzte sich die Zähne und ging dann zu seinem Kleiderschrank. Dort nahm er sich ausschließlich schwarze Sachen heraus. Darunter auch einen zweireihigen Wollmantel und gefütterte Lederhandschuhe. Es war nun mal scheiße kalt. Er zog sich an, ging runter in die Küche, nahm sein Portemonnaie und steckte es in die rechte Manteltasche. Er hatte noch etwas mehr als 6.700 Schweizer Franken. Das dürfte für sein Vorhaben reichen. Danach ging er ins Wohnzimmer und nahm sein Handy vom Couchtisch. Er schaltete es an und überprüfte es auf eingegangene Nachrichten. Über SMS hatte er eine Nachricht von einer ausländischen Nummer bekommen. Die Adresse mit dem Passwort. Nachdem er das Handy ausgeschaltet hatte, ließ er es in die linke Manteltasche gleiten. Er drehte sich wieder um, ging in die Küche, öffnete die Tür zur Garage, ließ das Garagentor hochfahren, stieg in den BMW, startete den Motor und fuhr los.
Urnäsch
Er brauchte zwanzig Minuten, bis er endlich den Zielort erreichte. Gottverdammte Straßenverkehrsregeln in der Schweiz. Während man im größeren Nachbarland Deutschland gefühlt überall mit über hundert Sachen langbrettern durfte, musste man sich hier strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten. Sonst fiel man ganz schnell auf und konnte seinem Auto ade sagen. Er trottete sein Tempo auf der Landstraße und war mittlerweile schon auf der gleichen Straße, wo sein Zielpunkt war. Nach zwei Minuten hatte er das Ziel erreicht. Es war ein großes, normales Haus, wie es nun mal in den Alpen üblich war. Mehrere Etagen mit Balkons, eine hölzerne Optik an der Außenwand und ein hölzernes Dach. Er fuhr ein paar hundert Meter weiter, parkte sein Auto und stieg aus. Die Luft in den Alpen war zwar rein, zumindest reiner als in der Stadt, aber auch kalt, sodass er sie nicht gerade genießen konnte. Er schlenderte zurück zum Haus und sah sofort zwei Männer in dicken Parkas vor der Tür stehen. Raynor wusste sofort, dass unter diesen Parkas Waffen versteckt waren. Wahrscheinlich Glock 19s. Die üblichsten Waffen hier in Europa, neben den Sturmgewehren von Heckler & Koch. Die beiden Männer beobachteten ihn aufmerksam, als er auf sie zu kam. »Passwort?«, fragte einer von beiden.
»Halts Maul.«
»Passwort korrekt. Kannst eintreten, Raynor.«
Raynor nickte und betrat das Haus. Diese Passwortwahl fand er immer ganz witzig. Es waren gezielt beleidigende oder respektlose, da Undercover-Agenten sowas nie erwarteten. Sie erwarteten immer sowas, mit denen man in Verbindung gebracht wurde, aber niemand würde in aller Seelenruhe ›Halts Maul‹ zu zwei bewaffneten Wachposten sagen. Außer er war der Kunde und kannte die Typen schon. Im Haus erwarteten ihn schon wieder zwei Kerle, aber diesmal im Anzug und die Waffen offen zur Schau gestellt. An sich eigentlich völlig nutzlos. Sie wussten, dass er selbst unbewaffnet gefährlicher als sie war. Sie führten ihn wortlos zu einer großen Doppeltür. Aus massivem Eichenholz, schätzte er. Der eine Mann öffnete die Tür und nickte ihm zu. Der Raum war eine Art Büro. Mehrere Schränke an den Wänden, ein Schreibtisch mit PC-Monitoren obendrauf. Dahinter ein Mann der seinen Gast lächelnd begrüßte. Aber irgendwie war es auch kein Büro. In den Schränken waren nämlich keine Akten, sondern Waffenmodelle, Munition, Schalldämpfer, Visiere, Laser und weitere Anhänge für Waffen. Außerdem war der Mann hinter den Monitoren kein Sachbearbeiter, sondern der größte Waffenhändler Europas. Sein Name war Scott Hill. Einstiger SAS-Soldat. Genau wie seine Wachen. Alle waren sie Söldner. Daher kam Scott auch an Waffen, an die sonst kein anderer Waffenhändler einfach so kam. Durch mehrere Kontakte bei Armeen aus aller Welt konnte er einem im Handumdrehen Sturmgewehre von Spezialeinheiten, Kampfanzüge, Helme, Westen, Pistolen, Kampfmesser und mehr beschaffen. Scott war etwas kleiner als Raynor, muskulös gebaut, hatte einen Bart und nach oben verwurschtelte Haare. Wie man diesen Schnitt nannte, wusste Raynor nicht, aber ihm war das auch egal. Scott stand hinter seinen Monitoren auf und reichte ihm die Hand.
»Schön, dass wir uns wiedersehen, alter Freund.«
»Ebenso«, ergriff Raynor seine Hand.
Scott zeigte auf einen der beiden Sessel, die vor seinem Schreibtisch standen.
»Setz dich doch.«
Raynor sank in diesem Leder zwar förmlich ein, aber gemütlich war es, das konnte er nicht leugnen. Er schaute sich Scotts Schreibtisch an und sah eine kabellose Maus sowie eine kabellose Tastatur.
»Schicke Außenstelle, die du hier hast«, meinte er.
»Meine Zentrale ist mir zwar lieber, aber was tut man nicht alles für einen Freund«, zwinkerte Scott zurück.
Er lehnte sich in seinem Stuhl vor und verschränkte die Hände. »So, was für ›Sachen‹ brauchst du?«
»Eine Sturm-, eine Hand- und eine Nahkampfsache.«
Scott nickte. Sie nannten die Waffen immer ›Sachen‹, da man nie wusste, ob irgendjemand mithörte. Klang zwar paranoid, aber als ehemaliger Agent war man das teilweise auch. Sie schwiegen kurz und schauten sich im Raum an. Niemand schien mitzuhören.
»Gut, was würdest du denn bevorzugen?«, fragte Scott.
»Je nachdem was du hast«, gab Raynor zurück.
»Wir haben die neuen Modelle von Glock. Frisch geliefert. Das heißt die G47 MOS, die G43X MOS und die G48 MOS. Nebenbei können wir dir auch noch die Messer von Extrema Ratio anbieten. Zum Bespiel das Task J. Ein Messer, dass mit der Abteilung des Jagdkommandos, einer Spezialeinheit des Bundesheers, zusammen entwickelt wurde. Sturmgewehre haben wir eine Menge von Heckler & Koch. Leider nicht die 416. Aber dafür die neue 433.“
Raynor nickte. »Habt ihr für die G48 MOS auch das GTL 22, einen GTL-Beutel, Magazin-Schnelllader, ein Militärholster und einen Coyote-Pistolenkoffer?«
Scott nickte. »Davon haben wir genug. Wir sind hier in der Schweiz, Mann. Wir bekommen mehr Sachen von Glock als du dir vorstellen kannst. Wenn ich wollte, könnte ich darin baden. Allerdings stellt Glock kein Militärholster für die G48 MOS her. Da müsste ich dich mit einem Kampfholster vertrösten.«
»Das geht klar. Da wären die Pistole und das Messer geklärt. Kommen wir zum Sturmgewehr.«
»Wie schon gesagt. Da haben wir unter anderem das neuste HK 433. Kaliber 5,56 mm x 45 NATO, in den Varianten 11 Zoll, 14,5 Zoll und 16 Zoll. Das Teil hat ein 30 Patronen Magazin und hat eine Schusskadenz von 850 pro Minute. Du kannst zwischen Einzel- und Dauerfeuer wählen und hast eine NATO STANAG 4694 Schiene, sowie einen M-LOK Handschutz. Da Heckler & Koch aber derzeit noch kein Zubehör dafür herstellt, würden wir dir ein EOTech HWS XPS2-Visier in der limitierten Thin Blue Line Edition kostenlos dazu geben.«
»Warum eine limitierte Edition?«
»Da 25% des Kaufes an Strafvollzugsbeamte und deren Familien gehen. Und wir haben davon einige gekauft, bevor sie alle weg waren. Die geben wir jetzt einfach so raus.«
»Verstehe.«
»Sonst noch was?«
»Ja, einen Odessa 9 und einen Sierra 5 KeyMo von Dead Air Silencers.«
»Mann, du willst ja die richtig teuren Sachen.«
»Ich hab das Geld.«
»Oh, das weiß ich.«
Scott nickte seinen Männern zu und die verschwanden in einen Nebenraum.
»Sie holen jetzt die Ware. Die Glock 48 MOS wird im Pistolenkoffer sein. Dazu bekommst du fünf Magazine a fünfzehn Schuss. Die Munition packen wir dir mit rein. Ungefähr fünfhundert Schuss. Beim Sturmgewehr geben wir dir etwas mehr als tausend Schuss mit und ebenfalls fünf Magazine. Wir geben dir auch das Set mit dem RMSc Shield. Ein Visier, das extra für die Glock 48 MOS angefertigt wurde. Die HK bringen wir dir auch in einem Koffer runter. Genauso wie die beiden Schalldämpfer, die aber in ihren Originalverpackungen bleiben. Das Gleiche mit dem Messer. Alles zusammen packen wir dir in eine militärische Tragetasche.«
»Danke, Mann. Kommen wir zum Preis.«
»Alles zusammen 4.815 Schweizer Franken.«
Raynor nickte, holte sein Portemonnaie aus der rechten Manteltasche und legte Scott 5.300 in bar hin.
»Passt so.«
Scott lächelte und nickte. »Deswegen ist es mir immer eine Freude mit dir Geschäfte zu machen.«
Beide standen auf und gaben sich die Hand.
»Bis bald.«
»Bis bald. Sag mir übrigens Bescheid, wenn ihr eines der neuen L403A1 dahabt.«
»Oh, das werde ich. Dürfte aber noch etwas dauern. Wir warten bis Reptilia die ersten Hundert liefert und schauen, ob wir uns welche davon abzweigen können.«
»Gut, dann wünsche ich euch dabei viel Erfolg.«
»Ich dir auch mit deiner neuen Ausrüstung.«
»Danke.«
Nachdem die Gulfstream auf dem Flughafen in Wien gelandet war, zog Tyron sich sein Sakko und seinen Mantel wieder an, nahm das Zielpaket sowie die Laptoptasche von Baker an sich, verabschiedete sich von ihr und Jenny und schlenderte auf zwei Männer im Pinguin-Anzug zu, die auf ihn warteten.
»Special Agent Jacobs und Special Agent Baldwin?«
Einer der beiden Männer schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Die warten im Haus auf Sie. Ich bin Special Agent Johnson, das ist Special Agent Brown. Wir fahren Sie zum Haus.«
Tyron zuckte mit den Schultern. »Soll mir recht sein. Können Sie mir vielleicht schon Informationen über diese Sache mit Raynor und den SAD-Operators erzählen?«
Johnson schaute Brown an. Dieser wiederum schaute zu Tyron.
»Sie waren vier der besten Operators die wir hatten. Ehemalige Marines, nicht mit Ihnen gleichzusetzen. In welchem SEAL-Team waren Sie nochmal?«
Die Kerle hatten ihre Aufgaben gemacht. Bevor Tyron zur CIA kam, war er ein Navy SEAL Tier One-Operator. Das hieß kurz gesagt, dass er bei der DEVGRU, besser bekannt als SEAL Team Six, war.
»Beim Team Six.«
Johnson und Brown nickten beide. Eine gute Variante mal ganz nebenbei die Identität des Gegenübers zu bestätigen fand Tyron. Das musste er sich merken.
»Also, wie schon gesagt, nicht mit Ihnen gleichzusetzen, aber auch nicht gerade schlecht. Raynor konnte sie aber überrumpeln. Zwei hat er mit seiner Walther P99 erschossen, die anderen zwei mit einem SOPMOD M4.«
Klischeehafter ging es wirklich nicht. Erst diese Task Force ›Bond‹ und dann ein ehemaliger MI6-Agent, der mit einer Walther um sich schoss. Wo ist der Autor dieses Skripts? Er würde ihn zu gerne erwürgen.
»Folgen Sie uns bitte«, sagte Brown, drehte sich um und lief los. Tyron folgte ihm.
Wien
Logan und Lewis wartete im Haus auf den Mann, der Raynor töten sollte. Niemand geringeres als Slayer. Der wahrscheinlich gefährlichste Mensch der Welt. Ein Westpoint-Absolvent und ehemaliger Tier One-Operator bei der DEVGRU. Der Mann war eine Killermaschine, mit der sich wahrscheinlich nicht mal Raynor messen konnte. Man nannte ihn nicht umsonst Slayer, was auf Deutsch so viel wie ›Jäger‹, ›Töter‹ oder ›Mörder‹ hieß. Er war gerade mal ein Jahr bei der CIA, hatte aber schon über vierzig Aufträge erledigt. Darunter gefürchtete Gangsterbosse und Terroristen, sowie Söldner und andere Auftragskiller. Sein berühmtester Auftrag war aber der, wo er den legendären Auftragskiller Andrew Skiles tötete, den viele nur als ›Death Father‹ kannten. Skiles war über zwanzig Jahre lang als Auftragskiller tätig gewesen und hatte dabei selber immer mal wieder größere CIA-Killer aus dem Weg geräumt. Als Slayer dann auftauchte, wurde Skiles auf ihn angesetzt, aber im Gegenzug setzte die CIA Slayer auf ihn an. In einem Waldstück in Montana trafen beide dann aufeinander. Skiles hatte keine Chance gegen seinen jüngeren Gegner, der zehn Jahre bei der DEVGRU und dadurch ein elitär ausgebildeter, spezialisierter Killer war. Ihr Aufeinandertreffen endete damit, dass Slayer Skiles die Kehle aufschlitzte und dann noch dreimal zustach. Eine Methode um sicherzugehen, dass der Gegner wirklich verblutete und schließlich starb. Neben dieser Wunde hatte Skiles aber mehrere Knochenbrüche, darunter einen Schädelbasisbruch, den Slayer ihm durch einen wuchtigen Schlag gegen die Schläfe verpasst hatte. Viele wollten Slayers Codenamen daraufhin in ›Punisher‹ ändern, aber dies wurde mit der Begründung abgelehnt, dass Slayer derjenige war, der den Punisher töten würde. Slayer war ein Killer, wie ihn die CIA noch nie gesehen hatte. Das erklärte auch seinen kometenhaften Aufstieg bei der DEVGRU, wo er nach vier Jahren Truppenchef wurde und nach acht Jahren den Rang eines Commanders innehatte. Dieser war gleichzusetzen mit dem Rang eines Lieutenant Colonel. Nachdem er sich dann vom militärischen Black Ops Geschäft zurückgezogen hatte, kam Lily Baker und hatte ihn für das NAP-Programm, das Programm wo die CIA ihre Killer ausbildete, rekrutiert. Bei ihm wurde es aber deutlich abgekürzt. Normalerweise ging es ein paar Jahre, aber Slayer war nach ein paar Wochen durch, mit der Begründung des Ausbilders, dass ›er ihm nichts mehr beibringen konnte, da er alles schon besser konnte als er selbst‹. Nachdem er aus dem Programm raus war, bekam er sofort seinen ersten Auftrag. Einen, der jahrelang versucht wurde, aber nie klappte. Abtrünnige Operators der Metsada, der Spezialeinheit des israelischen Geheimdienstes Mossad, hatten sich in Afghanistan in einem Dorf verschanzt und von dort aus ein Söldner-Netzwerk aufgebaut, was eigentlich schon einer Privatarmee gleichkam. Das Haus in dem sie ihre Zentrale hatten wurde von einer Einheit Söldnern bewacht, drinnen wie draußen. Der Mossad bat der CIA seine Unterstützung an, da ihre ›ehemaligen Operators eine Nummer zu groß für einen einzigen Killer waren‹. Die CIA lehnte ab und zwei Stunden nachdem Slayer in Afghanistan ankam, gab er das Zeichen, dass der Auftrag erledigt war. Als die CIA das dem Mossad bekanntgab, war dieser erst mal gekränkt. Der Mossad war fest davon überzeugt, dass die Metsada-Einheit die beste Spezialeinheit auf der Welt war. Fakt war aber, dass die Green Berets schon viel besser waren als die Metsada. Folglich war ein ehemaliger DEVGRU-Operator eher eine Nummer zu groß für sie. Das war vor einem Jahr. Heute ist Slayer bei allen Geheimdiensten der Welt eine Schattengestalt. Der beste Black Ops Agent der Welt. Und nun war dieser Mann auf dem Weg hierher um dann mit der Jagd auf Colin Raynor zu beginnen. Lewis und Logan waren unterbewusst beide davon überzeugt, dass er es schaffen würde.
»Glaubst du, dass Slayer es schafft?«, fragte Logan und ließ das Magazin aus seiner Glock 19, das einen Plusboden für zwei weitere Patronen hatte, auf den Tisch fallen.
Lewis runzelte die Stirn. »Gute Frage. Aber du weißt, wen er schon alles getötet hat. Ich denke, da wird Raynor für ihn kein Problem darstellen.«
Logan nickte. Wahrscheinlich spielte Lewis auf Skiles an, den man gut mit Raynor vergleichen konnte.
»Wir sollten ihm dennoch zu verstehen geben, dass er Raynor nicht unterschätzen sollte«, meinte er und zog den Schlitten seiner Glock zurück.
In der Kammer war keine Patrone übrig. Er legte sie auf den Tisch und widmete sich der MP7.
»Glaubst du etwa, dass Slayer ein Problem mit ihm bekommen könnte?«, fragte Lewis.
»Ganz ehrlich, Mann? Ich weiß es nicht. Was Raynor da mit unseren Operators angestellt hat, zeigt, dass er besser als vier Marines ist, die auch noch eine Sonderausbildung bei der CIA durchlaufen haben.«
»Vergiss aber nicht, was Slayer mit dieser Privatarmee in Afghanistan angestellt hat. Dort hatte er es nur mit Operators zu tun. Ich wette die erzählen dort im Dorf immer noch Geschichten über ihn.«
Logan nickte. Als er gerade wieder etwas sagen wollte, hörten sie ein Auto. Beide ließen sofort alles stehen und liegen und gingen zu einem Fenster. Ein schwarzer Audi GT kam auf das Haus zu.
»Und wir müssen mit nem Cadillac durch die Gegend fahren?«, fragte Logan.
Lewis zuckte mit den Schultern. »Wir sind eben nur übergangsweise hier.«
Vor der Garage blieb der Audi stehen. Wie gebannt schauten sie auf eine der Hintertüren. Die hinter dem Beifahrer öffnete sich und ein Mann mit nach hinten gelegten Haaren, kurzen Seiten und einem Vollbart stieg aus. Er trug einen schwarzen, etwas längeren Mantel. Darunter war ein Anzug zu erkennen.
»Brooks Brothers, hundert Prozent«, meinte Lewis.
Logan nickte.
Brooks Brothers war ein amerikanisches Modeunternehmen, welches dafür bekannt war, dass viele Agenten des Secret Service und der CIA dort ihre Anzüge und Mäntel herhatten. Der Mann ging mit geschmeidigen Schritten auf das Haus zu. Seine Augen scannten die Umgebung in Sekundenschnelle ab und Lewis und Logan wussten, dass er sie gesehen hatte, wie sie am Fenster standen und glotzten wie Kleinkinder. Sie lösten sich vom Fenster und gingen zur Tür. Es wurde Zeit. Jetzt trafen sie Slayer.
Tyron ging auf die Tür des Hauses zu und beobachtete es nochmal genau. Keine Kameras, nichts. Nur die beiden Stalker am Fenster. Wahrscheinlich waren das Special Agent Jacobs und Special Agent Baldwin. Als er vor der Tür stand, drehte er sich nochmal um und schaute ob Brown und Johnson immer noch da waren. Das waren sie und sie würden nicht ohne ihn wegfahren. Er klopfte an die Tür. Klingeln brauchte er nicht. Wahrscheinlich standen Jacobs und Baldwin bereits dahinter. Er hörte, wie Schlösser aufgeschlossen wurden. Er zählte sieben. Nachdem das letzte aufgeschlossen war, wurde die Tür geöffnet. Dahinter stand ein Mann im gleichen Anzug, wie Brown und Johnson ihn trugen. Der Mann war etwas kleiner als Tyron und sah auch nicht gerade aus wie ein Operator. Zu hundert Prozent ein Agent.
»Slayer? Ich bin Special Agent Jacobs und das hinter mir ist Special Agent Baldwin«, sagte er und hielt die Hand hin.
»Schön Sie kennenzulernen«, ergriff Tyron seine Hand und lächelte.
Jacobs trat zur Seite und Baldwin kam vor.
»Es ist mir eine Ehre, Sir«, hielt er Tyron die Hand hin.
»Lassen Sie das ›Sir‹ weg«, ergriff er die Hand von Baldwin.
Baldwin nickte.
Tyron betrat das Haus und schloss die Tür hinter sich. Baldwin und Jacobs führten ihn in einen großen Raum, der wohl früher das Wohnzimmer war, jetzt aber der Ort war, wo die Waffen fertig gemacht wurden.
»Sie können Ihren Mantel und Ihr Sakko ruhig über den Garderobenständer hängen«, zeigte Jacobs auf den Garderobenständer.
»Ihr aber auch. Im Anzug in nem Haus mit etwas mehr als zwanzig Grad Raumtemperatur. Ich würde mich erhängen gehen.«
Jacobs und Baldwin legten schmunzelnd ihre Sakkos ab und hingen sie über einen Stuhl. Tyron schaute sie fragend an.
»Steht auf dem Garderobenständer etwa mein Name? Hängt die Sakkos darüber. Sie sollen doch nicht zerknittern, sonst bekommt der Boss wieder nen Wutanfall.«
Baldwin und Jacobs überlegten kurz und hängten dann ihre Sache über den Garderobenständer.
»So«, klatschte er in die Hände. »Man sagte mir, dass ihr Informationen für mich hättet. Wichtige Informationen über Raynor.«
Jacobs nickte. »Ja. Über was wollen Sie Bescheid wissen? Über den verunglückten Einsatz?« Tyron nickte zustimmend. »Das ist zumindest die einzige Wissenslücke, die ich habe.«
Jacobs nickte. Er nahm eine Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher an. Darauf waren vier verschiedene Kamerabilder zu sehen.
»Unsere Operators wurden mit Dashcams ausgestattet. Parallel dazu läuft der Hörfunk ab.« Tyron nickte und bemerkte sofort, dass eine Dashcam weitaus höher hing als die anderen. Über den Dashcam-Bildern stand jeweils ein Codename. ›Spartan One‹, ›Spartan Two‹, ›Spartan Three‹ und ›Spartan Four‹. One war sicher der Commander, Two war der Riese. Jacobs schaute Tyron fragend an. Dieser nickte und Jacobs ließ die Aufnahme abspielen.
An sich lief der Einsatz gut ab. Zumindest der Start. Die Haustür wurde lehrbuchmäßig aufgebrochen und später auch die Wohnungstür. Ab da kamen sie dann in die heiße Zone. Raynor hatte sie erwartet und mit Absicht den Fernseher laufen lassen, damit sie dachten, dass er dort wäre. Allerdings war der Commander clever genug und zeigte Three und Four an, dass sie nach rechts gehen sollten. Dort kamen sie in einen Gang mit Zimmern, die sie alle blitzschnell durchsuchten. Im letzten Zimmer, dem Schlafzimmer, war das dann vorbei. Three betrat den Raum und wollte sich gerade nach rechts wunden, da ertönte der dumpfe Schlag eines Schusses aus einer schallgedämpften Pistole. Three war sofort tot. Four machte zwei schnelle Schritte in den Raum rein und hatte sich bereits schon vor dem ersten Schritt nach rechts gewandt und feuerte eine Salve ab. Raynor stieß sich vorher aus der Ecke ab und erschoss auch Four.
Der Typ ist verdammt gut, musste sich Tyron eingestehen.
Raynor schnappte sich eine der beiden M4s und war aus dem Bild verschwunden. One und Two hatten währenddessen das Wohnzimmer durchsucht. Bevor die Schüsse fielen, ging Two aber nochmal zurück um die Abstellkammer zu durchsuchen. Nachdem One sich umgedreht hatte und ein paar Schritte in die Richtung machte, wo Two verschwunden war, schnellte Raynor aus dem Gang hervor und erschoss ihn. War nur noch Two, der Riese übrig, der den Schuss hörte und aus der Abstellkammer schnellen wollte. Allerdings schlugen da links neben ihm schon Kugeln in die Wand ein. Ohne diese Wand, wäre Two jetzt tot gewesen. Er schnellte blitzschnell, nach links gewandt aus der Kammer, sah Raynor und feuerte eine Salve auf ihn ab. Volltreffer. Trotz der Treffer, blieb Raynor aber auf den Beinen und machte einen Hechtsprung, von Two aus gesehen, nach rechts. Dort war eine Küche. Langsamen Schrittes ging Two auf sie zu. Als er dort angekommen war, sah er rechts von sich eine Bewegung. Raynor. Two wirbelte nach rechts, sah das Messer in Raynors Hand, hob das M4 und schlug ihm dieses aus der Hand. Sofort ergriff Raynor die M4.
Jetzt weiß er erst, dass er einen Fehler gemacht hat, sagte Tyron zu sich.