Sleepy Hollow. Unheimliche Geschichten - Washington Irving - E-Book

Sleepy Hollow. Unheimliche Geschichten E-Book

Washington Irving

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Beschreibung

Sleepy Hollow ist eine schaurige Schlucht im Staat New York. Dort treibt der Geist eines ehemaligen Söldners sein Unwesen. Davon ist Schulmeister Crane überzeugt, schließlich hat das Gespenst seinen Kopf nach ihm geworfen. Ganz sicher. Mit Washington Irving und den gruselig-heiteren Erzählungen dieses Bandes geht es zu den glorreichen Anfängen der amerikanischen Short Story. Zum Beispiel auch mit der berühmten Geschichte vom holländischen Siedler Rip van Winkle, der einer unheimlichen, seltsam altmodisch gekleideten Kegeltruppe begegnet und irgendwann aus einem sehr, sehr langen Schlaf erwacht.

  • »Die Sage von Sleepy Hollow gehört bis heute zu den Meisterwerken der amerikanischen Literatur. Aber auch die Geschichte von Rip van Winkle kennt jeder Amerikaner, selbst wenn er sie nie gelesen hat.« Deutschlandfunk
  • Grusel, Humor und Weltliteratur vom Erfinder der amerikanischen Kurzgeschichte
  • Irvings humorvoller und leicht ironischer Schreibstil sowie seine romantische Darstellung der amerikanischen Natur hatten einen prägenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der amerikanischen Literatur
  • Mit den stilbildenden und berüchtigten Geschichten »Sleepy Hollow«, »Rip Van Winkle« und vielen weiteren
  • Der kopflose Reiter ist Kult: Am berühmtesten ist Tim Burtons Verfilmung von 1999 mit Johnny Depp und Paramount plant eine Neuverfilmung von »Sleepy Hollow«

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Seitenzahl: 212

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Washington Irving

Sleepy Hollow

Unheimliche Geschichten

ANACONDA

Die Erzählungen dieses Bandes sind zuerst erschienen in: The Sketch Book of Geoffrey Crayon, Gent. (New York 1819/20) und The Alhambra (Philadelphia und London 1832), später Tales of the Alhambra (New York und London 1851). Textvorlage dieses Bandes sind die anonymen Übersetzungen der deutschen Erstausgaben: Gottfried Crayon’s Skizzenbuch (Frankfurt a. M. 1846) – »Sleepy Hollow«, »Die Geisterbraut«, »Rip van Winkle«. Die Alhambra, oder das neue Skizzenbuch (Frankfurt a. M. 1832) – »Die Sage vom arabischen Astrologen«, »Die Sage von den zwei verschwiegenen Statuen«, »Die Sage vom Vermächtnis des Mauren«. Die Texte wurden behutsam überarbeitet, Interpunktion und Orthografie wurden auf neue Rechtschreibung umgestellt.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2024 by Anaconda Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Adobe Stock/deendesign

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-31861-1V001

www.anacondaverlag.de

Inhalt

Sleepy Hollow oderDie Legende von der Schlafhöhle

Die Geisterbraut

Rip van Winkle

Die Sage vom arabischen Astrologen

Die Sage von den zwei verschwiegenen Statuen

Die Sage vom Vermächtnis des Mauren

Sleepy Hollow oderDie Legende von der Schlafhöhle

Mitten in einer der geräumigen Buchten, welche das östliche Ufer des Hudson auszacken, an der breiten Ausdehnung des Flusses, welche die alten holländischen Schiffer Tappan Zee nannten, und wo sie immer vorsichtig ihre Segel einzogen und den Schutz des heiligen Nikolas anriefen, wenn sie darüber fuhren, liegt ein kleiner Flecken oder Dorfhafen, der von einigen Greensburg genannt wird, eigentlich aber mehr unter dem Namen Tarry* Town bekannt ist. Er erhielt, wie man sagt, diesen Namen ehedem von den guten Hausfrauen der Umgegend wegen der bösen Gewohnheit ihrer Ehemänner, an Markttagen in den Dorfwirtshäusern herumzulungern. Nicht weit von diesem Dorf, ungefähr zwei Meilen entfernt, befindet sich ein kleines Tal oder besser gesagt ein Stückchen Land, inmitten hoher Hügel, vielleicht eines der ruhigsten Plätzchen der ganzen Welt. Durch dasselbe gleitet ein schmaler Bach, dessen murmelndes Geräusch zum Schlaf einlädt. Außerdem sind der Wachtelschlag oder das Klopfen eines Spechtes fast die einzigen Töne, welche die gleichförmige Ruhe unterbrechen.

Ich erinnere mich, dass, als ich noch ein junges Bürschchen war, ich meinen ersten Versuch im Eichhorn-Schießen in einem Hain von starken Walnussbäumen machte, welche die eine Seite des Tals beschatteten. Ich war in der Mittagszeit dahin gekommen, wo die ganze Natur sich der tiefsten Ruhe überlässt, und erschrak über meinen Flintenschuss, der die Sabbatstille um mich her unterbrach und durch das Echo noch verstärkt wurde. Wenn ich mir je einen einsamen Ort wünschen sollte, um in der Entfernung von der Welt und ihren Zerstreuungen zu leben und die Erinnerungen an schlimme Tage hinwegzuträumen, so wüsste ich keinen besseren als dieses kleine Tal.

Von der einsamen Stille des Ortes und dem eigentümlichen Charakter seiner Bewohner, welche noch Abkömmlinge von den ursprünglichen holländischen Ansiedlern sind, ist dieses entlegene Tal lange unter dem Namen der Schlafhöhle bekannt, und die Bauernjungen heißen in der ganzen Gegend die Schlafhöhlenbuben. Eine träge, schläfrige Macht scheint über dem Land zu ruhen und die ganze Atmosphäre zu durchdringen. Einige halten dafür, dass die Gegend in der ersten Zeit der Ansiedlung durch einen mächtigen deutschen Doktor behext worden sei; andere, dass ein alter indischer Häuptling, ein Prophet oder Zauberer seines Stammes, hier seine Zauberkünste trieb, bevor noch das Land von Hendrick Hudson entdeckt worden war. Sicher ist, dass der Ort noch immer unter einer Art von Zaubermacht steht, welche die Gemüter des guten Volkes gefangen hält und die Ursache ist, weshalb sie in einem steten Traumzustand herumwandeln. Sie überlassen sich allen Arten von Wunderglauben, sind Verzückungen und Visionen unterworfen, haben häufig seltsame Erscheinungen und hören Musik und Stimmen in der Lust. Die ganze benachbarte Gegend ist voll von Lokalereignissen, von Orten, die nicht geheuer sind, und anderen abergläubischen Geschichten. Sternschnuppen und Meteore schießen öfter über das Tal als über einen anderen Teil des Landes, und der Alp scheint sich dasselbe zu seinem Lieblingsplatz auserwählt zu haben.

Der dominierende Geist jedoch, der diese verzauberte Gegend beunruhigt und Commandeur en chef über alle Mächte der Luft zu sein scheint, ist eine Figur ohne Kopf zu Pferd. Nach einigen soll es der Geist eines hessischen Reiters sein, dessen Kopf bei einer Schlacht während des Revolutionskrieges durch eine Kanonenkugel weggeschossen worden ist, und der nun in der Dunkelheit der Nacht wie auf den Fittichen des Windes dahineilend dann und wann vom Landvolk gesehen wird. Seine nächtlichen Züge beschränken sich nicht bloß auf dieses Tal, sondern zuzeiten auch auf die benachbarten Straßen, insbesondere auf die Umgebung einer nicht weit davon entfernten Kirche. Ja, einige der glaubwürdigsten Historiker dieser Gegend, welche die umgehenden Sagen über dieses Gespenst sorgfältig gesammelt und zusammengetragen haben, behaupten, die Leiche dieses Reiters liege in dem dortigen Kirchhof begraben, und der Geist reite des Nachts auf das Schlachtfeld, um seinen Kopf zu suchen; die Eile aber, mit der er zuweilen durch die Höhle wie ein mitternächtlicher Windstoß dahin ziehe, rühre daher, dass er sich verspätet habe und sich nun sputen müsse, um vor Tagesanbruch wieder auf den Kirchhof zurückzukommen.

Dies ist im Allgemeinen der Inhalt dieses legendenartigen Aberglaubens, der zu mancher abenteuerlichen Erzählung in dieser dunkeln Gegend das Material geliefert hat, sodass das Gespenst an jedem häuslichen Herd unter dem Namen des kopflosen Reiters aus der Schlafhöhle bekannt ist.

Merkwürdig ist dabei, dass das visionäre Vermögen, dessen wir erwähnten, sich nicht bloß auf die ursprünglichen Bewohner des Tals erstreckt, sondern sich unbewusst auch auf alle ausdehnt, die eine Zeit lang da gewohnt haben. Wie hell und wach sie auch gewesen sein mögen, bevor sie diese schlafmachende Gegend betraten, sicher atmen sie in kurzer Zeit die bezaubernde Kraft mit der Luft ein, werden träumerisch und nachdenkend und sehen Gespenster.

Ich gedenke dieser friedlichen Stelle voll Lobes, denn in solchen verborgenen holländischen Tälern, wie man sie hier und da in dem großen Staat New York findet, erhalten sich Bevölkerung, Sitten und Gebräuche unverändert, während der große Strom der Auswanderung und Kultur, welcher so bedeutende Veränderungen in anderen Teilen dieses Landes hervorbringt, unbemerkt an ihnen dahinzieht. Sie sind wie die kleinen Winkel mit stillem Wasser am Rande eines reißenden Flusses, wo wir den Strohhalm und die Blase ruhig vor Anker liegen oder sanft in ihrem Hafen sich drehen sehen, ungestört durch den ungestümen vorbeiziehenden Strom. Obgleich viele Jahre verflossen sind, seit ich das Dunkel der Schlafhöhle betrat, so möchte ich doch fast glauben, dass ich dieselben Bäume und dieselben Familien in dieser versteckten Einöde wiederfinden würde.

An diesem Platz wohnte in einer seinen Periode der amerikanischen Geschichte, d. h. ungefähr vor dreißig Jahren, ein ehrwürdiger Herr, mit Namen Ichabod Crane, um die Kinder aus der Nachbarschaft zu unterrichten. Er war von Connecticut gebürtig, einem Staat, der die Union sowohl mit Pionieren für die Seelen wie für die Wälder versieht und jährlich eine Legion von Holzhauern und Landschulmeistern aussendet. Der Zuname Crane (Kranich) passte auf seine Person. Er war lang, außerordentlich schmächtig, mit schmalen Schultern, langen Armen und Beinen, mit Händen, welche eine Meile weit aus den Ärmeln herausbaumelten, mit Füßen, die statt Schaufeln dienen konnten, und sein ganzer Körper hing nur ganz locker zusammen. Sein Kopf war klein und auf dem Wirbel flach, mit ungeheuren Ohren, großen grünen Glasaugen und einer langen Nase, gleich einem Schnepfenschnabel, sodass er aussah wie ein Wetterhahn, der auf seinem Spindelhals stand, um anzuzeigen, wo der Wind her blase. Wer ihn an einem windigen Tage an der Seite eines Hügels mit fliegenden Kleidern dahinschreiten sah, hätte ihn für den auf die Erde herabsteigenden Genius des Hungers oder für eine Vogelscheuche in einem Kornfeld halten können.

Sein Schulhaus war ein ärmliches Gebäude auf einem großen Platz, roh von Holz gebaut, die Fenster zum Teil von Glas, zum Teil mit Blättern von alten Schreibbüchern verklebt. Sehr sinnreich war es für Stunden, wo niemand zu Hause war, durch ein an dem Griff der Tür angebrachtes Weidengeflecht und durch gegen die Fensterladen gestemmte Stücke gesichert, sodass ein Dieb zwar ganz leicht hineinsteigen konnte, aber einige Schwierigkeiten fand, wieder herauszukommen; eine Idee, die Herr Yost van Houten, der Baumeister, höchst wahrscheinlich von einem Aalfang entlehnt hatte. Das Schulhaus hatte eine einsame, aber angenehme Lage, gerade an dem Fuß eines waldigen Hügels, dicht an einem Bach und einer großen Birke, die an dem einen Ende desselben stand. An einem schwülen Sommertag konnte man von da das leise Gemurmel der Schüler, die ihre Lektion auswendig lernten, gleich dem Summen eines Bienenstockes hören, hier und da unterbrochen durch die gebieterische Stimme des Meisters im Tone der Drohung oder des Befehls, oder zufällig auch durch den gefürchteten Ton der Birkenrute, wenn er einige Faulenzer auf den blumigen Pfad des Wissens drängte. Die Wahrheit zu sagen, war er ein gewissenhafter Mann, der immer die goldene Maxime im Herzen trug: »Spare die Rute, und du verdirbst das Kind.« Sicherlich wurden Cranes Schüler nicht verdorben.

Man darf nicht glauben, dass er einer der grausamen Schulpotentaten gewesen sei, die sich an dem Schmerz ihrer Untergebenen erfreuen; im Gegenteil, er übte Gerechtigkeit eher mit Unterschied als mit Strenge, nahm den Schwachen die Last von dem Rücken und legte sie den Starken auf. Das kleine Bürschchen, das bei der geringsten Drohung mit der Rute zusammenfuhr, wurde mit Nachsicht behandelt, während der Gerechtigkeit mittelst einer doppelten Portion auf den Rücken einiger kleinen, hartnäckigen, starrköpfigen, groben holländischen Bursche, die grollend und widerspenstig unter der Birkenrute hinwegzuschlüpfen suchten, ein Genüge geschah. Alles dieses nannte er »seine Schuldigkeit ihren Eltern gegenüber tun«, und niemals legte er eine Strafe auf, ohne den schmerzlichen Trost für den kleinen Rangen hinzuzufügen, er würde noch seiner gedenken und ihm dankbar sein bis zum letzten Lebenshauch.

Wenn die Schulstunden zu Ende waren, spielte er mit den größeren Knaben, und an den Festtagen nachmittags geleitete er einige der kleineren, welche hübsche Schwestern oder gute gastliche Hausfrauen zu Müttern hatten, in ihre Häuser. So stand er in ganz gutem Vernehmen mit seinen Zöglingen. Das Einkommen von seiner Schule war nur schmal und würde kaum hingereicht haben, ihn mit dem täglichen Brot zu versehen, denn er war ein tüchtiger Esser und hatte, wenn auch schmächtig, doch die Eigenschaft, sich wie eine Riesenschlange auszudehnen; um ihn indes vor Mangel zu schützen, bekam er, nach Landesgebrauch, seine Kost in den Häusern der Farmer, deren Kinder er unterrichtete. Davon lebte er eine Woche um die andere und wanderte in der Nachbarschaft rings um, seine ganze irdische Habe in einem baumwollenen Taschentuch mit sich führend.

Damit indes alles dies nicht zu lästig würde für den Geldbeutel seiner Gönner, welche die Ausgaben für die Schule für eine drückende Bürde und die Schulmeister für bloße Drohnen hielten, schlug er verschiedene Wege ein, sich zugleich nützlich und angenehm zu machen. Er unterstützte gelegentlich die Farmer in den leichteren Feldarbeiten, half ihnen Heu machen, besserte die Zäune aus, führte die Pferde in die Schwemme, trieb die Kühe von der Weide und spaltete Holz für den Winter. Dabei legte er alle seine Würde und sein absolutes Übergewicht, mit welchem er in seinem kleinen Reich, der Schule, herrschte, ab und wurde außerordentlich artig und gewinnend. Er fand Gnade in den Augen der Mütter, wenn er sich mit den Kindern, besonders den jüngsten, abgab, und gleich dem Löwen, der das Lamm großmütig in seinen Tatzen hält, saß er mit einem Kind auf seinem Knie und setzte dabei Stunden lang eine Wiege in Bewegung.

Außer seinem Beruf war er noch der Singmeister der Gegend und verdiente sich manchen Schilling durch Unterrichten der jungen Leute im Singen geistlicher Lieder. Es schmeichelte ihm nicht wenig, wenn er des Sonntags seinen Platz vorn auf der Galerie der Kirche mit einer Bande auserwählter Sänger nehmen konnte, wobei er, seiner Meinung nach, reichlich den Sieg über den Pfarrer davontrug. Wahr ist, seine Stimme übertönte die ganze Versammlung, und noch jetzt hört man in jener Kirche und eine halbe Meile weiter über’m Mühlteich drüben an stillen Sonntagmorgen gewisse Triller, die von Ichabod Cranes Nase abstammen sollen. So half sich der würdige Pädagoge durch allerhand kleine Kunstgriffe und auf sinnreiche Weise leidlich fort, und alle, die nichts von der Kopfarbeit verstanden, meinten, es koste ihm gar keine Anstrengung.

Ein Schulmeister ist gewöhnlich ein Mann von einigem Gewicht in den Familienkreisen der Landleute; man betrachtet ihn als eine Art vorstandsmäßiger Person von bei Weitem höherer Bildung und feinerem Geschmack als die rohen Bauernsöhne, und nur an Gelehrsamkeit unter dem Pfarrer stehend. Seine Erscheinung verursachte deshalb einiges Aufsehen am Teetisch eines Farmhauses, und es wurden außergewöhnliche Gerichte, wie Kuchen, Konfekt und gelegentlich auch ein silberner Teetopf aufgesetzt. Unser Gelehrter war daher besonders glücklich, wenn die Landmädchen freundlich gegen ihn waren. Er bildete sich etwas ein, wenn er am Sonntag zwischen dem Gottesdienst bei ihnen auf dem Kirchhof stand; sammelte Trauben von den wilden Weinstücken, die sich an den umstehenden Bäumen hinaufrankten; las zu ihrer Unterhaltung die Grabschriften auf den Leichensteinen, oder schlenderte mit einer ganzen Schaar von ihnen an den Ufern des nahen Mühlbachs, während die Schamhafteren blöde zurückblieben und seine Eleganz und seine Lebensart beneideten.

Infolge seines halben Wanderlebens war er eine Art von fahrender Zeitung und trug den ganzen Ranzen voll lokaler Klatscherei von Haus zu Haus, sodass seine Erscheinung überall gern begrüßt wurde. Besonders schätzten ihn die Frauen als einen Mann von großer Gelehrsamkeit, denn er hatte verschiedene Bücher ganz durchgelesen und war vollkommen zuhause in Cotton Mathers Geschichte der Zauberei in Neuengland, woran er, beiläufig gesagt, steif und fest glaubte.

Er war in der Tat ein seltsames Gemisch von etwas Verschlagenheit und einfacher Leichtgläubigkeit. Sein Hang zum Wunderbaren und seine Kraft, es zu verdauen, waren gleich ausgezeichnet, und beide steigerten sich, seit er in dieser bezauberten Gegend wohnte. Keine Geschichte war zu grob und zu ungeheuerlich für seinen geräumigen Schlund. Es machte ihm oft Vergnügen, wenn seine Schule am Abend geschlossen war, sich auf den weichen Rasen an dem Ufer des kleinen Bachs, der an seinem Schulhaus vorbeifloss, hinzustrecken und da des alten Mathers grässliche Geschichten durchzulesen, bis die Dunkelheit des Abends einen Nebel um die Schrift verbreitete. Wenn er dann durch Sumpf, Fluss und Wald seinen Weg zurück nach dem Farmhaus nahm, wo er einlogiert war, erregte jeder Ton in der Natur zu dieser Zauberstunde seine erhitzte Einbildungskraft: das Winseln des Totenvogels vom Hügel, der Ruf der Unken, der Vorbote des Sturms, das traurige Geschrei des Käuzchens, das plötzliche Geräusch der Vögel in dem Dickicht, die von ihren Schlafstellen aufgescheucht wurden. Sogar die Leuchtkäfer, die sehr lebhaft ihr Licht an den dunkelsten Plätzen verbreiteten, setzten ihn zuweilen in Furcht, wenn einer von ungewöhnlichem Glanz ihm über den Weg flog, und wenn ein großer Käfer ihn in seinem Flug begegnete, so wollte der arme Teufel schier den Geist aufgeben, denn er meinte, es habe eine Hexe ihm etwas angetan. Sein einziges Hilfsmittel bei solchen Gelegenheiten, sich die Gedanken aus dem Kopf zu schlagen oder die bösen Geister zu verscheuchen, war, heilige Lieder zu singen, und das gute Volk der Schlafhöhle, wenn es des Abends an seiner Tür saß, befiel oft eine heimliche Furcht, wenn es seine süßen und langausgezogenen Nasentöne vom fernen Hügel herab oder längs der dunklen Straße ertönen hörte.

Eine andere Quelle, seine Neigung zum Wunderbaren zu befriedigen, bestand darin, dass er die langen Winterabende bei alten holländischen Frauen zubrachte, die spinnend am Feuer saßen neben einer Reihe von Äpfeln, die sie auf dem Herde brieten. Hier lauschte er ihren wunderbaren Erzählungen von Geistern, Kobolden, nicht geheuren Feldern, verzauberten Bächen, Brücken, Häusern, besonders aber des Reiters ohne Kopf oder des galoppierenden Hessen der Höhle, wie sie ihn auch bisweilen nannten. Er dagegen unterhielt sie mit seinen Anekdoten von Zauberei und von schrecklichen Vorzeichen, von grässlichen Erscheinungen und Tönen in der Luft, welche in früheren Zeiten in Connecticut vorkamen, und machte sie fürchten durch Spekulationen über Kometen und Sternschnuppen und durch das Besorgnis erregende Faktum, dass die Welt rundum gehe und sie sich die Hälfte der Zeit zu unterst als oberst befänden.

Während dies alles ihm nur zum Vergnügen gereichte, und er sich in dem Winkel eines Zimmers, das von der Glut eines knatternden Holzfeuers gerötet war, und wo kein Gespenst sein Gesicht zeigen durfte, ganz behaglich befand, war er desto schlimmer daran auf seinem Heimweg. Welch fürchterliche Gestalten und Schattenbilder umgaben seinen Pfad mitten im matten und dunklen Schimmer einer Schneenacht! – Mit welch sehnsüchtigem Blick sah er auf jeden zitternden Lichtstrahl, der aus einem entfernten Fenster über die weiten Felder zu ihm herüberdrang! Wie oft erschrak er über einen mit Schnee bedeckten Strauch, der wie ein in ein Leichentuch gehülltes Gespenst ihm auf seinem Weg entgegentrat! Wie oft schauderte er zusammen vor dem Ton seiner eigenen Schritte auf der Eiskruste unter seinen Füßen und fürchtete sich, über seine Schulter zu sehen, weil er meinte, es schreite irgendein unheimliches Wesen dicht hinter ihm! Und wie oft verlor er gar alle Fassung durch die heulenden Töne des Windes, in der Meinung, es sei der galoppierende Hesse auf einem seiner nächtlichen Züge!

Alles dieses waren aber nur nächtliche Schrecken, Phantome, welche die Nacht in uns aufsteigen lässt; und obgleich er manche Gespenster in seinem Leben gesehen hatte und mehr als einmal von dem Satan in verschiedenen Gestalten auf seinen einsamen Wanderungen beunruhigt worden war, so machte doch das Tageslicht allen diesen Spukereien ein Ende, und er würde, trotz Teufel und Teufelsspuk, ein recht angenehmes Leben geführt haben, wenn ihm nicht auf seinem Lebenspfad ein Wesen begegnet wäre, das den Sterblichen in größere Unruhe versetzt als Geister und Kobolde und die ganze Hexengesellschaft zusammengenommen – ein Weib.

Unter den musikalischen Schülern, die sich an einem Abend in der Woche versammelten, um von ihm Unterricht im Gesang geistlicher Lieder zu empfangen, befand sich auch Katharine van Tassel, die Tochter und das einzige Kind eines wohlhabenden holländischen Farmers. Sie war ein blühendes Mädchen von achtzehn Jahren, rund und voll wie ein Rebhuhn, reif, appetitlich und mit rosigen Wangen, wie eine von ihres Vaters Pfirsichen, und allbekannt nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihres zu hoffenden Reichtums. Dabei war sie eine kleine Kokette, wie man schon aus ihrem Anzug schließen konnte; er war nämlich ein Gemisch von alter und neuer Mode und ganz dazu geeignet, ihre Reize ins gehörige Licht zu stellen. Sie trug noch einen Schmuck von echtem puren Golde, den ihre Urgroßmutter von Saardam mitgebracht hatte; ferner ein reizendes Leibchen aus der alten Zeit und ein kurzes Unterkleid, das den schönsten Fuß und Knöchel in der ganzen Umgegend sehen ließ.

Ichabod Crane hatte ein sanftes und weiches Herz für das andere Geschlecht, und wir dürfen uns deshalb nicht wundern, dass ein so verführerischer Bissen Gnade vor seinen Augen fand, besonders nachdem er sie in ihres Vaters Hause besucht hatte. Der alte Baltus van Tessel war das vollkommene Bild eines tätigen, zufriedenen, liberalen Farmers. Zwar ließ er sein Auge oder seine Gedanken nicht über die Grenzen seiner eigenen Farm hinaus schweifen, aber innerhalb dieser war alles bequem, glücklich und wohl eingerichtet. Er war zufrieden mit seinem Reichtum, aber nicht stolz darauf, und legte mehr Gewicht auf seinen Überfluss als auf die Art und Weise, in der er lebte. Sein Haus lag an den Ufern des Hudson, in einem der grünen, geschützten, fruchtbaren Winkel, wo sich die holländischen Farmer so gern ansiedeln. Ein großer Ulmbaum breitete seine breiten Äste darüber aus, und am Fuß desselben entsprang eine Quelle des reinsten, süßesten Wassers, das in ein eingefasstes Becken floss und sich verstohlen durch das Gras in einen benachbarten Bach ergoss, der dann unter Erlen und Weiden weiter eilte. Dicht am Farmhaus befand sich eine große Scheune, die zu einer Kirche gedient haben mochte; durch jedes Fenster und jede Spalte derselben sahen die Schätze der Farm hervor; die Dreschflegel ließen sich darin vom Morgen bis zum Abend hören; Schwalben und andere Vögel flogen zwitschernd umher, und Flüge von Tauben, einige mit dem Blick nach oben, als wollten sie das Wetter beobachten, einige mit den Köpfen unter den Flügeln oder in der Brust vergraben, wieder andere sich aufblähend, girrend und sich vor ihren Weibchen verneigend, freuten sich auf dem Dach des Sonnenscheins. Fette, unbehilfliche Schweine grunzten und genossen der Ruhe und des reichlichen Futters in ihren Ställen, und hier und da sprangen kleine Ferkel hervor und schnappten nach Luft. Eine stattliche Schaar Schneegänse versammelte sich mit ganzen Truppen von Enten in einem benachbarten Teich; Regimenter von Truthühnern schweiften durch die Höfe der Farm, und anderes Geflügel trieb sich darin mit widerwärtigem Geschrei herum. Vor dem Scheunentor stolzierte der galante Hahn, das Muster eines Hausherrn, ein Krieger und feiner Gentleman, schlug mit seinen ausgebreiteten Flügeln und krähte stolz und in der Freude seines Herzens, kratzte zuweilen die Erde mit seinen Füßen auf und rief dann großmütig die allzeit hungrige Familie von Weibern und Kindern herbei, um sich des guten Bissens zu erfreuen, den er aufgefunden hatte.

Dem Pädagogen wässerte der Mund, als er diese reichen Quellen des Wintervorrats betrachtete. Mit begierigen Blicken stellte er sich jedes Ferkel, das umherlief, gebraten vor, mit einer köstlichen Fülle im Leib und einem Apfel im Maul; die Tauben bettete er sorgfältig in eine schöne Pastete und umgab sie mit einer Kruste; die Gänse schwammen in ihrer eigenen Sauce, und die Enten lagen paarweise, gleich jungen Ehepärchen, mit einer passenden Zwiebelsauce in den Schüsseln. An den Schweinen sah er die künftigen Speckseiten und saftigen Schinken ausgeschnitten; jeden Truthahn sah er schmackhaft zubereitet, mit seinem Magen unter dem Flügel und vielleicht einem Halsband von wohlschmeckenden Würsten, und selbst der stolze Hahn lag ausgebreitet auf seinem Rücken auf einer Nebenschüssel, mit aufgehobenen Krallen, als wenn er nach dem Quartier verlangte, das sein ritterlicher Geist verschmähte, als er noch am Leben war.

Indem sich nun der entzückte Ichabod alles dies ausmalte und seine großen grünen Augen über die fetten Wiesen, die reichen Weizen-, Roggen-, Buchweizen- und Welschkornfelder und die mit reichen Früchten versehenen Obstgärten, welche das schöne Gut van Tassels umgaben, schweifen ließ, zog ihn sein Herz zu dem Mädchen hin, das dies alles einmal erben sollte, und seine Einbildungskraft malte ihm vor, wie man dadurch leicht zu Vermögen kommen und das Geld in großen Strecken unbebauten Landes und Schindelpalästen in der Wildnis anlegen könne. Ja, seine geschäftige Fantasie zeigte ihm bereits die blühende Katharine mit einer ganzen Schnur von Kindern oben auf einem Wagen, mit Hausrat beladen und mit herunterhängenden Töpfen und Kesseln; er selbst sah sich auf einer Stute, mit einem Fohlen zur Seite, auf dem Wege nach Kentucky, Tennessee oder Gott weiß wohin.

Als er das Haus betrat, war sein Glück vollkommen. Es war eines jener geräumigen Farmhäuser mit hohen, etwas schiefen Dächern, in dem Stil, wie ihn die ersten holländischen Ansiedler liebten; das ein wenig hervorspringende Dach bildete in der Front des Hauses einen Säulengang, den man bei schlechtem Wetter verschließen konnte. Hier befanden sich Dreschflegel, Pferdegeschirr, verschiedenes Hausgeräte und Netze, um in dem benachbarten Fluss zu fischen. An der Wand waren Bänke für den Sommer angebracht, und ein großes Spinnrad an dem einen und ein Butterfass an dem anderen Ende zeigte die verschiedenen Zwecke, zu denen dieses Vorhaus bestimmt war. Aus diesem Säulengang ging der erstaunte Ichabod in den Vorsaal, der den Mittelpunkt des Hauses bildete und zum gewöhnlichen Aufenthaltsort diente. Hier blendete eine Reihe zinnernes, auf einem langen Tisch aufgestelltes Geräte sein Auge. In einem Winkel lag ein großer Sack mit Wolle zum Spinnen, in einem anderen ein Haufen halb wollenen und halb leinenen Zeugs, das soeben von dem Webstuhl kam; Ähren von welschem Korn und Schnüre von getrockneten Äpfeln und Pfirsichen hingen in Girlanden an den Wänden, gemischt mit rotem Pfeffer, und eine halb geöffnete Tür ließ ihn einen Blick in das schönste Gastzimmer werfen, in welchem die klauenfüßigen Sessel und Mahagonitische gleich Spiegeln glänzten; Feuerböcke mit Schaufeln und Zangen blitzten wie reines Gold; getrocknete Orangen und Muscheln zierten den Kamin; Schnüre von mannigfaltig gefärbten Eiern hingen darüber; ein großes Straußenei hing von der Mitte des Zimmers herab, und ein Schenktisch in der Ecke zeigte außerordentliche Schätze an altem Silber und Porzellan.