Snöfrid aus dem Wiesental (3). Das ganz und gar fantastische Geheimnis des Riesenbaumes - Andreas H. Schmachtl - E-Book

Snöfrid aus dem Wiesental (3). Das ganz und gar fantastische Geheimnis des Riesenbaumes E-Book

Andreas H. Schmachtl

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Beschreibung

Snöfride haben es gern ruhig. Eigentlich. Doch als die Nordlandbauern Snöfrid aus dem Wiesental vertreiben, muss er zu einer gefährlichen Reise in die lautlosen Wälder aufbrechen, um Asgrimur zu warnen. Nicht lange, und Snöfrid findet sich am Fuße eines sagenhaft mächtigen Baums wieder, zwischen dessen Ästen sich Trolle, Einhörner und andere fantastische Wesen tummeln. "Hm", meint Snöfrid und hat damit richtig erkannt, dass er wieder einmal direkt vor einem neuen Abenteuer steht. Aber nie hätte Snöfrid auch nur geahnt, wie unglaublich das Geheimnis sein würde, das oben in der Baumkrone auf ihn und die anderen Snöfride wartet …

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Andreas H. Schmachtl wurde 1971 geboren und studierte Kunst, Germanistik und Anglistik.

Seit 2007 erzählt und illustriert er mit viel Liebe zum Detail und zu seinen Figuren zauberhafte und abenteuerliche Geschichten von Mäusen, Kaninchen, Igeln und anderen kleinen Wesen, deren Schutz und Erhalt ihm besonders am Herzen liegen.Seine Bücher erscheinen exklusiv im Arena Verlag.

Mehr über Snöfrid und weitere lieferbare Titelvon Andreas H. Schmachtl unter www.tilda-apfelkern.de.

Für Rebecca, ohne die Snöfrid vermutlichkeinen einzigen Schritt gemacht hätte.A. H. S.

1. Auflage 2018

© Arena Verlag GmbH, Würzburg 2018

Alle Rechte vorbehalten

Text und Illustrationen: Andreas H. Schmachtl

Gesamtherstellung: Westermann Druck Zwickau GmbH

E-Book ISBN 978-3-401-80749-2

www.arena-verlag.de

eBook-Herstellung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Andreas H. Schmachtl

Das ganz und gar fantastischeGeheimnis des Riesenbaumes

Inhalt

Vorwort des Verfassers

Teil eins: Die Flucht

1. Kapitel, in dem es zunächst ruhig zugeht – und irgendwie botanisch

2. Kapitel, in dem Snöfrid feststellen muss, dass der Ruhm zwei Seiten hat

3. Kapitel, in dem es erheblich dröhnt

4. Kapitel, in dem Snöfrid wieder einmal mit seinen bemerkenswerten Eigenschaften überrascht

5. Kapitel, in dem entziffert, entschieden und entschwunden werden muss

6. Kapitel, in dem es vollkommen still wird

7. Kapitel, in dem Snöfrid vom Boden verschluckt wird

8. Kapitel, in dem Snöfrid an alte Zeiten erinnert wird

9. Kapitel, in dem Snöfrid zu den Wurzeln des Problems vordringt

10. Kapitel, in dem Snöfrid eine Art Sprache wiederfindet und fürchterlich enttäuscht wird

Teil zwei: Der Aufstieg

11. Kapitel, durch welches ein Hauch von Sternenstaub zu wehen scheint

12. Kapitel, in dem die Geschichte einen leichten Grünstich annimmt

13. Kapitel, in dem es so übel zugeht, wie man es von einem dreizehnten Kapitel erwarten würde

14. Kapitel, in dem Snöfrid feststellt, dass er zwar fallen, aber nicht fliegen kann

15. Kapitel, in dem Snöfrid ahnt, dass seine Reise ein Ziel hat

16. Kapitel, in dem Snöfrid seinen Augen ausnahmsweise mehr traut als allem anderen

17. Kapitel, in dem Snöfrid ein Licht aufgeht

18. Kapitel, in dem es Schätze zu bergen gilt

19. Kapitel, in dem wieder einmal etliche Stufen auf Snöfrid warten

20. Kapitel, welches Snöfrid in luftiger Höhe verbringt

Teil drei: Die Krone

21. Kapitel, in dem es ein bisschen gruselig werden könnte

22. Kapitel, in dem zusammenfindet, was nicht zusammengehört

23. Kapitel, in dem Snöfrid sich fragt, wie viele Stufen er noch zu erklimmen hat

24. Kapitel, in dem jede Menge Steine von jeder Menge Herzen fallen

25. Kapitel, welches Snöfrid verwirrter verlässt, als er es betritt

26. Kapitel, in dem Snöfrid und seine Gefährten zur falschen Zeit am richtigen Ort sind

27. Kapitel, in dem jeder gewinnen möchte

28. Kapitel, in dem ein Ende zum Anfang wird

29. Kapitel, in dem Snöfrid über und auf den Wolken schwebt

30. Kapitel, in dem diese Geschichte ein Ende findet und eine andere ihren Anfang nimmt

Hochverehrte Leser,

seid mir zum dritten Mal willkommen. Überraschenderweise! Denn nachdem ich seinerzeit mehr als erhebliche Mühen damit hatte, überhaupt irgendwelche verlässlichen Informationen zu Snöfrids ersten beiden Abenteuern zu erlangen, durfte ich beim besten Willen nicht darauf hoffen, Hinweise zu einem dritten zu finden. Folgerichtig suchte ich auch gar nicht nach weiteren Spuren von Snöfrid, jenem gleichermaßen sagen- wie heldenhaften, meistens wortkargen und vor allem ruhebedürftigen Wesen aus dem Wiesental.

Vielmehr galten meine neuesten Forschungen einem ähnlich sagenumwobenen Geschöpf. Nämlich dem Einhorn. Auf mittelalterliche Bücher und Schriften konnte ich mich hierbei leider nicht verlassen, denn was ich dort las, schien mir so unglaubwürdig, dass ich mich von der Geschichte ab- und anderen Disziplinen der Wissenschaft zuwandte. Und es war wohl ein glücklicher Zufall, dass ich ausgerechnet tief im Süden einen Fingerzeig aus dem hohen Norden erhielt. Ich entdeckte nämlich in einem italienischen Kloster einen wunderbaren Bildteppich.

Ihr habt vielleicht schon von diesen Teppichen gehört. Sie sind riesig und mögen einstmals die Wände irgendwelcher Burgen oder Schlösser geziert haben. Und darauf finden sich oft mit Nadel und Faden gestickte Darstellungen verschiedener Ereignisse, welche den Lauf der Geschichte verändert hatten.

Dieser spezielle Teppich zeigte einen Kampf.

Das war noch nicht außergewöhnlich. Allerdings waren weder Ritter noch Wikinger zu sehen, sondern Einhörner, weswegen der Teppich mir überhaupt auffiel. Andere merkwürdige Gestalten erkannte mein geübtes Auge sofort als Trolle. Fliegende Tiere gab es ebenfalls.

Handelte es sich um Hummeln? Das war nicht eindeutig zu erkennen. Ihr müsst bedenken, dass dieser Teppich bereits etliche Jahrhunderte alt war. Unglücklicherweise klafften hier und da erhebliche Löcher. Dort mochten sozusagen ganze Kapitel der dargestellten Erzählung fehlen. Das allein wäre Grund genug gewesen, sich eingehend mit dem Teppich zu befassen, doch dann entdeckte ich ganz unten rechts ein weiteres Wesen. Und leider fehlte auch von ihm ein Stück. Nur sein Kopf mit dem finsteren Blick und die blaue Tasche über seiner Schulter waren unzweifelhaft zu erkennen. Und für mich stand in dieser Sekunde fest: Das war Snöfrid!

Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass ich augenblicklich mehr über die Sache erfahren musste. Tatsächlich sagte man mir, der Teppich stamme aus dem hohen Norden. Und so reiste ich noch am selben Tag ins Wiesental. Dort traf ich zunächst auf das übliche wortkarge Willkommen. Sobald ich aber den Teppich und den Kampf erwähnte, wurden die Bewohner des Wiesentals noch verschlossener als sonst. Nicht einer war zu einer Aussage, einem Hinweis oder bloß zu einem Tipp zu bewegen.

Damals konnte ich mir dieses beharrliche Schweigen nicht erklären. Ich konnte nur annehmen, dass die Wiesentaler sich für diese Episode ihrer Vergangenheit schämten. Zu Recht! Immerhin stellte sich heraus, dass sie als das Ende der sogenannten „snöfridschen Tage“ in die Geschichte eingegangen war.

Und ganz gleich, ob ihr bereits erfahrene Snöfridianer seid oder unseren Helden wider Willen womöglich zum ersten Mal begleitet, seid auf jeden Fall gewarnt. Es wird erneut nicht nur abenteuerlich, es wird überdies ungemein verwirrend.

Hochachtungsvoll

A. H. S.

In dem es zunächst einmal erstaunlich ruhig zugeht. Und irgendwie botanisch, was euch aber nicht beunruhigen sollte.

Hochverehrte Leser, nun treffen wir uns wieder einmal im Wiesental. Und wenn ihr Snöfrid womöglich durch seine ersten beiden Abenteuer hindurch begleitet habt, dann wisst ihr, dass er, nun ja, bereits zwei Abenteuer hinter sich hatte.

Große Erlebnisse waren das, die mit der Zeit und durch nicht enden wollendes Weitererzählen zu noch größeren Geschichten wurden: nämlich die Rettung von Prinzessin Gunilla – und nebenbei von ganz Nordland – und die sagenhafte Reise zu den Nebelinseln. Ihr wisst dann aber auch, dass Snöfrid im Laufe dieser großen Abenteuer tatsächlich jede Menge kleiner Abenteuer bestehen musste. Und vor allem wisst ihr, oder ihr solltet es jedenfalls wissen, dass der gute alte Snöfrid stattdessen viel lieber seine Ruhe gehabt hätte!

Ja, Snöfrid war eigentlich ein echter Eigenbrötler. Das darf man wohl sagen. Er war am liebsten für sich allein und genoss die Ruhe an seinem sonnenbeschienenen Hang mit den duftenden Kräutern und würzigen Gräsern. Nichts war ihm lieber, als Wasser aus dem glasklaren Gebirgsbach vor der Haustür zu schöpfen, Feuerholz zu sammeln und sich in der Behaglichkeit seines kleinen Heims unter dem großen Stein ein nahr- und schmackhaftes Breichen zu kochen. Aus Haferflocken, wenn irgend möglich.

Mit einem solchen Leben konnte man zufrieden sein. Ich selbst würde für nur einen Teil dieser himmlischen Ruhe alles Mögliche anstellen. Aber wenn man erst einmal so viele derart ungewöhnliche und aufregende Dinge erlebt hatte wie unser Snöfrid, kann man das nicht mehr so leicht vergessen.

In all der Ruhe nach seinen Abenteuern kamen ihm immer öfter die Bilder von hohen Berggipfeln, wimmeligen Städten, tosenden Meeren, endlosen Ebenen und märchenhaft verwunschenen Wesen in den Sinn. Auch die Stimmen seiner Freunde, Weggefährten und Widersacher hallten in der Stille des Wiesentals nur umso lauter nach. Und so war schließlich, ganz nebenbei und mehr oder weniger unfreiwillig, eben doch ein waschechter Abenteurer aus Snöfrid geworden. Ein Jemand also, der sich nicht nur ins Abenteuer stürzte, wenn er musste, sondern der es schmerzlich vermisste, wenn mal keines am fernen Horizont lockte.

Doch dann eines Tages, es war übrigens ein Dienstag, kam vollkommen unverhofft ein Brief angeflattert. Nun, streng genommen flatterte da gar nichts. Vielmehr hatte irgendwer den Brief unter Snöfrids Tür hindurchgeschoben. Und eigentlich handelte es sich auch nicht um einen Brief, sondern allenfalls um eine kurze Notiz, in der zu lesen war:

Hier tut sich etwas Merkwürdiges.

Es sieht so aus, als würden die Trolle den Norden verlassen.

Wir kommen vorbei und berichten Genaueres. Bald!

  AWH

Das war alles.

Snöfrid erkannte gleich, dass die Botschaft nur von Arp, Wurp und Herp stammen konnte. Bislang hatte jedes Auftauchen dieser drei Feenmännlein für gehörige Aufregung in Snöfrids sonst so geruhsamem Leben gesorgt, und so konnte er nur vermuten, dass auch dieses Mal das insgeheim ersehnte Abenteuer nicht lange auf sich warten lassen würde.

Snöfrid grübelte immer wieder darüber nach, was die Botschaft wohl bedeuten mochte und wohin die Trolle denn wollten, wenn sie den hohen Norden tatsächlich verließen. Falls die Behauptung überhaupt stimmte.

Denn Snöfrid bekam in den folgenden Wochen weder einen Troll noch die drei Feenmännlein zu sehen.

Und irgendwann schlief sein Interesse an den Vorhaben der Trolle einfach ein. Im Gegensatz zu seiner Abenteuerlust. DIE war jetzt wirklich erwacht.

Es ging sogar so weit, dass er abends, kurz bevor er ins Bett ging, noch einmal kurz nachlauschte, ob es ganz sicher nicht an seiner Tür klopfte. Immerhin hatten seine vorherigen Abenteuer immer damit begonnen, dass es klopfte. Ja, und irgendwann, mal früher, mal später, waren die drei Feenmännlein in seinem neuen Abenteuer aufgetaucht. Na, vielleicht kam das noch.

Es war wirklich ein Problem. Snöfrid konnte sich ja schlecht auf die Socken machen, um irgendwo nach einem Abenteuer zu suchen. Nicht nur, dass Snöfrid keinerlei Socken besaß – die wirklich guten Abenteuer ließen sich nicht einfach so suchen. Snöfrid blieb also nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben und sich wieder an die Ruhe des Wiesentals zu gewöhnen.

Snöfrid wäre nicht er selbst gewesen, wenn ihm da nicht eine gleichermaßen ungewöhnliche wie bemerkenswerte Idee gekommen wäre: Der unfreiwilligste aller Helden beschloss, sich auf das Züchten von Moos zu konzentrieren.

Ihr mögt das unter Umständen ein bisschen merkwürdig finden. Womöglich findet ihr es sogar ganz ausgesprochen merkwürdig. Wie konnte sich ein großer Abenteurer, ein im ganzen Norden bekannter Held, bitte schön mit winzigen grünen und, seien wir mal ehrlich, alles in allem recht unscheinbaren Pflänzchen abgeben? Das ist doch langweilig, könntet ihr denken. Aber damit würdet ihr euch ganz furchtbar irren. Denn Moose sind in der Tat faszinierend. Sie sind wahre Überlebenskünstler, trotzen Kälte, Nässe und unbarmherziger Trockenheit. Bei genauer Betrachtung sind sie übrigens alles andere als unscheinbar. Man sollte nur eben nah genug rangehen. Das musste Snöfrid aber ohnehin. Ihr erinnert euch vielleicht daran, dass er ganz unglaublich kurzsichtig war.

Nun, Snöfrid hatte sich seit seiner Reise zu den Nebelinseln für diese Pflanzengattung begeistert. Und er hatte hier im Wiesental gewissenhafteste botanische Forschungen unternommen, um verschiedene Moosarten, deren Verbreitung, Häufigkeit, bevorzugte Standorte und so weiter zu ergründen. Das klingt, finde ich, nun wirklich alles andere als langweilig. Das, hochverehrte Leser, beschreibt bereits die höheren Weihen der Wissenschaft!

Sich selbst als großen Wissenschaftler zu bezeichnen, wäre Snöfrid aber nie in den Sinn gekommen. Er hielt sich ja nicht einmal für einen großen Abenteurer. Humboldt war beides und wurde darum vollkommen zu Recht von aller Welt bewundert. Snöfrid hingegen war, tja, Snöfrid. Das, so fand er, sagte alles.

Wenden wir uns nun jenem Tag zu, an dem für Snöfrid tatsächlich ein neues Abenteuer beginnen sollte. Womöglich das größte bislang. Aber das konnte sich an diesem Morgen noch niemand vorstellen, am allerwenigsten Snöfrid selbst.

Dichte Wolken zogen so tief über das Wiesental hinweg, dass sie die Berggipfel ringsum einhüllten. Auch die Kiefernwälder waren durch Wolken und Nebel allenfalls als undeutliche Schemen zu erkennen. Allerorten tropfte es. Gelegentlich regnete es sogar. Und kalt war es auch noch.

Snöfrid fand dieses Wetter herrlich, denn seine Moose waren dann in Höchstform.

Und was noch wichtiger war: Bei solchem Wetter kamen keine Besucher ins Wiesental.

Seit Snöfrid einen gewissen Ruhm erlangt hatte, besuchten nämlich alle möglichen Leute aus allen nur denkbaren Teilen Nordlands das Tal, um ihren Helden zu sehen. Die meisten schafften es zwar nur bis zum Talwächter, jenem gigantischen und legendären Gasthaus am Eingang des Wiesentals (oder an seinem Ausgang, je nachdem, aus welcher Richtung man kam). Aber nicht wenige drangen auch ins Herz des Tals vor. Sie brachten, wie das so ist, Unruhe, Dreck und Streitereien mit sich, was den Menschen in den Dörfern am Talboden tatsächlich egal war. Sie verdienten nämlich eine Menge Geld mit den Besuchern.

Überall wurden frisches Brot und Löwenzahnbier, Ziegenkäse und Honig angeboten. Und dann verkauften die Talbewohner noch blaue Umhängetaschen. Ganz genau solche, wie Snöfrid sie zu nutzen pflegte. Und damit die Snöfrid-Pilger ihr brummiges Idol auch ganz bestimmt nicht verfehlten, wiesen ihnen die Talbewohner mehr als bereitwillig den Weg zu Snöfrids Höhle. An manchen Tagen machten sich ganze Ströme von Wanderern zum Hang auf, lauerten darauf, dass Snöfrid vor die Tür trat, und glotzten ihn an wie eine Zirkusattraktion. Ja, sie erdreisteten sich sogar, ihm den bemerkenswert kurzen Weg zu seinem Bächlein zu versperren. Was wiederum bedeutete, dass Snöfrid an diesen Tagen ganz und gar ohne Haferbrei auskommen musste. Eine Katastrophe!

Ja, nicht zuletzt aus diesem Grund fand Snöfrid nebelige, kalte und düstere Tage wie den heutigen schlicht und ergreifend wunderbar. An solchen Tagen hatte er eben noch seine Ruhe.

So war es auch. Bis, völlig unerwartet, doch eine Gruppe von Leuten, schnaufend, keuchend und über das Wetter fluchend, vor Snöfrids Heim erschien.

In dem Snöfrid feststellen muss, dass der Ruhm zwei Seiten hat. Und in dem wir einen Sprung machen. Nämlich durch die Zeit.

Als sich die Gestalten derer, die trotz des schlechten Wetters den Hang hinaufgeklettert waren, aus dem Nebel lösten, erkannte Snöfrid den reichsten Bauern des ganzen Wiesentals. Gierigsson war sein Name, und der passte wie kein zweiter zu ihm. Denn dieser Bauer war nicht umsonst so wohlhabend geworden. Er war weder nett noch freundlich, ja, nicht einmal besonders klug. Um ehrlich zu sein, war er vor allem laut, polterig und rücksichtslos. Aber er hatte eben jede Menge Geld und damit das Sagen unter den Dorfbewohnern. Darin unterschied sich das Wiesental nur wenig vom Rest der Welt.

Schweigend standen Gierigsson und Snöfrid einander gegenüber und starrten sich an.

Gierigsson wusste wohl nicht so recht, wie er anfangen sollte.

Und Snöfrid fragte sich, was diese Herrschaften denn von ihm wollten.

Schließlich räusperte sich der Bauer und begann: „Wie du weißt, hat die Pflanzzeit begonnen.“

Für den Bruchteil einer Sekunde fragte sich Snöfrid, ob sich sein botanischer Fachverstand, also sein eingehendes Interesse für die Moose seiner Heimat, bereits herumgesprochen haben konnte und die Bauern ihn vielleicht um Rat fragen wollten. Doch das klang sogar für ihn nicht sehr wahrscheinlich.

Und dann fuhr der Bauer fort: „Wir haben bereits die Felder bestellt und hoffen auf eine gute Ernte.“

An dieser Stelle machte Gierigsson eine bedeutsame Pause, damit Snöfrid etwas sagen konnte. Wozu dieser jedoch keine Lust hatte und es deswegen auch nicht tat.

Also führte der Bauer an: „Nun ist das Wiesental ja recht bekannt geworden. Alle achten darauf, was hier geschieht. Ja, praktisch ganz Nordland schaut auf uns. Und darum wäre es natürlich nicht besonders gut, wenn unsere Ernte nicht, na ja, gut ausfallen würde. Prachtvoll, meine ich. Besonders üppig, du verstehst.“ Gierigsson machte erneut eine Pause.

Dieses Mal sagte Snöfrid auch etwas. Nämlich: „Hm.“ Womit er ausdrücken wollte: „Komm zur Sache, Gierigsson. Ich habe noch was anderes vor.“

Diese Ereignisse liegen ja nun schon lange zurück, und wir können daher nur vermuten, ob der Bauer Snöfrids „Hm“ tatsächlich verstand.

Jedenfalls räusperte er sich noch einmal und sagte in seinem typisch lauten und polterigen Tonfall: „Ach verdammt. WIR sollten die großartigste Ernte einfahren, die der Norden jemals gesehen hat. Die Leute bewundern uns jetzt schon. Aber sie sollen uns für die Größten überhaupt halten. Und darum brauchen wir ein Ernte-Maskottchen. Dich!“

Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal die Bezeichnung „vor Wut funkelnde Augen“ gehört habt. Aber Snöfrids Augen, so kurzsichtig sie auch waren, funkelten in diesem Moment, als gäb’s kein Morgen.

Der Bauer zuckte richtiggehend zusammen, obwohl Snöfrid ihm gerade mal bis zum Knie reichte.

Und er hörte sich folgendermaßen an: „Hm?!“ Womit Snöfrid schimpfen wollte: „Ernte-Maskottchen? ICH?! Ihr habt wohl nicht mehr alle Schweinchen im Rennen! Ich rette Prinzessinnen, ich nehme es mit Trollen und Seeungeheuern auf, ich schippere mal eben so los und bringe ganzen Ländern die Freiheit zurück. Für mich hat mal ein ganzer Wald die Farbe geändert. Ich bin doch kein Glücksbringer, den ihr für eure gierigen Zwecke benutzen könnt!“

„Heißt das Ja?“, flüsterte einer der anderen Bauern Gierigsson ins Ohr.

Doch der wandte sich wortlos um und schubste seine Begleiter ungehalten vor sich her, bis ihre Schritte in dem Nebel verklangen, aus dem sie gekommen waren. Ihre Stimmen verschluckte der Nebel ebenfalls. Sonst hätte Snöfrid zweifellos gehört, wie Gierigsson knurrte: „Der wird schon sehen, was passiert, wenn er sich querstellt. DAS hat er nicht umsonst getan.“

So, hochverehrte Leser, jetzt folgt der zuvor angekündigte Sprung durch die Zeit. Und ich habe mir von einer Reihe namhafter und vertrauenswürdiger Wissenschaftler versichern lassen, dass ein solcher Sprung niemals leichter zu vollziehen ist als beim Erzählen einer Geschichte.

Wir überspringen also das späte Frühjahr im Wiesental, das übrigens viel zu warm und trocken gewesen war. Danach überspringen wir noch fast den gesamten Sommer, der wiederum deutlich zu nass und kühl verlaufen war. Und aus diesem Grund, ihr ahnt es sicher, fiel die Ernte im Wiesental nicht gut aus. So ganz und gar nicht gut. Miserabel, um präzise zu sein.

Solche Dinge kommen gelegentlich vor. Jeder Landwirt weiß das. Selbst jeder Gärtner kann ein Lied davon singen, was passiert, wenn das Wetter verrücktspielt.

Auch den Bauern im Wiesental waren weder das trockene Frühjahr noch der nasse Sommer entgangen. Das Gemüse auf den Feldern verrottete einfach so vor ihren Augen, und wo üppig goldenes Getreide in einem warmen Wind wogen sollte, ragten allenfalls ein paar dürre Hälmchen in den Regen auf. Das war schlimm. Aber keine Katastrophe. Denn die Scheunen und Vorratskammern waren noch immer so gut gefüllt, dass niemand im Wiesental hungern musste. Doch weil sie ja eine Menge Arbeit mit den Feldern gehabt hatten, waren die Bauern alles in allem natürlich ausgesprochen unzufrieden. Zunächst einmal mit der Ernte und wohl auch ein bisschen mit sich selbst. Das war kein schönes Gefühl. Viel leichter wäre es gewesen, irgendeinem Sündenbock die Schuld zu geben.

Und so hörten sie allesamt aufmerksam zu, als Bauer Gierigsson eines Abends im Gasthaus mit unheilvoller Stimme verkündete: „Das ist alles nur SEINE Schuld.“Wobei er drohend den Hang hinaufdeutete. Den Hang, an dem Snöfrid wohnte.

Und wo genau diesen Snöfrid für den Bruchteil einer Sekunde die Ahnung beschlich, dass sich plötzlich etwas im Wiesental geändert haben könnte. Und zwar zu etwas ganz und gar Ungutem.

In dem es erheblich dröhnt und in dem sich womöglich das Ende eines gesamten Zeitalters ankündigt.

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