Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
So ein Hundeleben, das ist die Geschichte eines kleinen Hundemädchens, das auf witzige Art und Weise Geschichten aus ihrem Leben erzählt. Sie lässt sich nichts gefallen und jeder bekommt sein Fett weg.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 302
Veröffentlichungsjahr: 2021
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Der Bauernhof
Das neue Zuhause
Erziehungsmaßnahmen
Meine kleine Rache
Vergammelte Schnecken
Findus
Die Tantchen
Die Schleppleine
Die Einladung
Weihnachten und Silvester
Pius und Fiona
Geburtstagsüberraschungen
das ist die Geschichte von Sunny, die eigentlich Anasazai heißt. In ihrer eigenen rotzfrechen und trotzdem charmanten Art und Weise erzählt sie von ihrem Welpenleben auf dem Bauernhof, von ihrem Umzug in ihre neue Familie und von ganz vielen Streichen und Abenteuern….
Also, alles in allem bin ich nicht unzufrieden. Es hätte ich viel schlimmer treffen können. Ja, das muss ich zugeben, schlecht geht es mir nicht, auch wenn meine alten Herrschaften ab und zu ein bisschen spinnen, aber wer tut das nicht?!?! Nur wird hier mit zweierlei Maß gemessen und das stinkt mir gewaltig. Wenn ich meine spinnigen fünf Minuten habe, bekomme ich ein scharfes „Aus“ entgegen gebrüllt, aber wenn meine zwei Menschen meinen, ihre verrückten Ideen ausleben zu müssen und ich sie anbelle, bekomme ich wieder nur ein scharfes „Aus“ entgegen gebrüllt. Ist das etwa gerecht?? Nein, ist es nicht!!! Aber ich schweife ab…
Geboren wurde ich auf einem Bauernhof in der Pfalz in einer lauschigen Märznacht. Und mit mir noch neun weitere Hundebabys. Mit neun Geschwistern ist es in Mamas Bauch doch ganz schön eng geworden und ich war froh, endlich ins Freie zu gelangen. Ich war übrigens die Nummer sieben. Und so hieß ich auch „Sieben“, zumindest so lange bis alle Welpen geboren waren. Dann gab es auch richtige Namen, denn wir waren schließlich Lebewesen und hatten somit auch Anspruch vernünftig angesprochen zu werden. Wer heißt denn schon „Sieben?“ Richtig, kein Mensch! Allerdings ist die „Sieben“ bei Hunden so eine Sache. Da ist man höchstens noch die Hälfte wert, wenn überhaupt, auch wenn man - wie jetzt ich zum Beispiel - noch so hübsch ist. Ja, ja, ja, es ist tatsächlich so. Zunächst wollte ich es auch nicht wahrhaben, aber uns Hunde kann man wirklich und sogar ganz legal käuflich erwerben. Die ersten sechs aus einem Wurf (wie das klingt, so richtig bäh) werden behandelt wie die Kings und Queens, kriegen einen super Stammbaum mit und ab der Nummer Sieben, Essig, nix mehr. Da muss man sogar noch dankbar sein, dass man überhaupt leben durfte. Na prima, dachte ich, das fängt ja gleich gut an!!
Zum Glück hatte der Bauernhof mit Zucht und Ausstellungen und dem ganzen Firlefanz drum herum nichts am Hut, sodass wir alle gleich behandelt wurden, egal ob wir als Nr. Eins oder als Nr. Sieben geboren worden waren.
Nach ein paar Tagen, als ich dann endlich meine Augen aufmachen konnte, hab ich mir natürlich zuerst meine Mama angeschaut. Meine Mama war bildschön und hat ganz wunderbar gerochen. Ich habe mich sofort sauwohl gefühlt und gespürt, dass mir mit dieser Mama an der Seite nichts passieren kann. Erst danach nahm ich meine Geschwister in Augenschein, besonders Benno, diesen Rüpel, der sich im Bauch schon so breit machen musste und mich immer getreten hat. Aber das hat er nicht umsonst getan, das zahl ich ihm alles noch heim.
Der Bauernhof war übrigens allererste Sahne. So richtig was zum Toben, Spielen, sich verstecken und ganz viel Unsinn machen. Außer uns gab es auf dem Bauernhof noch vier Säue und unzählige Ferkelchen, Schafe, Ziegen, fünf Katzen und jede Menge Mäuse. Und dann waren natürlich so wie es sich für einen Bauernhof gehört noch ein paar Kühe und Pferde da. Vor denen hatten wir allerdings einen Mordrespekt. Benno ist es irgendwann einmal eingefallen, dass er eine Kuh ja mal ins Hinterbein zwicken könnte, gerade so. Die Kuh fand an seinem Vorhaben keinen großen Gefallen und hat ihn kurzerhand mit ihrem Schwanz abgeschüttelt, und zwar mit so viel Schwung, dass Benno den dreifachen Salto rückwärts gemacht hat. Benno war lernfähig und hat keine Kuh mehr angeknabbert. Der Rest der Rasselbande übrigens auch nicht. Ja, und was die Pferde anging, die waren ja noch größer, die hatten im Verhältnis zu uns Dinosaurierausmaß. Aber das war nicht der einzige Grund, warum wir vor ihnen einen Heidenrespekt hatten. Ausnahmsweise war Benno einmal unschuldig, Krösus war’s, einer unserer Cousins. Er war etwa eine Mischung aus Mozart und Benno: doof und frech. Als die Pferde abends in ihren Boxen standen und in Ruhe ihr Heu futtern wollten, hat er versucht ihnen Murmeln in die Nasenlöcher zu stopfen. Meine Güte, da war Rambazamba angesagt. Der Bauernhofmensch, eigentlich ein ganz gemütlicher Kerl, hätte Krösus um Haaresbreite erwürgt, wenn nicht seine Frau noch ein gutes Wort für Krösus eingelegt hätte. Allerdings, um eine saftige Tracht Prügel kam Krösus nicht herum. Die ganze Sache haben wir live gar nicht mitbekommen. Das hat Mama uns erzählt, als sie uns mitgeteilt hat, dass ihre beiden Schwestern auch Babys bekommen haben, insgesamt vierzehn (14) Cousins und Cousinen. Könnt ihr euch das Gewusel vorstellen? Neun Geschwister - Acht hätten mir gereicht, auf Benno hätte ich gut und gerne verzichten können - und vierzehn Cousins und Cousinen. Na, wenn da nicht die Post abgeht, dachte ich mir. Denken, was war von Anfang an sowieso meine Stärke, aber das ist ja auch nicht verwunderlich, schließlich bin ich ein Mädchen!
In diesem Fall hatte ich mich allerdings verschätzt. Es sollte kein unbegrenztes Hundeleben auf dem Bauernhof werden, und schon gar nicht mit neun Geschwistern, vierzehn Cousins und Cousinen, Tanten, Onkels und Papa.
Papa habe ich noch gar nicht erwähnt, er war auch da. Von Papa habe ich meine wunderschönen Locken geerbt, die aber erst später kommen sollten. Noch hatte ich mein superweiches plüschiges Welpenfell. Meine Locken waren zum Glück das einzige, was Papa mir vererbt hat. Ich glaube, sonst hätte ich auch die Krise gekriegt und mich am Ende vielleicht sogar doch noch aus dem Stallfenster gestürzt, denn Papa war eine echte Niete, mit ihm war absolut nichts los. So ein richtiger Macho-Typ. Eine imposante Erscheinung, das musste ich schon zugeben, und wahnsinnig gut aussehend. Kann ich schon verstehen, dass sich Mama in ihn verliebt hat, nur leider hat er nicht so viel oder besser gesagt gar nichts in der Birne gehabt. Lag das an Papa oder ist das ein typisch-männliches Phänomen??
Papa ist über den Bauernhof stolziert wie ein eitler Gockel. So viele hübsche Babys. Er hat gestrahlt wie ein Putzeimer. Aber so richtig spielen konnte man einfach nicht mit ihm. Er hat immer gleich geknurrt und uns wie lästige Fliegen abgeschüttelt, wenn wir ihn in die Ohren gezwickt haben. Wahrscheinlich hatte er nur Angst um seine Schönheit, dass wir ihm die Ohren löchern könnten, oder so. Nee, Papa war zwar unser Erzeuger, aber ansonsten konnte man ihn getrost vergessen. Mama war da ein ganz anderes Kaliber. Sie hatte eine Engelsgeduld, sogar wenn wir zu zehnt über sie hergefallen sind. Bereitwillig hat sie uns an sich schmatzen lassen, bis wirklich alle sogar Sina, die kleinste - rundherum satt waren. Nur einmal ist sie richtig sauer geworden. Da hat sie Benno - wen sonst - mal so richtig geschüttelt.
Könnt ihr euch das vorstellen, Mama hält ein Mittagsschläfchen und Benno pinkelt ihr ins Ohr. Das war wirklich kein feiner Zug von ihm, ein absolut doofer Scherz, typisch Benno. Wir anderen konnten unsere Schadenfreude nicht zurückhalten. Es hat uns tierisch gutgetan, zu sehen, wie Benno mal ordentlich eine fängt. Danach war er wie umgewandelt, so ein total netter Bruder. Aber Benno wäre nicht Benno gewesen, wenn diese Wandlung lange angehalten hätte.
Nach zwei Tagen war er wieder ganz der alte; gemein, fies und unheimlich verfressen. Aber Mama kannte natürlich ihre Pappenheimer und wenn Benno sich wie immer vordrängeln wollte und als Erstes die kleine Sina zur Seite schubste, na dann hättet ihr mal Mama sehen sollen. Sie hat ihm zuerst die Ohren langgezogen, dass er ausgesehen hat wie ein gerupfter Feldhase und dann musste er warten, bis wir alle satt waren.
Jetzt hab ich schon so viel von meiner Mama, ein bisschen was von meinem Papa und die böseste Aktion von Benno erzählt, jetzt wird es Zeit, dass ihr mich ein bisschen besser kennenlernt. Also, dass ich ein Mädchen bin, habe ich bereits erzählt, und dass ich ein Hund bin, wisst ihr auch bereits. Wenn ich Hund sage, meine ich übrigens auch Hund. Die vielen Menschen mit ihren Minihunden mögen
mir verzeihen, aber ich habe - zumindest mittlerweile - so meine Probleme mit Artgenossen, die Meerschweinchengröße haben. Benno würde jetzt sagen, das ist höchstens ein mittelgroßes Frühstück, aber so gehässig bin ich nun auch wieder nicht.
Also, ich gehöre in die Kategorie mittelgroßer Hund, (wenn ich dann mal ausgewachsen bin) ich bin eine
Berner Sennin!!!!
Für diejenigen unter euch, die mit Berner Sennenhund nicht viel anfangen können, hier ein paar Worte zu meiner Rasse:
Ohne eingebildet zu sein, aber ich bin bildhübsch. Wie gesagt ich werde einmal mittelgroß sein, habe schwarzes seidenweiches Fell, einen weißen Streifen über der Nase, eine weiße Brust, braune Beine und weiße Füße, und natürlich noch die weiße Schwanzspitze. Die sieht wirklich lustig aus. Meine weiße Schwanzspitze ist ein wenig klein ausgefallen, aber Hauptsache ist, dass die Schwanzspitze überhaupt weiß ist. Laut Standard müssen wir ganz exakt gezeichnet sein, ich bin's nicht! Ich wäre durch sämtliche Standardprüfungen mit Glanz und Gloria durchgefallen, aber ich will ja auch gar kein Standardhund sein, sondern etwas Einmaliges und ich glaube, das bin ich auch geworden. Zuerst war ich stolz wie Oskar. Alle meine Geschwister hatten einen mehr oder weniger geraden Streifen über der Nase, nur ich nicht. Bei mir ist der Streifen mitten auf der Stirn zur Seite abgeknickt. Ich fand das sehr lustig und dieser Knick gab mir einen gewissen intellektuellen Touch, aber irgendwann ist mir das Lachen dann doch vergangen.
Doch davon später...
Wir waren jetzt fast fünf Wochen alt und ehrlich gesagt, außer Unsinn hatten wir nichts, wirklich rein gar nichts im Kopf. Wenn wir uns auch sonst nicht immer grün waren und uns gestritten und gezankt haben, in einer Sache waren wir uns ausnahmsweise einig:
Unser Papa ist doof!
Er kümmert sich nicht um uns, spielt nicht mit uns, macht schon wieder anderen Frauen schöne Augen und überlässt die ganze Babyaufzucht unserer Mama. Sagt doch selbst, der hat doch nicht alle Tassen im Schrank!!! So ließen wir den Kriegsrat tagen und beschlossen, unseren Papa einmal auf Vordermann zu bringen. Während Papa also in der Sonne sein Mittagsschläfchen hielt, haben wir drei verschiedene Gartenschläuche installiert, uns Tröten und Hupen organisiert, altes Porzellan zum Poltern und ausrangierte Kochtöpfe und Kochlöffel. Benno gab das Kommando - wer sonst, aber in dem Fall waren wir damit einverstanden - und los ging's. Von vorne links und rechts prasselte das Wasser aus den Gartenschläuchen auf ihn nieder, zwei von uns tröteten und hupten, zwei andere haben das Geschirr auf dem Asphalt zerdeppert und die drei letzten haben eine Art Indianertanz aufgeführt, sind wie die Wilden um ihn herumgetanzt und haben dazu pausenlos mit ihren Kochlöffeln auf den Töpfen herum gehämmert. Ihr hättet Papa mal sehen sollen. Ein Bild wie im Film. Er wusste überhaupt nicht, was Sache ist, das Fell hat sich nach allen Seiten gestellt als hätte er mit einer Pfote in eine Steckdose gelangt. Wie ein Irrer ist er hochgefahren und hatte keine Ahnung, was und wie ihm geschieht. Die Viecher in den Trickfilmen fangen dann immer noch an zu blinken, bei Papa war es fast so weit. Er konnte vor lauter Gepolter, und vor allen Dingen Wasser überhaupt nicht reagieren. Er hat sicher gedacht, er träume nur schlecht, aber das war kein Traum, das war Realität!!
Nach dem ersten Schock hat er dann versucht, den Wasserstrahls zu entkommen und ist herumgerannt wie ein Verrückter. Aber keine Chance. Moritz, Bella und die kleine Sina haben ihre Sache gut gemacht. Sina hat ihren Gartenschlauch voll auf seine Nase gehalten. Er konnte kaum noch japsen.
Lara und Tom, die immer noch aus der ersten Etage das Polter Geschirr herunterschmissen, konnten sein unkontrolliertes Herumgerenne natürlich nicht koordinieren, so kam es, wie es kommen musste; der nächste Stapel Teller und Tassen ging nicht vor seinen Füßen zu Bruch, sondern traf genau sein Hirn, Verzeihung, seinen Kopf, ausgefüllt mit Stroh oder ähnlichem Material, jedenfalls nicht mit Hirnmasse.
Wir sind dann doch erschrocken, denn dieser Abwurf hat ihn komplett schachmatt gesetzt. Wie ein toter Maikäfer lag er da. Wir haben daraufhin in Windeseile Ordnung gemacht und so getan, als ob nie etwas gewesen sei. Wenn es sein musste, konnten wir zusammenhalten wie Pech und Schwefel und in diesem Fall musste es so sein!
Als uns Papa zusammendonnern wollte, wussten wir von nichts. Zehn Unschuldslämmer!!! Einzig sein klitschklatsch nasses Fell und seine Beule, die zu einem wahren Horn wucherte, waren Zeuge, dass irgendetwas vorgefallen sein musste. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir Einhörner immer als geflügelte schneeweiße grazile Wesen mit sanftem Gemüt vorgestellt, aber wenn ich jetzt Papa sah mit seinem Einhorn mitten auf der Stirn sind meine Vorstellungen von einem Einhorn zerplatzt wie Seifenblasen. Papa litt, und wie er litt. Jetzt waren die schönen Augen für andere Frauen vergessen, so wie er momentan aussah, wäre er auch nur verspottet und ausgelacht worden. Das hätte seine Eitelkeit nicht überlebt. Jetzt war Mama wieder gut genug, ihn zu pflegen und zu hätscheln und zu tätscheln. Nicht genug, dass wir sie regelrecht aussaugten, nein, Papa spielte den sterbenden Schwan. Wenn man ihn hörte, konnte man meinen, er sei kurz davor, das Zeitliche zu segnen. Tagelang lief er nur mit Leidensmiene und Eisbeutel auf dem Kopf herum.
An uns ist die Aktion natürlich auch nicht spurlos vorübergegangen. Obwohl wir alle unsere Unschuld beteuert haben, hat Papa ausgeholt und wir haben alle eine saftige Ohrfeige kassiert. Dazu war er ungeachtet des Eisbeutels und seines Schmerzverzogenen Gesichtes noch fähig.
Trotz seines Spatzenhirns (hoffentlich werde ich jetzt nicht wegen Spatzenbeleidigung vor Gericht gezerrt) hat er doch soweit denken können, dass Teller und Tassen nicht grade so mir nichts dir nichts vom Himmel fallen und an den äußerst begrenzten lokalen Wolkenbruch hat er auch nicht geglaubt. Pech für uns! An der Ohrfeige sind wir nicht gestorben und den Spaß war es allemal wert.
Nach diesem kleinen Scherzchen war das Verhältnis zwischen Papa und uns erst recht gestört. Bevor er noch mal mit uns gespielt hätte, hätte er sich eher die weiße Schwanzspitze abgebissen. Nicht nur doof, sondern zu allem Überfluss auch noch nachtragend. Das Kapitel “Papa“ war somit endgültig abgehakt.
Papa hat immer nur was gefasert von “in ein paar Wochen bin ich euch auf Nimmerwiedersehen los“ oder “euch wird man schon noch Benehmen beibringen“ oder “so gut, wie jetzt werdet ihr es nie wieder haben“ und noch mehr so blödes Zeugs. Wir haben nur gedacht, lass ihn doch quatschen, den alten Deppen, nur leider war er gar nicht so weit von der Realität entfernt.
Aber noch mal zurück zur weißen Schwanzspitze.
Pius, - übrigens ein Pfundskerl - hatte tatsächlich keine weiße Schwanzspitze; er hatte überhaupt nur einen halben Schwanz. Er war Nummer neun und vor lauter Hektik und Gewusel muss Mama wohl in der Aufregung seinen Schwanz mit der Nabelschnur verwechselt haben. Jedenfalls hat sie ihm bei der Geburt ein Stück abgebissen. Wir haben ihn sehr bedauert, aber Pius war so eine richtige Frohnatur und er hat es mit Fassung getragen. Er hat nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, an einem Stummelschwanz kann man auch nicht so viel dran rumziehen. Die Logik war überwältigend.
Tom und Pius waren meine Lieblingsbrüder. Zwei, mit denen man jeden Mist machen konnte, die bei jedem Blödsinn dabei waren und die nie gepetzt haben. Mit den beiden habe ich mich wirklich gut verstanden. Von Benny mal abgesehen, die eigentlich immer nur idiotische Streiche im Hirn hatte, waren wir drei diejenigen, die den gesamten Bauernhof auf Trab gehalten haben.
Unser Streich mit den Ferkelchen war auch nicht so ganz hasenrein, aber die kleinen Steckdosen haben es uns nicht krumm genommen. Ich weiß gar nicht mehr, wer von uns auf diese glorreiche Idee kam. Wenn wir drei zusammen waren, war immer was geboten und dieses Mal hatten wir uns ausgedacht, dass wir die Ferkelchen an ihren Ringelschwänzchen zusammenbinden könnten. Gesagt, getan! Wir haben den Schweinchen auch nicht wehgetan, wir haben sie nur einfach zusammengebunden, wie siamesische Sechslinge (gibt es das überhaupt, bis jetzt kannte ich
nur siamesische Zwillinge). Aber das Gequieke. Man hätte meinen können, da quieken sechzig und nicht nur sechs Ferkel. Die sechs haben den ganzen Bauernhof rebellisch gemacht. Und anschließend ging es natürlich um die Frage, wer das denn nun wieder gewesen sei. Was folgte, war das Schweigen im Walde. Jeder hat's gewusst, keiner hat was gesagt, bis auf Moritz. Der konnte sein Maul nicht halten und hat uns verpetzt. Ergebnis waren drei Ohrfeigen und ein Moritz, der tags drauf rein zufällig - wirklich fast rein zufällig - in die Jauchegrube gestürzt ist.
Moritz und Mozart waren genau das Gegenteil von Pius und Tom. Zwei Volldeppen!!! Moritz war einer von der Sorte, der unsere Rasse total in Verruf brachte. Schön anzuschauen mit seinem exakt gezeichneten Fell, träge, verfressen - als Konsequenz davon viel zu fett, stinkfaul und kaum in der Lage mehr als hundert Meter zu laufen, einfach nur ein lebender - kein lebendiger - Kaminvorleger. Eine Art Eisbärfellersatz!!
Und Mozart...
Mozart - allein der Name für einen Berner, zum Augenverdrehen - war das Ebenbild von Papa und genauso ein eingebildeter Fatzke. Es hat mich echt gewundert, dass er bei unserer Papa-Aktion mitgemacht hatte. Aber da konnte er sich dem Herdentrieb wohl doch nicht entziehen. Ansonsten war er sich für alles zu fein. Während wir mit unseren Cousins und Cousinen durch die größten Pfützen und den dicksten Schlamm getobt sind, stand er - ganz der Mann von Welt - am Rande und hat sich das Geschehen mit leicht angewidertem Blick betrachtet. An seiner Seite Bella, das Mädchen aus unserem Wurf, das als einzige voll und ganz dem Standard entsprach, nur leider dumm wie Bohnenstroh!!!
So eingebildet bin ich nun auch wieder nicht, als dass ich nicht zugeben könnte, dass es auch blöde Weiber gibt.
Bella war ein blödes Weib!!!
Wir waren jetzt fast sieben Wochen alt und langsam begann eine Zeit, die wir zunächst nicht zu deuten wussten, die Papa aber damals, als er so stinksauer auf uns war, schon erwähnt hatte. Dunkel hatte ich noch seine Worte in Erinnerung: Euch werde ich bald los sein, ihr werdet nicht mehr lang hier sein etc. etc. So etwas in der Art hatte er vor sich hin gebrabbelt.
Und jetzt kamen lauter fremde Menschen mit und ohne Kinder und drangen ungefragt in unser Schlafzimmer ein. Und immer wieder die gleichen Reaktionen: ach, sind die süüüüß!!! Wieso eigentlich süß? Wir waren weder aus Zucker noch aus Schokolade oder Marzipan, wieso also süß?
Wie Karnickel haben uns die Menschen gepackt. Pausenlos wurden wir von einem Arm zum anderen gereicht, gestreichelt, angeblich (aber nur angeblich) fachmännisch untersucht und geknuddelt und geärgert.
Guck mal, haben die dicke Pfoten (Blödsinn, schließlich waren wir Berner Sennenhunde, wenn auch kleine, und Berner sind nun mal keine Pinscher).
Schaut doch mal, haben die spitze Zähnchen (wieder Blödsinn, nicht nur Menschenkinder, auch Hundekinder haben Milchzähne, nur im Gegensatz zu Menschenbabys kommen wir schon fix und fertig auf die Welt) und dann haben sie uns ihre mehr oder weniger dicken Finger ins Maul gestopft und sich gewundert, wenn wir darauf rum genagt haben.
Aber das Schlimmste waren die Meckereien: “Den will ich nicht, der hat ja einen Nackenfleck!“ So was sagt ausgerechnet ein Glatzkopf. Der hatte eine Birne wie eine blankpolierte Billardkugel und hat die Stirn, sich über den lustigen kleinen Nackenfleck, der übrigens nur aus einem runden Dutzend weißer Härchen bestand von Tom auszulassen.
Die nächsten Menschen, die kamen, haben sich Lara geschnappt und untersucht, als ob sie eine Pfälzer Leberwurst sei. Der Typ war noch dreister. So ein käseweißer mit hässlichen karottenroten Haaren und übersät mit Sommersprossen. Überall, wirklich ü-ber-all, so was hatte ich überhaupt noch nicht gesehen, das Gesicht, die Arme, sogar die Beine!! Der ganze Mensch war eine einzige Sommersprosseninvasion. Hässlich, einfach nur hässlich, wie der da stand in seinen Bermudahosen, die seine 0-Beine nur noch betonten.
Und dieses ekelhafte Wesen hatte tatsächlich den Mumm zu sagen, Lara wolle er nicht, sie hätte Sommersprossen auf der Nase!
Lara war ganz verzweifelt, dass man ihre Sommersprossen nicht akzeptieren konnte und sie deshalb nicht wollte, aber wir haben sie beruhigt. So ein eingebildeter Sommersprossenfettkloß hatte einen von uns gar nicht verdient. Der hatte höchstwahrscheinlich keinen Spiegel zu Hause, sonst hätte er bestimmt keinen Ton über Sommersprossen verlauten lassen und sich erst recht nicht so lächerlich angezogen. Das einzige, was dem noch gefehlt hat, war ein T-Shirt mit „Mamas Liebling“ drauf und ein Strohhütchen. Dann wäre die Witzfigur perfekt gewesen.
Nein, Lara konnte wirklich froh sein, dass der Sommersprossentyp sie nicht wollte. Mit so was am anderen Ende der Leine hätte man sich nur schämen müssen.
Aber die schlimmste Erfahrung hat zweifelsohne Pepsi machen müssen. Da kamen wieder mal drei Menschen, Mutter, Vater und so ein naseweiser Steppke. Es hieß ausdrücklich, dass wir nicht angefasst werden sollten, da wir gerade gefressen hätten und schliefen, aber dieses kleine wichtigtuerische antiautoritär erzogene Element hatte nichts Besseres zu tun, als Pepsi zu grapschen; ausgerechnet auf ihrem vollen Bäuchlein hat er rumdrücken müssen.
Pepsi - aus dem Tiefschlaf gerissen - ist so erschrocken, dass sie vor lauter Angst den Dünnpfiff bekommen hat und ihm freien Lauf ließ. Die Rotznase hat einen markerschütternden Schrei ausgestoßen, sodass wir alle geweckt wurden und hat Pepsi einfach fallen lassen. Das ist genauso als würde man ein Menschenbaby vom Wickeltisch schubsen!!!
Pepsi hat natürlich angefangen zu weinen und dann ist Mama aufgestanden. Wie eine Furie ist sie auf die Rotznase losgegangen, hat die Zähne gefletscht und ihn angeknurrt, da haben sogar wir weiche Knie bekommen. Jedenfalls haben die drei fluchtartig das Weite gesucht und sich dabei tierisch aufgeregt, dass ihre Rotznase von dieser Bestie fast zerfleischt worden wäre. Nein, so ein Monster käme ihnen nicht ins Haus. Kein Wort davon, dass der Bengel Pepsi hat fallen lassen. Pepsi hat sich zum Glück nicht ernsthaft verletzt, nur ein paar blaue Flecken und das war's.
Die nächste Frage war natürlich, warum sollten wir zu so komischen Menschen ins Haus kommen. Wir hatten doch schon ein Zuhause. Hatten wir auch, nur leider nur ein zeitlich begrenztes. Mama hat uns irgendwann erklärt, dass wir alle neue Menschenfamilien bekämen, aber wir müssten keine Angst haben, unsere Bauernhofmenschen würden schon darauf achten, dass wir in gute liebe Familien kämen. Und nur die Menschen, die uns im echten Babyalter auch regelmäßig besuchen würden und uns akzeptieren, respektieren und Rücksicht auf unsere ureigene Persönlichkeit nehmen würden, hätten eine Chance, einen von uns bei sich aufnehmen zu dürfen.
Und noch eins: obwohl wir noch so klein waren, oder gerade deshalb, beanspruchten wir doch viel Platz und vor allen Dingen Liebe und Zeit. Schließlich waren wir lebendig und keine Plüschhunde, die man nach Bedarf wieder ins Regal stellen konnte. Uns hat das alles richtig Angst gemacht, aber Mama hat uns versichert, dass alle ihre Babys, die sie bisher bekommen hatte, ein tolles neues zu Hause gefunden hätten. Trotzdem war es uns mulmig!
Mozart und Bella hatten die Nasen wieder ganz oben und waren sicher, dass man sich um sie reißen würde, am besten im Doppelpack. Sie waren so mit ihrer eigenen Schönheit beschäftigt, dass ihnen ihre Dämlichkeit überhaupt nicht bewusst wurde. Und da auch nicht alle Menschen doof sind, mussten Mozart und Bella warten, bis doofe Menschen vorbeikamen. Denn doof und doof gesellt sich gut!!!
Pius sah ganz unglücklich aus. Bis jetzt hatte ihn sein halber Schwanz nicht gestört. Aber jetzt, da wir neue Familien bekommen sollten und wir auch schon mitbekommen hatten, wie viel Wert die Menschen auf Äußerlichkeiten legten, wurde er sich seiner eigenen Unzulänglichkeit immer mehr bewusst. Armer Pius. Da halfen kein gutes Zureden und kein Trösten. Er lächelte zwar immer ganz tapfer, aber abends weinte er sich oft in den Schlaf. Er war so ein Pfundskerl und es tat mir so leid, dass er jetzt so traurig war. Aber wie so häufig sollte alles ganz anders kommen...
Es war zwei Tage später, wir lagen wieder mal gut gesättigt im Heu und träumten unsere süßesten Träume. Nur Pius lag mit offenen Augen da und dachte wohl zum hunderttausendsten Mal an seinen halben Schwanz. Und ich, ich konnte auch nicht schlafen, aber schlicht und ergreifend deshalb, weil ich viel zu viel gefuttert hatte. Da man natürlich nie wissen kann, wann es das nächste Mal wieder was gibt, muss man, wenn es etwas gibt, reinhauen bis man entweder von einem Geschwister-Mitesser unsanft zur Seite geschubst wird, oder, falls das ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte, bis nichts mehr reinpasst. Oh Gott, war mir schlecht.
Also, wie gesagt, ich lag da, mit halbgeöffneten Augen und konnte die folgende Szenerie live miterleben:
Wie schon mehrmals erlebt, kamen wieder drei Menschen in unser Schlafzimmer, wieder Vater, Mutter und Sohn, aber - oh Wunder - leise, vorsichtig, stets darauf bedacht, uns nicht zu wecken. Und wieder hieß es, wir dürften nicht angefasst werden, solange wir schliefen. Die drei haben das auch verstanden und akzeptiert - dafür meine Hochachtung - doch dann sah der Junior-Mensch Pius, der eben nicht schlief. Anstatt Pius gleich zu schnappen, hat der Junior-Mensch ganz lieb und artig seinen Menschenpapa gefragt, ob er den kleinen Hund denn einmal streicheln und auf den Arm nehmen dürfe. Und da Pius ganz und gar nicht den Eindruck machte, dass er etwas dagegen hätte, hat der Menschenpapa dem Junior-Menschen das erlaubt. Na toll, dachte ich bei mir, erst hat Pepsi ihren Schock weggekriegt, jetzt muss auch noch Pius dran glauben. Aber weit gefehlt! Der kleine Kerl hat Pius ganz zart gestreichelt, er hat ihn gar nicht hochgehoben, sondern hat sich neben ihn ins Heu gesetzt und darauf gewartet, bis Pius zu ihm hin gekrabbelt kam. Der Junior-Mensch hat Pius tatsächlich wie eine kostbare Vase aus der Ming-Dynastie behandelt. Doch, der Vergleich ist gut, so ähnlich war's. Pius hat zum ersten Mal seit Tagen wieder glücklich ausgesehen, hat sich pudelwohl (Berner Sennenwohl trifft die Sache glaub ich eher) und der Junior-Mensch strahlte wie ein Putzeimer. Das ging vielleicht eine Viertelstunde so - meine Übelkeit war wie weggeblasen, so begeistert war ich von der Szenerie -, dann bemerkte der Menschenpapa, dass Pius aber nur einen halben Schwanz hätte. Für Pius war das Spiel schlagartig beendet und fiel sofort in die alte Traurigkeit zurück. Sie sind doch alle gleich, diese Zweibeiner, dabei machten sie so einen netten und vernünftigen Eindruck. Erst schmusen sie mit Pius und dann stoßen sie ihn noch tiefer ins Unglück. Ich konnte den Gedanken kaum zu Ende denken, da sehe ich, wie der Junior-Mensch dicke Tränen weint und Pius ganz fest an sich drückt. Der kleine Lausbub schaute seinen Menschenpapa todernst und mit großen Augen an und meinte nur, dass er ihm doch versprochen hätte, dass er sich einen vierbeinigen Freund aussuchen dürfe und er hätte gern Pius. Pius sei pfiffig, mit ihm könne er so schön spielen und die anderen seien viel zu verschlafen (Moment mal!!!). Und wieder kullerten die Tränen. Jetzt war der Menschenpapa ganz verdattert. So hätte er es doch gar nicht gemeint (na, na, wenn das mal die reine Wahrheit ist, ich weiß nicht, ich weiß nicht), es sei ihm eben nur aufgefallen. Er würde selbstverständlich zu seinem Wort stehen und wenn er gern Pius als Spielkamerad hätte, dann sei Pius herzlich willkommen. Die Menschenmama fand auch, dass Pius ein ganz drolliger Kerl sei und somit war Pius Schicksal besiegelt. Pius hatte als erster seine zukünftige Menschenfamilie gefunden. Ich war mindestens genauso glücklich wie Pius und hätte am liebsten die ganze Rasselbande aufgeweckt, um ihnen zu erzählen, was passiert war, aber dann dachte ich mir, dass Pius die Geschichte doch wohl lieber selbst erzählen würde.
Insgeheim freute ich mich jetzt schon auf die dusseligen Gesichter, die Mozart und Bella machen würden. Für die beiden war es nämlich sonnenklar, dass sie als Erstes neue Familien finden würden, keine Frage, bei so viel Schönheit. Pech gehabt, ihr beiden, Pius ist der Erste! Als Mozart und Bella dann erfuhren, dass Pius bereits eine Menschenfamilie gefunden hatte, gratulierten sie ihm zwar mit süßsaurem Gesicht, aber die Fassungslosigkeit stand ihnen prall ins Gesicht geschrieben. Sie waren tagelang völlig neben den Pfoten und konnten überhaupt nicht begreifen, dass es Menschen gab, die einen halbschwänzigen Pius einer Bella oder eines Mozarts vorzogen. Wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich natürlich auch ein bisschen daran gedacht, dass ich vielleicht die erste sein würde. Ich fand meinen abgeknickten Streifen über der Nase chic und ich war stolz drauf!
Mozart und Bella ließen zwar keine Gelegenheit aus, mir deutlich zu machen, dass mein weißer Streifen absolut lächerlich aussehen würde und ich ein Schandfleck für die gesamte Rasse sei, aber so viel Selbstbewusstsein hatte ich schon, dass ich bei diesem blödsinnigen Geschwätz meine Ohren einfach auf Durchzug stellte. Und außerdem ging es den anderen ja genauso. Nur über Pius lästerten sie nicht, aber sie wussten auch ganz genau, dass es ihnen nicht gut bekommen wäre, über Pius herzuziehen.
Aber Tom zum Beispiel mit seinem Mininackenfleck war oft ihr Opfer. Und sie begnügten sich keineswegs mit verbalen Attacken. Einmal haben sie ihm sogar einen Rasierapparat in die Pfote gedrückt, damit er endlich seinen - in ihren Augen widerlichen - Nackenfleck - entfernen könne. Zum Glück war auch Tom cool genug, ihnen eine passende Antwort zu geben. Als Bella und Mozart am nächsten Tag aufwachten, hatten sie auch beide Nackenflecken, und was für Flatschen. Tom ist kurzerhand nachts aufgestanden, ist in die Garage geschlichen und hat sich den Topf mit roter Farbe gekrallt. Ölfarbe! Mozart und Bella schliefen so fest, dass sie gar nicht mitbekommen haben, wie sie nachts verschönt wurden. Das Geschrei am nächsten Tag war gnadenlos. Die zwei haben geheult, dass man meinen konnte, sie würden abgestochen und wir anderen haben uns auf den Rücken geschmissen und gelacht, dass wir fast erstickt sind. Beschwerdeversuche bei Mama blieben fruchtlos. Sie hat zwar schon ein bisschen mit Tom geschimpft, aber nicht ernsthaft. Sie hatte selbst die allergrößte Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. Mozart und Bella sind ins Badezimmer gerannt und haben sich gegenseitig mit Nagellackentferner und Terpentin behandelt. Trotzdem blieb ihnen nichts anderes übrig, als einen kleinen Rest mit der Schere zu entfernen. Anschließend haben sie auch noch baden müssen, weil sie so gestunken haben. Mozart ist dann mit Strohhut aufgetaucht - wegen der starken Sonne - und Bella hatte sich ein Kopftuch umgebunden und Zahnschmerzen vorgetäuscht. Wir wussten ja, was Sache war; weder Sonnenstich noch Zahnschmerzen, sondern Löcher im Nackenfell!!!! Danach war - wie man sich unschwer vorstellen kann - das Verhältnis zwischen Mozart und Bella einerseits und uns andererseits gespannt, um es gelinde auszudrücken. Wenn sie vorher schon hochnäsig an uns vorbei stolziert sind, jetzt würdigten sie uns überhaupt keines Blickes mehr, aber oh Wunder, oh Wunder, die Lästereien hörten nach dieser Nackenfleck-Malaktion schlagartig auf Toms Nackenfleck wurde zum absoluten Tabuthema und auch über meinen abgeknickten Nasenstreifen ließen sie kein Wort mehr verlauten. Da hatten sie wohl ordentlich Muffe, dass ich auf ähnliche Ideen wie Tom kommen könnte. Ich bin sicher, mir wäre etwas vergleichbar Originelles eingefallen.
Jetzt muss ich aber auch noch unbedingt erzählen, wie es mit mir weiterging. Ich hatte mich zwar wahnsinnig für Pius gefreut und noch mehr über Mozart und Bella gelacht, aber was mich selbst anging, wurde ich von Tag zu Tag trauriger.
Wir waren nun satte acht Wochen alt, quietschfidel, und jeden Tag kamen neue Menschen. Manche kamen um mit dem Welpen, der bald in ihre Familie kommen würde zu spielen, andere suchten sich ihr zukünftiges Familienmitglied aus. Und ich stand immer im Abseits. Wir waren zwar noch alle zusammen, weil wir erst im Alter von zehn Wochen in unsere neuen Familien wechseln würden, aber alle meine Geschwister wussten schon, wo sie hinkommen wurden. Einzig Pepsi hatte zwar eine neue Familie, kannte sie aber noch nicht; sie war ganz besonders aufgeregt, denn sie würde mit Abstand die weiteste Reise vor sich haben. Pepsi reiste nach Amerika, den Namen dafür hatte sie schon. Sie war richtig neugierig auf ihre neue Heimat, sie war sowieso diejenige, die das größte Fernweh hatte. Ihr einziger Kommentar war: jetzt muss ich auch noch Englisch lernen!!
Und so war ich die einzige, die übrig geblieben war, die keine neue Familie gefunden hatte, die niemand wollte. Mittlerweile hatten sogar meine Cousins und Cousinen, die zwei beziehungsweise drei Wochen jünger waren als ich ihre zukünftigen Menschenfamilien gefunden.
Was hatte ich an mir, dass mich niemand wollte? Ich war lebenslustig, hatte Temperament und Humor. Lag es wirklich nur an meinem abgeknickten Nasenstreifen, dass mich niemand wollte?? In dieser Situation habe ich oft an Pius denken müssen. Einen winzigen Funken Hoffnung hatte ich noch in mir, warum sollte ich nicht auch Glück haben so wie Pius. Aber ehrlich gesagt, die Hoffnung wurde mit jedem Tag und jedem Menschenbesuch geringer. Alle meine Geschwister hatten Mitleid mit mir und versuchten mich zu trösten. Sogar Mozart und Bella waren richtig lieb zu mir und Benny, dieses Scheusal von einem Bruder, versuchte mich unentwegt aufzumuntern. Meistens verunglückten seine Versuche, aber das war nicht seine Schuld. Ich wurde ja ständig daran erinnert, dass ich keine Familie hatte. Wenn sich meine Geschwister über ihre neuen Familien unterhielten, die Kinder hatten oder auch nicht, in denen es schon einen Hund, eine Katze oder jede Menge Vögel gab, die in der Nähe wohnten oder ganz weit weg lebten, spätestens dann hatte ich Mühe, meine Tränen zurückzuhalten. Und dann hatte natürlich auch Benny keine Chance, mich aufzuheitern.
Zwei Tage später, es war Sonntag, hatten sich kurzfristig noch zwei Menschenbesucher angesagt. Ich machte mir gleich gar keine Hoffnung. Wer Sonntagabend zwischen Abendessen und gute Nacht schnell vorbeischaut, der hat kein echtes Interesse. Und dann kamen sie auch noch über eine Stunde zu spät. Zuspätkommer kann ich nicht leiden. Es sind desinteressierte und unzuverlässige Kreaturen. Nein danke, auf solche Menschen hatte ich nun wirklich überhaupt keinen Bock. Da würde sich sicher noch eine andere Lösung finden. Ich war bereits eingeschlafen, als ich sie draußen hörte. Zunächst einmal haben sie sich für ihr Zuspätkommen entschuldigt. Unterwegs hätten sie einen liegengebliebenen Autofahrer gesehen und ihm geholfen seinen Wagen wieder flottzumachen. Der Menschenmann hatte auch noch ganz ölverschmierte Hände. In diesem besonderen Fall ließ ich ihnen ihre Unpünktlichkeit durchgehen. Bevor der Menschenmann dann meine Mama angeschaut hat, hat er sich doch tatsächlich gründlich die Hände gewaschen. Wieder ein Pluspunkt für ihn. Meine Mama hat ihnen gut gefallen, sie waren total begeistert von ihr. Anschließend haben sie meine Tanten und Onkels besucht und dann auch noch Papa. Von Papa waren sie noch begeisterter als von Mama. (Ich hab ja gleich gewusst, dass die doof sind)
Alles klar, dachte ich mir, das sind wieder zwei von der Sorte, die den perfekten Hund haben wollen. Eigentlich hätte ich nun weiterschlafen können, aber dazu war ich doch zu neugierig. Ich tappte zur Tür, weil ich unbedingt hören wollte, was sie über Papa zu sagen hatten. Was für ein schöner Bursche, so kraftvoll, herrlich gezeichnet, diese Lockenpracht etc. etc.
Ihr habt recht, schön ist er, nur leider vollkommen hohl in der Birne, genau wie ihr Deppen!! Ich wollte mich gerade zurückziehen, von diesem Geschwätz hatte ich nun wirklich genug gehört, da standen sie auch schon in unserer Schlafzimmertür. Die Menschenfrau war sofort hin und weg von uns Rasselbande, der Menschenmann war da viel verhaltender. Er wollte eigentlich auch keinen Berner haben, ihm schwebte ein schlanker graziler Hund vor. Ja, verdammt noch mal was tut der dann da, wir sind schließlich keine Windhunde. Und dann fing er an zu quatschen, dass er sich uns viel größer vorgestellt hätte. Mannomann, der war ja noch hohler als Papa, Nilpferde sind wir ja nun auch nicht!!!
Die beiden musste ich mir nun doch genauer anschauen. Tapp tapp tapp bin ich zu den beiden hin spaziert. Angst vor denen, nee, die hatte ich wirklich nicht. Deren Augen wurden bei meinem Anblick immer herzförmiger. (bildete ich mir wenigstens ein) und man höre und staune, was die beiden über meinen Nasenstreifen zu sagen hatten. Von wegen krumm und schief, nee nee, von Schwung und Dynamik war die Rede. Die beiden wurden mir immer sympathischer. Als sie - die Menschenfrau - mich hochhob und ich mich in ihre Arme kuscheln konnte, da hab ich mich sauwohl gefühlt. Und geduftet hat die... Nicht so widerlich, kein Geruch, bei dem ich mir am liebsten die Nasenlöcher zugestopft hätte, nein, nein, richtig fein