„So träume und verschwinde ich“ -  - E-Book

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Beschreibung

Türkische Liebesgedichte erstmals auf Deutsch.

Sie sind der Pulsschlag der Freiheit in der Türkei: Seit den 50er und 60er Jahren prägen Turgut Uyar (1927-1985), Edip Cansever (1928-1986) und Cemal Süreya (1931-1986) die türkische Poesie. Ihre Lyrik ist nicht explizit politisch, dafür aber subversiv, sie experimentieren mit der Sprache, verfremden und collagieren. Ihre Themen sind Liebe, Alkohol, Melancholie und eine als befreiend empfundene Sexualität. "Wir sind ein Vers von Turgut Uyar" schrieben die Gezi-Park-Aktivisten an die Mauern Istanbuls, und noch heute werden sie in die Straßen gesprayt und über soziale Medien verbreitet.

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Seitenzahl: 72

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Zu den Autorinnen

Sie sind der Pulsschlag der Freiheit: Seit den 50er und 60er Jahren prägen Turgut Uyar (1927–1985), Edip Cansever (1928–1986) und Cemal Süreya (1931–1986) die türkische Poesie. Ihre Lyrik ist nicht explizit politisch, aber subversiv; sie experimentieren mit der Sprache, verfremden und collagieren. Ihre Themen sind Liebe, Melancholie, Alkohol und eine als befreiend empfundene Sexualität. »Wir sind Verse von Turgut Uyar«, war eine Parole der Gezi-Park-Aktivisten, und noch heute werden die Zeilen der drei Dichter-Freunde an die Mauern Istanbuls gesprayt und über soziale Medien verbreitet.

ANGELIKA OVERATH wurde 1957 in Karlsruhe geboren. Sie arbeitet als Reporterin, Literaturkritikerin, Dozentin und hat die Romane »Nahe Tage«, »Flughafenfische«, »Sie dreht sich um« und »Ein Winter in Istanbul« geschrieben. »Flughafenfische« wurde u.a. für den Deutschen und Schweizer Buchpreis nominiert. Für ihre Reportagen erhielt sie den Egon-Erwin-Kisch-Preis. Sie lebt in Sent, Graubünden, wo sie Geschwister-Gedichte in zwei Sprachen (Rätoromanisch und Deutsch) schreibt.

NURSEL GÜLENAZ, geboren in Istanbul, ist promovierte Kunsthistorikerin und unterrichtet an der Technischen Universität Istanbul. Sie hat zahlreiche kunsthistorische Aufsätze verfasst und verschiedene Bücher über Istanbul geschrieben.

So träume und verschwinde ich

Liebesgedichte von Edip Cansever, Cemal Süreya und Turgut Uyar

Herausgegeben und übersetzt von Angelika Overath und Nursel Gülenaz

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsch-türkische Erstausgabe Mai 2020

btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Copyright der türkischen Gedichte: © Edip Cansever, Yapı Kredi Kültür Sanat Yayıncılık Ticaret ve Sanayi A.Ş. 2015; © Cemal Süreya, Yapı Kredi Kültür Sanat Yayıncılık Ticaret ve Sanayi A.Ş. 2015; © Turgut Uyar

Umschlaggestaltung: semper smile, München

Umschlagmotiv: © Angelika Overath

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

cb · Herstellung: sc

ISBN 978-3-641-24188-9V001www.btb-verlag.de

www.facebook.com/btbverlag

Für alle, die Istanbul lieben.Für alle, die lieben.

Inhalt

Vorwort

Edip Cansever (1928–1986)

Günlerden

Von den Tagen

Bir Plak Gibi Dönüyor Gökte Mavilik

Wie eine Schallplatte dreht sich am Himmel das Blaue

Bitmeyen

Das Endlose

O Mavilik Derdi

Er würde das Blaue dazu sagen

Ihlamur Bardağını …

Dein Glas mit Lindenblütentee

Ona Bir Kolye Vermiştim …

Ich hatte ihr eine Halskette gegeben

Umuş

Hoffen

Seni Günlere Böldüm …

Ich habe dich in Tage geteilt

Her Sevda

Jede Leidenschaft

Hiçbir Pul Hiçbir Zarfa Yakışmıyor

Keine Briefmarke paßt zu keinem Briefumschlag

Cemal Süreya (1931–1990)

Önceleyin

Anfangshaft

San

Glorie

Bir Çiçek

Eine Blume

İki Kalp

Zwei Herzen

Gece Bitkilerinden

Vor den Pflanzen der Nacht

Sayım

Zählen

Dört Mevsim

Die vier Jahreszeiten

Aşk

Liebe

Özür

Entschuldigung

1994 Eliyle, Samanyolu’na

Zu Händen von 1994, an die Milchstraße

Turgut Uyar (1927–1985)

işten değil aşk

es ist nichts besonderes liebe

büyüyüp giden hüzün’e

an die wachsende und wachsende wehmut

Şimdi Gelsem ki

Käme ich jetzt doch

Sokaktan Geçen Kadın

Die Frau, die auf der Straße vorübergeht

Kesiksiz Övgü

Ununterbrochenes Lob

çokluk senindir

die fülle ist dein

Göğe Bakma Durağı

Haltestelle Himmelsschau

sibernetik

kybernetik

biliyor musun

weißt du es

günler geçer

die tage vergehen

Dank

Vorwort

Wir sind Verse von Turgut Uyar

Hinter den Gezi-Park-Demonstrationen 2013, einer am Ende türkeiweiten Protestbewegung, standen nicht etablierte Parteien oder politische Gruppen. Sie wurden spontan initiiert von der Jugend Istanbuls, von Schülern, Studenten, Lehrern, die öffentlichen Lebensraum mit Bäumen, Rasen gegen die Errichtung von Shopping-Malls verteidigten. Gezi-Park am Taksim-Platz sollte ein grüner Ort für alle bleiben. Gezi-Park wurde ein Symbol für das Unbehagen an einer als immer restriktiver empfundenen Politik. Im Rahmen der Demonstrationen in verschiedenen Städten gab es mindestens sechs Tote im Alter zwischen 15 und 27 Jahren. Und – je nach Quellen – zwischen 5000 und 8000 Verletzte.

In Istanbul traten die jungen Aktivisten auf mit der Parole: »Wir sind Verse von Turgut Uyar«. Ihr Stern war radikale Poesie. Eine Poesie, deren Entstehung damals allerdings schon zwei Generationen zurücklag.

Nach Westen!

Turgut Uyar, Cemal Süreya und Edip Cansever gehören zu den wichtigsten und einflußreichsten Dichtern der »İkinci Yeni«, der »Zweiten Neuen«, einer Gruppe von Dichtern, die Mitte der 1950er Jahre ein überraschendes, ein befreiendes Sprechen in die türkische Lyrik brachten. Sie waren nicht die ersten Erneuerer.

Bereits seit der Tanzimat-Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts, einer Periode der tiefgreifenden Reformen im Osmanischen Reich, wendeten sich Poeten zunehmend gegen die Weltfremdheit und das formal Einengende der ornamentalen Divan-Dichtung. Vor allem die Gründung der Türkischen Republik 1923 durch Kemal Atatürk und seine Hinwendung zum (laizistischen) Westen stellte eine Wende in der türkischen Literatur dar. Nach seinem Willen wurde 1928 die arabische Schrift durch die lateinische ersetzt, damit war die alte Literatur für die nachfolgenden Generationen ein Buch mit sieben Siegeln. Zunehmend nahm die türkische Lyrik neue Elemente auf, vor allem aus der französischen und russischen Literatur. Bahnbrechend waren hier sicher die Texte von Nazım Hikmet (1902–1963), der als Marxist immer wieder Monate und Jahre im Gefängnis saß und zuletzt im Moskauer Exil starb.

Mitte der 1930er Jahre formierte sich um Orhan Veli Kanık (1914–1950) eine moderne Erneuerungsbewegung. Sie wurde »Garip«, »Fremdartig«, genannt und entwickelte in der Nachfolge von Hikmet das einfache, sich um keinen poetischen Regelkanon kümmernde, das verständliche, das politisch eingängige Gedicht weiter. Verstärkt nahmen diese Dichter Alltagselemente in ihre Lyrik auf. »Garip« wurde auch »Erste Neue« genannt. Die folgende Generation lernte von »Garip« (wie aus den osmanischen Quellen und älteren Traditionen), setzte sich aber bald von »Garip« ab, da sie deren Verse als banal und politisch zu direkt empfand. Die neuen jungen Dichter schrieben nun eine Lyrik, die die türkische Sprache noch einmal erfand: in kühnen Wortschöpfungen, agrammatischem Grenzüberschreiten, thematischen Tabubrüchen. Es waren Poeten, die nicht nur lexikalisch, sondern auch in ihrer Haltung zum Leben auf die grundlegende Freiheit des Menschen setzten. Sie thematisierten offen gelebte Sexualität, das Trinken von Alkohol, Einsamkeit und Melancholie, den Suizid. Immer handelten sie vom Schreiben als einem Überlebensmittel. Bald wurden ihre sehr unterschiedlichen Autoren unter dem Namen »Zweite Neue« zusammengefaßt. Hinreißende Liebesgedichte entstanden, in denen surreale Elemente explodierten wie Blüten. Den Glanz der Unverständlichkeit nahmen diese Dichter gerne in Kauf. Wie die Empörung der Lakaien.

»Das Gedicht auf der Straße«

Gerade die Autoren der »İkinci Yeni«, der »Zweiten Neuen«, sind heute in der Türkei sehr populär. Die Auflagen ihrer Bücher steigen. Schon während der Gezi-Park-Proteste ist eine Bewegung »Şiir Sokakta« entstanden: »Das Gedicht auf der Straße«. Mit der Sprühdose, mit Filzstiften werden Gedichtzeilen dieser Lyriker an öffentliche Wände, an Strommasten, Brückenpfeiler geschrieben, photographiert und ins Netz gestellt (#siirsokakta) – bevor sie übermalt werden können. Die so in den Alltag gesetzten und medial kommunizierten Verse sind ein hilflos-mächtiger Puls der Demokratie. Diese Bewegung ist über die Zeiten der Anschläge in Istanbul und Ankara in den Jahren 2015 bis 2017 mit dem Militärputschversuch 2016 lebendig geblieben. Achim Wagner hat sie in seinem berührenden kleinen Photo-Buch »Şiir Sokakta« (Verlag Nika Yayınevi) dokumentiert.

Drei Dichter und eine Frau

Im deutschsprachigen Raum sind die Dichter der »İkinci Yeni« kaum bekannt. Man kann einige ihrer Verse lesen in der schönen zweisprachigen Ausgabe »Kultgedichte/Kült Şiirleri« (besorgt von Erika Glassen und Turgay Fişekçi, erschienen im Unionsverlag 2008). Auch in der Anthologie »Moderne Türkische Lyrik«, die Yüksel Pazarkaya 1971 im Horst Erdmann Verlag herausgegeben hat, sind acht Gedichte der »İkinci Yeni« vertreten.

Die hier vorgelegte Sammlung ist aber die erste, die mit 30 Gedichten von drei bedeutenden Repräsentanten der »İkinci Yeni« diesen folgenreichen Sprachvulkan türkischer Poesie vorstellt.

Edip Cansever, Cemal Süreya und Turgut Uyar waren miteinander befreundet und liebten dieselbe Frau: Süreya und Uyar lebten in Partnerschaft oder Ehe mit der Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin Tomris Uyar (geborene Gedik, geschiedene Tamer; 1941–2003). Cansever schrieb ihr jedes Jahr zu ihrem Geburtstag am 15. März ein Gedicht. So unterschiedliche Biographien diese drei Poeten auch hatten, so verband sie doch dieselbe kurze Lebensspanne. Sie sind zwischen 1927 und 1931 geboren; keiner von ihnen wurde 60 Jahre alt.

Und alle drei waren durch und durch Dichter von Istanbul.

Edip Cansever (1928–1986)

»8. August 1928. Mein Vater schrieb auf die letzte Seite des Koran mein Geburtsdatum. Er freute sich sehr, daß ich ein Junge war. Vor mir zwei Töchter, nach mir zwei Töchter.« So schreibt Edip Cansever in einem Lebensrückblick.