Solomon Kane - Robert E. Howard - E-Book

Solomon Kane E-Book

Robert E. Howard

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Beschreibung

Die düstere Figur des Solomon Kane wurde von Robert E. Howard geschaffen, der mit Conan von Cimmerien und anderen Helden der Schwert und Magie-Fantasy weltberühmt wurde. Stephen King: »In Howards besten Erzählungen steckt eine so unglaubliche Energie, dass geradezu Funken sprühen!« H. P. Lovecraft: »Welcher Schriftsteller kann schon mit Howard mithalten, wenn es um pure, lebendige Angst geht?« Festa CLASSICS – die wahren Meisterwerke der Dark Fiction. Diese Ausgabe ist illustriert von Timo Wuerz. Inhalt: Blutige Schatten Schädel inmitten der Sterne  Klappernde Knochen Der Schädelmond Die Berge der Toten Schritte im Grabmal Schwingen in der Nacht Solomon Kanes Heimkehr (Gedicht) Der eine schwarze Fleck (Gedicht) Die rechte Hand der Verdammnis Die Rückkehr von Sir Richard Grenville (Gedicht) Die blaue Flamme der Rache  Robert E. Howard: »Solomon Kane ist ein Mann, der aus seiner Zeit heraus geboren wurde – eine seltsame Mischung aus Puritaner und Kavalier, mit einem Hauch des antiken Philosophen und mehr als einem Hauch des Heiden ... ein umherziehender Ritter im düsteren Gewand des Fanatikers. Ein Hunger in seiner Seele trieb ihn immer weiter, ein Drang, alles Unrecht zu berichtigen, alles Schwächere zu schützen, alle Verbrechen gegen Recht und Gerechtigkeit zu rächen.«  Robert Bloch: »Hinter Howards Erzählungen lauert eine dunkle Poetik und die zeitlose Wahrheit der Träume.«  

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Seitenzahl: 401

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Aus dem Amerikanischen von Klaus Schmitz

Impressum

1. Auflage 2025

Copyright © dieser Ausgabe 2025 by

Festa Verlag GmbH

Justus-von-Liebig-Straße 10

04451 Borsdorf

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:

[email protected]

Titelbild: Festa Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

eBook 978-3-98676-231-5

www.festa-verlag.de

Inhalt

Impressum

BLUTIGE SCHATTEN

SCHÄDEL INMITTEN DER STERNE

KLAPPERNDE KNOCHEN

DER SCHÄDELMOND

DIE BERGE DER TOTEN

SCHRITTE IM GRABMAL

SCHWINGEN IN DER NACHT

SOLOMON KANES HEIMKEHR

DER EINE SCHWARZE FLECK

DIE RECHTE HAND DER VERDAMMNIS

DIE RÜCKKEHR VON SIR RICHARD GRENVILLE

DIE BLAUE FLAMME DER RACHE

C. A. Smith

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BLUTIGE SCHATTEN

1

Solomons Ankunft

Das Mondlicht schimmerte trübe und erzeugte silbrige Nebel der Illusion zwischen den düsteren Bäumen. Eine schwache Brise flüsterte durch das Tal und brachte einen Schatten mit sich, der nicht aus Mondnebel bestand. Ein vager Geruch nach Rauch schwang darin mit.

Der Mann, der mit seinen langen, federnden Schritten ohne Hast, aber unbeirrt seit Sonnenaufgang viele Meilen zurückgelegt hatte, blieb abrupt stehen. Eine Bewegung zwischen den Bäumen hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Leise glitt er auf die Schatten zu, eine Hand leicht auf das Heft seines langen, schmalen Rapiers gelegt.

Vorsichtig ging er weiter, bemüht, mit den Blicken die Finsternis, die zwischen den Bäumen dräute, zu durchdringen. Dies war ein wildes und gefährliches Land; der Tod mochte dort unter den Bäumen lauern. Doch dann ließ seine Hand das Heft los, und er beugte sich vor. Tatsächlich war hier der Tod, aber nicht in einer Form, vor der er sich fürchten musste.

»Bei den Feuern des Hades!«, murmelte er. »Eine Frau! Was ist Euch zugestoßen, Kind? Habt keine Angst vor mir.«

Die junge Frau blickte zu ihm auf. Ihr Gesicht schimmerte in der Dunkelheit wie eine blasse weiße Rose.

»Ihr … wer seid … Ihr?«, keuchte sie.

»Nur ein Wanderer, ein Landloser, aber ein Freund aller, die in Not sind.« Die sanfte Stimme schien nicht so recht zu diesem düsteren Mann zu passen.

Das Mädchen versuchte, sich auf die Ellbogen aufzurichten, und sofort kniete er sich hin und half ihr in eine sitzende Position. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Seine Hand berührte ihren Oberkörper und kehrte rot und nass zurück.

»Sprecht.« Seine Stimme klang leise, tröstend, so wie man mit einem Kind spricht.

»Le Loup«, keuchte sie mit zusehends schwächer werdender Stimme. »Er und seine Männer … griffen unser Dorf an … eine Meile das Tal hinauf. Sie raubten … mordeten … brannten …«

»Das also ist der Rauch gewesen, den ich gerochen habe«, murmelte der Mann. »Weiter, Kind.«

»Ich bin geflohen. Er, der Wolf, verfolgte … und … holte mich ein …« Die Worte erstarben in bebender Stille.

»Ich verstehe, Kind. Und dann …?«

»Dann … hat … er … er … mich erstochen … mit seinem Dolch … oh, ihr Heiligen! … Erbarmen …«

Unvermittelt wurde die zierliche Gestalt schlaff. Der Mann legte sie auf den Boden und befühlte vorsichtig ihre Stirn.

»Tot!«, flüsterte er.

Langsam erhob er sich, mechanisch die Hände an seinem Umhang abwischend. Ein finsterer Blick lag auf seinem ernsten Gesicht. Und doch schwor er keinen wilden, blutrünstigen Eid, fluchte weder auf Heilige noch auf Teufel.

»Dafür wird jemand sterben«, sagte er nur kalt.

2

Die Höhle des Wolfes

»Du bist ein Narr!« Die Worte wurden mit einem kalten Fauchen ausgestoßen, das einem das Blut gefrieren ließ.

Der Mann, der gerade beschimpft worden war, senkte mürrisch den Blick, ohne zu antworten.

»Du und all die anderen, die ich anführe!« Der Sprecher beugte sich vor und hämmerte mit der Faust auf den grob gezimmerten Tisch, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Ein großer, hochgewachsener Mann, geschmeidig wie ein Leopard und mit einem schmalen, grausamen Raubtiergesicht. In seinen Augen tanzte und glitzerte eine Art verwegener Spott.

Der Gerügte antwortete verdrießlich: »Dieser Solomon Kane ist ein Dämon aus der Hölle, das sage ich dir.«

»Pah! Idiot! Er ist ein Mensch – und er kann durch eine Kugel oder einen Schwerthieb sterben.«

»Das dachten Jean, Juan und La Costa auch«, gab der andere grimmig zurück. »Und wo sind sie jetzt? Frag die Bergwölfe, die ihnen das Fleisch von den toten Knochen gerissen haben. Wo versteckt dieser Kane sich? Wir haben die Berge und Täler im Umkreis von Meilen durchsucht und keine Spur von ihm gefunden. Ich sage dir, Le Loup, er kommt aus der Hölle! Ich wusste, dass es Unglück bringt, als wir vor einem Monat diesen Mönch aufgehängt haben.«

Der Wolf trommelte ungeduldig auf den Tisch. Sein scharf geschnittenes Gesicht, sosehr es auch Spuren eines wilden Lebens und zahlloser Ausschweifungen aufwies, war das Gesicht eines Denkers. Der Aberglaube seiner Gefolgsleute berührte ihn nicht.

»Noch einmal: Pah! Der Kerl hat irgendwo eine Höhle oder ein geheimes Tal gefunden, von dem wir nichts wissen, und dort hält er sich bei Tage versteckt.«

»Und in der Nacht zieht er los und bringt uns um«, fügte der andere düster hinzu. »Er bringt uns zur Strecke wie ein Wolf das Wild – bei Gott, Le Loup, du nennst dich selbst Wolf, aber ich glaube, hier bist du an einen Wolf geraten, der noch erbitterter und gerissener ist als du! Zum ersten Mal erfuhren wir von diesem Mann, als wir Jean fanden, den übelsten Banditen diesseits des Galgens, an einen Baum genagelt mit dem eigenen Dolch durch die Brust, die Initialen S. L. K. in seine toten Wangen geritzt. Dann wird der Spanier Juan niedergestreckt, und als wir ihn entdecken, lebt er gerade noch lange genug, um uns zu berichten, dass sein Mörder ein Engländer ist, Solomon Kane, der geschworen hat, unsere gesamte Bande zu vernichten! Und dann? La Costa, ein Fechter, der nur von dir selbst übertroffen wird, zieht los und schwört, diesen Kane aufzuspüren und zur Strecke zu bringen. Bei allen Dämonen der Verdammnis, wie es scheint, hat er ihn gefunden! Denn wir haben auf einer Klippe seine durchstoßene Leiche angetroffen. Was jetzt? Sollen wir alle von der Hand dieses englischen Teufels sterben?«

»Es ist wahr, unsere besten Leute wurden von ihm ausgelöscht«, meinte der Bandenführer nachdenklich. »Aber bald kehren die anderen von ihrem kleinen Ausflug zum Eremiten zurück – dann werden wir sehen. Kane kann sich nicht ewig verstecken. Dann … ha, was ist das?«

Die beiden fuhren herum, als ein Schatten auf den Tisch fiel. In den Eingang der Höhle, in der das Versteck der Banditen lag, stolperte ein Mann. Seine Augen waren weit aufgerissen und glasig, er taumelte auf zitternden Beinen, und ein großer dunkelroter Fleck breitete sich auf seinem Hemd aus. Er tat ein paar torkelnde Schritte in die Höhle, dann stürzte er quer über den Tisch und rutschte von dort auf den Boden.

»Hölle und Teufel!«, fluchte der Wolf, half dem Mann hoch und setzte ihn auf einen Stuhl. »Wo sind die anderen, Hundesohn?«

»Tot! Alle tot!«

»Wie? Satans Flüche über dich – sprich!« Der Wolf schüttelte den Mann brutal, während der andere Bandit mit entsetztem Blick zusah.

»Wir kamen an die Hütte des Eremiten, als der Mond gerade aufging«, stammelte der Mann. »Ich blieb draußen … um Wache zu halten … die anderen gingen hinein … um den Eremiten zu foltern … damit er uns … das Versteck … seines Goldes …«

»Ja, ja! Was dann?«, bohrte der Wolf ungeduldig nach.

»Dann wurde die Welt rot … die Hütte explodierte mit lautem Krachen, und ein roter Regen ging auf das Tal nieder … durch ihn hindurch sah ich … den Eremiten und einen Mann ganz in Schwarz … sie kamen aus dem Wald …«

»Solomon Kane!«, keuchte der Bandit. »Ich wusste es! Ich …«

»Schweig, Narr!«, fuhr ihn der Anführer an. »Weiter!«

»Ich floh … Kane verfolgte mich … verwundete mich … aber ich entkam … war … vor … ihm … hier …«

Der Mann stürzte nach vorne auf den Tisch.

»Heilige und Teufel!«, tobte der Wolf. »Wie sieht er aus, dieser Kane?«

»Wie … der Teufel …«

Die Stimme verklang. Der Tote rutschte vom Tisch und blieb als blutiger Haufen auf dem Boden liegen.

»Wie der Teufel!«, brabbelte der andere Bandit. »Ich habe es dir gesagt! Er ist der Gehörnte höchstpersönlich! Ich sage dir …«

Er verstummte, als ein angstvolles Gesicht in den Höhleneingang hineinlugte.

»Kane?«

»Aye.« Der Wolf war zu erschüttert, um zu lügen. »Halt die Augen auf, La Mon. Die Ratte und ich sind gleich bei dir.«

Das Gesicht verschwand, und Le Loup wandte sich wieder dem anderen zu.

»Das ist das Ende der Bande«, sagte er. »Du, ich und dieser Dieb La Mon sind die Einzigen, die noch übrig sind. Was schlägst du vor?«

Nur ein Hauchen kam von den blassen Lippen der Ratte: »Fliehen!«

»Du hast recht. Lass uns das Gold und die Edelsteine aus den Kisten holen und durch den Geheimgang türmen.«

»Und La Mon?«

»Er kann Wache halten, bis wir zur Flucht bereit sind. Und dann … warum den Schatz durch drei teilen?«

Die Andeutung eines Lächelns zog über das verschlagene Gesicht der Ratte. Dann durchfuhr ihn ein plötzlicher Gedanke.

»Er«, meinte er und wies auf die Leiche am Boden, »sagte: ›Ich war vor ihm hier.‹ Heißt das, dass Kane ihm hierher folgen wird?« Und als der Wolf ungeduldig nickte, stürzte der andere sich mit hastiger Eile auf die Schatzkisten.

Die flackernde Kerze auf dem groben Tisch beleuchtete eine wilde und bizarre Szenerie. Das Licht, tanzend und unstet, glitzerte rötlich in der sich langsam vergrößernden Blutlache, in der die Leiche lag; es tanzte auf den Haufen aus Edelsteinen und Gold, die hastig aus den messingbeschlagenen Kisten, die an den Wänden standen, auf den Boden gekippt wurden; und es glitzerte in den Augen des Wolfes mit dem gleichen Funkeln, das auch auf dem Dolch an seinem Gürtel blitzte.

Die Kisten waren leer, ihre Schätze breiteten sich in einer glitzernden Masse auf dem blutbefleckten Boden aus. Der Wolf hielt inne und lauschte. Draußen blieb alles still. Es leuchtete kein Mond, und Le Loups lebhafte Fantasie malte ihm den dunklen Rächer, Solomon Kane, aus, wie er durch die Dunkelheit glitt, ein Schatten unter Schatten. Er grinste schief. Diesmal würde er dem Engländer einen Strich durch die Rechnung machen.

»Eine Kiste ist noch geschlossen«, sagte er und deutete darauf. Der andere beugte sich mit einem gemurmelten Laut der Überraschung über die betreffende Kiste. Mit einer schnellen, katzenhaften Bewegung sprang der Wolf zu ihm und rammte ihm seinen Dolch bis zum Heft zwischen die Schultern. Lautlos sackte der Bandit zu Boden.

»Warum den Schatz überhaupt teilen?«, murmelte Le Loup und wischte die Klinge am Wams des Toten ab. »Und jetzt zu La Mon.«

Er ging zum Höhleneingang – und blieb stehen. Langsam wich er zurück.

Zuerst dachte er, es sei der Schatten eines Mannes, der im Höhleneingang stand; doch dann sah er, dass es der Mann selbst war, doch er stand so dunkel und lautlos da, dass das flackernde Kerzenlicht ihm eine bizarre Ähnlichkeit mit einem Schatten verlieh.

Ein großer Mann, so groß wie Le Loup, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, in schlichter, eng anliegender Kleidung, die auf ihre Weise zu seinem düsteren Gesicht passte. Lange Arme und breite Schultern verrieten den geübten Fechter, ebenso das lange Rapier in seiner Hand. Das Gesicht des Mannes war finster und umwölkt. Eine Art düstere Blässe verlieh ihm in dem unsteten Licht ein geisterhaftes Erscheinungsbild, das noch verstärkt wurde von der satanischen Dunkelheit seiner tiefen Brauen. Große, tief liegende Augen ruhten mit starrem Blick auf dem Banditen, und Le Loup, der den Blick erwiderte, konnte nicht erkennen, welche Farbe sie besaßen. Interessanterweise wurde der mephistophelische Eindruck des Gesichtes von der hohen, breiten Stirn teilweise zunichtegemacht, auch wenn sie halb von einem schlichten schwarzen Hut verdeckt wurde.

Denn diese Stirn kennzeichnete den Träumer, den Idealisten, den Introvertierten, so wie die Pupillen und die schmale, gerade Nase den Fanatiker offenbarten. Ein Beobachter wäre fasziniert gewesen von den Blicken der beiden Gestalten, die sich dort gegenüberstanden. Die Augen beider Männer kündeten von einer unermesslichen Energie, aber dort endete die Ähnlichkeit auch schon.

Die Augen des Banditen waren hart, beinahe undurchsichtig, mit einer ungewöhnlichen schillernden Seichtheit, und sie reflektierten unzählige wechselnde Lichter und Schimmer wie fremdartige Edelsteine; Spott lag in diesen Augen, Grausamkeit und Wagemut.

Die Augen des Mannes in Schwarz dagegen, tief unter buschigen Brauen hervorschauend, wirkten kalt, aber unergründlich. Wenn man in sie hineinschaute, hatte man das Gefühl, unendlich tiefes Eis anzustarren.

Ihre Blicke trafen sich wie zwei Degen, und der Wolf, der es gewohnt war, gefürchtet zu werden, verspürte eine seltsame Kälte, die seinen Rücken entlanglief. Dieses Gefühl empfand er als neu – ein ungekannter Nervenkitzel für jemanden, der für den Nervenkitzel lebte. Er lachte auf.

»Ihr seid Solomon Kane, nehme ich an?«, fragte er und schaffte es, die Frage höflich desinteressiert klingen zu lassen.

»Ich bin Solomon Kane.« Die Stimme klang volltönend und kräftig. »Seid Ihr bereit, vor Euren Schöpfer zu treten?«

»Nun, Monsieur«, antwortete Le Loup mit einer leichten Verbeugung, »ich versichere Euch, ich bin genauso bereit wie zu jedem anderen Zeitpunkt. Ich könnte Monsieur die gleiche Frage stellen.«

»Ich fürchte, ich habe meine Frage falsch formuliert«, sagte Kane grimmig. »Ich sollte fragen: Seid Ihr bereit, vor Euren Herrn, den Teufel, zu treten?«

»Was das angeht, Monsieur …«, Le Loup betrachtete mit einstudierter Unbekümmertheit seine Fingernägel, »… so muss ich sagen, dass ich Seiner Gehörnten Exzellenz eine sehr zufriedenstellende Bilanz vorweisen könnte, obwohl ich mich wirklich noch nicht mit der Absicht trage, dies zu tun – jedenfalls nicht in nächster Zeit.«

Le Loup brauchte nicht nach La Mons Schicksal zu fragen; Kanes Anwesenheit in der Höhle war Antwort genug, auch ohne die Blutflecken auf seinem Rapier.

»Was ich gern wüsste, Monsieur …«, meinte der Bandit, »warum in aller Teufels Namen habt Ihr meine Schar so verbissen bekämpft, und wie habt Ihr den letzten Trupp dieser Narren vernichtet?«

»Eure zweite Frage ist schnell beantwortet, Sir«, erwiderte Kane. »Ich selbst habe das Gerücht gestreut, der Eremit halte Gold in seiner Hütte versteckt, denn ich wusste, das würde Eure Halunken anlocken, wie das Aas den Geier lockt. Tag und Nacht beobachtete ich die Hütte, und heute Abend, als ich Eure Schurken nahen sah, warnte ich den Eremiten. Gemeinsam zogen wir uns zwischen die Bäume hinter der Hütte zurück. Und dann, als die Banditen eingetreten waren, schlug ich Feuerstein und Stahl an die Lunte, die ich gelegt hatte, und eine Flamme huschte wie eine rote Schlange durch die Büsche, bis sie das Pulver erreichte, das ich unter dem Boden der Hütte deponiert hatte. Die Hütte mitsamt den 13 Sündern fuhr in einer großen Explosion mit Flammen und Rauch zur Hölle. Nun gut, einer entkam, aber auch ihn hätte ich im Wald getötet, wäre ich nicht über eine Baumwurzel gestolpert, was ihm Zeit gab, um zu entkommen.«

»Monsieur«, meinte Le Loup mit einer weiteren leichten Verbeugung, »ich billige Euch die Bewunderung zu, wie sie einem tapferen und listigen Widersacher gebührt. Doch sagt mir: Warum habt Ihr mich gejagt, wie ein Wolf das Wild jagt?«

»Vor einigen Monden«, sagte Kane, und sein Gesicht nahm einen drohenderen Ausdruck an, »habt Ihr mit Euren Kumpanen ein kleines Dorf unten im Tal überfallen. Um die Einzelheiten wisst Ihr besser als ich. Dort war ein Mädchen, fast noch ein Kind, das in der Hoffnung, Eurer Wollust zu entkommen, in den Wald floh. Ihr jedoch, Ihr Schakal aus der Hölle, holtet sie ein und ließt sie geschändet und sterbend zurück. Ich traf sie dort an, und über ihren sterblichen Überresten schwor ich mir, Euch zu jagen und zu töten.«

»Hm«, überlegte der Wolf. »Ja, ich erinnere mich an das Weib. Mon Dieu, also spielen bei dieser Sache auch die zarteren Gefühle eine Rolle. Monsieur, ich hätte Euch nicht für einen amourösen Mann gehalten. Doch seid nicht eifersüchtig, alter Freund, es gibt viele Weiber auf der Welt!«

»Le Loup, nehmt Euch in Acht!«, rief Kane, und eine entsetzliche Drohung lag in seiner Stimme. »Noch nie habe ich einen Mann durch Folter getötet, aber bei Gott, Sir, Ihr bringt mich in Versuchung!«

Der Ton und mehr noch die unerwartete Heftigkeit ernüchterten Le Loup. Seine Augen verengten sich, und seine Hand wanderte zum Rapier. Einen Moment lang lag eine tödliche Spannung in der Luft. Dann entspannte sich der Wolf mit bewusster Anstrengung.

»Wer war das Mädchen?«, fragte er beiläufig. »Eure Frau?«

»Ich habe sie nie zuvor gesehen«, antwortete Kane.

»Nom d’un nom!«, fluchte der Bandit. »Was seid Ihr für ein Mann, Monsieur, dass Ihr eine solche Fehde entfacht, nur um ein Weib zu rächen, das Ihr nicht einmal kennt?«

»Das, Sir, ist meine eigene Angelegenheit. Es reicht, dass ich es tue.«

Kane hätte es nicht erklären können, nicht einmal sich selbst, aber er suchte auch nie nach einer Erklärung für seine Taten. Als wahrem Fanatiker lieferte ihm die Stimme seines Gewissens Grund genug.

»Ihr habt recht, Monsieur.« Le Loup versuchte nun, Zeit zu gewinnen. Beiläufig wich er Zentimeter um Zentimeter zurück, und das mit einer solch vollendeten Schauspielkunst, dass er selbst bei dem Falken, der ihn dort beobachtete, kein Misstrauen erregte. »Monsieur«, sagte er, »wahrscheinlich wollt Ihr mir sagen, dass Ihr lediglich ein edler Ritter seid, der umherzieht wie ein wahrer Galahad, um die Schwachen zu schützen. Aber wir beide wissen doch, dass dem nicht so ist. Dort auf dem Boden liegt ein Schatz, mit dem man einen Kaiser freikaufen könnte. Lasst ihn uns friedlich teilen. Und wenn Ihr dann meiner Gesellschaft überdrüssig seid – nom d’un nom! –, ziehen wir beide unserer Wege.«

Kane beugte sich vor, und eine entsetzliche Drohung brodelte in seinen kalten Augen.

Er sah aus wie ein großer Kondor, der sich gleich auf seine Beute stürzen wollte.

»Sir, haltet Ihr mich für einen ebenso großen Schurken, wie Ihr einer seid?«

Plötzlich warf Le Loup lachend den Kopf in den Nacken, und in seinen Augen tanzten und sprangen ein wilder Spott und so etwas wie tollkühner Wahnsinn. Sein brüllendes Gelächter hallte durch die Höhle.

»Götter der Hölle! Nein, Ihr Narr, ich stelle Euch nicht auf eine Stufe mit mir! Mon Dieu, Monsieur Kane, da habt Ihr aber eine Aufgabe vor Euch, wenn Ihr plant, alle Weiber zu rächen, die meine Gunst kennengelernt haben!«

»Bei allen Schatten des Todes! Soll ich meine Zeit damit verschwenden, mit diesem niederträchtigen Halunken zu plaudern?«, fauchte Kane mit plötzlicher Blutgier in der Stimme, und seine schlanke Gestalt schnellte vor wie ein Pfeil von einem Langbogen.

Und im selben Moment sprang Le Loup mit einem wilden Lachen und ebenso geschmeidig wie Kane zurück. Der Zeitpunkt war perfekt gewählt; seine nach hinten gestreckten Hände fanden den Tisch und stießen ihn zur Seite, gleichzeitig wurde es stockdunkel in der Höhle, als die Kerze herunterfiel und erlosch.

Kanes Rapier pfiff wie ein Pfeil durch die Dunkelheit, als er blindwütig um sich schlug.

»Adieu, Monsieur Galahad!« Der höhnische Abschiedsgruß kam von irgendwo vor ihm, aber als Kane mit der wilden Raserei enttäuschter Wut auf den Laut zustürzte, krachte er gegen eine nackte Felswand, die seinen Ansturm stoppte. Er glaubte, das Echo eines spöttischen Lachens zu vernehmen.

Kane wirbelte herum, die Augen wachsam auf den vage erkennbaren Höhleneingang gerichtet, da er vermutete, sein Gegner würde versuchen, an ihm vorbei aus der Höhle zu fliehen. Aber niemand ließ sich dort blicken, und als seine suchenden Hände die Kerze ertasteten und anzündeten, war die Höhle leer bis auf ihn selbst und die Toten, die auf dem Boden lagen.

3

Der Gesang der Trommeln

Über das nachtdunkle Wasser flüsterte es: bumm, bumm, bumm! – in ewiger, düsterer Wiederholung. Aus weiter Ferne und leiser antwortete ein Flüstern in anderer Klangfarbe: wramm, wramm, wramm! Hin und her flogen die vibrierenden Töne, als die wummernden Trommeln sich miteinander unterhielten. Was für Geschichten erzählten sie? Was für unsägliche Geheimnisse wurden über die finsteren, unheimlichen Weiten des unerforschten Dschungels hinweg ausgetauscht?

»Seid Ihr sicher, dass dies die Bucht ist, in die das spanische Schiff eingelaufen ist?«

»Ja, Senhor. Der Neger schwört, dass dies die Bucht ist, in welcher der weiße Mann allein das Schiff verlassen hat, um in den Dschungel zu gehen.«

Kane nickte grimmig. »Dann setzt mich hier an Land, allein. Wartet sieben Tage, und wenn ich dann nicht zurückgekehrt bin und Ihr keine Nachricht von mir erhaltet, setzt die Segel, wohin Ihr wollt.«

»Ja, Senhor.«

Die Wellen klatschten träge gegen die Seiten des Bootes, das Kane ans Ufer brachte. Das Dorf, das er suchte, lag am Flussufer, aber ein Stück von der Bucht zurückgesetzt. Der dichte Dschungel verhinderte, dass man es vom Schiff aus sah.

Kane hatte sich für den vermutlich gefährlichsten Weg entschieden, indem er bei Nacht an Land ging, aber er wusste, dass er das Dorf bei Tage niemals erreichen konnte, wenn sich der Mann, den er suchte, tatsächlich dort aufhielt. Es mit dem nächtlichen Dschungel aufzunehmen, stellte ein großes Wagnis dar, aber er hatte noch nie davor zurückgeschreckt, tollkühne Risiken einzugehen. Jetzt riskierte er sein Leben für die minimale Chance, das Eingeborenendorf im Schutze der Dunkelheit und unbemerkt von seinen Bewohnern zu erreichen.

Am Ufer angelangt verließ er das Boot mit einigen geflüsterten Befehlen, und als die Ruderer sich auf den Rückweg zum Schiff machten, das in einiger Entfernung in der Bucht vor Anker lag, wandte er sich ab und tauchte in die Schwärze des Urwalds ein. Das Rapier in der einen Hand, den Dolch in der anderen schlich er voran, immer bemüht, die Richtung einzuhalten, aus der noch immer die Trommeln murmelten und brummelten.

Er bewegte sich mit der Verstohlenheit und Leichtfüßigkeit eines Leoparden, tastete sich vorsichtig vor, jeder Nerv wachsam und aufmerksam. Doch der Weg erwies sich als tückisch; Schlingpflanzen, die ihn straucheln ließen und ihm ins Gesicht schlugen, behinderten sein Vorankommen. Er sah sich gezwungen, den Pfad zwischen den gewaltigen Stämmen der hoch aufragenden Bäume zu ertasten. Überall im Unterholz vernahm er leises und bedrohliches Rascheln und die Schatten von Bewegung. Dreimal berührte sein Fuß etwas, das sich schnell unter ihm davonschlängelte, und einmal erspähte er das unheilvolle Glühen von Katzenaugen zwischen den Bäumen. Als er näher kam, verschwanden sie.

Wumm, wumm, wumm!, erklang das unaufhörliche monotone Trommeln: Krieg und Tod (sagten sie), Blut und Wollust, Menschenopfer und Menschenfleisch! Die Seele Afrikas (sagten die Trommeln), der Geist des Dschungels, der Gesang der Götter der Finsternis, der Götter, die brüllen und schnattern, der Götter, die der Mensch kannte, als die Welt noch jung war, mit Tieraugen, klaffenden Mäulern, hungrigen Bäuchen, blutigen Händen, die Schwarzen Götter (sangen die Trommeln).

Das alles und mehr dröhnten und wummerten sie, während Kane sich den Weg durch den Urwald bahnte. Und irgendwo in seiner Seele geriet eine empfängliche Saite in Resonanz zu den Vibrationen: Auch du gehörst der Nacht (sangen die Trommeln), in dir ist die Stärke der Dunkelheit, die Stärke des Primitiven, kehr zurück in die Vorzeit, wir lehren dich, wir lehren dich (skandierten die Trommeln).

Kane trat aus dem dichten Urwald auf einen deutlich erkennbaren Weg. Weiter vorn, durch die Bäume, sah er die Feuer des Dorfes flackern, die Flammen hinter den Palisaden. Rasch schritt Kane voran. Geräuschlos und vorsichtig ging er, den Degen vor sich ausgestreckt, wachsam nach jedem Anzeichen von Bewegung in der Finsternis vor ihm Ausschau haltend, denn die Bäume ragten zu beiden Seiten wie Riesen auf; manchmal verflochten sich ihre Äste über seinem Kopf, und er konnte die Route nur vage vor sich erahnen.

Wie ein schwarzes Gespenst bewegte er sich den dunklen Weg entlang, aufmerksam schaute und lauschte er. Doch nichts warnte ihn, als sich auf einmal eine große, undeutliche Gestalt lautlos aus den Schatten erhob und ihn niederschlug.

4

Der Schwarze Gott

Wumm, wumm, wumm! Irgendwo wurde mit stumpfer Monotonie ein Rhythmus wiederholt, immer und immer wieder, der stets die gleiche Botschaft übermittelte: »Narr – Narr – Narr!« Mal erklang es weit entfernt, dann wieder so nah, dass er es fast mit der Hand greifen konnte. Jetzt verschmolz es mit dem Pochen seines Schädels, bis die beiden Vibrationen eins wurden: »Narr – Narr – Narr – Narr …«

Die Nebel verblassten und verschwanden kurz darauf ganz. Kane versuchte, seine Hand an den Kopf zu heben, musste aber feststellen, dass man ihn an Händen und Füßen gefesselt hatte. Er lag auf dem Boden einer Hütte – allein? Er verdrehte den Körper, um sich umzuschauen. Nein, zwei Augen funkelten ihn aus der Dunkelheit an. Jetzt nahm eine Figur Gestalt an, und Kane, noch immer benommen, glaubte den Mann vor sich zu haben, der ihn bewusstlos geschlagen hatte. Doch nein – dieser Mann hätte ihm niemals einen solchen Schlag verpassen können. Eine hagere, dürre und runzlige Gestalt. Das Einzige, was an ihr noch am Leben zu sein schien, waren die Augen, und die glichen den Augen einer Schlange.

Der Mann hockte auf dem Boden der Hütte, in der Nähe des Eingangs, nackt bis auf einen Lendenschurz und den üblichen Krimskrams an Fuß- und Armreifen. Bizarre Fetische aus Elfenbein, Haut und Knochen, tierischen und menschlichen, verzierten seine Arme und Beine. Plötzlich und unerwartet sagte er etwas auf Englisch.

»Ha, du wach, weißer Mann? Warum du hier kommst, eh?«

Kane antwortete mit der unvermeidlichen Gegenfrage, nach Gewohnheit des weißen Mannes.

»Du sprichst meine Sprache – wie kann das sein?«

Der Schwarze grinste.

»Ich Sklave – lange her, ich Knabe. Ich, N’Longa, Juju-Mann, ich großer Fetischmann. Kein schwarzer Mann wie ich! Du weißer Mann, du jagst Bruder?«

Kane fletschte die Zähne. »Ich! Bruder! Ich suche einen Weißen, ja.«

Der Schwarze nickte. »Und wenn findest du, hm?«

»Dann stirbt er!«

Wieder grinste der Schwarze. »Ich mächtiger Juju-Mann«, wiederholte er beiläufig. Er beugte sich vor. »Weißer Mann du jagst, er Augen wie Leopard, eh? Ja? Hahaha! Hör, weißer Mann: Mann-mit-Augen-wie-Leopard, er und Häuptling Songa machen groß Palaver; sie Blutsbrüder jetzt. Nichts sagen, ich dir helfen, du mir hilfst, eh?«

»Warum solltest du mir helfen wollen?«, fragte Kane misstrauisch.

Der Juju-Mann beugte sich noch näher und flüsterte: »Weißer Mann Songas rechte Hand; Songa mehr mächtig als N’Longa. Weißer Mann mächtig Juju! N’Longas weißer Bruder tötet Mann-mit-Augen-wie-Leopard, wird Blutsbruder von N’Longa, N’Longa mehr mächtig als Songa. Palaver fertig.«

Und wie ein Nachtgespenst glitt er so schnell aus der Hütte, dass Kane zweifelte, ob es nicht vielleicht doch nur ein Traum gewesen war.

Außerhalb der Hütte konnte Kane das Flackern von Feuern erkennen. Die Trommeln dröhnten noch immer, doch aus der Nähe verschmolzen und vermischten sich die Töne, und die treibenden und lockenden Vibrationen gingen unter. Alles schien nur ein barbarischer Lärm ohne Sinn und Verstand zu sein, und doch schwangen da Untertöne von Spott und Hohn mit, wild und hämisch. »Lügen«, dachte Kane, noch immer nicht ganz bei Bewusstsein, »Dschungellügen wie Dschungelfrauen, die einen Mann in sein Verhängnis locken.«

Zwei Wächter betraten die Hütte – schwarze Riesen, grässlich bemalt und bewaffnet mit primitiven Speeren. Sie stemmten den Weißen hoch und trugen ihn aus der Hütte. Über einen offenen Platz trugen sie ihn, stellten ihn aufrecht an einen Pfahl und banden ihn dort fest. Um ihn herum – hinter ihm und an den Seiten – lauerte ein weiter Halbkreis von Gesichtern, die im Aufflackern des Feuers grinsten und sogleich verblassten. Und vor ihm ragte eine abscheuliche und obszöne Gestalt auf – ein schwarzes formloses Ding, eine groteske Parodie eines menschlichen Wesens. Schweigend, brütend, blutbefleckt wie die gestaltlose Seele Afrikas, das Grauen: der Schwarze Gott.

Und davor und zu beiden Seiten des Götzenbildes, auf zwei grob geschnitzten Thronen aus Teakholz, saßen zwei Männer. Der zur Rechten war ein Schwarzer, aufgedunsen, plump, eine gigantische, unschöne Masse aus dunklem Fleisch und Muskeln. Kleine Schweinsäuglein blinzelten über Wangen, denen man die Ausschweifungen ansah, riesige schwabbelige Lippen verzogen sich in fleischiger Arroganz.

Der andere …

»Ah, Monsieur, so treffen wir uns wieder.« Der Sprecher war längst nicht mehr der nonchalante Halunke, der Kane damals in der Höhle unter den Bergen verhöhnt hatte. Seine Kleider bestanden nur noch aus Lumpen. Neue Furchen hatten sich in sein Gesicht gegraben. Die Jahre, die inzwischen vergangen waren, hatten ihre Spuren hinterlassen. Und doch funkelte und tanzte in seinen Augen noch die alte Tollkühnheit, und seine Stimme transportierte noch den gleichen spöttischen Unterton.

»Das letzte Mal, als ich diese verfluchte Stimme gehört habe«, sagte Kane ruhig, »befand ich mich in einer Höhle im Dunkeln. Und Ihr seid geflohen wie eine Ratte.«

»Aye, unter anderen Umständen«, antwortete Le Loup unerschütterlich. »Was habt Ihr getan, nachdem Ihr wie ein Elefant im Dunkeln herumgepoltert seid?«

Kane zögerte. »Ich verließ den Berg …«

»Durch den Vordereingang? Ja? Ich hätte wissen müssen, dass Ihr zu dumm seid, die Geheimtür zu finden. Bei den Hufen des Teufels, hättet Ihr gegen die Kiste mit dem goldenen Schloss gedrückt, die dort an der Wand stand, so hätte sich die Tür geöffnet und Euch den Geheimgang offenbart, durch den ich entwichen bin.«

»Ich folgte Eurer Spur bis zum nächsten Hafen, dort nahm ich ein Schiff und fuhr hinter Euch her nach Italien, wo ich erfuhr, dass Ihr das Land bereits verlassen habt.«

»Aye, bei den Heiligen, in Florenz hättet Ihr mich beinahe in die Enge getrieben. Hohoho! Ich kletterte durch das hintere Fenster, während Monsieur Galahad die Vordertür der Schenke einschlug. Und hätte Euer Pferd nicht gelahmt, so hättet Ihr mich auf der Straße nach Rom eingeholt. Und wieder war das Schiff, mit dem ich Spanien verließ, kaum in See gestochen, als Monsieur Galahad an den Anleger geritten kam. Warum habt Ihr mich so besessen verfolgt? Ich begreife es nicht.«

»Weil Ihr ein Schurke seid, den zu töten meine Berufung ist«, antwortete Kane kalt. Im Grunde verstand er es selbst nicht. Sein ganzes Leben lang hatte er die Welt durchwandert, um den Schwachen zu helfen und Unterdrückung zu bekämpfen – warum, wusste er nicht, und er hatte sich diese Frage auch nie gestellt. Es war nun einmal seine Obsession, die treibende Kraft seines Lebens. Grausamkeit und Tyrannei gegenüber Schwächeren erfüllten seine Seele mit wildem, blutigem Zorn, unerbittlich und unstillbar. Wenn die Flamme seines Hasses erst einmal entfacht war, gab es für ihn kein Rasten, bis er in vollem Umfang Vergeltung geübt hatte. Wenn er überhaupt jemals darüber nachdachte, so betrachtete er sich als einen Vollstrecker von Gottes Urteil, ein Gefäß des Zorns, das über den Seelen der Unrechtschaffenen entleert wurde. Im genauen Wortsinn war Solomon Kane eigentlich kein Puritaner, auch wenn er sich selbst als solchen betrachtete.

Le Loup zuckte die Schultern. »Ich könnte es ja verstehen, hätte ich Euch persönlich ein Leid zugefügt. Mon Dieu! Auch ich würde einem Feind um die ganze Welt folgen, doch obwohl ich Euch mit Freuden getötet und ausgeraubt hätte, so wusste ich doch nicht einmal, dass Ihr existiert, bevor Ihr mir den Krieg erklärt habt.«

Kane schwieg, noch immer von seinem Zorn übermannt. Auch wenn er es nicht bewusst erkannte, so war der Wolf für ihn doch mehr als nur ein Feind. Der Bandit symbolisierte für Kane all das, wogegen er sein Leben lang gekämpft hatte: Grausamkeit, Brutalität, Unterdrückung und Tyrannei.

Le Loup unterbrach seine rachsüchtigen Grübeleien. »Was machtet Ihr mit dem Schatz, den anzuhäufen – ihr Götter des Hades! – mich Jahre gekostet hat? Teufel auch, ich hatte nur Zeit, eine Handvoll Münzen und Kinkerlitzchen zu ergreifen, als ich floh.«

»Ich nahm, was ich für die Jagd auf Euch benötigte. Den Rest gab ich den Dörfern zurück, die Ihr ausgeplündert habt.«

»Heilige und Teufel!«, fluchte Le Loup. »Monsieur, Ihr seid der größte Narr, der mir je begegnet ist. Diesen gewaltigen Schatz fortzuwerfen! Beim Satan, wenn ich nur daran denke, dass er jetzt in den Händen dieser widerlichen Bauern ist! Und doch, hoho! Sie werden einander bestehlen und ermorden, um ihn zu bekommen! Das ist nun einmal die menschliche Natur.«

»Ja, verdammt sollt Ihr sein!«, explodierte Kane und bewies damit, dass ihm sein Gewissen keine Ruhe ließ. »Zweifellos werden sie das, diese Narren! Doch was sollte ich tun? Hätte ich ihn gelassen, wo er ist, hätte es den Menschen an Essen und Kleidung gemangelt. Gefunden hätten sie ihn ohnehin, und Diebstahl und Mord wären auf jeden Fall die Folge gewesen. Es ist Eure Schuld, denn wären diese Schätze bei ihren rechtmäßigen Eigentümern verblieben, hätte sich das alles nie ereignen müssen.«

Der Wolf grinste, ohne zu antworten. Da Kane normalerweise nicht zu Kraftausdrücken neigte, waren seine seltenen Flüche doppelt beeindruckend und verblüfften seine Zuhörer jedes Mal, so abgebrüht oder lästerlich sie selbst auch sein mochten.

»Warum seid Ihr vor mir um die ganze Welt geflohen?«, fragte Kane nun. »Ihr fürchtet mich doch in Wirklichkeit nicht.«

»Ihr habt recht. Ich weiß es im Grunde nicht – vielleicht ist Fliehen eine Angewohnheit, mit der man schwerlich bricht. Es ist ein Fehler gewesen, dass ich Euch in jener Nacht in den Bergen nicht tötete. Ich bin sicher, ich könnte Euch in einem fairen Kampf erledigen, und doch habe ich bis jetzt niemals versucht, Euch aufzulauern. Irgendwie war es nie nach meinem Geschmack, Euch zu treffen, Monsieur – eine Laune von mir, eine bloße Laune. Und dann wiederum – mon Dieu! – mag ich vielleicht diese neue Erfahrung genossen haben. Und ich dachte, ich hätte bereits alle Nervenkitzel dieser Welt ausgekostet! Und überhaupt, ein Mann muss entweder der Jäger oder der Gejagte sein. Bis jetzt, Monsieur, war ich meist der Gejagte, doch bin ich dieser Rolle überdrüssig geworden – ich dachte, ich hätte Euch abgeschüttelt.«

»Ein Sklave, der aus dieser Gegend stammt, berichtete einem portugiesischen Kapitän von einem weißen Mann, der von einem spanischen Schiff an Land und in den Dschungel ging. Ich hörte davon und heuerte das Schiff an, bezahlte den Kapitän dafür, mich hierherzubringen.«

»Monsieur, ich bewundere Euch für Eure Hartnäckigkeit, aber Ihr müsst mich auch bewundern! Allein kam ich in dieses Dorf, und allein unter Wilden und Kannibalen gewann ich – mit bruchstückhaften Kenntnissen der Sprache, gelehrt von einem Sklaven auf einem Schiff – das Vertrauen von König Songa und verdrängte diesen Scharlatan N’Longa. Ich bin ein mutigerer Mann als Ihr, Monsieur, denn ich besaß kein Schiff, auf das ich mich zurückziehen konnte, und auf Euch wartet eines vor der Küste.«

»Ich respektiere Euren Mut«, sagte Kane, »aber Ihr strebt eine Herrschaft unter Kannibalen an – und Eure Seele ist die schwärzeste von allen. Ich dagegen habe vor, zu meinem Volk zurückzukehren, nachdem ich Euch getötet habe.«

»Eure Zuversicht fände ich fast bewundernswert, wäre sie nicht so amüsant. Ho, Gulka!«

Ein riesiger Schwarzer stapfte auf den Platz zwischen ihnen. Er war der größte Mann, den Kane je gesehen hatte, und dennoch bewegte er sich mit einer katzenhaften Anmut und Geschmeidigkeit. Seine Arme und Beine glichen Bäumen, und seine mächtigen, straffen Muskeln spannten sich bei jeder Bewegung. Ein affenähnlicher Kopf thronte zwischen gewaltigen Schultern. Seine großen, dunklen Hände schwang er wie die Klauen eines Affen, und unter einer fliehenden Stirn funkelten animalische Augen. Eine platte Nase und wulstige rote Lippen komplettierten das Bild primitiver, kraftstrotzender Wildheit.

»Das ist Gulka, der Gorillatöter«, sagte Le Loup. »Er ist es gewesen, der neben dem Pfad auf der Lauer lag und Euch niedergeschlagen hat. Ihr seid selbst wie ein Wolf, Monsieur Kane, aber seit Euer Schiff in Sicht kam, wurdet Ihr von vielen Augen beobachtet, und selbst wenn Ihr die Fähigkeiten eines Leoparden besäßet, so hättet ihr Gulka weder gesehen noch gehört. Er jagt die schrecklichsten und gerissensten aller Tiere in ihren heimatlichen Wäldern weit im Norden, die Bestien-die-wie-Menschen-gehen – so wie jene dort, die er vor einigen Tagen getötet hat.«

Kanes Blick folgte Le Loups ausgestrecktem Finger und erblickte ein seltsam menschenähnliches Wesen, das am Dachpfosten einer Hütte baumelte. Ein spitzes Ende des Pfostens bohrte sich durch den Körper der Kreatur und hielt sie dort fest. Kane konnte im Schein des Feuers nicht viele Einzelheiten erkennen, aber das hässliche haarige Etwas wies eine bizarre Ähnlichkeit mit einem Menschen auf.

»Ein Gorillaweibchen, das Gulka getötet und ins Dorf gebracht hat«, erläuterte Le Loup.

Der riesige Schwarze stapfte dicht an Kane heran und starrte den Weißen an. Finster erwiderte Kane das Starren, und schließlich senkte der Schwarze mürrisch die Augen und wich schlurfend einige Schritte zurück. Der Blick in den grimmigen Augen des Puritaners hatte die primitiven Schleier in der Seele des Gorillatöters durchdrungen, und zum ersten Mal in seinem Leben verspürte der Riese so etwas wie Furcht. Um das zu überspielen, warf er einen herausfordernden Blick in die Runde. Und dann, mit unerwarteter Animalität, schlug er sich krachend vor die gewaltige Brust, grinste hohl und beugte seine mächtigen Arme. Niemand sagte etwas. Animalische Urgewalten beherrschten die Bühne, und die Höherentwickelten schauten mit gemischten Gefühlen der Amüsiertheit, Duldung oder Abscheu zu.

Gulka spendete Kane einen verstohlenen Blick, um sich zu vergewissern, dass der weiße Mann auch zusah, dann sprang er mit einem plötzlichen bestialischen Schrei vor und zerrte einen Mann aus dem Halbkreis. Das zitternde Opfer schrie um Gnade, doch der Riese packte ihn und schleuderte ihn auf den grob gehauenen Altar vor dem düsteren Götzenbild. Ein Speer blitzte, und die Schreie endeten abrupt. Der Schwarze Gott sah zu, sein grässliches Gesicht schien im flackernden Fackelschein hämisch zu grinsen. Er hatte getrunken; war der Schwarze Gott zufrieden mit dem Dargebrachten – mit dem Opfer?

Gulka stapfte zurück zu Kane und schwenkte den blutigen Speer vor dem Gesicht des Weißen.

Le Loup lachte. Und plötzlich war N’Longa da. Er schien aus dem Nichts gekommen zu sein – auf einmal stand er da, neben dem Pfahl, an den Kane gefesselt war. Ein lebenslanges Studium der Künste der Illusion hatte dem Juju-Mann ein tiefes Wissen um die Geheimnisse des Auftauchens und Verschwindens verschafft – die ja letzten Endes nur darin bestanden, den richtigen Zeitpunkt zu finden, in dem das Publikum am meisten abgelenkt war.

Er winkte Gulka mit einer herrischen Geste beiseite, und der Gorillamann wich folgsam zurück, offenbar um N’Longas Blick zu entgehen – doch dann drehte er sich mit unglaublicher Schnelligkeit um und versetzte dem Juju-Mann mit der flachen Hand einen fürchterlichen Schlag gegen den Kopf. N’Longa ging zu Boden wie ein gefällter Ochse, und sofort wurde er gepackt und an einen Pfahl neben Kane gebunden. Ein unsicheres Murmeln erhob sich unter den umstehenden Schwarzen, doch es verstummte, als König Songa sie wütend anfunkelte.

Le Loup lehnte sich auf seinem Thron zurück und lachte brüllend.

»Euer Weg endet hier, Monsieur Galahad. Der alte Narr glaubte, ich wüsste nichts von seinen Intrigen! Ich versteckte mich vor der Hütte und hörte Eure interessante Unterhaltung mit. Hahahaha! Der Schwarze Gott muss trinken, Monsieur, aber ich konnte Songa überreden, Euch beide zu verbrennen; das wird ein viel größerer Spaß, obwohl wir dabei auf das übliche Festgelage verzichten müssen, fürchte ich. Denn wenn die Feuer zu Euren Füßen erst einmal entzündet sind, kann selbst der Teufel nicht mehr verhindern, dass Eure Kadaver zu verkohlten Knochenhaufen verbrennen.«

Songa stieß einen gebieterischen Ruf aus, und einige Schwarze kamen und brachten Holz, das sie um N’Longas und Kanes Füße herum aufschichteten. Der Juju-Mann hatte das Bewusstsein wiedererlangt und rief nun etwas in seiner Muttersprache. Erneut hob das Gemurmel in der dunklen Menge an. Songa fauchte etwas als Antwort.

Kane betrachtete die ganze Szene aus einer gewissen Distanz heraus. Wieder regten sich tief in seiner Seele vage urzeitliche Abgründe, äonenalte Erinnerungen, verhüllt in den Nebeln verflossener Zeitalter. Hier war er schon einmal gewesen, überlegte Kane; er kannte das alles aus früheren Zeiten – die grellen Flammen, welche die finstere Nacht zurücktrieben, die animalischen Gesichter, die erwartungsvoll grinsten, und den Gott, den Schwarzen Gott, dort in den Schatten! Immer wieder der Schwarze Gott, der in der Dunkelheit brütete. Er hatte die Rufe gekannt, den besessenen Singsang der Anbeter, damals in der grauen Morgendämmerung der Welt, die Sprache der dröhnenden Trommeln, die singenden Priester, den abstoßenden, entflammenden, alles durchdringenden Geruch frisch vergossenen Blutes. All das habe ich gekannt, irgendwo, irgendwann, dachte Kane; jetzt bin ich der Hauptdarsteller …

Ihm wurde bewusst, dass jemand durch das Dröhnen der Trommeln zu ihm sprach – ihm war gar nicht aufgefallen, dass die Trommeln von Neuem zu wummern begonnen hatten. Der Sprecher war N’Longa:

»Ich mächtig Juju-Mann! Pass auf: Ich machen mächtig Zauber. Songa!« Seine Stimme erhob sich zu einem lauten Kreischen, das die wild lärmenden Trommeln übertönte.

Songa grinste über die Worte, die N’Longa ihm entgegenschrie. Der Gesang der Trommeln hatte sich zu einem leisen, düsteren Puls abgeschwächt, und Kane konnte Le Loup deutlich verstehen, als er das Wort ergriff.

»N’Longa sagt, dass er jetzt jene Magie wirken lassen wird, die Tote zum Sprechen bringt. Nie zuvor wurde dieser Zauber in Gegenwart Lebender gewirkt – es ist die namenlose Juju-Magie. Seht genau hin, Monsieur; vielleicht bekommen wir noch mehr Unterhaltung.« Der Wolf lachte unbekümmert und spöttisch.

Ein Schwarzer bückte sich und hielt eine Fackel an das Holz zu Kanes Füßen. Winzige Flammen züngelten empor. Ein anderer beugte sich nieder, um das Gleiche bei N’Longa zu tun, doch dann zögerte er. Der Juju-Mann sackte wie tot in seinen Fesseln zusammen, der Kopf fiel ihm auf die Brust.

Le Loup beugte sich vor und fluchte: »Bei den Hufen des Teufels! Will der Halunke uns etwa um die Freude bringen, ihn in den Flammen brennen zu sehen?«

Der Krieger berührte den Zauberer vorsichtig und sagte etwas in seiner Sprache.

Le Loup lachte. »Er starb vor Angst. Wahrlich ein großer Zauberer, bei allen …«

Seine Stimme verklang. Die Trommeln verstummten, als wären alle Trommler gleichzeitig tot umgefallen. Stille legte sich wie ein Nebel über das Dorf, und in dieser Stille hörte Kane nur das scharfe Knacken der Flammen, deren Hitze er allmählich spürte.

Alle Augen waren auf den Toten auf dem Altar gerichtet, denn die Leiche hatte sich bewegt!

Erst ein Zucken der Hand, dann eine ziellose Bewegung eines Armes, eine Bewegung, die sich allmählich über den ganzen Körper ausbreitete. Unsicher und blind umhertastend wälzte sich der Tote langsam auf die Seite, die schlaffen Beine berührten den Boden. Und dann, wie etwas, das gerade geboren wurde, wie ein furchterregendes Reptil, das die Schale des Nichtseins sprengte, richtete sich die Leiche torkelnd auf und stand auf weit gespreizten Beinen und mit steif angewinkelten Armen, die noch immer sinnlose, infantile Bewegungen ausführten. Es herrschte absolute Stille, nur von irgendwo durchbrach der scharf eingesogene Atem eines Mannes das Schweigen.

Kane konnte nur starren, zum ersten Mal in seinem Leben sprachlos und unfähig zu denken. Für seinen puritanischen Verstand war das die Hand Satans, die sich dort zeigte.

Le Loup hockte auf seinem Thron, die Augen weit aufgerissen, die Hand noch halb zu der abfälligen Geste erhoben, in der ihn der unglaubliche Anblick hatte erstarren lassen. Songa saß neben ihm, Mund und Augen weit offen, die Finger mit merkwürdig zuckenden Bewegungen um die Armlehnen seines Thrones geklammert.

Jetzt stand die Leiche aufrecht. Sie schwankte auf stelzenartigen Beinen, den Oberkörper weit nach hinten gebeugt, bis die blinden Augen direkt in den roten Mond zu starren schienen, der gerade über dem schwarzen Urwald aufging. Die Kreatur taumelte unsicher in einem weiten, unregelmäßigen Halbkreis, die Arme in grotesker Weise ausgestreckt, als ob sie sich damit im Gleichgewicht hielt, dann wandte sie sich den beiden Thronen zu – und dem Schwarzen Gott. Ein brennender Zweig zu Kanes Füßen knackte laut wie ein Kanonenschuss in der Stille. Die Schreckgestalt schob einen schwarzen Fuß vor … machte einen schwankenden Schritt … dann noch einen. Und dann, mit steifen, zuckenden, automatenhaften Schritten, die Beine weit auseinander, ging der Tote auf die beiden zu, die in sprachlosem Entsetzen links und rechts des Schwarzen Gottes saßen.

»Ah-h-h!«, erklang es stöhnend aus dem dunklen Halbkreis der von Furcht gelähmten Schwarzen. Weiter stapfte die grausige Kreatur. Jetzt befand sie sich nur noch drei Schritte vom Thron entfernt, und Le Loup, zum ersten Mal in seinem blutrünstigen Leben mit Angst konfrontiert, kauerte sich auf seinem Sitz zusammen – während Songa mit übermenschlicher Anstrengung die lähmenden Ketten des Entsetzens sprengte, mit einem wilden Schrei, der die Nacht erschütterte, auf die Beine sprang und kreischend und brabbelnd einen Speer hob. Und als das grässliche Monstrum nicht in seiner entsetzlichen Annäherung innehielt, schleuderte er den Speer mit aller Wucht seiner kräftigen schwarzen Muskeln, und die Spitze durchbohrte mit einem Reißen und Brechen von Fleisch und Knochen die Brust des Toten. Doch nicht eine Sekunde verharrte die Kreatur in ihrem Schritt – denn die Toten sterben nicht –, und Songa, der König, streckte ansonsten wie gelähmt die Arme aus, um das Grauen abzuwehren.

Einen Augenblick lang standen sie sich gegenüber, und die flackernden Flammen und das gespenstische Mondlicht prägten die Szene für immer in die Erinnerung der Zuschauer. Die reglos starrenden Augen der Leiche blickten unbeirrt in die entsetzten Augen Songas, in denen sich alle Höllen des Grauens widerspiegelten. Und dann griff die Kreatur mit einer zuckenden Armbewegung nach dem König. Die toten Hände fielen auf Songas Schultern, und sobald sie ihn berührten, schien der König zu schrumpfen und einzutrocknen. Und mit einem Schrei, der für alle Zeiten durch die Träume der Umstehenden spuken sollte, sackte Songa zu Boden, und auch der Tote taumelte und fiel steif mit ihm. Reglos lagen die zwei zu Füßen des Schwarzen Gottes, und Kanes verwirrtem Geist schien es, als hätten sich die großen, unmenschlichen Augen des Götzen mit einem entsetzlichen, lautlosen Lachen auf sie gerichtet.

In dem Augenblick, als der König fiel, stießen die versammelten Schwarzen einen lauten Schrei aus, und mit einer Klarheit, die nur dank seines abgrundtiefen Hasses seine Benommenheit durchdrang, gewahrte Kane, wie Le Loup von seinem Thron sprang und in der Dunkelheit verschwand. Dann blockierte ihm ein Gewimmel schwarzer Gestalten, die auf den Platz vor dem Götzenbild strömten, die Sicht. Füße stießen die lodernden Äste beiseite, deren Hitze Kane verdrängt hatte, und dunkle Hände befreiten ihn. Andere banden den Körper des Zauberers los und legten ihn auf den Boden. Verschwommen begriff Kane, dass die Schwarzen das Ganze für das Werk N’Longas hielten und dass sie die Rache des Zauberers mit ihm in Verbindung brachten. Er bückte sich und legte eine Hand auf die Schulter des Juju-Mannes. Kein Zweifel – er war tot, sein Körper bereits kalt. Er musterte die anderen Leichen. Auch Songa schien tot zu sein, und die Kreatur, die ihn getötet hatte, lag jetzt bewegungslos da.

Kane wollte sich erheben, hielt jedoch inne. Träumte er, oder spürte er wirklich eine plötzliche Wärme in dem toten Fleisch, das er berührte? Verblüfft beugte er sich erneut über den Körper des Zauberers, und tatsächlich fühlte er, wie sich Wärme in den Gliedern ausbreitete und das Blut langsam durch die Adern zu strömen begann.

Und dann öffnete N’Longa die Augen und sah Kane an – mit dem leeren Blick eines Neugeborenen. Schaudernd beobachtete Kane, wie das wissende, reptilienhafte Glitzern zurückkehrte, sah, wie sich die dicken Lippen des Zauberers zu einem breiten Grinsen verzogen. N’Longa setzte sich auf, und die Schwarzen stimmten einen seltsamen Gesang an.

Kane schaute sich um. Die Schwarzen hatten sich alle hingekniet, wiegten ihre Oberkörper vor und zurück, und aus ihren Rufen hörte Kane das Wort »N’Longa!« heraus, immer und immer wiederholt in einer Art respektvollem, ekstatischem Refrain des Entsetzens und der Verehrung. Als der Zauberer aufstand, warfen sich alle auf den Boden.

N’Longa nickte, als wäre er zutiefst zufrieden.

»Großes Juju – ich großer Fetischmann!«, verkündete er Kane. »Du siehst? Mein Geist geht hinaus – tötet Songa –, kommt zurück zu mir! Große Magie! Großer Fetischmann!«

Kane betrachtete den Schwarzen Gott, der in den Schatten lauerte, dann N’Longa, der jetzt die Arme wie in einer Anrufung zum Götzenbild hin ausstreckte.

Ich bin ewig (glaubte Kane den Schwarzen Gott zu hören); ich trinke, wer auch immer regiert; Häuptlinge, Schlächter, Zauberer, sie ziehen vorbei wie die Geister der Toten durch den grauen Dschungel; ich bleibe, ich herrsche, ich bin die Seele des Dschungels (sagte der Schwarze Gott).

Abrupt riss Kane sich aus den Nebeln der Illusion, in denen er umhergewandert war. »Der weiße Mann! Wohin ist er geflohen?«

N’Longa rief etwas. Ein Dutzend schwarze Hände wiesen ihm die Richtung. Von irgendwoher wurde Kane sein Rapier gereicht. Die Nebel verblassten und verschwanden; jetzt war er wieder der Rächer, die Geißel der Unlauteren. Mit der explosiven Schnelligkeit des Tigers griff er nach seinem Degen und verschwand.

5

Das Ende eines blutigen Weges