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Rabea Honerbom

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Beschreibung

Wer sagt eigentlich, dass es die Liebe auf den ersten Blick nicht gibt? Nun ja, Katie wäre sicherlich eine der ersten gewesen, die genau das behaupten würde… Bis sie sich passend zu den Sommerferien beim Dragonboat-Training anmeldet und dort auf Luke trifft. Neben dem frühen Aufstehen, dem Pitschnass-werden und den nervigen Kommentaren ihres heißen Trainers, bahnt sich zwischen Luke und Katie etwas an, womit sie niemals gerechnet hätten. Aber natürlich bringt auch die Liebe auf den ersten Blick ihre ganz eigenen Tücken und Probleme mit sich...

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Danke…

Something new

Rabea Honerbom

Don’t get too close

It’s dark inside

It’s where my demons hide

-imagine dragons

Kapitel 1

Etwas Neues ausprobieren.

Die Worte meines Vaters hallen erneut durch meinen Kopf, als ich die OFI betrete. Organisation für Freizeitinteressen. Eigentlich eine nette Idee, Leuten in unserem kleinen Küstenstädtchen die Möglichkeit zu geben, mal etwas Spannendes zu machen.

Immer Zuhause rumzuhocken ist doch kein erfüllendes Teenagerleben.

Dad hat es nur gut gemeint, das weiß ich ja, aber verletzend war es schon. Vor allem, wenn es das Erste ist, was an einem Samstagmorgen zu einem gesagt wird. Wir saßen an unserem viel zu großen Esstisch und zwischen uns stand ein Teller mit viel zu vielen Blaubeerpfannkuchen, die ich zum Frühstück zubereitet hatte. Das ist Tradition, weil Dad freitags immer spät nach Hause kommt und dann erstmal ausschläft. So habe ich genügend Zeit, um den Teig und die Pfannkuchen zu machen. Ich weiß auch nicht, wieso er die wichtigen Meetings immer auf den Freitag legt. Ich meine, was ist mit den ganzen Familienvätern und -müttern, die gerne Freitagabend Zuhause sein wollen?

Nicht, dass mein Vater kein Familienvater wäre, aber mich und meinen kleinen Bruder stört es nicht zu sehr, wenn wir abends den Fernseher für uns haben. Zudem hätte es sonst die Blaubeerpfannkuchentradition nie gegeben und das wäre echt ein Jammer.

Jedenfalls fragte Dad mich, ob ich dieses Wochenende ausgehen würde. Beziehungsweise war sein genauer Wortlaut: „Du solltest wirklich mal wieder ausgehen.“ und erst als er meine hochgezogenen Augenbrauen sah, fügte er ein „Meinst du nicht aus?“ hinzu. Es ist nicht so, dass ich Partys meide, weil ich keinen Alkohol trinke oder Tanzen hasse. Im Gegenteil: Ich vertrage erstaunlicherweise ziemlich viel. Mit den richtigen Leuten tanze ich auch gern hin und wieder, aber sagen wir es mal so: Diese richtigen Leute sind schwer zu finden. Würde ich tatsächlich heute zu einer dieser Partys gehen, würde ich am Ende nur einem Typen die Nase brechen, weil er mich irgendwo angefasst hat, wo ich von ihm nicht angefasst werden will- und darauf hat niemand Lust. Da bin ich mir sicher.

Nun ja, heute Morgen gab es auf meine mehr oder weniger patzige Antwort eine Diskussion. Das Problem mit Diskussionen in unserem Haus ist, dass Dad unglaublich stur ist und er diese Sturheit an mich weitergeben hat. Bei ihm ist sie allerdings sehr viel fester verankert, während ich durch seine Sturheit früh gelernt habe Kompromisse zu machen. Ich konnte ihn schließlich davon überzeugen, dass es eigentlich nicht in seinem Interesse sein sollte, dass ich auf wilde Partys gehe und mich betrinke. Der Gedanke sich komplett geschlagen zu geben, schien ihm dann aber doch zu blöd zu sein. So kam es, dass er mich herausforderte, etwas Neues und Aufregendes zu testen und es nicht wie immer direkt wieder hinzuschmeißen. Ich meinte darauf: „Das tue ich überhaupt nicht.“

„Tust du doch“, schaltete sich mein kleiner Bruder ein und erntete einen geschockten Blick von mir und ein glückliches Nicken von Dad.

Tja, so kam es, dass wir eine Wette abschlossen: Sollte ich es schaffen etwas Neues und Aufregendes auszuprobieren und es mindestens sechs Monate durchzuhalten, wird Dad meinen Ferientrip (eine Woche im Paradise Hotel mit einer Person meiner Wahl, die hundert pro nicht Dad ist) finanzieren. Rückblickend ist es schon unfair, dass ich so viel in diese Wette investieren muss, während Dad quasi nichts leisten muss- aber hey, top die Wette gilt.

Jetzt stehe ich an der Rezeption unserer OFI und blättere durch das Kursangebot. Japanisch für Anfänger, Gartenarbeit, Bastelstunde…klingt ja alles extrem spannend. Von der ersten Seite ist Japanisch noch mein Favorit. Alles andere kann mir getrost erspart bleiben. Auch, wenn mir dann der Wetteinsatz flöten gehen würde.

Die zweite Seite sieht schon besser aus. Leider fällt der Kurs Cupcakes für jede Gelegenheit weg. Ich backe ohnehin mehrmals pro Woche und diesen Kurs würde Dad vermutlich nicht gelten lassen. Auch Kochen für Anfänger fliegt raus. Zumba ist leider nur ein Zehn-Wochen-Kurs und das wäre zu kurz. Außerdem müsste ich dafür erst einmal an meinem Hüftschwung arbeiten, damit es keine Vollblamage wird.

In meinem Kopf versuche ich eine pro und contra Liste für Ich erstelle meine eigene Webseite und Yoga anzufertigen, als ich angesprochen werde. Und zwar so plötzlich, dass ich erst nach ein paar Sekunden bemerke, dass ich gemeint bin: „Versuch’s mit Kanufahren.“

Ich sehe auf. Ein Typ, der nur ein paar Jahre älter als ich zu sein scheint, kommt auf mich zu. Er trägt weiße Shorts und ein hellblaues T-Shirt. Es liegt so eng an, dass seine Muskeln sehr gut zum Vorschein kommen. Dabei sieht er nicht aus wie jemand, den ich als Kante bezeichnen würde, sondern eher athletisch. Oder, um ein anderes Wort zu benutzen: Er sieht schon ziemlich gut aus. Dazu hat er diese typische blonde Surfer-Frisur. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber diese Frisur sitzt eben immer. Egal, aus welcher Richtung der Wind kommt. Er setzt ein geübtes Sonnyboy-Grinsen auf. Und da ist meine Begeisterung für ihn auch schon hin.

„Entschuldigung?“, sage ich und sehe ihn prüfend an.

„Ich bin Mike. Ich leite ein paar Kurse hier!“, sagt er als er bei mir angekommen ist und hält mir die Hand hin. Langsam schüttle ich sie. Gibt man sich in unserem Alter die Hand? Vielleicht ist er älter als er aussieht oder bei ihm geht so etwas Benjamin-Button-mäßiges ab und, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, ist er Zehn Jahre jünger. Ich schüttle von mir selbst genervt leicht den Kopf.

„Du suchst doch bestimmt nach was Coolem für den Sommer, oder Sweety?“ Er grinst immer noch und zwinkert. Sein Kurs muss sehr leer sein, wenn er mit mir flirtet, um mich rumzukriegen.

„Ja…“, sage ich gedehnt und falte die Broschüre zusammen.

„Nun ja, ich bin ein Trainer für die Wassersportarten. Fürs Dragonboat und Kanufahren fehlen mir noch Leute.“

Ich wende die Broschüre und suche sein Angebot. „Die sind ja nur zehn Mal, das ist leider zu kurz.“

Mike nimmt mir schnell das Heft ab und blättert darin herum. Sein Kurs muss wirklich sehr sehr leer sein.

„Warte, warte. Jedes Mal, wenn einer vorbei ist fängt auch ein neuer wieder an. Diese Sachen bieten wir sozusagen permanent an. Du kannst auch dann zu den Fortgeschrittenen, wenn du dich sicher fühlst.“ Enthusiastisch zeigt er es mir schwarz auf weiß. Ich bin noch nicht überzeugt.

„Außerdem nehmen wir dich, wenn du einen Anfänger- und einen Fortgeschrittenenkurs belegt und Potenzial hast, in unser Dragonboatteam auf.“

„Hör zu.“, beginne ich. „Ich muss echt was finden, was mir Spaß macht und ich war bis jetzt nur Tretboot fahren, also…“

Mike legt den Kopf schief. Ganz objektiv betrachtet sieht er so aus, wie jemand, der jedes Mutterherz zum Schmelzen bringt. Weiße Zähne, schönes Lächeln, strahlende Augen und weiches, leicht strubbeliges Haar.

Ich wundere mich, wieso ich nicht hin und weg bin, dass er mit mir redet. Vermutlich, weil ich weiß, dass er jedes Mädchen anquatschen würde, damit sie in seinen Kurs kommt- oder einfach nur so.

„Na ja Sweety, sagen wir es mal so: Dir bietet sich hier eine einmalige Chance, der ganzen Welt zu beweisen, was für eine Kraft du in dir verbirgst und noch dazu gibt’s jeden Freitag eine Beachparty für Mitglieder der Wassersportarten… Außerdem werde ich dein Trainer sein und glaub mir: Alle anderen Jungs beim Training sehen genauso gut aus wie ich.“ Er grinst. Er scheint diese Rolle wirklich zu lieben. Ich glaube er weiß genau, wie dämlich es ist, sich so selbstverliebt zu geben, aber er weiß auch, dass sein Charme viele Mädchen um den Finger wickelt. Ich will mal nicht so sein und spiele mit. Ich lege den Kopf schief und beiße mir auf die Lippe. Dann schiele ich mit einem gekünstelt nachdenklichen Blick auf die Broschüre und dann zu ihm.

„Nun ja…“, sage ich betont langsam und beobachte, wie er sich siegessicher aufrichtet. Dann runzle ich die Stirn, lasse meinen Blick kalt werden und schaue ich ihn gerade an.

„Du bist zwar gar nicht mein Typ und eigentlich hasse ich Wasser, aber dieses Dragonboat ist der teuerste Kurs hier und mein Vater zahlt für den Kurs.“, sage ich und genieße für einen kurzen Moment den Blick der Verunsicherung auf Mikes Gesicht. Dann erkennt er, dass er trotzdem gewonnen hat.

„Etwas mehr Begeisterung hätte ich schon erwartet, aber gut. Willkommen im Team.“, er grinst zwar wieder, aber dieses Mal habe ich das Gefühl, es ist echt. Als ob er verstanden hat, dass er diese flirty Surver-Boy Fassade bei mir nicht aufzubauchen braucht.

„Okay. Wann soll ich wo zum Training sein?“ Ich merke, dass ich eventuell zu ignorant klinge, denn für einen kurzen Moment sieht Mike beleidigt aus. Er setzt dann aber schnell wieder sein Sonnyboy-Grinsen auf, was mich auch kurz zum Lachen bringt.

„Sonntag, halb neun, am Bootssteg 5, und nur damit du es weißt: Du bist auch nicht mein Typ, Sweety.“

Ich muss grinsen und er sieht zufrieden aus. Zu allem Überfluss zwinkert er mir noch einmal zu, ehe er sich umdreht und geht. Er ist schon ein paar Meter entfernt, als mir bewusst wird, was er eben gesagt hat.

„He?“, rufe ich noch schnell. „War das ein Scherz oder hast du echt Sonntag und halb neun gesagt?“

Mike dreht sich nicht um und hält einem anderen Typen die Tür auf.

„Sweety glaub mir“, ruft er mich über die Schulter zu. „Sonntag um halb neun wirst du wacher sein, als du denkst.“ Damit verlässt er mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht das Gebäude.

Frustriert fahre ich mir mit der Hand durch meine hellblonden Haare. Dann streiche ich mir meinen fransigen Pony aus den Augen und drehe mich zu der Frau an der Rezeption, die mich entzückt ansieht. Sie ist bestimmt schon um die sechzig und trägt eine rote Brille, die ihre Augen ungewöhnlich groß erscheinen lässt. Um die Brille herum lassen sich Falten erkennen, die sich verstärken als sich mich anlächelt.

„Ich werde dir ein Anmelde-Formular ausdrucken.“, sagt sie und tippt etwas in ihren Computer ein.

„Sonntag um halb neun?“, höre ich hinter mir jemanden sagen. Ich drehe mich um und sehe den Jungen, dem Mike die Tür aufgehalten hat. Ich hatte völlig vergessen, dass er da ist. Mir fallen direkt seine dunklen Haare auf. Er hat keine genau definierbare Frisur, aber die Farbe erinnert mich an die von Kastanien und seine Augen scheinen die exakt selbe Farbe zu haben. Schnell wende ich meinen Blick ab und seufze.

„Ja ich habe kein Ahnung, wie ich von Yoga zum Dragonboatkurs gekommen bin…“

Die Augen des Jungen fangen an zu leuchten und mir fährt ein kleiner Schauer über den Rücken, als er mich so fasziniert anschaut.

„Also, wenn das so ist, hätte ich gerne auch eine Anmeldung dafür.“, sagt er an die Frau hinter mir gerichtet.

Überrascht sehe ich ihn an. Er zieht einen Mundwinkel hoch und zuckt mit den Schultern. Es stört mich, dass ich ihn nicht deuten kann.

„Geteiltes Leid ist halbes Leid und ich wollte eh mal irgendwas Neues ausprobieren.“, sagt er nur. Ob er mit seinem Vater auch eine Wette am Laufen hat?

Er steckt seine Hände in die Hosentaschen und meint: „Wenn ich dann auch noch so einen Oberkörper, wie Blondie bekomme, habe ich kein Problem mit der Uhrzeit.“

Ich lache und verschränke die Arme. Gerade als ich die passende Antwort gefunden habe („Genau aus dem Grund habe ich mich auch überreden lassen: Es gibt doch nichts besseres, als einen großen Bizeps!“) fällt mein Blick auf die Uhr an der Wand. Schon halb drei. Mein Bruder muss um drei bei einem Kindergeburtstag sein und ich muss ihn hinfahren. Ich fluche und wende mich schnell der Dame am Empfang zu. „Es tut mir leid, ich will Sie wirklich nicht stressen, aber ich muss jetzt los. Kann ich das Formular morgen beim Training noch abgeben?“ Sie schaut hoch und sagt freundlich: „Natürlich. Hier hast du deins und auch das für deinen Freund.“ Sie reicht mir zwei Bögen Papier und ich gebe dem anderen Typen seins. Er sieht verdutzt und ein wenig belustigt aus.

„Sorry, aber ich hab’s echt eilig.“, rufe ich noch über meine Schulter, als ich nach draußen jogge.

Eliot sitzt neben mir im Auto. Er hat einen Partyhut auf und wendet das Geschenk in seinen Händen. Er hat es selbst verpackt und dabei bestimmt zwei Rollen Klebeband verwendet. Ich habe vergessen, was genau er seinem Freund schenkt, aber ich frage nicht nach.

„Es sieht furchtbar aus, oder?“, fragt er plötzlich. Er ist neun und ein echt selbstkritisches Kind. Seitdem Mom weg ist denkt er immer er hätte einen Fehler gemacht, wenn irgendwas nicht nach Plan läuft. Ich gebe mein Bestes ihn zu überzeugen, dass es nicht immer seine Schuld ist, wenn wir zu spät kommen oder Dad mal einen schlechten Tag hat. Er ist eigentlich ein sehr lockerer Vater, aber er hat einen kleinen Sauberkeitstick und der bringt ihn manchmal etwas aus der Kontrolle. Moms Abwesenheit hat ihn leider noch empfindlicher gemacht und ich glaube, auch bei Eliot hat ihr Verschwinden Spuren hinterlassen. Ich möchte ihm gerne zeigen, dass das Leben doch nur aufregend ist, wenn es ab und zu aus dem Ruder läuft. Wenn immer alles nach Plan laufen würde, was wären wir dann für eine langweilige Welt. Einmal habe ich Muffins gebacken und sie zu lange im Ofen gelassen. Dad war sauer, weil das Haus so verbrannt gerochen hat und Eliot war drauf und dran mit einem Lappen die Küche zu putzen. Nicht, dass das den Gestank vertrieben hätte, aber er ist ein Kind- also tat er das von dem er dachte, wäre richtig. Als ich das sah nahm ich ihm den Lappen ab und bis in einen der verbrannten Muffins hinein. Eliot sah erst geschockt aus, aber als er mein Gesicht sah, fing er an zu lachen. Die Muffins schmeckten fürchterlich bitter, aber ich sagte Eliot wir werden verschiedene Schokoladen schmelzen versuchten herauszufinden, mit welcher die Muffins genießbar waren. Als ich Eliot so experimentierfreudig und lachend sah, fand ich es schon beinahe gut, dass die Muffins verbrannt waren.

„Ach, Peanut“, sage ich sanft und blicke kurz auf das Geschenk. Ja, es ist furchtbar eingepackt, aber mal ehrlich: Welcher Neunjährige kann schon ein Geschenk einpacken? Selbst ich mit meinen 18 Jahren bin eine der schlechtesten Geschenkeeinpackerinnen, die man auf diesem und jedem anderen Planeten finden kann.

„Es kommt doch eh nur auf das an, was drin ist. Wenn man jemandem ein Pony schenkt, macht man sich noch nicht mal die Mühe es einzupacken. Da ist dieser Spannungseffekt total weg! Stell dir mal vor, wie gespannt Steve die ganze Zeit sein wird, bis er dein Geschenk mal endlich von dem Haufen Klebeband befreit hat!“ Vielleicht sage ich das etwas zu enthusiastisch, aber es scheint zu wirken.

„Da ist was dran.“, meint Eliot. „Und er heißt Steward.“ Ich beiße mir auf die Unterlippe. Natürlich heißt er Steward.

Als wir bei unserem Ziel angekommen sind dreht Eliot sich zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Seine hellbraunen Locken schwingen dabei mit und ich mache mir eine Notiz im Kopf, mal wieder beim Friseur anzurufen. „Bis später, Peanut. Ich sage Dad, er soll dich um Sieben abholen.“ Eliot steigt aus und nickt zustimmend. Dann rennt er grinsend auf die Haustür zu, an der bunte Ballons hängen. Wir sind gerade mal eine Viertelstunde zu spät. Das ist ein echter Fortschritt verglichen zu unseren standard dreißig Minuten. Ich schreibe Dad eine Nachricht, dass er Eliot bloß nicht vergessen soll, manövriere meinen alten Pick-up zurück auf die Hauptstraße und mache mich auf dem Weg zu Bella.

Bella ist meine beste Freundin, seit ich überhaupt denken kann. Sie hat mit mir das ganze Theater mit Mom durchgestanden, den ersten Liebeskummer ertragen und mich bei so ziemlich jeder Geschichts-Klausur abschreiben lassen. Sie wohnt ein paar Blocks weiter in einem kleinen Haus mit einem großen Garten. Einem riesigen Garten. Bellas Eltern sind etwas anders als normale Leute. Deshalb mag ich sie so gern. Normale Leute sind oft schwer zu ertragen. Besonders, wenn sie Menschen, die anders sind als sie, nicht akzeptieren. Da soll man sich einzigartig fühlen in einer Gesellschaft, die nach Gleichheit strebt. Bellas Eltern streben nicht nach Gleichheit, sondern nach Nachhaltigkeit. Sie wollen sich möglichst selbst versorgen und in ihrem Garten wächst alles, wirklich alles. Auberginen, Tomaten, Äpfel, Beeren und sogar Wassermelonen. Sie versuchen, die Ressourcen unserer Erde so zu nutzen, dass sie nicht überlastet wird. Bellas Eltern haben meinen vollen Respekt. Insgeheim mag ich ihren Lebensstil aber auch, weil sie nicht so auf die Gesellschaft angewiesen sind, die einem das Leben ab und zu zur Hölle macht.

Eigentlich fahre ich nicht gerne mit meinem Auto zu ihrem Haus. Umweltverschmutzung ist bei Bella Zuhause nämlich auch ein riesen Thema. Wenn ich dann diese kurze Strecke mit meinem Pick-up fahre, bekomme ich schon ein schlechtes Gewissen.

Ich fahre auf die Einfahrt zu ihrem Haus und sie steht gerade am Eingangstürchen und wässert ein paar Blumen. Ihr Longbob schimmert bernsteinfarbend in der Sonne und mache heimlich ein Foto von ihr, um es ihr zu senden. Ich beobachte, wie sie ihr Handy aus der Hosentasche zieht und grinsend auf den Bildschirm schaut. Sie hebt die Hand zeigt mir den Stinkefinger, während sie mich angrinst. Manchmal denken die Leute, Eliot sei ihr Bruder und nicht meiner. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Die beiden haben ähnlich weiche Gesichtszüge und große Kulleraugen. Bellas Kulleraugen stecken nur hinter einer Brille, die sich gerade nach oben auf den Kopf setzt, als ich zu ihr in den Vorgarten stoße. Dann gibt sie mir einen Drücker und stellt die Gießkanne auf dem Rasen ab.

„Na, was treibt dich den hier her?“, fragt sie und putzt sich die Hände an ihrer Jeans ab.

„Alle anderen von meinen Freunden hatten keine Zeit.“, ziehe ich sie auf.

„Oh, wie rührend! Ich bin deine letzte Wahl?“

Ich muss lachen und lasse mich aufs Gras fallen. „Wie läuft es mit Noah?“, frage ich.

„Beschissen.“, antwortet Bella und lässt sich neben fallen. Beschissen bedeutet in diesem Fall, dass alles in Ordnung ist. Bella ist schon seit drei Jahren glücklich vergeben und irgendwann hat sie angefangen immer ein anderes Adjektiv zu benutzte, wenn ich sie gefragt habe, wie es so läuft. Noah Franklin ist der Kapitän der Footballmannschaft. Wer hätte gedacht, dass er so ein netter Kerl ist und ich ihn auch in mein Herz schließe. Noah, Bella und ich sind ein fantastisches Trio, aber ab und zu frage ich mich, wie es wäre, wenn ich auch so jemanden wie Noah hätte. Nicht, dass Noah noch nie versucht hat, mir Typen aus seiner Mannschaft aufzuschwatzen, aber bis jetzt war eben noch nie der Richtige dabei. Ich habe mich mit einem von ihnen sogar über einen längeren Zeitraum getroffen. Er hieß Tom und trug seine Haare etwas länger, um sich einen Männerdutt zu machen. Generell legte er viel Wert auf sein Äußeres. Viel zu viel. Wir hatten ein paar Dates, die mir auch gut gefielen. Ich hatte sogar Lust auszugehen und ging das ein oder andere Mal extra vorher mit Bella einkaufen, damit ich ihn mit etwas Neuem überraschen konnte. Niemals hätte ich sowas von mir gedacht. Ich sehe natürlich nicht aus, wie ein Bauerntrampel, aber ich glaube nicht, dass sich jemals ein Junge so zu mir umdrehen wird, wie sie es alle bei Bella tun. Tom hingehen schien mich zu mögen. Er machte mir oft Komplimente und ganz ehrlich…es gefiel mir. Allerdings war er wohl zu mehr nicht fähig. Optisch schienen wir ein schickes Paar zu machen, aber irgendwie habe ich mich nie wirklich akzeptiert gefühlt als die, die ich im Inneren bin. In seiner Nähe hatte ich das Gefühl, ich müsste perfekt aussehen und einfach bei allem nicken und süß Lachen. Am Strand machte ich einmal den Versuch, ihn dazu zu bringen, spontan mit Anziehsachen schwimmen zu gehen. In Shorts und T-Shirt ist es einfach ungeheuer lustig und wenn man nah am Strand blieb, war es auch nicht gefährlich. Er meinte allerdings, er habe das Shirt neu und wolle nicht riskieren, es so dreckig werden zu lassen. Da wusste ich, dass er nicht der Richtige war. Er war nicht witzig, machte keine ironischen Bemerkungen und war einfach nicht spontan. Seit ihm hatte ich keinen Freund beziehungsweise Dates mehr. Wie meine Großmutter zu sagen pflegt: „Warum man nicht nur auf das Äußere eines Menschen schauen sollte, mein Kind? Weil auch Salz aussieht wie Zucker.“

Seufzend lasse ich mich auf eine Holzbank vor Bellas Gartenhütte fallen. Vor mir erstreckt sich ein Gewirr aus Grünzeug, das anscheinend nach irgendeinem System geordnet ist. Ich bin bis heute nicht dahintergekommen, ob es tatsächlich ein geplantes Labyrinth ist, oder einfach alles aus dem Ruder gelaufen ist. Bellas Eltern scheinen sich jedenfalls bestens in dem Gewirr auszukennen. Ich bekomme ein Glas Apfelsaft in die Hand gedrückt und es ist so schön kühl und erfrischend, dass ich es fast komplett in einem Zug austrinke. Bella hat ihre Jeans gegen ein luftiges weißes Kleid eingetauscht, in dem sie noch brauner aussieht als sonst. Sie sieht mich belustigt an.

„War dein Tag so hart? Es ist Samstag!“ Ich rolle mit den Augen.

„Ich habe mich heute für den Dragonboatkurs bei der OFI angemeldet. Morgen früh um halb neun beginnt die Qual.“ Bella ist sichtlich geschockt. Sie stellt ihr Glas auf dem Tisch ab und verschränkt die Arme.

„Lass die Hintergrundgeschichte hören.“

Sie weiß genau, dass ich so etwas nie ohne Hintergedanken machen würde. Also erzähle ich ihr von der Wette und meinem netten Gespräch mit Mike, dem Sunnyboy. Sichtlich beeindruckt und der festen Überzeugung, dass ich die Wette gewinnen werde, meint sie: „Im Ernst Katie, für eine Woche im Paradise Hotel würde ich ein halbes Jahr dein Auto waschen! Die haben da Massagen mit heißen Steinen, man kann Jet-Ski fahren, in die Sauna gehen, Tauchkurse besuchen, Yoga, Wasserpark und nicht zu vergessen: Jeden Abend Cocktails!“ Bella fährt sich aufgeregt mit den Händen über das Gesicht.

„ICH werde persönlich dafür sorgen, dass du das durchziehst.“

Ich muss lachen. Wenn ich hier nicht die perfekte Kandidatin gefunden habe, die ich mit in das Hotel nehmen kann. Ich will ihr allerdings noch nichts versprechen, denn bis jetzt bin ich von mir noch nicht so wirklich überzeugt.

„Okay, okay, Bella ich versuch es ja! Hilf mir lieber dabei, was ich morgen anziehen soll!“

Wir reden noch Stunden über Outfits, Sommerferien, Noah, meinen Dad und allem, was uns sonst noch in den Sinn kommt. Als ich später nach Hause fahre, ist es schon dunkel geworden und Eliot schläft tief und fest, als ich in seinem Zimmer nach dem Rechten sehe. Seinen Kuscheltierhund hält er fest umklammert. Er liebt dieses Tier abgöttisch und wird es wohl noch besitzen, wenn er dreißig ist. Als auch ich bettfertig bin, stelle mir widerwillig einen Wecker für den nächsten Morgen.

Kapitel 2

Pünktlich um sieben werde ich aus meinen Träumen gerissen. Schwerfällig rolle ich mich auf die Seite und taste im Dunkeln nach dem lärmenden Gerät. Ich schalte es mit einem gezielten Schlag aus und setze mich auf. Obwohl er noch nicht einmal angefangen hat, finde ich den neuen Kurs jetzt schon ätzend. Ich stehe auf und versuche, mich durch irgendwelche willkürlichen Dehnübungen wach zu kriegen. Nach ein paar Minuten gebe ich auf und gehe in die Küche. Durch die Fenster scheint bereits die Sonne hinein und ich setze mich mit einem Kaffee auf die Fensterbank. Diese Kaffeemaschine war das beste Weihnachtsgeschenk, was ich je bekommen habe! Ich schaue in unseren kleinen Garten. Hier wächst absolut nichts, was man auch nur ansatzweise essen könnte, und Bellas Eltern wären sichtlich enttäuscht würden sie ihn sehen. Das Gras ist bestimmt schon wieder zwanzig Centimeter hoch und allerhand Blumen und Unkraut haben ihren Weg in unseren Garten gefunden. Ich bin der festen Überzeugung, dass er ein Insektenparadies ist und man muss diesen kleinen Tieren einen sicheren Ort zum Leben geben. Außerdem ist es eine super Ausrede, um nicht den Rasen zu mähen. Vielleicht kaufe ich bald mit Eliot einen Imkerkasten. Dann könnten wir in den Ferien selbst Honig herstellen! Allerdings fangen die Ferien in einer Woche an und bis dahin würden wir sicher mehr Bienen brauchen als es in unserer gesamten Stadt gibt. Wir wohnen in einem kleinen Küstenstädtchen, wo jeder jeden schon einmal gesehen hat und die Mehrzahl der Männer Fischer oder Surflehrer ist. Wir haben gerade mal eine eigene Grundschule und diverse Läden, von denen die meisten nur für Touristen interessant sind. Wir besitzen selbst auch eine kleine Ferienwohnung, die wir an Touristen vermieten. Sie befindet sich direkt am Strand und ist meist d über den gesamten Sommer ausgebucht. Die nächste größere Stadt ist zehn Minuten mit dem Auto entfernt. Dort befindet sich meine Schule und die Firma meines Dads. Nur noch eine Woche und ich muss erstmal nicht mehr in diesen stickigen Bus! Zufrieden leere ich meinen Kaffee und nehme mir eine reife Banane, Haferflocken, gefrorene Beeren, Erdnussbutter und mache mir einen Smoothie. Nachdem ich mich umgezogen habe, flechte ich mir einen lockeren Seitenzopf und mache mich leise auf dem Weg nach draußen. Bis zum Strand sind es zwanzig Minuten Fußmarsch. Es sind noch nicht so viele Menschen auf und ich begegne nur ein paar Fischern und Postboten. Die Luft ist noch frisch und riecht salzig. Schon bald kann ich die Wellen hören und ich muss automatisch lächeln. Dass ich das Wasser nicht mag, war eine Lüge. Ich liebe es, so nah am Meer zu wohnen und gerade, wenn noch nicht so viele Menschen den Strand besetzen, ist es wunderschön schwimmen zu gehen. Mittlerweile konnte ich auch Eliot dafür begeistern. Er ist schon so gut im Schwimmen, dass ich vermute, er wird später Rettungsschwimmer. Oder Surflehrer.

Kurz bevor der Strand beginnt, biege ich links in einen schmalen Pfad ein, der zu den Bootstegen führt. Der Fünfte ist allerdings nicht am offenen Meer, sondern in einer Art Bucht. Sie ist lang und die Wellen dringen nur kaum zu ihr vor. Ich habe oft das Dragonboatteam hier trainieren sehen. Zugegeben, ich glaube nicht, dass ich stark genug für diesen Sport bin. Ich würde mich nicht als schwach bezeichnen, weil ich durch meinen Nebenjob bei einem Fischer sichtbar stärkere Arme bekommen habe. Dennoch ist Fischernetze hochziehen und Kisten schleppen kein guter Vergleich zum Rudern… Ich gehe an den ersten vier Stegen vorbei und sehe Mike und ein paar andere Jungs an der Ecke zur Bucht. Als er mich sieht, kommt er mir entgegen. Dieses Mal sieht sein Lächeln tatsächlich herzlich aus und er umarmt mich sogar flüchtig.

„Äh hi?“, sage ich unsicher.

„Na Sonnenschein. Bereit?“, fragt er munter. Lachend schüttle ich den Kopf und wir gehen weiter zu den anderen Jungs. Es ist eine relativ große Gruppe. Um die zwanzig Leute. Ich erkenne ein Mädchen aus meinem Französischkurs. Loreen oder Lisa.

Es wundert mich nicht, sie hier zu treffen. Sie erzählt immer von all den verschiedenen Sportarten, die sie ausprobiert. Ich lächle sie an und sie lächelt zurück. Die anderen Jungs wirken tatsächlich alle so muskulös wie Mike gesagt hat. Den Jungen von gestern sehe ich allerdings nicht. Vielleicht hat er es sich doch anders überlegt. Ich würde es ihm nicht übelnehmen.

„He Kleine, musst du nicht dahin?“, fragt mich ein Typ. Er hat mindestens zwei Tuben Gel in den Haaren und ist der Unsportlichste von Allen. Zumindest optisch. Er deutet auf eine Gruppe kleiner Mädchen, die alle etwas Schimmerndes über dem Arm gelegt haben. Ich mache einen Schritt auf die Gruppe zu, um zu erkennen, was es ist. „Meerjungfrauenschwimmkurs.“, klärt der schmierige Typ mich auf und lacht glucksend. Meerjungfrauenschwimmkurs? Soll das ein Witz sein?

„Wir werden ja sehen, wen die Rettungsschwimmer nachher aus dem Meer fischen müssen. Obwohl… so hohle Sachen, wie du von dir gibst, schwimmst du bestimmt immer an der Oberfläche, was?“

Ich lege grinsend den Kopf schief und genieße seinen beeindruckten Blick. Die Jungs um mich herum kriegen sich nicht mehr ein. „Oho Booty, das wird aber ein lustiger Kurs!“, sagt einer.

Ich stutze etwas über den Namen. Irgendwo in den hintersten Ecken meines Gedächtnisses rumpelt es und beim genaueren Betrachten kommt mir der Kerl immer bekannter vor. Er scheint meinen verwirrten Blick zu bemerken. „Meiner Mom gehört der Unterwäschenladen hier in der Stadt.“, meint er seufzend. „Mike hatte den lustigen Einfall mich nach der Unterhosen-Kollektion zu benennen.“

Stimmt, ich hatte von dieser genialen Idee gehört, aber ich hatte keinen Schimmer, dass sie von Mike stammte. Ich wende mich lachend zu ihm und er scheint sehr stolz darauf zu sein und streckt die Brust raus. Plötzlich spüre ich, wie sich etwas um meine Hüften legt. Ich wirble herum und blicke auf ein kleines Mädchen herab. Sie muss von dem Meerjungfrauenkurs sein. Sie hat einen braunen Zopf und sieht mich mit großen, schokobraunen Augen an.

„DU bist meine Lieblingsmeerjungfrau! Warst du schon immer, Rikki!“, sagt sie und quetscht mit ihren dünnen Armen meine Hüften.

„Äh…“, bringe ich nur hervor. „Merkwürdiges Kompliment, aber danke?“

Das Mädchen sagt aufgeregt: „Ich lerne heute auch so zu schwimmen wie du!“ Ich blinzle irritiert. Dann lässt sie mich los und rennt davon. Mit ihrer goldenen Schwimmflosse in der Hand. Langsam drehe ich mich wieder meiner Gruppe zu. Die haben von alledem nichts mitbekommen und reden über irgendeine Party, auf der „Booty“ wohl etwas zu viel getrunken hat. Ich kratze mich verwirrt am Kopf und versuche die Worte des Mädchens zuzuordnen. Ich sei ihre Lieblingsmeerjungfrau?

„Ich habe gestern genau dasselbe gedacht.“ Ich mache erschrocken einen kleinen Hüpfer, als ich die bekannte Stimme neben mir höre. Es ist der Junge von gestern. Er steht ziemlich nah neben mir und verschränkt die Arme vor der Brust.

„Bitte?“, frage ich verwirrt. Hat er das gesagt, was ich verstanden habe?

„Ich habe nicht direkt das gedacht, was sie gesagt hat“, sagt er nun hastig. „…aber, dass du Rikki verdammt ähnlich siehst. Das habe ich gedacht.“, korrigiert er sich. Kann er mal aufhören in Rätseln zu reden? Und kann er sich seine Haare mal kämmen?

„Wer ist denn diese Rikki?“, frage ich aufgebracht. Er blinzelt. Dann holt er sein Handy aus der Hosentasche und tippt darauf herum. Kurze Zeit später zeigt er mir ein Foto von einem Mädchen, das tatsächlich sehr große Ähnlichkeit mit mir hat. Allerdings hat sie einen Fischschwanz.

„Soso…“, ist alles, was mir dazu einfällt.

„Das ist eine Serie und es geht halt um drei Meerjungfrauen und …“, der Junge bricht ab und wird rot. „Meine Schwester schaut sie unglaublich gern und, wenn ich nichts anderes zu tun habe, leiste ich ihr dabei Gesellschaft.“

Ich grinse und sage: „Verstehe.“

Ich will noch ein paar peinliche Sekunden vergehen lassen, weil er irgendwie süß aussieht, wenn ihm etwas peinlich ist. Er hebt eine Hand und fährt sich unsicher durch seine sowieso schon chaotischen Haare. Schließlich frage ich nach seinem Namen. „Luke“, antwortet er. „Und, da du anscheinend nicht Rikki bist, muss ich deinen auch wissen.“, witzelt er.

„Katelyn“, sage ich. „Aber meistens wandeln die Leute es zu Katie.“

„Und magst du es?“, fragt Luke. Ich runzle die Stirn. „Ob ich es mag, wenn sie Katie sagen?“

Er nickt.

„Na ja, eigentlich ist es mir relativ egal, wie ich genannt werde.“

„Gut“, sagt Luke und zieht wieder nur einen Mundwinkel zum Lächeln hoch, wie er es gestern getan hat. Gott, wieso fällt mir das auf?

„Gut?“, wiederhole ich, um mich von seinem Lächeln abzulenken.

„Ja, ich finde Katie passt besser zu dir als zum Beispiel nur Kate. Hättest du gesagt, du magst den Spitznamen nicht, müsste ich dich aber Kate nennen.“ Er zuckt mit den Schultern.

„Für so höfflich hätte ich dich nicht gehalten.“, gebe ich teils neckend, teils ernst zu.

„Tja, da ist so einiges, was du nicht von mir weißt, Katielein.“ Er streckt sich und ich lache.

„Eine noch kindlichere Version hast du nicht auf Lager, hoffe ich.“

„Wart‘s ab, Katielein, wart‘s ab.“

„Ruhe, ihr Labertaschen! Jetzt nehmt euch gefälligst eine Weste und packt mit an.“

Luke und ich drehen uns zu Mike, der anscheinend nur uns damit gemeint hat, und nehmen uns eine Weste. Sie sind einfach zu einem Haufen aufgetürmt und ich muss erstmal meine Größe finden. Als ich endlich fertig bin sieht Luke mich aufmunternd an und wirft mir ein Paddel zu.

Dann mal los.

„Okay Leute“, Mike steht vorne auf dem Boot. Er trägt eine dunkelblaue Weste- und zwar ohne Shirt darunter. Seine Bemerkung, ich solle mich von seinen Muskeln nicht ablenken lassen, habe ich mit einem Augenrollen quittiert. Wie sich herausgestellt hat, sind wir genau 20 Leute, sodass wir die zehn Reihen im Boot voll bekommen. Mike macht sich nur Sorgen, dass wir dann keine Ersatzleute haben, wenn wir ein echtes Rennen fahren. Denn wie es aussieht, nehmen wir an Wettkämpfen teil. Da habe ich mir wirklich was eingebrockt. Ich sitze ziemlich genau in der Mitte des Bootes und neben mir sitzt Luke, weil auch er keine Kante ist und wir so die gleiche Kraft haben. Na ja, vielleicht nicht gleich, aber immerhin ähnlich. Ich bin mir sicher, dass ich eine so gute Technik haben werde, dass ich besser sein werde als Luke. Irgendein Ziel muss man sich ja schließlich setzen. Hinten steht ein Mädchen aus meiner Schule. Sie heißt Maria und ist eine Stufe über mir. Sie ist so schmal, dass ich befürchte, sie bricht durch, wenn ich sie umarmen würde. Sie lenkt das Boot und fällt uns mit ihrem Fliegengewicht nicht so sehr zur Last- im Gegensatz zu Mike. Mein Ruder liegt quer über meinen Beinen, die ich nah angezogen habe. Es weht eine leichte Brise und ich hoffe, dass wir bald anfangen zu fahren, damit mir warm wird. Das Boot befand sich zu unserem Glück schon im Wasser, sodass wir es nicht erst holen mussten. Anfänger-Bonus, meinte Mike. Es schaukelt etwas und ich spüre ein leichtes, aufgeregtes Kribbeln im Bauch. Eigentlich werde ich nicht seekrank und dieses Kribbeln fühlt sich auf merkwürdige Weise gut an. Ich schiele zu Luke. Er hantiert mit dem Verschluss seiner Weste und kaut dabei konzentriert auf seiner Unterlippe herum. Ich stupse ihn mit dem Ellenbogen an.

„Du wirst schon nicht untergehen. Ich rette dich.“ Er guckt mich gespielt überheblich an.

„Wenn hier jemand irgendwen rettet, dann ja wohl ich dich.“ Ich sehe ihn herausfordernd an.

„He Sweety! Auch, wenn du es gerade eben mit Booty aufnehmen konntest, und dein Ego jetzt doppelt so groß ist wie vorher, musst du dir das hier anhören!“, sagt Mike von vorne.

Ich mag seine natürliche Art deutlich lieber als seine Sunnyboy-Phase.

---ENDE DER LESEPROBE---