Sommer am See (Summer Lake, Buch 1-2) - Bella Andre - E-Book

Sommer am See (Summer Lake, Buch 1-2) E-Book

Bella Andre

4,0

Beschreibung

2 Wohlfühlromane aus Bella Andres Bestseller-Serie Summer Lake Sommer am See ist inspiriert von den Sommern in den New Yorker Adirondack Mountains: über den Strand rennen, vom Steg springen, mit dem Paddelboot über den See fahren und mit Familie und Freunden am Lagerfeuer sitzen, marshmallows machen und sich bei einer Sternschnuppe etwas wünschen. Millionen von Lesern auf der ganzen Welt haben sich in Bella Andres gefühlvolle, lustige und sexy zeitgenössische Liebesromane verliebt! Das Beste kommt erst noch Beste Freunde. Die erste Liebe. Die ganz große Leidenschaft. Sarah Bartow und Calvin Vaughn waren einmal alles füreinander. Doch dann wurden sie durch hochfliegende Träume – und von einem schrecklichen Schicksalsschlag – auseinandergerissen. Zehn Jahre nach ihrer Trennung kommen sie in Summer Lake in den Adirondack Mountains endlich wieder zusammen … und die aufflammende Leidenschaft brennt noch heißer als früher. Ein Kuss führt bald zu viel, viel mehr. Nicht nur zu heißem Sex. Auch die tiefen, wahrhaftigen Gefühle zwischen ihnen lassen sich nicht länger verleugnen. Liebe ist kein Marchen Christie Hayden floh nach Summer Lake, um ihr gebrochenes Herz heilen zu lassen. Dort fand sie allerdings viel mehr - einen Job als Gastwirtin, den sie liebt, eine eng verbundene Gemeinschaft von Freunden und die Chance einer wunderbar romantischen Zukunft, nach der sie sich immer gesehnt hat. Der Schein kann jedoch trügen, besonders was den umwerfenden Millionär Liam Kane angeht. Er platzt aus heiterem Himmel in ihr Leben ... und hebt es, samt ihrem Herzen, sofort aus den Angeln. *** Die Sullivans *** Liebe in deinen Augen Ein verfänglicher Augenblick Begegnung mit der Liebe Nur du in meinem Leben Sag nicht nein zur Liebe Nur von dir hab ich geträumt Lass dich von der Liebe verzaubern Du gehst mir nicht mehr aus dem Sinn Eine perfekte Nacht Nur du allein Deine Liebe muss es sein Dir nah zu sein Ich mag, wie du mich liebst Ohne dich kann ich nicht sein Vier Herzen vor dem Traualtar Bilder von dir Weil es Liebe ist Die Süße der Liebe Das Beste kommt erst noch Liebe ist kein Marchen Wer Liebe sät Irgendwo auf der Welt Halt mich Mit Leib und Seele Herzbeben Wenn du mich jetzt küsst Halt mein Herz BUCHBESPRECHUNGEN: "Reine Sinnesfreude! Ich konnte gar nicht schnell genug lesen. An der Geschichte über Chase und Chloe hat mir alles unheimlich gut gefallen. Ich bin richtig süchtig nach den Sullivans!" Marie Force, NYT-Bestsellerautorin "Bella Andre schreibt gefühlvolle und sexy Liebesromane." NYT-Bestsellerautorin Maya Banks "Jedes Buch ist so bemerkenswert, dass man die Figuren tatsächlich liebgewinnt. Diese Buchreihe ist unglaublich. Sie ist eine meiner Lieblingsreihen. Wenn Sie noch nicht angefangen haben, sie zu lesen, dann haben Sie etwas verpasst!" Guilty Pleasures "Seit Nora Roberts ist es keiner anderen mehr gelungen, eine große Liebesromanreihe über eine Familie zu schreiben, bei der jedes Buch so gut ist wie das vorherige. Bella Andre enttäuscht ihre Leser nie." Revolving Bookcase "Man kann nach allem möglichen süchtig sein, doch nichts ist für mich unwiderstehlicher als ein neues Buch von Bella Andre." Natasha Is A Book Junkie

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Inhaltsverzeichnis

Das Beste kommt erst noch

~ Summer Lake, Band 1 ~

Ableger der Sullivans von New York

Liebe ist kein Märchen

~ Summer Lake, Band 2 ~

Ableger der Sullivans von New York

Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache

Über die Autorin

Das Beste kommt erst noch

~ Summer Lake, Band 1 ~

Ableger der Sullivans von New York

Bella Andre

Das Beste kommt erst noch

Summer Lake, Band 1 ~

Ableger der Sullivans von New York

© 2022 Bella Andre

Übersetzung Christine L. Weiting – Language + Literary Translations, LLC

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Beste Freunde. Die erste Liebe. Die ganz große Leidenschaft. Sarah Bartow und Calvin Vaughn waren einmal alles füreinander. Doch dann wurden sie durch hochfliegende Träume – und einen schrecklichen Schicksalsschlag – auseinandergerissen.

Zehn Jahre nach ihrer Trennung kommen sie in Summer Lake in den Adirondacks endlich wieder zusammen … und die aufflammende Leidenschaft brennt noch heißer als früher. Ein Kuss führt bald zu viel, viel mehr. Nicht nur zu heißem Sex. Auch die tiefen, wahrhaftigen Gefühle zwischen ihnen lassen sich nicht länger verleugnen.

Und dieses Mal wird Calvin nicht zulassen, dass die Ambitionen und Unglücke von vor zehn Jahren noch einmal ihre Beziehung zerstören. Denn Sarah ist seine wahre und einzige Liebe. Er hat sie einmal verloren und wird diesen Fehler nicht ein zweites Mal begehen. Auch wenn er sein ganzes Herz und auch seine Seele aufs Spiel setzen muss, um ihr zu beweisen, dass sie beide zusammengehören. Jetzt … und für immer.

Eine Anmerkung von Bella

Wenn Sie Sullivan-Fan sind, dann haben Sie Calvin Vaughn aus Summer Lake bereits in Bilder von dir (Die Sullivans aus New York, Band 1) und Weil es Liebe ist (Die Sullivans aus New York, Band 2) kennen gelernt. Und jetzt kann ich es kaum erwarten, dass Sie lesen, wie Calvin und die einst in die Ferne gezogene Sarah ihre Liebe im zweiten Anlauf erleben: emotionsgeladen, sexy und herzerwärmend!

Bei dieser Geschichte habe ich mich sehr stark von den Sommern inspirieren lassen, die ich in unserem hundertjährigen Holzhäuschen in den Adirondack Mountains im Staat New York verbracht habe. Den ganzen Sommer über sieht man mich mit meinen Kindern über den Strand laufen, um dann von der Anlegebrücke zu springen, oder beim Paddeln über den See, der an den klaren Sommerabenden unter den Strahlen der untergehenden Sonne glitzert. Oder mit Freunden und Familie am Lagerfeuer, wenn wir Marshmallows grillen und uns bei jeder Sternschnuppe etwas wünschen.

Mein Leben lang bin ich ein richtiges California-Girl gewesen. Aber als ich den unglaublichen Mann kennenlernte, mit dem ich jetzt verheiratet bin (er ist die Kombination aus allen Sullivans zusammen, das schwöre ich!), sagte er, dass er mich unbedingt an den Ort mitnehmen müsste, an den er sein Herz verloren hatte. An kaum einem anderen Ort im Land gibt es so kristallklare Seen, immergrüne Wälder und eine so absolute Ruhe.

Ich hoffe, Sie verlieben sich nicht nur bis über beide Ohren in Calvin und Sarah, sondern auch in die Schönheit von Summer Lake.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihre

Bella Andre

P.S. Christie Hayden, die Wirtin des Gasthauses Summer Lake Inn, bekommt nun mit dem Roman Liebe ist kein Märchen, der 2019 erscheint, ihre eigene atemberaubende Liebesgeschichte mit dem einen Mann, mit dem sie niemals gerechnet hatte! Denken Sie daran, sich für meinen Newsletter (BellaAndre.com/Germany) anzumelden, damit Ihnen keine meiner Neuerscheinungen entgeht.

P.P.S. Und natürlich kommen demnächst auch noch weitere Sullivans! Bald – nächsten Herbst – ist Alec Sullivan mit Wer Liebe sät an der Reihe! Sie können mir glauben, Sie werden begeistert sein, wenn er völlig überraschend sein Herz an eine Frau verliert, die ihm die ganze Welt auf den Kopf stellt …

KAPITEL 1

Daheim.

Sarah Bartow konnte kaum glauben, dass sie wieder daheim war.

Auf der fünfstündigen Fahrt von New York City nach Summer Lake hatte sich ihr Magen mit jeder Meile, die sie zurücklegte, und mit jeder Bezirksgrenze, die sie überquerte, ein bisschen enger zugeschnürt. Vor fünf Minuten hatte sie vor dem Strickgeschäft Lakeside Sticken & Stricken an der Hauptstraße angehalten, aber sie war noch nicht in der Lage gewesen, auszusteigen. Stattdessen hielt sie sich mit verkrampften Fingern am Lenkrad fest und starrte auf die Mütter mit ihren Kinderwagen, auf die Käufer, die in die Geschäfte gingen und wieder herauskamen, und auf die glücklich Hand in Hand spazierenden Touristenpärchen.

Die warmen Sommertage waren bereits einem frischen, kühlen Herbst gewichen und die dichten grünen Laubbäume am Seeufer hatten sich in ein leuchtendes Schauspiel aus Rot-, Orange- und Gelbtönen verwandelt. Alle sahen glücklich und zufrieden aus. Summer Lake war das perfekte Bild für eine Ansichtskarte: Der Himmel war blau, der See glitzerte im Sonnenlicht und der weiße Pavillon im Uferpark sah aus wie frisch gestrichen.

Aber in dieses perfekte Bild hatte Sarah nie so richtig hineingepasst. Und jetzt war sie geschäftlich hier. Das hieß allerdings auch, dass es an der Zeit war, sich von der Spannung in ihrem Brustkorb und den Knoten in der Magengegend zu befreien und sich an die Arbeit zu machen.

Sie stieß ihre Autotür auf, schnappte sich ihre Aktentasche und ging auf den Handarbeitsladen ihrer Familie zu. Die Markise vor Lakeside Sticken & Stricken war hell und einladend; darunter konnten die Frauen so lange auf den typischen Stühlen der Adirondack Mountains sitzen und stricken, wie sie Lust und Zeit hatten.

Der Gedanke daran, wie viel Liebe und Pflege ihre Großmutter und ihre Mutter über die Jahre in diesen Laden gesteckt hatten, entlockte ihr das erste richtige Lächeln an diesem Tag.

Als sie die Kühle des glänzenden Türknaufs unter ihrer Handfläche spürte, hielt sie kurz inne, um Luft zu holen und ihre Fassung nicht zu verlieren. Ein Gebäude zu betreten, das für sie als kleines Mädchen wie ein zweites Zuhause gewesen war, hätte sie eigentlich nicht so in Erregung versetzen sollen.

Aber genau das tat es.

Sie öffnete die Tür und als Erstes schlug ihr der Garngeruch entgegen. Wolle und Alpaka, Bambusfaser und Seide, Baumwolle und Acryl, jedes Garn hatte seinen eigenen Geruch. Obwohl sie fast zwanzig Jahre nicht mehr gestrickt hatte, war der Duft, der ihr aus den Garnsträngen an den Wänden, aus den Körben am Boden und aus den ausgestellten Strickmodellen entgegenschlug, tief in ihrem Gehirn eingeprägt.

Sie war nicht zurückgekommen, um mit Garn zu spielen, aber als sie instinktiv mit den Händen über ein weiches Mischgarn aus Wolle und Seide strich, traten ihre beruflichen Überlegungen erst einmal in den Hintergrund. Das schöne Blaugrün, mit tief in die Fasern eingewobenen Spuren von Rot und Orange, ließ sie an den See und die Berge an einem Herbsttag wie heute denken.

Wie aus dem Nichts überkam Sarah plötzlich die Vision eines hauchdünnen gestrickten Tuches. Es sah aus wie aus Spitze und wurde einer Frau über die Schultern gelegt. Es waren ihre Schultern … und ein Mann legte ihr das Tuch um. Ein Mann, der genauso aussah wie …

„Sarah, was für eine schöne Überraschung!“

Sarah zuckte bei den plötzlichen Begrüßungsworten ihrer Großmutter zusammen und ließ das Garn fallen, so als sei sie gerade dabei ertappt worden, es wie eine Diebin in ihre Tasche stecken und aus dem Laden flüchten zu wollen.

Ihre Großmutter schloss sie in die Arme. Olive war mit ihren eins fünfzig etwa zwanzig Zentimeter kleiner als Sarah. Diese hatte sich unter all den kleinen Frauen ihrer Familie stets wie eine Riesin gefühlt. Und doch war sie immer wieder überrascht, wie stark die Arme ihrer Großmutter waren. Und wie warm. Sie waren immer so warm. So liebevoll.

„Die Gedenkfeier für deinen Vater ist doch erst nächstes Wochenende. Wir hatten dich eine Woche früher noch gar nicht erwartet.“

Sarah zwang sich zu einem aufgesetzten Lächeln, auch wenn ihr nicht im Geringsten danach zumute war. Darin hatte sie weiß Gott genug Übung. In dem Jahr seit dem plötzlichen Tod ihres Vaters war sie jeden Tag mit genau demselben Lächeln im Gesicht ins Büro gegangen und hatte doppelt so viel gearbeitet wie sonst, um sicherzugehen, dass ihre Trauer ihre Arbeit nicht beeinträchtigte.

Aber genau das war passiert. Und Sarah hätte deswegen vor einer Woche beinahe ihren größten Kunden verloren.

Die Klein Group wollte an einem perfekten Urlaubsort Eigentumswohnungen bauen. Jeden ihrer Vorschläge schmetterten sie ab – Martha’s Vineyard, Nantucket, Cape Cod. Schon seit drei Monaten betrachtete Craig, ihr Chef, sie immer mit dem gleichen Stirnrunzeln, so als dächte er, sie würde ihren Job nicht mehr schaffen. Sarah wurde auf einmal von Panik ergriffen und bekam eine komplette Mattscheibe. Und genau in dem Moment hatte ihr Handy auf dem Schreibtisch vibriert und auf dem Display war ein Bild von Summer Lake zusammen mit einer SMS von ihrer Mutter erschienen.

Heute ist es wirklich schön hier. Da musste ich an dich denken.

Bevor sie sich versah, hörte Sarah sich selbst sagen: „Ich habe den perfekten Ort.“

Kein Verkaufsgespräch war ihr jemals so leicht von der Hand gegangen: Die Wohnungen würden eine spektakuläre Aussicht haben. In der Nähe gab es einen exzellenten Golfplatz. Und, was das Allerbeste war, ihre Kunden würden von New York aus nur ein paar Stunden fahren müssen. Es war also nah genug, um aus dem Alltagsstress ausbrechen zu können, aber so weit weg, dass man wirklich alles hinter sich lassen konnte. Es schadete natürlich nicht, dass der Filmstar Smith Sullivan am Summer Lake gerade seine Überraschungshochzeit gefeiert hatte. Nach den Berichten ihrer Mutter zu urteilen, war Sarah ziemlich sicher, dass auch die prominente Rosa Bouchard – die im Reality TV praktisch vor der Kamera aufgewachsen war – und ihr Freund Drake Sullivan jetzt zeitweise am See wohnten.

Sarah konnte sich nicht vorstellen, New York jemals zu verlassen. Aber das hieß ja nicht, dass sie nicht sehen konnte, wie zauberhaft Summer Lake sein konnte. Die Klein Group hatte zugestimmt.

Und Sarah war letzten Mittwoch im Erfolgsrausch gewesen. Aber jetzt, als sie wieder in ihrem Heimatort war, konnte sie nichts anderes denken als: Was habe ich bloß getan?

Ihre Großmutter würde schon bald wissen, warum sie zurückgekommen war. In Sarahs Brust zog sich bei dem Gedanken an die Enttäuschung, die sie vielleicht im Gesicht ihrer Großmutter sehen würde, wieder alles zusammen. Und an die möglicherweise bestürzten Reaktionen aller Leute, die sie hier im Ort kannte. Zumindest, bis sie ihnen allen verständlich machen konnte, dass der Plan mit den Wohnungen dem Städtchen am See, das sie alle so sehr liebten, keineswegs schaden würde.

„Ich freue mich so, dich zu sehen, Grandma. Du weißt gar nicht, wie sehr.“ Sie schlang ihre Arme noch fester um sie, bevor sie sich zwang, sie loszulassen. „Arbeitet Mom heute auch hier?“

„Denise hatte in Saratoga Springs einiges zu erledigen und kommt erst heute Abend spät wieder. Kannst du über Nacht hierbleiben, bevor du wieder in die Stadt zurückfährst? Ich weiß, wie gern deine Mutter dich sehen würde.“

Sarah wusste, dass das stark untertrieben war. Es würde ihrer Mutter das Herz brechen, wenn ihre Tochter herkäme und wieder wegfahren würde, ohne sie zu sehen. Olive hatte es aber noch nie für gut gehalten, jemandem Schuldgefühle zu verursachen. Sie hatte Sarah nie unter Druck gesetzt, öfter heimzukommen oder bei ihren seltenen Besuchen länger zu bleiben. Wenn Sarah ihre Kolleginnen darüber reden hörte, wie deren Angehörige sie immer wieder aufforderten, zurück in ihre Heimatorte zu ziehen, war sie froh, dass ihre eigene Familie so locker mit ihr umging. Sie hatten zu viel Respekt vor ihren Zielen und Plänen, als dass sie ihr ständig vorhalten würden, wie sehr sie sie vermissten.

Sie wusste, dass sie von Glück sagen konnte, so viel Freiheit zu haben. Und doch sehnte sich manchmal etwas in ihr danach, es würde sich jemand stärker darum bemühen, sie hier zu halten.

„Ich werde voraussichtlich eine Woche hier sein. Vielleicht zwei.“ Und dann würde sie wieder fahren und in das Stadtleben zurückkehren, für das sie sich gleich nach ihrem Highschool-Abschluss entschieden hatte. „Eigentlich ist es so eine Art Geschäftsreise.“

„Zwei Wochen?“ Olive sah aus, als hätte sie im Lotto gewonnen. „Wie wunderbar, dich hier zu haben, wo jetzt gerade der Herbst so schön ist.“

Das schlechte Gewissen, weil sie nicht mehr Zeit mit ihrer Familie verbrachte, versetzte Sarah einen scharfen Stich in die Brust. Sie folgte dem Blick ihrer Großmutter aus dem Fenster bis zum See, der hinter der Terrasse mit den Adirondack-Stühlen zu sehen war. „Der Herbst war immer meine liebste Jahreszeit hier.“

Ihre Karriere als Management-Beraterin in New York City war schuld, dass sie kaum mehr als ein Wochenende hier verbrachte, sogar, wenn sie Urlaub hatte. Ihr Vater hatte während ihrer Kindheit und Jugend als Senator von New York so großartige Dinge für so viele Menschen in New York geleistet, dass sie ihm hatte nacheifern wollen – nicht als Politikerin, sondern als jemand, der hart arbeitete, immer mit dem Herzen dabei war und sich über ein gelungenes Vorhaben freute. Nachdem sie an der Cornell University erst ihren Bachelor in Wirtschaftswis­senschaften und dann ihren MBA-Abschluss erworben hatte, war sie nach reiflicher Überlegung zu Marks & Banks gegangen, weil diese Firma sich stärker für die Umwelt engagierte und mehr ehrenamtliche Aufträge übernahm als alle anderen Beratungsunternehmen.

Ihr Vater hatte sie immer ermuntert, nach dem Besten zu streben und auch, wenn sie nachts manchmal voll bekleidet ins Bett fiel und morgens mit verschmierter Wimperntusche und leerem, knurrendem Magen aufwachte, hatte sie in den letzten zehn Jahren stets genau das getan.

Sie wandte ihren Blick von dem glitzernden See ab und schaute sich wieder im Laden um. „Der Laden sieht super aus, Grandma.“

Olive blickte stirnrunzelnd über die Regale. „Ich bin mir nicht so sicher, nach den Änderungen, die deine Mutter hier vorgenommen hat.“

Da es ihrer Großmutter schon unangenehm war, auch nur zwei Garnknäuel von einer Seite des Ladens auf die andere zu legen, kamen Sarah wieder Zweifel an ihrem Projekt für die Klein Group. Wieso war ihr nicht einfach der Name eines anderen Ortes in den Adirondacks herausgerutscht? Aber sie war trotzdem froh, dass ihre Großmutter sie hiermit ungewollt zur Vorsicht ermahnt hatte. Die Eigentumswohnungen würden auf jeden Fall mehr Veränderung in die Stadt bringen, als es hier in den letzten fünfzig Jahren gegeben hatte.

„Eigentlich glaube ich, dass die Veränderungen den Laden ein bisschen belebt haben“, sagte sie. Und fuhr dann, etwas sanfter, fort: „Aber es ist immer noch dein Laden, Grandma. Nur ein bisschen mehr auf Hochglanz, für die Strickerinnen der neuen Generation.“

„Genau das hat deine Mutter auch gesagt. Zwei gegen eine.“

Sarah wollte nicht, dass ihre Großmutter den Eindruck bekam, sie hätten sich gegen sie verbündet. Genauso, wie sie es bei einem potentiell verärgerten Kunden getan hätte, wechselte sie die Perspektive. „Was sagen denn eure Kundinnen?“

„Sie sind begeistert.“

Sarah musste über den widerwilligen Ton lachen. „Gut.“

„Nun, da du so lange zuhause sein wirst, erwarte ich, dass du endlich wieder ein Paar Stricknadeln in die Hand nimmst“, schoss ihre Großmutter zurück.

„Wir wissen beide, dass es dazu nicht kommen wird.“

„Als kleines Mädchen hast du immer so gern gestrickt. Ich kann dir sagen, es ist nicht normal, dass man mit dem Stricken aufhört und es einem nicht fehlt.“

„Willst du damit sagen, ich bin nicht normal?“, witzelte Sarah. Aber ganz tief in ihrem Innern kam es ihr gar nicht wie ein Witz vor, sich nicht dazugehörig zu fühlen. Es kam ihr vielmehr so vor, als hätte sie ihr ganzes Leben lang so getan, als mache es ihr nichts aus.

Ihre Großmutter nahm ein paar Garnknäuel in die Hand, die im falschen Korb gelegen hatten. „Ich sage nur, ich glaube, dass es dir fehlt.“ Sie wirkte nachdenklich. „Vielleicht hast du ganz einfach noch nicht den richtigen Grund gefunden, ernsthaft mit dem Stricken anzufangen.“

„Ich stricke einfach nicht gern, Grandma. Nicht so wie du und Mom.“

„Weißt du, meine Mutter versuchte jahrelang, mich zum Stricken zu bringen, bevor ich wirklich eine Begeisterung dafür entwickelte.“

„Das ist nicht dein Ernst?“ Sarah hatte angenommen, dass ihre Großmutter bereits mit Stricknadeln in der Hand geboren war. „Wie ist es dann dazu gekommen?“

Olive setzte sich auf eins der weichen Sofas mitten im Raum. „Ich habe einen Mann kennengelernt.“

„Grandpa?“

„Nein, nicht Grandpa.“

Vor Überraschung machte Sarah große Augen und ließ sich neben ihrer Großmutter aufs Sofa sinken. Diese hatte bereits in den Korb neben sich gegriffen, eine halbfertige Strickarbeit hervorgezogen und eine neue Reihe begonnen.

„Alle taten ihre Pflicht für den Zweiten Weltkrieg. Ich wollte den Soldaten helfen und hatte schon immer gut stricken können. Ich wusste, dass unsere Socken und Pullover den Männern Freude und Wärme spendeten. Es waren Männer, die ich niemals gesehen hatte, die aber ganz dringend etwas brauchten, das sie an Weichheit erinnern konnte. Und an Wärme.“

Sarah fielen die winzigen Mützchen und Schühchen ein, die ihre Großmutter immer für Neugeborene im Krankenhaus gestrickt hatte. Als kleines Mädchen hatte Sarah auch welche gestrickt. Es hatte ihr Freude gemacht, wenn sie ein kleines Baby im Park sah, das etwas von ihr selbst Gestricktes trug.

„Dann war es also nicht nur ein Mann, durch den du das Stricken lieben gelernt hast“, sagte Sarah, die versuchte, ihrer Großmutter zu folgen, „sondern viele?“

„Ich habe für die Sache gestrickt, aber nicht mehr, nur für die Sache. Es war nichts Persönliches. Bis er kam. Und ich den Pullover für ihn gestrickt habe.“ Olive hob ihren Blick, um Sarah anzusehen. „Jeder Strang erzählt eine Geschichte. Sobald ihn jemand in beide Hände nimmt, wird das Geheimnis der Geschichte langsam aufgerollt.“ Sarah stockte der Atem, als ihre Großmutter sagte: „Halt das mal, Liebes.“ Da sie gar nicht mehr wusste, wie Stricken überhaupt ging, legte Sarah die Stricknadeln unbeholfen in ihren Schoß. „Aus den Fäden, die du da in der Hand hast, kann alles werden, von der Babydecke bis zum Brautschleier“, sagte Olive leise. „Aber ich habe schon immer gedacht, dass es beim Stricken um so vieles mehr geht als um die Dinge, die wir machen. Manchmal ist Garn der beste Weg, um Erinnerungen festzuhalten. Und manchmal … manchmal ist es der einzige Weg, um zu vergessen.“

Sarah ertappte sich dabei, wie sie die Tränen zurückhalten musste. Das war genau der Grund, warum sie nie an den See zurückkommen wollte. Es gab hier zu viele Erinnerungen für sie. Erinnerungen an Menschen, die ihr so viel bedeutet hatten. Die Wände des Ladens kamen ihr plötzlich zu eng vor, der Raum zu klein. Sie musste weg. Sie musste irgendwohin, wo sie sich nur auf ihre Arbeit konzentrieren konnte und auf sonst nichts.

„Ich muss jetzt gehen“, sagte sie und stand ruckartig auf, wobei die Nadeln und das Garn von ihrem Schoß auf den Boden fielen, bevor sie sie auffangen konnte.

Stirnrunzelnd beugte sich ihre Großmutter hinab, um sie aufzuheben, aber wurde plötzlich von einem Hustenanfall geschüttelt. Furcht durchbohrte Sarahs Herz. Sie legte den Arm um ihre Großmutter und rieb ihr sanft den Rücken.

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du krank bist?“

Ihre Großmutter versuchte zu sagen, es ginge ihr gut, aber bei jedem Wort musste sie noch mehr husten.

Olive Hewitt war eine feingliedrige Achtzigjährige, aber Sarah hatte ihre Großmutter nie als schwach oder zerbrechlich betrachtet. Bis jetzt. Als ihre Großmutter versuchte, wieder zu Atem zu kommen, sah Sarah plötzlich, wie durchscheinend ihre Haut geworden war. Olives Hände waren immer so stark und unermüdlich gewesen, wenn sie Pullover und Decken strickte. Sie bewegte die Nadeln so schnell, dass sie nur so flogen, während sie sich unterhielt, lachte und mit Kundinnen und Freundinnen im Lakeside Sticken & Stricken Neuigkeiten austauschte.

„Du solltest nicht arbeiten, wenn du erkältet bist. Du solltest dich ausruhen.“

Ihre Großmutter, die sich mittlerweile fast wieder erholt hatte, machte eine Handbewegung. „Ich hab dir doch gesagt, es geht mir gut. Nur ab und zu ein kleiner Hustenanfall.“ Als Sarah sie ungläubig ansah, sagte sie: „Solche Dinge kommen bei uns alten Leuten vor, weißt du.“

Sarah fand es unerträglich, dass ihre Großmutter sich als alt bezeichnete, obwohl sie wusste, dass es eine Tatsache war. Aber sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Olive eines Tages nicht mehr da sein würde. Dass sie diesen Laden nicht mehr mit Leben erfüllen, sich nicht mehr um das Garn, und die Kundinnen, die sie genauso gern hatten wie ihre eigenen Angehörigen, kümmern würde.

„Warst du schon bei Dr. Morris?“, fragte sie und die Antwort stand ihrer Großmutter bereits im Gesicht geschrieben. Sie war manchmal dickköpfiger, als gut für sie war. Sarah griff nach dem kabellosen Telefon und hielt es ihrer Großmutter hin. „Ruf ihn an.“

„Ich kann das Geschäft nicht unbeaufsichtigt lassen.“

„Das Geschäft ist mir egal. Ich mache mir Sorgen um dich. Der Husten hört sich schlimm an. Du musst das untersuchen lassen und sicherstellen, dass es nichts Ernstes ist.“

Als ihre Großmutter das Telefon nicht nehmen wollte, beschloss Sarah, ihr mit derselben Dickköpfigkeit zu begegnen und die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie wählte die Nummer. „Hallo, hier spricht Sarah Bartow. Meine Großmutter Olive hat einen schlimmen Husten und braucht so bald wie möglich einen Termin bei Dr. Morris.“ Sie schwieg ein paar Augenblicke und hörte sich die Fragen der Sprechstundenhilfe an, dann sagte sie: „Sie ruft nicht selbst an, weil sie beim Sprechen Hustenanfälle bekommt. Ja, sie kann in fünfzehn Minuten da sein.“ Sie legte das Telefon auf den Tresen. „Er schiebt dich sofort zwischen zwei Termine ein.“

„Ich hänge doch am helllichten Tag kein ,Geschlossen’-Schild an die Tür. Sechzig Jahre lang hatte ich immer geöffnet, bei Regen und bei Sonnenschein.“

Sarah holte die Handtasche ihrer Großmutter hinter dem Tresen heraus und drückte sie ihr in die Hand, genauso, wie Olive ihr die Nadeln und das Garn in die Hand gedrückt hatte. „Ich passe auf den Laden auf.“

„Du?“

Ihr ungläubiger Ton klang fast beleidigend. „Ja, ich. Die Registrierkasse ist noch genau dieselbe wie in meiner Kindheit. Ich kann nicht wirklich alles vom Stricken vergessen haben. Wenn ich etwas nicht mehr weiß, dann kriege ich es schon raus.“

„Nun, wenn du meinst, du schaffst das für eine Stunde …“

Der herausfordernde Ton brachte Sarah dazu zu sagen: „Nicht nur eine Stunde. Ich will, dass du dir nach dem Arzttermin den Rest des Tages frei nimmst. Ich bleibe bis Ladenschluss.“

Aber nachdem Olive gegangen war, stand Sarah im Laden, und während die Türglocke sanft hinter ihr klingelte, fragte sie sich, auf was sie sich da jetzt eigentlich eingelassen hatte. Zumal jetzt die Tür wieder aufging und eine grauhaarige Frau hereinkam.

„Hallo“, sagte Sarah etwas zu fröhlich. „Willkommen bei Lakeside Sticken & Stricken.“

„Danke. Ich habe so viel Gutes über Ihren Laden gehört, dass ich die ganze Strecke aus Utica gefahren bin, um mich hier umzusehen.“

Diese Frau war hundert Meilen gefahren, um hier einzukaufen … Und jetzt hatte sie jemanden vor sich, der nicht einmal stricken konnte. Sarah hoffte, dass sie nicht so erschrocken aussah, wie sie sich fühlte. Sie war stark versucht, ihrer Großmutter hinterherzulaufen und sie zurückzurufen, sagte sich aber dann, dass das lächerlich war. Sie würde schon klarkommen.

Mit einem weiteren herzlichen Lächeln sagte sie: „Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie irgendetwas brauchen.“ Und dann wandte sie sich der alten Registrierkasse zu. Sie konnte sich nicht wirklich erinnern, wie sie funktionierte, und fragte sich, ob nicht irgendwo unter dem Tresen eine Bedienungsanleitung liegen könnte. Sie wollte ja vor ihrer ersten Kundin nicht gleich blöd dastehen.

„Entschuldigung?“

Sarah, die erfolglos nach der Anleitung gesucht hatte, richtete sich auf. „Ja? Kann ich Ihnen mit etwas behilflich sein?“

Die Frau hielt einen Strang Garn hoch. „Hier steht drauf, es hätte die Superwash-Wollausrüstung, aber ich bin ziemlich unerfahren und weiß nicht, ob ich dem Etikett trauen kann. Können Sie mir sagen, wie sich das Garn tatsächlich wäscht? Fusselt es oder kann es verfilzen, wenn man es zu lange im Trockner lässt?“

Sarah sah sich das Etikett genau an, so als würde ihr die Bedeutung von 100% Superwash Merinowolle klarer, wenn sie nur lange genug darauf schaute. Wenn sie sagte, sie hätte keine Ahnung, weil sie weder stricken konnte, noch sich auch nur im Geringsten mit Garn auskannte, dann bekäme die Frau zu Recht einen schlechten Eindruck von dem Laden. Aber wenn sie log und sagte, beim Waschen könne nichts passieren und das nicht stimmte, hätte Lakeside Sticken & Stricken eine Kundin für immer verloren.

Rasch kam sie zu dem Entschluss, bei der Wahrheit zu bleiben. „Dieses spezielle Garn habe ich selbst noch nie benutzt“, sagte sie.

„Ist jemand hier, der es kennt?“, fragte die Frau und reckte den Kopf, um zu sehen, ob sich irgendwo hinten im Laden ein Garn-Guru verbarg.

„Es gibt sicher online Informationen über diese Marke. Ich kann es kurz nachschauen.“

Zum Glück ging sie nie ohne ihren Laptop irgendwo hin. Leider schien das Hochfahren eine Ewigkeit dauern zu wollen. Natürlich waren alle W-LAN-Netzwerke in der Nähe alle mit Passworten gesichert und das Passwort des Ladens kannte sie nicht. Sie ließ sich nichts anmerken und griff nach ihrem Handy, um die Verbindung über ihren Hotspot herzustellen. Aber nach einer gefühlten Ewigkeit bekam sie nichts als die Nachricht: Keine Netzwerkverbindung.

Sarah konnte es nicht glauben. Ein Garngeschäft war gerade dabei, sie in die Knie zu zwingen.

Sie schenkte ihrer sichtlich verärgerten Kundin ein beschwichtigendes Lächeln. „Gleich habe ich die Information, die sie brauchen“, sagte sie, nahm das drahtlose Telefon und ein Ortstelefonbuch und zog sich nach hinten zurück. Sie blätterte ein paar Seiten durch, fand ein Handarbeitsgeschäft in Look Lake und wählte rasch dessen Nummer. „Hallo, hier spricht Sarah Bartow von Lakeside Sticken & Stricken. Ich hätte da eine kurze Frage zu …“ Die Frau am anderen Ende der Leitung schnitt ihr das Wort ab. „Oh sicher, ich verstehe, wenn Sie gerade Kundschaft haben. Okay, ich rufe in einer Viertelstunde noch einmal an.“

Aber Sarah wusste bereits, dass fünfzehn Minuten viel zu lang waren. Mittlerweile war sie verzweifelt, ging zur Hintertür hinaus und hob ihr Handy in den Himmel, während sie betete, dass es Empfang hätte. „Gott sei Dank“, rief sie, als sie eine Verbindung bekam.

Dreißig Sekunden später war sie sehr erleichtert, die Kundin noch im Laden vorzufinden und sagte: „Gute Neuigkeiten. Es scheint, dass alle, die das Garn benutzt haben, mit dem Waschverhalten wirklich zufrieden sind. Außerdem scheint es nicht im Geringsten zu kratzen.“

Die Frau nickte. „Okay.“

Oje. Das klang nicht gerade begeistert.

Sie hoffte, ein Gespräch über die geplante Strickarbeit könnte den Enthusiasmus der Frau wieder etwas stärken, und fragte daher: „Was möchten Sie denn damit stricken?“

„Eine Babydecke für meine neugeborene Enkelin.“ Sie zog ein Bild aus ihrer Handtasche. Das Baby war pausbäckig, glatzköpfig und grinste zahnlos.

„Sie ist wunderhübsch“, sagte Sarah leise.

Die Frau nickte und ihr soeben noch verärgerter Gesichtsausdruck war wie weggeblasen. „Ich habe extra für sie Stricken gelernt.“

Auf einmal verstand Sarah, wovon ihrer Großmutter gesprochen hatte. Dieses Baby war der Grund, dass sich diese Frau ins Stricken verliebt hatte. Und als Sarah instinktiv die Wollfäden zwischen Daumen und Zeigefinger hindurchgleiten ließ, durchfuhr sie plötzlich ein Schauer der Schönheit und einer sanften, unerwarteten Ruhe.

Und als sie sagte: „Ich glaube, das gibt eine richtig schöne Babydecke“, begann sich der Knoten in ihrem Bauch endlich zu lösen.

KAPITEL 2

Calvin Vaughn hörte beim Hinausgehen aus seinem Büro im Rathaus sein Telefon klingeln, aber er wollte seine zehnjährige Schwester Jordan nicht zu spät von der Schule abholen. Seine Schwester war der wichtigste Mensch in seinem Leben. Direkt danach kamen die Menschen in Summer Lake, die sich um ihn geschart hatten, als er sie am dringendsten brauchte. Alles andere konnte, falls erforderlich, warten.

Bevor er in seinen Jeep sprang, sah er nach, ob das Kanu, die Paddel und die Angeln gut gesichert waren. Die Zeit für ihren ersten herbstlichen Angelausflug war gekommen.

Jordan schwor, dass sie das Angeln hasste und lieber alles andere tun würde. Calvin lächelte, wenn er daran dachte, dass ihre Klagen nichts daran änderten, dass sie eine fantastische Anglerin war. Ein Bild von dem 27 Kilo schweren Hecht, den sie im letzten Winter gefangen hatte, stand zuhause bei ihnen auf dem Kaminsims.

Als er vor der Grundschule anhielt, sah er, wie seine Schwester angeregt mit ihrer besten Freundin Kayla sprach. Deren Mutter Betsy lächelte ihn an, als er auf die Mädchen zuging.

„Calvin“, sagte Jordan, „darf ich heute Nacht bei Kayla schlafen?“

„Morgen ist Schule. Und außerdem fahren wir Angeln.“

„Aber Kayla ist meine Partnerin in Sachkunde und wir wollen zusammen an unserem Wildtierprojekt arbeiten. Es wäre so viel einfacher, das bei ihr zu Hause zu machen. Und Kaylas Mutter hat mich auch zum Essen eingeladen. Nach dem Angeln kann ich doch rechtzeitig zum Abendessen dort sein.“

Betsy lächelte ihm entschuldigend zu. „Ich habe den beiden die Idee in den Kopf gesetzt. Würde es das Ganze besser machen, wenn ich dich auch zum Abendessen einladen würde?“

Er und Betsy hatten so vieles gemeinsam. Sie war alleinerziehend und er hatte für seine Schwester die Elternrolle übernommen, seit sie einen Monat alt war. Außerdem war Betsy eine attraktive Blondine, die immer lächelte und Jordan immer gerne bei sich übernachten ließ, wenn er Hilfe brauchte. Aber so sehr er auch wünschte, Betsy wäre sein Typ, sie war es einfach nicht.

„Danke für das Angebot, aber das Abendessen müssen wir ein andermal nachholen.“ Er wollte ihr keinen falschen Hoffnungen machen. Sie war zu sympathisch, um sich mit einem Typen einzulassen, der ihr nichts bieten konnte.

„Aber ich darf doch heute Abend zu Kayla, oder, Calvin?“

Eigentlich wollte er nein sagen, aber als er den hoffnungsvollen Blick seiner Schwester sah, erkannte er seine eigene Dummheit. „Okay. Aber du kommst nicht darum herum, erst mit mir zum Angeln zu fahren.“ Er sah von einem Mädchen zum anderen, die angesichts ihrer neuen Pläne richtig ausgelassen waren. „Und ihr beiden müsst versprechen, dass ihr zu einer vernünftigen Zeit schlafen geht.“

Jordan und Kayla nickten beide. „Natürlich werden wir das“, sagten sie wie aus einem Munde. Aber er hatte Jordan lange genug großgezogen, dass sie ihm nichts vormachen konnten.

„Ich bringe Jordan in zwei Stunden vorbei, wenn das okay ist, Betsy.“

Er sah die Enttäuschung hinter ihrem Lächeln. „Großartig“, sagte sie. „Und falls du dich doch entscheidest, zum Essen zu kommen, wird genug da sein.“

Er kam sich wie ein Idiot vor, dass er etwas verschmähte, das jeder normale Mann mit Kusshand genommen hätte. „War dein Schultag okay?“, fragte er, als er mit seiner Schwester zum Jeep ging.

„Japp“, sagte Jordan, setzte sich auf den Beifahrersitz und ließ den Rucksack vor ihre Füße plumpsen, bevor sie sich anschnallte.

Früher war sie eine richtige Quasselstrippe gewesen. Mit vier, fünf, sechs Jahren plapperte sie so unermüdlich, dass ihm fast die Ohren abfielen von den langen, verwickelten Geschichten, die sie ihm Tag für Tag erzählte. Seit einiger Zeit musste er ihr jedoch jedes Wort aus der Nase ziehen. „Ist irgendetwas Aufregendes passiert?“

Sie sagte erst nichts, aber als er zu ihr hinüberschaute, sah er, dass sie errötete. „Es ist jemand Neues in der Klasse.“

„Wie heißt sie denn?“

Sie schüttelte den Kopf, genau, wie Calvin es insgeheim erwartet hatte. „Es ist kein Mädchen.“

Es war eine Gratwanderung, seinen Tonfall zwischen interessiert und neutral zu halten. „Und wie heißt er?“

„Owen.“

Calvin fühlte sich gespalten. Einerseits fand er es süß, dass seine Schwester sich zum ersten Mal in einen Jungen verguckt hatte. Andererseits war sie erst zehn. Er hatte gedacht, dass diese ganzen Jungs-und-Mädchen-Geschichten frühestens in zwei Jahren anfangen würden. Er hatte geglaubt, sie noch ein bisschen länger ganz für sich allein haben zu können. „Wo kommt er denn her?“

„Kalifornien.“ Plötzlich öffnete sich das Schleusentor und sie sagte: „Seine Eltern sind Wissenschaftler von der Stanford University und sie erforschen irgendwelche Sachen in den Adirondack Mountains. Aber er ist nur für ein Jahr hier.“

Calvin packte das Lenkrad fester. Weder er noch seine Schwester konnte sich anscheinend den leichtesten Weg aussuchen. Anstatt sich in Menschen zu verlieben, die in der Nähe blieben, konnten sie nicht von denen lassen, die unweigerlich weggehen würden.

Aber er sah, dass sie unbedingt mit ihm über den Jungen reden wollte und er hatte sich geschworen, immer für sie da zu sein. Also sagte er: „Erzähl mir mehr von ihm, Jords.“ Und in den nächsten dreißig Minuten hörte er mehr über einen zehnjährigen Jungen, als er jemals hatte wissen wollen. Als sie schließlich mit dem Kanu auf den See hinaus gepaddelt waren, schienen seiner Schwester zum Glück alle interessanten Neuigkeiten über Owen ausgegangen zu sein.

Inmitten der bunten Farbtupfer der Berge um sie herum rief ein Seetaucher nach seinem Weibchen, das hundert Meter entfernt war. Von der anderen Seite der Bucht aus winkten William Sullivan und sein Sohn Drake aus ihrem Ruderboot zu ihnen herüber. Sie waren noch zu weit weg, um sich eine Begrüßung zurufen zu können, aber William war mit seinem großen grünen Anglerschlapphut unverkennbar.

Wenn Calvin Williams Geschichte nicht bereits gekannt hätte, wäre er nie darauf gekommen, dass dieser Mann einer der berühmtesten Maler der Welt war, der es sogar auf das Titelblatt der Zeitschrift Time geschafft hatte. Aber nach dem Verlust seiner Frau und Muse hatte er seine Malerpinsel für immer beiseitegelegt und angefangen, jedes Mal, wenn er sich von New York City loseisen konnte, an seinem Holzhaus am Summer Lake zu bauen. In letzter Zeit waren nicht nur einige seiner lang verborgenen Gemälde endlich zum Vorschein gekommen. Er wirkte jetzt auch viel glücklicher. Soweit Calvin es beurteilen konnte, lag das daran, dass seine Kinder jetzt viel öfter hierherkamen als früher.

In seiner Kindheit und Jugend hatte Calvin mit Williams vier Kindern oft am See gespielt. Alec, Harry, Suzanne und Drake waren nach dem Tod ihrer Mutter weiterhin in New York zur Schule gegangen. Aber weil ihr Vater sich so oft in die Adirondack Mountains zurückzog, um seinen schmerzlichen Erinnerungen zu entkommen, waren sie oft bei ihrem Vater am See. Die Beziehung zwischen William und seinen Kindern war jedoch immer angespannt gewesen, vor allem, nachdem sie erwachsen geworden waren. Zumindest bis vor Kurzem, als Drake – ein berühmter Maler wie sein Vater – beschloss, sich am See mit seiner Freundin Rosa ein Atelier und ein Holzhaus zu bauen.

Calvin wusste nicht genau, was sich zwischen William und seinen Kindern geändert hatte, aber er musste ja auch nicht alle Einzelheiten kennen, um sich trotzdem für sie freuen zu können. Alec war der Einzige, der mit seinem Vater noch nicht Frieden geschlossen hatte, aber das überraschte Calvin nicht besonders. Als ältester Sohn war Alec Sullivan immer etwas reservierter gewesen als seine jüngeren Geschwister. Wahrscheinlich, dachte Calvin, weil er als der Älteste in jener Zeit, als die Beziehung zwischen seinen Eltern so umschattet und schmerzhaft geworden war, die Scherben wieder hatte zusammenfügen müssen.

Ja, Calvin wusste sehr gut, wie kompliziert es in Familien zugehen konnte. Und wieder einmal sprach er im Stillen – wie tausendmal zuvor – ein Dankgebet dafür, dass es bei ihm und Jordan gut funktionierte, wenn er als ihr großer Bruder auch die Vaterrolle übernahm. Mit ihr einen wunderschönen Herbstnachmittag am See zu verbringen, war etwas, für das er dankbar sein konnte. Vor allem, wenn sie ihn so angrinste wie jetzt, als sie einen weiteren prachtvollen Barsch aus dem Wasser zog.

„Ich bin heute echt in Topform!“

Calvin warf die Angel noch einmal aus. „Hast du irgendwelche Tipps für deinen großen Bruder? Wenn du nicht so viel Erfolg hättest, hätte ich schwören können, dass heute keiner anbeißt.“

„Ja, es kam mir auch schon komisch vor, dass du gar nichts fängst. Was ist denn heute mit dir los? Du hast noch nicht einmal deine große Herbstansprache gehalten.“ Mit tiefer Stimme imitierte sie ihn. „Sieh dich um, Jords. Siehst du, wie die Blätter an den Bäumen die Farbe wechseln? Spürst du, wie frisch die Luft geworden ist? Es ist Herbst und es liegt ein Zauber in der Luft. Alles ist möglich.“

Der Klang seines dröhnenden Lachens hallte gemeinsam mit ihrem über die Wasserfläche. Natürlich hatte er Hoffnungen und Träume gehabt, deren Erfüllung er nicht hatte erleben dürfen. Niemals war er ein Footballspieler im College geworden. Niemals hatte er sorglos mit Mädchen ausgehen können. Niemals hatte er die Möglichkeit gehabt, in der Großstadt zu leben, mit all dem Tempo, dem Licht, dem Lärm und Wirbel.

Aber mit seiner Schwester lachen zu dürfen und das Lächeln und die Intelligenz in ihren Augen zu sehen machte mit Leichtigkeit jedes Opfer wett, das er in den letzten zehn Jahren hatte bringen müssen.

Endlich spürte er, wie etwas anbiss. Mit einem schnellen Ruck nahm er den Fisch an den Haken und holte dann die Angelschnur ein.

„Wow.“ Jordan machte riesengroße Augen, als sie den Hecht sah, der auf dem Boden des Kanus zappelte. „Der könnte sogar größer sein als der, den ich letztes Jahr gefangen habe.“

Calvin dachte gar nicht erst lange nach, sondern zog den Spinnköder vorsichtig zwischen den Zähnen des Hechts heraus. Vielleicht war es der größte Fisch, den er je gefangen hatte, aber keinesfalls würde er den Rekord seiner Schwester in den Schatten stellen. „Der Kerl sieht aus, als hätte er noch ziemlich viel Leben in sich. Willst du ein bisschen Herbstzauber in sein Leben bringen und mir helfen, ihn wieder in den See zu werfen?“

Seine Schwester legte den Kopf schief. „Du benimmst dich heute wirklich komisch, weißt du das?“ Aber sie nahm den Fisch und sie zählten bis drei und warfen ihn dann in den See.

Als sie zusahen, wie der Fisch erst ein paar Sekunden lang im Wasser trieb, bevor er plötzlich wieder zum Leben erwachte und davon schwamm, beneidete Calvin den Fisch tatsächlich um die zweite Chance, die er bekommen hatte … und ertappte sich dabei, wie er hoffte, dass dieser beim nächsten Mal einem so verführerisch glitzernden Köder entgehen würde.

* * *

Sarah war jetzt wieder allein im Laden und versuchte, sich auf das Aufräumen der Garnauslage zu konzentrieren. Aber eigentlich wich sie dem Unvermeidlichen nur aus.

Calvin Vaughn war der neue Bürgermeister der Stadt und damit Vorsitzender des Bauausschusses. Sie hätte ihn bereits anrufen sollen, um einen Termin zu vereinbaren. Aber jedes Mal, wenn sie das Telefon in die Hand nahm, machte ihr die Nervosität einen Strich durch die Rechnung. Und auch die Erinnerungen, die ihr zu deutlich vor Augen standen, fast so, als hätte sie ihm erst gestern Lebewohl gesagt und nicht vor zehn Jahren.

So viele ihrer Erinnerungen kreisten um die „ersten Male“, die sie miteinander erlebt hatten. Das erste Mal, dass er sie bei der Hand genommen hatte. Das erste Mal, dass er sie geküsst hatte. Das erste Mal, dass sie beide Ich liebe dich gesagt hatten. Das erste Mal, dass sie sich gegenseitig ausgezogen und …

Nein. Sie konnte nicht immer wieder in die Vergangenheit zurückkehren. Anstatt ihre Arbeit zu erledigen, wie sie das immer tat, hatte sie zugelassen, dass der Gedanke daran, zum See – zu Calvin – zurückzukehren, sie völlig auflöste. Aber es war allerhöchste Zeit, tief durchzuatmen und ihre Nerven zu stählen.

Sie griff nach dem Telefon und rief im Bürgermeisteramt an. Falls sie tatsächlich erleichtert war, dass sie nur den Anrufbeantworter erreichte, so hätte sie es sich selbst niemals eingestanden. Die Erleichterung war jedoch nicht von langer Dauer, denn als sie seine Stimme bei der Ansage hörte – Hallo, dies ist der Anrufbeantworter von Calvin Vaughn im Rathaus – bekam sie sofort feuchte Hände und Herzklopfen. Sie hatte schon so lange nicht mehr mit ihm gesprochen. In ihrem Kopf war er immer noch derselbe Junge wie mit achtzehn und nicht der Mann mit dieser tiefen Stimme, die erst von Kopf bis Fuß durch sie hindurchdröhnte und dann genau in der Mitte ihres Herzens landete.

„Calvin, hier spricht Sarah.“ Klang sie tatsächlich atemlos oder hatte sie nur das Gefühl, atemlos geworden zu sein, als sie seine Stimme hörte? „Sarah Bartow. Ich bin für kurze Zeit wieder im Ort und hatte gehofft, wir könnten uns nach so langer Zeit einmal wiedersehen und uns erzählen, was es Neues gibt.“ Sie schob die leise Stimme in ihrem Kopf beiseite, die ihr riet, den Grund für das Treffen offen anzusprechen, und sagte rasch: „Heute Abend hätte ich Zeit, falls es dir passen würde. Mein Handy hat keinen guten Empfang hier, wenn du zurückrufen willst, kannst du es dann bitte bei Lakeside Sticken & Stricken versuchen?“ Sie hätte jetzt auflegen sollen, aber wo sie nun einmal – fast – wieder mit ihm redete, brachte sie es nicht über sich, die Verbindung so schnell abzubrechen. „Ich werde dir auch zuhause eine Nachricht hinterlassen. Ich hoffe, dass du dich bald meldest.“

Sarah kam sich vor wie eine Dreizehnjährige, die gerade ihrem heimlichen Schwarm eine unmögliche Nachricht hinterlassen hatte. Sie zwang sich, auch bei ihm zuhause anzurufen. Nachdem sie auch dort eine Nachricht hinterlassen hatte, brauchte sie ein paar Momente, um sich wieder zu fangen.

Und um sich vor Augen zu führen, dass alles, was vor zehn Jahren zwischen ihr und Calvin geschehen war, längst der Vergangenheit angehörte.

* * *

Nachdem er Jordan bei ihrer Freundin abgesetzt und dann einen anstrengenden Lauf über einen der Wanderwege um den See herum absolviert hatte, wollte sich Calvin gerade eine Flasche Saft aus dem Kühlschrank holen. Da sah er das rote Blinklicht an seinem Telefon.

Die Angst, seiner Schwester könnte etwas passiert sein, traf ihn wie ein Faustschlag in die Brust. Aus diesem Grund ließ er sie auch nicht gern bei Freundinnen übernachten und bemutterte sie manchmal zu sehr, obwohl er sich wirklich bemühte, sie mit seiner Elternrolle nicht zu erdrücken. Aber als er die Nachricht abhörte, kam nicht Betsys Stimme aus der Leitung.

Es war Sarah. Auch nach zehn Jahren hätte er ihre leicht rauchige Stimme überall wiedererkannt.

Calvins Erleichterung, dass mit seiner Schwester alles in Ordnung war, wich blitzartig der Überraschung, dass Sarah Bartow ihn völlig unerwartet anrief, um nach langer Zeit wieder einmal miteinander zu reden. Anstatt sich zu beruhigen, schlug sein Herz nur noch schneller. Zehn Jahre lang hatte er nichts mehr von ihr gehört – warum rief sie ihn jetzt wohl an?

Aber obwohl eine innere Stimme ihn warnte, besser auf Abstand zu bleiben, konnte Calvin tatsächlich dem Gedanken nicht widerstehen, Sarah wiederzusehen.

Er griff nach dem Hörer und wählte die Nummer von Lakeside Sticken & Stricken.

KAPITEL 3

Gegen kurz vor halb sechs konnte Sarah kaum noch auf ihren schmerzenden Füßen stehen und träumte von einem heißen Bad und einer Flasche Wein. Den ganzen Nachmittag war sie im Laden herumgerannt und hatte Kundinnen geholfen, nach bestimmten Farben, Nadeln und Strickmustern zu suchen. Wie konnten ihrer Mutter und Großmutter das nur sechs Tage die Woche aushalten?

Nur noch fünf Minuten bis Ladenschluss, dann könnte sie endlich die Tür abschließen und sich auf eins der beiden Sofas mitten im Raum fallen lassen. Da betraten zwei Frauen lachend und mit großen Filztaschen beladen das Geschäft. „Es tut mir leid“, sagte Sarah so höflich sie nur konnte, „der Laden schließt in wenigen Minuten.“ Genau in dem Moment klingelte das Telefon und sie griff nach dem Hörer. „Lakeside Sticken & Stricken. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“

„Sarah, hier ist Calvin.“

Oh Gott. Seit ein paar Stunden war sie so erschöpft, dass sie die Bitte, er solle sie hier anrufen, völlig vergessen hatte. Der Klang seiner tiefen Stimme an ihrem Ohr traf sie so unvorbereitet, dass sie sich kurz am Tresen festhalten musste. Zehn Jahre fielen von ihr ab, und zwar so schnell, dass ihr schwindlig wurde.

„Hi.“ Im Moment brachte sie nicht mehr heraus. Erst musste sie wieder zu Atem kommen und sich zusammenreißen.

„Also, das mit heute Abend passt super. Warum treffen wir uns nicht einfach im Gasthof um halb acht?“

Wenn sie jetzt gleich losging, würde sie gerade noch genug Zeit haben zum Duschen, Umziehen, Frisieren und Schminken. „Halb acht passt perfekt.“

Sie legte auf und griff nach ihrer Tasche, als ihr bewusst wurde, dass sie nicht allein war. Die beiden Frauen, mit denen sie an der Tür gesprochen hatte, saßen auf den Sofas und sahen aus, als wollten sie es sich dort für den Abend gemütlich machen.

„Es tut mir leid“, sagte sie noch einmal, „ich muss leider wirklich zumachen.“ Die Zeit drängte, denn sie musste sich auf die Begegnung mit Calvin – sowohl in Bezug auf ihr Aussehen als auch in Bezug auf ihre Gefühle vorbereiten. Auch wenn es kein Rendezvous war oder so etwas. Sie trafen sich heute Abend einfach als alte Freunde, die sich nach langer Zeit wieder einmal unterhalten wollten, wobei es auch um Geschäftliches gehen würde.

Die ältere der beiden Frauen, mit den leuchtend roten Haaren, nickte. „Natürlich. Gleich beginnt ja unser Strickabend.“

Oh nein. Wie hatte sie bloß die Strickgruppe vergessen können, die hier jeden Montagabend zusammenkam? Ihr Vorhaben, zuhause zu duschen und sich umzuziehen, löste sich in Wohlgefallen auf. „Es war heute im Laden so viel los, dass ich ganz vergessen habe, dass Montag ist.“ Die Frauen starrten sie nur an, während sie wenig überzeugend weitersprach. „Darf ich Ihnen etwas anbieten?“

Die etwas jüngere Frau mit den glänzend grauen Haaren lachte. „Keine Sorge, wir sind immer gut ausgerüstet.“ Die Frauen zogen vier Flaschen Wein hervor und dazu eine große Plastikbox mit Chocolate Chip Cookies. Sarahs Magen knurrte, während sie versuchte, ihr erschöpftes, überwältigtes Gehirn dazu zu bringen sich zu erinnern, wo die Gläser standen.

Zum Glück waren die Mitglieder der Strickgruppe ihr um einiges voraus. Sie öffneten die kleinen Türen am Kaffeetisch und zogen eine bunte Mischung verschiedener Becher für den Wein hervor.

Noch mehr Erinnerungen aus grauer Vorzeit stiegen in ihr auf und gesellten sich zu denen, die sich den ganzen Tag über in ihren Kopf gedrängt hatten. Wenn alle weg waren, war es immer ihre Aufgabe gewesen, die Gläser in der Küche zu spülen, abzutrocknen und sie dann wieder in die Fächer unter dem Kaffeetisch zu stellen. Ihre Großmutter versicherte ihr jedes Mal, wie wichtig ihre Aufgabe war. Wein sorge dafür, dass die Menschen sich wohlfühlten und über Geheimnisse sprachen, die sie nicht länger mit sich herumschleppen sollten.

Die Strickgruppe vom Montagabend gab es schon so lange, wie ihre Großmutter den Laden besaß. Olive sagte, die Gruppe sei so wichtig für sie wie ihre Familie und sie habe über die Jahre mehr als einmal dafür gesorgt, dass sie nicht den Verstand verlor. Als kleines Mädchen hatte Sarah es geliebt, auf dem Boden zu sitzen und den Frauen zuzuhören, wenn sie sich unterhielten, lachten und weinten. Aber mit zehn war sie aus all dem herausgewachsen – nicht nur aus der Strickgruppe, sondern aus allem, was mit Garn und dem Laden zu tun hatte.

Sarah konnte sich noch gut an ihren allerletzten Montagabend bei Lakeside Sticken & Stricken erinnern. Sie hatte neben Mrs Gibson gesessen und nur mit halbem Ohr zugehört, wie diese der Frau neben ihr von ihren geschwollenen Fußgelenken vorjammerte. Sarah hätte schwören können, dass Mrs Gibson immer schwanger war. Eins ihrer Kinder, Owen, war mit Sarah in der fünften Klasse und hatte bereits fünf jüngere Geschwister.

Sarah hatte an einem Schal mit Zickzackmuster für ihren Vater gestrickt, aber brachte das Muster immer wieder durcheinander. So sehr, dass sie, um die Fehler zu beseitigen, Hilfe beim Aufziehen benötigte und dabei, die Maschen wieder auf die Nadeln zu fädeln. Ihre Mutter und ihre Großmutter waren beide damit beschäftigt, anderen Frauen zu helfen und sie konnte sich an niemand anderen wenden als an Mrs Gibson.

„Weißt du“, sagte diese, „es ist ja kein Wunder, dass du mit diesem Schal nicht zurechtkommst. Owen hat mir gesagt, wie intelligent du bist. Eines Tages wirst du in die Welt hinausgehen und große, wichtige Dinge tun, wie dein Vater. Du gehörst eigentlich gar nicht hierher zu uns Strickerinnen, oder?“

Sarah wurde wieder in die Gegenwart katapultiert, als sie hörte, wie sich jemand räusperte und dann sah, wie die rothaarige Frau ein Glas Wein erhob. „Ich wusste gar nicht, dass Olive und Denise jemand Neues eingestellt haben. Moment mal. Ich muss erst meine Brille aufsetzen.“ Nachdem sie ein paar Sekunden lang hingesehen hatte, sagte sie: „Sarah? Ich bin Dorothy. Dorothy Johnson.“

Sarah verstand auf einmal, warum ihr die Frau so bekannt vorkam. Ihre Haarfarbe hatte Sarah irregeführt, rot anstatt dunkelbraun, und dass sie anscheinend in den letzten zehn Jahren um mehrere Zentimeter geschrumpft war.

Dorothy stellte Sarah Helen vor, die vor fünf Jahren nach Summer Lake gezogen war. „Ich wäre wohl irgendwann darauf gekommen, wer Sie sind“, sagte Helen. „Sie sind wirklich eine perfekte Mischung aus Olive und Denise.“

„Ich sehe eigentlich eher meinem Vater ähnlich“, sagte Sarah automatisch.

„James kann ich auch in Ihnen erkennen, sicher, aber, wenn Sie mich fragen, kommen Sie mehr nach den Frauen in ihrer Familie. Es tut mir so leid, dass er nicht mehr unter uns ist. Uns allen tut es leid.“

Es war schwer, den Namen ihres Vaters aus dem Mund einer Fremden zu hören, und noch schwerer, daran erinnert zu werden, dass er nicht mehr lebte.

„Danke. Bitte zögern Sie nicht, mir zu sagen, wenn ich Ihnen mit irgendetwas behilflich sein kann“, sagte sie, bevor sie an die Tür ging, um weitere Strickerinnen aus der Montagsgruppe zu begrüßen.

Viele erkannte sie nicht – offensichtlich war in den zehn Jahren, seit sie weg war, eine Menge neuer Leute nach Summer Lake gezogen. Aber als Rosalind Bouchard hereinkam, musste sie zweimal hinschauen. Schließlich begegnete man nicht jedem Tag einem Reality-TV-Star. Eigentlich Ex-Star, denn kürzlich hatten alle Medien über Rosalinds Rückzug aus dem Showgeschäft berichtet. Auch darüber, dass sie eine Stiftung gegen Cybermobbing gegründet hatte und natürlich, dass sie mit Drake Sullivan zusammen war, einem der begehrtesten Junggesellen in New York City. Sarahs Mutter und Großmutter hatten ihr schon oft gesagt, wie nett Rosa war und dass sie hofften, die beiden Frauen würden sich bald einmal kennenlernen.

„Hallo, ich bin Sarah.“ Sarah wollte Rosalind nicht zu nahetreten, und da sie ziemlich verlegen war, beschloss sie, sich auf das Einfachste zu beschränken. „Meine Mutter und Großmutter können heute Abend nicht hier sein, bitte wenden Sie sich an mich, wenn Sie etwas brauchen.“

„Endlich lernen wir uns kennen! Olive und Denise sind so tolle Frauen. Und Sie sehen beiden total ähnlich. Ich hätte Sie an der Ähnlichkeit erkannt, auch wenn Sie sich nicht vorgestellt hätten. Ich bin Rosa.“

Ihr Lächeln war so herzlich, als sie die Hand ausstreckte, dass Sarah automatisch zurücklächelte, während sie sich die Hand gaben. Obwohl sie verblüfft war, als Rosa verkündete, wie groß sie die Ähnlichkeit zwischen Sarah und den Frauen in ihrer Familie fand. Was sah Rosa, das Sarah entging?

„Ich schwöre, dieser Laden ist mein letzter Rettungsanker“, fuhr Rosa fort. „Schon unzählige Male wäre ich absolut verloren gewesen, wenn ich nicht hätte hierher kommen können, um auf neue Gedanken zu kommen und aufzutanken. Und“, fügte sie lachend hinzu, „es ist sehr hilfreich, dass Ihre Großmutter einen unfehlbaren Instinkt dafür hat, was sinnvoll ist und was nicht. Wenn sie auch nur den Verdacht hat, dass ich mich auf etwas einlassen könnte, das meine geistige oder emotionale Energie nicht wert ist, ist sie gleich zur Stelle und bringt mich wieder auf den Boden zurück.“

Wie recht ihre Mutter und Großmutter doch damit hatten, dass Rosa sehr nett war und man gut mit ihr reden konnte. „Sie mögen Sie auch sehr.“

Rosas Lächeln wurde noch herzlicher, als sie das hörte. „Ich werde jetzt aufhören, Ihnen die Ohren voll zu quasseln, aber ich hoffe, dass wir später Gelegenheit haben werden, etwas länger miteinander zu plaudern.“

Sarah hatte nicht gedacht, dass sie die Möglichkeit haben würde, am Ort neue Freundschaften zu schließen, wo sie doch höchsten für zwei Wochen hier war. Aber der ganze Tag war ja bereits ziemlich überraschend verlaufen …

Um Viertel nach sechs floss der Wein, ohne dass sich auch nur eine Stricknadel bewegt hätte, als noch eine, die letzte Frau durch die Tür trat. „Entschuldigt die Verspätung.“

„Die Brownies machen das wieder gut“, sagte Rosa. „Du hast doch Brownies, oder?“

„Warum meinst du wohl, dass ich so spät dran bin?“, erwiderte die Nachzüglerin lachend, aber Sarah erschien das Lachen gezwungen. Die Frau stellte ihr Tablett auf den Tisch und sah dann erstaunt auf. „Oh. Sarah. Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu sehen.“

Sarah hatte ihre alte Freundin seit Jahren nicht mehr gesehen. Als sie Catherine jetzt richtig betrachtete, erkannte sie sie kaum wieder, so viele Pfunde hatte die Frau, die früher immer so fit gewesen war, zugelegt.

„Catherine, wie geht es dir?“

„Abgesehen davon, dass ich mich gerade von dem verdammten Mistkerl, der mein Mann ist, scheiden lasse, geht es mir gut.“

Die Frauen um sie herum plauderten weiter, als sei alles völlig normal. Sarah bemühte sich, eine angemessene Antwort zu finden, aber eigentlich gab es keine. Catherine zuckte mit den Schultern, um Lockerheit zu demonstrieren, was ihr Sarah aber nicht abnahm.

„Willkommen daheim“, sagte Catherine und setzte sich dann auf ein Sofa in der Ecke gegenüber.

Sarah hatte noch nicht einmal gewusst, dass ihre Freundin geheiratet hatte. Sie war ja auch auf keinem der Jahrgangstreffen gewesen und hatte sich bei keinem der sozialen Netzwerke als Mitglied ihrer ehemaligen Schulklasse eingetragen.

Dorothy schlug mehrmals mit einer Stricknadel an ihr Weinglas. „Hallo alle miteinander“, sagte sie gebieterisch, „lasst uns Sarah, Denises Tochter begrüßen.“ In ihren Augen lag ein Zwinkern. „Auch wenn ihr euch noch aus der Zeit kennt, in der sie hier aufgewachsen ist, sollte jede von euch ihr etwas Einzigartiges und Erinnerungswürdiges von sich selbst erzählen. Und ich schlage vor, dass wir uns alle duzen, wie immer.“

Sarah schaute von ihrem Platz hinter der Registrierkasse auf. Sie hatte gehofft, hier unauffällig sitzen zu können, während die Strickgruppe ihr Süppchen kochte. Aber als Dorothy auf dem Sofa zur Seite rutschte und auf den Platz neben sich klopfte, wusste sie, dass sie in der Falle saß, und zwar richtig.

„Sarah und ich haben uns bereits kennengelernt“, sagte Helen, „aber damit du mich nicht vergisst, solltest du wissen, dass ich noch nie auch nur einen Zeh in den See gesteckt habe und das auch nicht vorhabe.“

Sarah war schockiert von diesem Geständnis. „Warum nicht?“

„Ich hatte als Kind in einem Schwimmbecken einen Unfall.“

„Aber im See zu schwimmen ist unglaublich.“ Seit Sarah Laufen gelernt hatte, liebte sie es, vom Ende des Anlegestegs ihrer Eltern zu rennen und mit einer Arschbombe im Wasser zu landen, egal, ob es im Hochsommer über dreißig Grad waren oder um die fünfzehn Grad im späten Frühjahr oder Frühherbst. Zu ihrer Überraschung überkam sie plötzlich das wilde, dringende Bedürfnis, aus dem Laden zu rennen, sich die Kleider abzustreifen und von einem Anlegesteg zu rennen, von irgendeinem, einfach, um das herrliche Gefühl zu erleben, wenn sie ins Wasser eintauchte.

„Das ist es bestimmt“, sagte Helen bedauernd, bevor sie der Frau mittleren Alters das Wort gab, die neben ihr saß. „Du bist dran, Angie.“

„Ich habe vier kleine Monster zuhause“, sagte Angie lächelnd, „und wenn ich nicht wüsste, dass ich nach einem Wochenende, an dem keins von ihnen jemals aufgehört hat, zu brüllen, in diese Gruppe hier flüchten kann, hätte ich sicher auch bereits im See einen Unfall gehabt. Und zwar mit Absicht.“

Alle lachten, aber Sarah rang um die richtige Antwort. Sie hatte seit Jahren nicht mehr das gute Gefühl genossen, von anderen Frauen umgeben zu sein. Bei der Arbeit war sie meist von Männern umgeben. Und da sie sich an ihre Regel hielt, im Büro keine Männergeschichten anzufangen, verbrachte Sarah den größten Teil ihrer Zeit mit Menschen, die im Grund nur geschäftliche Bekanntschaften waren.

„Sarah und ich haben uns gerade an der Tür kennengelernt“, sagte Rosa, als sich alle ihr zuwandten, damit sie sich vorstellen konnte. „Und ich bin mir bewusst, dass ich dir versprochen habe, dir nicht mehr die Ohren voll zu quasseln.“ Sie lächelte. „Aber ich muss es einfach noch einmal loswerden, dass der Laden deiner Familie mich in mehrfacher Weise gerettet hat.“ Ihr Lächeln wurde etwas zögerlicher. „Ich habe mich so bemüht, aus dem Chaos, in das mein Leben geraten war, wieder herauszukommen …“ Die Frauen blickten finster, als die Erinnerung an den Nacktfotoskandal wieder in ihnen hochstieg, bei dem jemand heimlich Fotos von Rosa gemacht und diese an die Presse gegeben hatte. „Ich war so durcheinander und so hin- und hergerissen. Und dann stand ich plötzlich in eurem tollen Laden und bekam von deiner Mutter und deiner Großmutter klipp und klar gesagt, dass ich mich nicht mehr zu verstecken brauchte. Sondern, dass ich mit hoch erhobenem Haupt einen neuen Anfang machen konnte. Egal, was andere dazu sagten.“

„Rosa hat meine Bluse bestickt“, sagte Helen und streckte ihre Handgelenke aus, damit alle die prachtvolle Stickerei an ihren Armbündchen bestaunen konnten. „Ich war in ihrem Kurs und habe es auch selbst versucht, aber ich freue mich immer über ihr Kunstwerk, wenn ich mir meine Bluse anschaue.“

„Wow.“ Sarah schaute wieder zu Rosa und war noch mehr beeindruckt, als sie es bereits vorher gewesen war. Sie kannte kaum jemanden, der es so gut geschafft hatte, ein neues Leben anzufangen wie diese Frau. „Hast du nach einem Stickmuster gearbeitet?“

Rosa wirkte bei all dem Lob etwas verlegen und schüttelte den Kopf. „Ich sticke viel lieber die Bilder, die ich in meinem Kopf sehe. Also“, sagte sie, eindeutig bemüht, die Aufmerksamkeit von sich abzuwenden, „du bist als Nächste dran, Catherine.“

„Sarah und ich kennen uns schon sehr lange.“ Catherine hatte Rosa angelächelt, aber als sie sich zu Sarah umdrehte, erlosch ihr Lächeln. „Ich brauche sie nicht mit Geschichten darüber zu langweilen, wie es mir nach der Highschool ergangen ist.“

Bevor Sarah entgegnen konnte, dass sie es doch gern gehört hätte, ergriff bereits eine andere Frau das Wort. „Ich bin Christie Hayden.“ Sie hatte goldblondes Haar, auffallend grüne Augen – und einen glitzernden Verlobungsring mit Diamant am Finger. „Ich helfe mit, den Gasthof am See zu leiten und freue mich unheimlich, dich kennenzulernen. Ich mag deine Mutter und deine Großmutter unwahrscheinlich gern.“

Sarah brauchte ein paar Sekunden, um den Ring an Christies Finger mit der Information zusammenzubringen, dass sie im Gasthof arbeitete. „Oh mein Gott, du bist Wesleys Verlobte!“ Ganz impulsiv und ohne nachzudenken umarmte Sarah Christie. „Du weißt, dass unsere Großmütter Schwestern sind, nicht?“

„Ich weiß“, sagte Christie und strahlte über das ganze Gesicht. „Es ist wirklich super, endlich mehr von seinen Verwandten kennenzulernen. Er erzählt immer so witzige Geschichten über all die Streiche, die ihr zwei ausgeheckt habt, als ihr noch klein wart.“

Sarah hatte lange nicht mehr an ihre Kindertage zurückgedacht, aber Wesley hatte recht – sie hatten als Kinder sehr viel Spaß gehabt, als sie zusammen am See herumtobten. Das war, bevor sie beschlossen hatte, alles sehr viel ernster zu nehmen. Und bevor sie beschlossen hatte, dass sie nicht hierbleiben konnte. „Ich habe mich so für ihn gefreut, als er mir seine Verlobung mitgeteilt hat. Ich will auf jeden Fall bei ihm vorbeikommen, um ihm persönlich zu gratulieren, während ich hier bin.“

„Und was ist mit dir, Sarah?“, fragte Dorothy. „Was bringt dich wieder in unsere Stadt?“

Sarah erstarrte. Sie wollte diese Frauen nicht anlügen, aber sie musste sich zuerst mit Calvin zusammensetzen und mit ihm über ihr Projekt reden. Er würde am besten wissen, wie man den Bürgern ihre Immobilienpläne präsentieren konnte. Wenn sie nach der Highschool öfter zurück in das Städtchen gekommen wäre, käme es vielleicht nicht allen so seltsam vor, dass sie jetzt hier war. Aber die ständigen Anforderungen ihres Berufs waren immer vorgegangen.

„Der Herbst am See ist immer so ruhig und friedlich. Es schien mir der richtige Ort zu sein, um mich auf ein wichtiges geschäftliches Projekt konzentrieren zu können.“

„Ruhig?“ Dorothy lachte. „Summer Lake ist eine Brutstätte für Aufregung und Intrigen.“

„Besonders jetzt, wo solche Traummänner wie Smith Sullivan und der Rest seiner Familie immer mehr Zeit hier verbringen“, fügte Helen augenzwinkernd hinzu. „Ich bin auf jeden Fall sehr froh zu sehen, wie Williams Kinder – und auch du, Rosa – jetzt immer um ihn sind. Er ist viele Jahre lang zu einsam gewesen.“

„Ich freue mich wirklich, dass ich Drakes Vater in den letzten Monaten besser kennenlernen konnte“, sagte Rosa lächelnd. Und dann fügte sie gutgelaunt hinzu: „Und du hast recht, dass so ein Sullivan-Traummann einer Frau nur guttun kann.“

Als alle lachten, hoffte Sarah, dass sich ihre Aufmerksamkeit jetzt endgültig in eine andere Richtung wenden würde. Zumindest, bis Catherine das Wort ergriff. „Sarah, du hast uns immer noch nichts Einzigartiges über dich selbst gesagt.“

Sie errötete wieder. Bevor sie sich versah, rutschte ihr ein Geständnis heraus: „Ich habe das Stricken verlernt.“