Sommersternenhimmel: Drei Romane in einem eBook - Jennifer Wellen - E-Book
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Sommersternenhimmel: Drei Romane in einem eBook E-Book

Jennifer Wellen

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Beschreibung

So prickelnd wie ein Kuss unter Sternen, so erfrischend wie eine Sommerbrise: Der Sammelband »Sommersternenhimmel« jetzt als eBook bei dotbooks. Tausche Chaos gegen Küsse! Zara ist ganz aus dem Häuschen, als sie einen Job bei einem angesagten Modelabel ergattert – Pech nur, dass in ihr mehr von Bridget Jones als von einem Teufel in Prada steckt … Wird sie vor lauter Fettnäpfchen am Ende sogar ihre große Liebe übersehen? Anna hingegen erkennt ihren Traumprinzen sofort, als ein geheimnisvoller Fremder auf einer rauschenden Feier ihres Unternehmens auftaucht. Doch tags darauf ist er wie vom Erdboden verschwunden … genauso wie ein überaus kostbares Gemälde. Wird Anna den Herzensdieb wiederfinden können? In Liebesturbulenzen geraten auch die Zwillingsschwestern Alex und Sam, als sie eine zauberhafte Villa erben … und sich plötzlich mit teuflisch charmanten Mietern herumschlagen müssen! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Feelgood-Sammelband »Sommersternenhimmel« mit den drei Liebesromanen »Honigkuchentage« von Jennifer Wellen, »Ein Mann macht noch keinen Sommer« von Lena Sand und »Die Villa der zauberhaften Wünsche« von Jeanette Sanders. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 1015

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Über dieses Buch:

Tausche Chaos gegen Küsse! Zara ist ganz aus dem Häuschen, als sie einen Job bei einem angesagten Modelabel ergattert – Pech nur, dass in ihr mehr von Bridget Jones als von einem Teufel in Prada steckt … Wird sie vor lauter Fettnäpfchen am Ende sogar ihre große Liebe übersehen? Anna hingegen erkennt ihren Traumprinzen sofort, als ein geheimnisvoller Fremder auf einer rauschenden Feier ihres Unternehmens auftaucht. Doch tags darauf ist er wie vom Erdboden verschwunden … genauso wie ein überaus kostbares Gemälde. Wird Anna den Herzensdieb wiederfinden können? In Liebesturbulenzen geraten auch die Zwillingsschwestern Alex und Sam, als sie eine zauberhafte Villa erben … und sich plötzlich mit teuflisch charmanten Mietern herumschlagen müssen!

Eine Übersicht über die Autorinnen finden Sie am Ende dieses eBooks.

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Sammelband-Originalausgabe Juni 2020

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2020 dotbooks GmbH, München. Eine Übersicht über die Copyrights der einzelnen Romane finden Sie am Ende dieses eBooks.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / GreyLilac / ezhenaphoto sowie © pixabay / pexels

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-071-0

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Sommersternenhimmel

Drei Romane in einem eBook

dotbooks.

Jennifer WellenHonigkuchentage

Haben wir nicht alle einen heimlichen Wunschzettel? Auf dem von Zara steht zuoberst ein Mann, der sie liebt, gefolgt von Schokolade ohne Kalorien und einem Job, in dem sie entspannt von einem Erfolg zum anderen hüpfen kann. Ja, das alles wäre schön – und tatsächlich glaubt sie dem Traum von Honigkuchentagen endlich näher zu kommen, als sie einen Job in einer angesagten Modelagentur ergattert. Allerdings ist Zaras größtes Talent dort eher weniger gut aufgehoben: das Aufspüren von Fettnäpfchen, in die sie mit traumwandlerischer Sicherheit tritt – aber vielleicht stolpert sie so zumindest ihrem Herzprinzen geradewegs in die Arme?

Prolog

Traurig betrachte ich mein Spiegelbild. Ich sehe aus wie eine Presswurst. Mein Hintern wird durch die strammsitzende Jeans ordentlich betont, weshalb ich mich frage, ob Jennifer Lopez und ich womöglich Zwillinge sind, die bei der Geburt versehentlich getrennt wurden.

Seufzend schäle ich mich aus der Jeans, verlasse die Umkleidekabine und gehe zur Kasse, um zumindest das T-Shirt zu bezahlen, das ich mir ausgesucht habe. Die Hose in Größe (ich mag es gar nicht aussprechen) 42 lege ich deprimiert zurück auf den Stapel.

Die Kassiererin, eine dunkelhaarige junge Frau, entfernt derweil das Sicherheitsetikett und scannt den Preis ein. »Macht 12,99 €, bitte.«

In meiner Geldbörse suche ich nach dem letzten Zwanzigeuroschein, finde ihn aber nicht. »Tut mir leid«, sage ich und wühle mittlerweile immer tiefer in den Kassenbons, die sich gerne über die Zeit ansammeln. »Kann ich auch mit Karte zahlen?«

»Normal schon, nur heute nicht. Wir bekommen keine Verbindung. Scheint ein Problem mit der Telefonleitung zu sein.«

Wie wild suche ich nun nach dem vermissten Zwanziger. Er muss doch hier irgendwo sein. Und plötzlich fällt es mir wieder ein. Mist. Ich war gestern Abend noch im Supermarkt.

Ratlos sehe ich die Verkäuferin an. »Ist hier irgendwo ein Automat von der Sparkasse?«

Sie nickt. »Gleich um die Ecke.«

»Könnten Sie mir dann so lange das T-Shirt zurücklegen?«, frage ich und verstaue mein Portemonnaie wieder in der Handtasche.

»Kein Problem.« Sie lächelt mich an und legt das Kleidungsstück beiseite.

Ich flitze aus dem Laden. Sekunden später stecke ich meine Karte in den Schlitz am Geldautomaten. Aber anstatt mich wie sonst nach der Eingabe des Pincodes zu fragen, erscheint ein Satz auf dem Display, der mir einen kleinen Schock versetzt: Ihre Karte wird einbehalten, bitte wenden Sie sich umgehend an Ihren Kundenservice.

Kapitel 1Ich will auch endlich mal einen Job

Unruhig rutsche ich auf der Ledercouch herum, die leise Pupsgeräusche von sich gibt. Die Bewerbungsmappe liegt auf meinem Schoß.

Nachdem mein Kundenberater bei der Bank mir gestern mitgeteilt hat, der Dispokredit meines Girokontos sei nicht nur ausgeschöpft, sondern schon mehrere Meter tief ausgehöhlt, wurde mir klar: Ich muss endlich was ändern. Ich sollte nicht nur mein Leben, sondern auch mein Gewicht wieder in den Griff kriegen.

Deshalb erschien es mir wie Schicksal, als Eva, meine Nachbarin, beiläufig erwähnte, Stars and Styles, die Modelagentur in der Stadtmitte, suche gerade eine Sekretärin zur Verstärkung. Folglich habe ich mir eine alte Bewerbung geschnappt und bin gleich hingefahren. Mein Paps ist der Meinung, die meisten Chefs mögen Eigeninitiative und seien viel eher bereit, Leute einzustellen, wenn sie schlichtweg überrumpelt würden. Allerdings war die blonde Sekretärin, die mich empfangen hat, nicht gerade begeistert. Sie hat gemeint, ich hätte mich zumindest telefonisch ankündigen sollen, die Chefin sei heute ziemlich busy. Allerdings habe ich so lange auf sie eingeredet, bis sie angenervt ins Büro nebenan marschiert ist. Seitdem sehe ich sie durch die Glasscheibe heftig mit ihrer Chefin diskutieren.

Ich nutze die Wartezeit, um mich etwas umzusehen. Eigentlich hatte ich mir eine Modelagentur immer schriller vorgestellt, doch hier bei Stars and Styles dominieren Chrom, Glas und dunkle Farben. Zwei durchsichtige Acrylschreibtische, auf denen iMacs zu sehen sind, stehen sich gegenüber und flankieren die Eingangstür, die den Blick auf die Straße freigibt. Zahlreiche Bilder von Models zieren die weiß gespachtelten Wände. Die einzigen Farbkleckse sind die knallroten Aktenordner in den schwarzen Expedit-Regalen sowie der große grüne Ficus direkt am Schaufenster. Schlicht, aber insgesamt sehr geschmackvoll. Hier zu arbeiten könnte ganz angenehm werden.

Ich zupfe am Gummiband meiner Mappe herum und sehe wieder zu den beiden Streithennen. Die Gesichtsfarbe der Chefin ähnelt mittlerweile einer überreifen Tomate. Unvermittelt dreht Blondie sich um und stürmt wutentbrannt aus dem Büro. Die Glastür knallt scheppernd an die Wand. Sie rennt zu einem der Acrylschreibtische und beginnt, nacheinander die Schubladen aufzureißen.

Unterdessen gesellt sich die Chefin zu mir. »Entschuldigen Sie bitte die Unannehmlichkeiten«, sagt sie mit ruhiger Stimme und streckt mir eine perfekt manikürte, faltenlose Hand entgegen. »Margot von Traunheim.«

Ich springe auf und bin gleichzeitig überrascht über ihren festen Händedruck. Eine Frau, die zupacken kann – sehr sympathisch. »Zara Berg«, stelle ich mich nun ebenfalls vor, aber das laute Fluchen von Blondie, die gerade den Inhalt einer Schublade in einen Karton pfeffert, lenkt mich kurz ab.

»Kommen Sie, Frau Berg. In meinem Büro ist es etwas ruhiger.« Mit einer auffordernden Handbewegung bedeutet mir die Chefin, ihr zu folgen.

Die Bewerbungsmappe an meine Brust gepresst, trabe ich ihr hinterher. Dabei bewundere ich ihre schlanke Figur. Obwohl sie flache Schuhe trägt, ist sie ein gutes Stück größer als ich. Schätze etwas um die 1,80. Ihre schwarzen Haare sind kunstvoll zu einer Banane hochgesteckt, und kein Haar wagt es, sich aus diesem perfekten Arrangement zu stehlen.

Frau von Traunheim schließt die Tür hinter mir und nimmt elegant an ihrem Schreibtisch Platz. Mit den hohen Wangenknochen und der wohlgeformten Nase würde sie trotz Fältchen als klassische Schönheit durchgehen.

Ich setze mich auf einen der Polsterstühle ihr gegenüber und reiche ihr meine Mappe. Sie nimmt sie entgegen. »All right. Ich habe gehört, Sie wollen sich hier als Sekretärin bewerben.«

»Yes … äh … ja genau.«

Ihre makellosen Hände, deren Nägel sogar in passendem Farbton zu ihrem braunen Kostüm lackiert sind, lösen das Gummi der Mappe. Schließlich schlägt sie den Deckel zurück und sucht meinen Lebenslauf heraus. »Bei welcher Agentur haben Sie denn vorher gearbeitet, Frau Berg?« Ihre Blicke fliegen über das Papier.

Umgehend verkrampft sich mein Magen. »Also, es war keine Agentur«, sage ich zögerlich. Natürlich weiß ich selbst, dass meine absolute Jungfräulichkeit auf dem Modesektor vielleicht ein Problem darstellen könnte. Aber ich bin der Meinung, so kompliziert kann das Modelbusiness nicht sein, zumindest nicht komplizierter als der Vertrieb.

»Ich sehe schon, Sie kommen aus einer ganz anderen Sparte. Wieso bewerben Sie sich denn dann in einer Modelagentur?«

»Mitsumi Exports, wo ich auch meine Ausbildung gemacht habe, hat … äh … mich gekündigt. Ich bin deshalb schon länger arbeitslos und … äh … ich brauche ganz dringend einen neuen Job. Als ich gehört habe, Sie würden eine Sekretärin suchen, habe ich …«

»Und warum wurden Sie gekündigt?«, unterbricht Frau von Traunheim mein verunsichertes Gestammel.

Ich atme tief durch. Der schreiende Chef, ich, wie ich auf der Couch sitze, heule und das Kündigungsschreiben in der Hand halte, all diese Erinnerungen haben sich nur allzu deutlich in mein Hirn eingegraben. »Kurz nach dem Tod meiner Mutter war ich ziemlich durch den Wind und, zugegeben, nicht immer ganz bei der Sache«, sage ich und räuspere mich kurz. »Ich habe eine Bestellung falsch rausgegeben, und das hat meine Firma einige Kunden gekostet, die daraufhin zur Konkurrenz abgewandert sind.«

Die Chefin schlägt resolut den Deckel der Mappe zu. »Right, das ist natürlich keine angenehme Situation. Allerdings kann ich darauf keine Rücksicht nehmen. Ich suche schon jemanden mit Erfahrung.«

Gut. Mit der Antwort hatte ich insgeheim gerechnet. Trotzdem verkrampfen sich meine Schultern einen Deut mehr, und in Gedanken sehe ich mich bereits auf der Limbecker Straße singen wie die Kelly Family.

Komm schon, Zara, lass dir was einfallen. Du willst doch diesen Job, oder? Nein, korrigiere: Du brauchst diesen Job!

»Natürlich, deswegen sollte ich vielleicht mein dreimonatiges Praktikum bei …« Fieberhaft überlege ich. »… bei Supermodels in Bremen erwähnen.« Dass mir das so spontan überhaupt eingefallen ist. Natürlich habe ich kein Praktikum gemacht. Eigentlich ist es auch gar nicht meine Art zu flunkern.

»Supermodels? Hm …« Margot von Traunheim runzelt die Stirn. »Sagt mir nichts, aber die Agenturen sind dank Heidi Klum in den letzten Jahren ja wie Pilze aus dem Boden geschossen.« Sie legt den Lebenslauf zurück in die Mappe, befestigt das Gummi und gibt mir meine Bewerbung zurück. »Sie sollten auf jeden Fall das Praktikum in Ihrem Lebenslauf ergänzen.«

»Natürlich.« Ich lächele entschuldigend.

»Wo war denn der Schwerpunkt von Supermodels?«, hakt sie nach.

Schwerpunkt, oh je. Was bitte ist bei einer Modelagentur ein Schwerpunkt? Im Vertrieb war es natürlich der Verkauf von bestimmten Produkten, wie bei Mitsumi sterile Einmalartikel für den Klinikbereich. Aber mal ehrlich, sind Models nicht auch so etwas wie Produkte? Klar!

»Dicke Models«, antworte ich prompt.

Sie guckt skeptisch. »Ich meinte eigentlich mehr den Aufgabenbereich, also Fashion, Commercial oder Runway?«

»Kataloge«, kommt es aus mir herausgeschossen.

Meine Güte, was erzähl ich denn da. Okay, vielleicht muss ich mich vorher doch noch etwas einlesen.

»Also, viel beigebracht hat man Ihnen bei Supermodels anscheinend nicht, aber Praktikanten werden ja häufig eh nur fürs Kaffeekochen missbraucht.« Die Agenturchefin lehnt sich mit verschränkten Armen in ihrem Schreibtischstuhl zurück.

Nervös beiße ich mir auf die Unterlippe.

Bitte, Margot, gib dir einen Ruck. Ich will auch endlich mal einen Job.

Frau von Traunheim blickt hastig zu Blondie rüber, die gerade in ihr pinkfarbenes Smartphone plärrt. Sie seufzt herzergreifend auf und verschränkt die Arme vor der Brust.

»Frau Berg, ich mache Ihnen einen Vorschlag.« Nun schaut sie zurück zu mir. »Frau Zakharov muss aufgrund einiger Differenzen die Agentur verlassen. Demnach brauche ich jetzt wirklich dringend Ersatz. Zur Not auch jemanden ohne Erfahrungen, die kann man sich gegebenenfalls ja noch aneignen.«

Habe ich es mir doch gedacht. Sie wurde gekündigt. Wie es aussieht, sogar fristlos.

»Wir vereinbaren eine Probezeit von vier Wochen. Wenn Sie sich in der Zeit als verlässliche Arbeitskraft erweisen, bekommen Sie eine Festanstellung und wir verrechnen die Zeit mit Ihrem ersten Gehalt.« Die Chefin der Agentur lächelt mir zu.

Gut, das war jetzt eigentlich nicht das, was ich hören wollte, aber immerhin besser als: Ich habe heute leider keinen Job für dich.

»Und wenn nicht?«, will ich wissen und rutsche unruhig auf dem Stuhl herum.

»Hoffe ich, bis dahin jemand anderen gefunden zu haben, und Sie konnten wieder etwas Erfahrung in der Modebranche sammeln. Außerdem bekommen Sie eine angemessene Vergütungspauschale für Ihre Bemühungen. Wann könnten Sie denn überhaupt anfangen?«

Mein Ehrgeiz und auch mein Sparkassenberater wollen aber lieber die Festanstellung. »Sofort natürlich!«

Frau von Traunheim steht auf, hält mir ihre Hand hin und sagt schließlich lächelnd: »Na dann, herzlich willkommen bei Stars and Styles, Frau Berg.«

»Und?« Evas Blick spricht Bände. Sie würde mir die Infos am liebsten aus der Nase ziehen.

»Jein«, sage ich und schließe meine Tür auf.

Unsere Wohnungseingänge liegen sich direkt gegenüber, was für mich bedeutet, dass ich niemals unbemerkt hineinhuschen kann. Eva hat so gute Ohren wie eine Schleiereule, die angeblich ja sogar in 3D hören kann.

»Wie jein?« Meine Freundin stemmt die Hände in die Hüften.

Seufzend lasse ich mich auf die Knie sinken, um zuerst Nuts zu begrüßen. Meine Hände durchwuscheln das dunkelbraun gelockte Fell des Königspudels.

»Zara, jetzt erzähl schon.« Evas Stimme klingt genervt.

Ich stehe auf, klopfe mir die Hundehaare von der Hose und wende mich ihr zu. Ungeduldig tritt sie bereits von einem Bein aufs andere.

»Also wenn ich die nächsten vier Wochen durchhalte, habe ich den Job«, teile ich ihr mit und kann mir ein dümmliches Grinsen dabei nicht verkneifen.

Eva jauchzt auf, reißt die Arme in die Höhe und vollführt umgehend eine Art Regentanz im Hausflur. Natürlich hat sie meine monatelang andauernde Durststrecke mitsamt allen Depressionsphasen in vollen Zügen genießen dürfen. Also kein Wunder, dass sie sich über diese Neuigkeit nun freut. Auf dem Absatz dreht sie sich um und rennt in ihre Wohnung. Überrascht sehe ich ihr hinterher. Nur Sekunden später steht sie mit einem Zettel in der Hand wieder im Türrahmen. »Das müssen wir gebührend feiern.«

»Mit billigem Lambrusco und fettiger Mafiatorte?« Ich greife zu dem grünen Flyer, den meine Nachbarin mir hinhält. An ihrer Pinnwand in der Küche hängen diverse Prospekte für Essensnotfälle. Eva kann nämlich nicht kochen.

Bei dem Gedanken an eine große Quattro stagioni mit doppelt Käse läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Allerdings kommt mir mein Vorsatz wieder in den Sinn, mein Leben und mein Gewicht in den Griff bekommen zu wollen. Aber heute mache ich eine Ausnahme, quasi zur Feier des Tages.

»Ole kommt auch gleich, also lass uns schon mal bestellen«, ruft Eva. Sie läuft Richtung Telefon.

Ich pfeife nach Nuts, ziehe meine Wohnungstür zu und betrete ihr heiliges Reich. Während ich meinen Pizzawunsch durchgebe, kommt ihr Mann herein.

Ole macht seinem Namen alle Ehre. Er ist nicht nur groß, blond und blauäugig, sondern hat auch norwegische Wurzeln. »God aften«, sagt er und strahlt uns an. Strahlen ist auch genau das richtige Wort. Seine Zähne sind dermaßen weiß, dass selbst der Zahnarzt in der Sensodyne-Werbung neidisch werden würde. Ich finde ja, Ole sollte in dem Spot mitmachen, dann wäre wenigstens mal ein echter Zahnarzt zu sehen.

Wir drei gehen ins Wohnzimmer. Gleich nachdem ich mich auf einem der Sessel platziert habe, hüpft mir mein Hund auf den Schoß. Vor vier Jahren habe ich Nuts als Welpe in einer Kiste am Straßenrand gefunden und sofort beschlossen, ihn zu behalten. Mittlerweile hat er 25 stolze Kilos auf den Rippen, mit denen er es sich jetzt auf mir gemütlich macht. Liebevoll tätschle ich seinen Hintern und werde zum Dank mit einem Zungenkuss belohnt.

»Stell dir vor, Zara hat den Job«, jubelt Eva.

Ole reißt erstaunt die Augen auf. »Echt? Zeig mal den Vertrag.«

Da Ole vor seinem Zahnmedizinstudium drei Semester Jura studiert, aber mangels Paragrafenbegeisterung abgebrochen hat, will er meist gleich alles auf Herz und Nieren prüfen.

»Ich habe erst mal nur eine vierwöchige Probezeit.«

Skeptisch zieht er die Augenbrauen in die Höhe. »Na dann lass dich bloß nicht über den Tisch ziehen. Nachher ackerst du da für vier Wochen und bekommst zum Dank nen feuchten Händedruck.«

»Du und deine Schwarzseherei.« Eva setzt sich neben ihren Mann auf die Couch. »Sei doch froh. Immerhin ist sie seit knapp einem Jahr ohne Job.«

»Bin ich doch auch, sie soll sich nur nicht verarschen lassen«, gibt er zurück und legt den Arm um seine Frau.

»Ich glaub jetzt nicht, dass du das sagst.« Eva wirft ihm einen merkwürdigen Blick zu.

»Was soll das denn heißen?« Ole reißt überrascht die Augen auf.

Eva schüttelt fassungslos den Kopf. »Wer hat ihr denn seinen besten Freund aufs Auge gedrückt, der sich dann als absoluter Vollpfosten entpuppt hat? Und du sagst ihr, sie soll sich nicht verarschen lassen?«

»Wieso Vollpfosten?«, echauffiert sich Ole und zieht seinen Arm wieder weg.

»Ich bitte dich«, schießt Eva zurück. »Er hat sie sitzen lassen, und das zeugt nicht gerade von Charakter. Ein Wunder, dass er überhaupt aufrecht gehen kann bei so wenig Rückgrat.«

Ich verfolge stillschweigend den Wortwechsel der beiden. Die Beziehung zu Julian, Oles Freund, hat nur ein Jahr gehalten, und ehrlich gesagt war ich die meiste Zeit davon auch nicht wirklich eine ideale Partnerin. Erst starb meine Mutter, dann wurde ich gekündigt, und zum Schluss habe ich nur noch depressiv auf der Couch gelegen und mich mit Rotwein und Karamelleis getröstet. Vor einem halben Jahr hat Julian sich schließlich von mir getrennt.

»Aber da konnte doch Julian nichts für. Zara hingt total durch, damit kam er eben nicht klar.« Ole rückt ein Stück von Eva ab.

»Er hätte sich aber auch nicht einfach so verdünnisieren dürfen. Ein Kerl, der Eier in der Hose hat, steht seiner Frau bei. Es heißt nicht umsonst: in guten wie in schlechten Zeiten, oder?« Eva verschränkt die Arme vor der Brust.

»Die beiden waren aber nicht verheiratet.«

»Gilt so ein Grundsatz etwa nur für Verheiratete? Ich finde, das sollte generell Motto einer jeden Beziehung sein.«

»Stopp«, gehe ich dazwischen und hebe abwehrend die Hände. »Ich bin noch anwesend, und meine Ohren funktionieren einwandfrei, okay?«

»Tut mir leid, Zara«, sagt Eva, steht auf und kommt zu mir herüber. »Du hast vollkommen recht. Wir haben außerdem das Wesentliche vergessen.« Sie setzt sich neben mich und nimmt mich in den Arm. »Was ist, sollen wir heute Abend deinen Erfolg mit Cocktails begießen gehen?«

Ole schüttelt den Kopf. »Sorry, ohne mich. Ich muss gleich noch mal in die Praxis.«

»Warum?« Eva sieht überrascht zu ihm rüber.

»Notfall. Herrn Breuer ist ein Frontzahn abgebrochen.«

»Kann der nicht einfach morgen kommen?«

»Evilein, ich brauch nicht lang. Ein bisschen zurechtfräsen, Abdruck machen, Provisorium anpassen, fertig. Vielleicht geht ihr einfach schon mal vor und ich komme nach.«

Ich bemerke, wie meine Freundin sich versteift. Aber bevor es deswegen noch Streit gibt, schreite ich ein. »Um die Diskussion an dieser Stelle abzukürzen«, sage ich, »morgen früh muss ich zur ersten Schicht antreten. Können wir das Feiern vielleicht um vier Wochen verschieben, wenn ich den Vertrag bekomme? Schließlich soll man den Tag nicht vor dem Abend loben.«

Kapitel 2Stars and Styles

»Es wäre schön, wenn Sie sich heute noch um die Bestellung der Flyer und Plakate für unsere Werbeaktion kümmern könnten. Die müssen dringend raus«, fordert mich die Chefin auf.

Ich zögere. Meine letzte Bestellung ist immerhin gründlich danebengegangen. Aber nur weil ich einmal eine Bestellung versaut habe, heißt das ja nicht, dass ich in Zukunft alle anderen auch versaue, oder? »Klar, kein Problem.«

»Wunderbar, dann zeige ich Ihnen, wo Sie die Datei finden.« Die Chefin lächelt mir aufmunternd zu.

Trotzdem bekomme ich langsam wieder Muffensausen. Den ganzen Morgen über hat sie versucht, mich einzuarbeiten. Mir schwirrt schon der Kopf von den ganzen unbekannten Begriffen, und das, obwohl ich gestern Abend noch gefühlte Hunderte von Internetseiten quergelesen habe. Zusammen mit Eva hatte ich eine Liste mit Begriffen aufgestellt, die wir beide bei Germanys next Topmodel aufgeschnappt haben. Die habe ich dann nach dem Essen schnell gegoogelt. Schließlich soll meine Notlüge mit dem Praktikum nicht gleich am ersten Tag auffliegen.

Frau von Traunheim klickt sich durch mehrere Ordner. »Hier ist sie. Die Datei brauchen Sie jetzt nur per Mail an unsere Hausdruckerei schicken. Warten Sie, ich schreibe Ihnen schnell die Adresse auf.« Sie notiert etwas auf dem Post-it-Block. »Bestellen Sie einfach 1.000 Flyer A6 170 g doppelseitig in matt und zehn Plakate im DIN-B2-Format ebenfalls matt. Das sollte reichen.«

»Oh … okay«, stottere ich und trommle mit den Fingern nervös auf der Schreibtischunterlage herum.

»Wir haben eine Agentur, die Studenten vermittelt, die Werbung verteilen. Finden Sie hier in dem Adressverzeichnis unter Mensajobs.« Die Chefin schiebt mir das Rondell mit den Karteikarten zu. Sie öffnet die Illustrator-Datei mit einem Doppelklick, scrollt vor und zurück und richtet sich anschließend wieder auf. »Soweit ich sehen kann, ist alles in Ordnung.« Sie lächelt mich an.

Auf die Schnelle versuche ich, mir den Namen sowie Speicherort der Datei zu merken, damit ich sie später auch wiederfinde.

»Schicken Sie sie einfach ab. Den Rest erledigen dann die Leute in der Druckerei.« Sie klopft mir aufmunternd auf die Schulter.

Ich atme einmal tief durch. Na, wenn es weiter nichts ist …

»Danach kommen Sie bitte in mein Büro, ich checke schnell meine E-Mails und würde Ihnen gerne noch zwei Briefe diktieren.« Margot von Traunheim eilt in ihr Büro. Leise summt sie vor sich hin, und ich beneide sie einfach nur um ihre Gelassenheit.

Als ich aus dem Büro der Chefin komme, sehe ich Blondie neben meinem Schreibtisch stehen. Gestern Mittag war sie fluchend mit ihren persönlichen Dingen unter dem Arm aus der Agentur gerauscht. Sie tut mir irgendwie leid. Ich weiß ja selbst, wie es ist, ohne Job dazustehen.

»Kann ich dir vielleicht helfen?«, frage ich mitleidig.

Der Blick, mit dem sie mich nun taxiert, würde mich auf der Stelle zu Staub zerfallen lassen, wenn er es denn könnte.

»Nein«, faucht sie zurück. »Oder hast du womöglich einen neuen Job für mich?«

»Leider nicht.« Ich zucke mit den Schultern. »Schließlich bin ich Sekretärin und kein Head-Hunter.«

Wieder streift mich ihr Jedi-Todesblick, und ich fühle mich zumindest etwas schwächer. Wenn sie noch ein wenig übt, kann sie damit demnächst sicher kleinere Insekten um die Ecke bringen. Da sie wahrscheinlich zur Chefin will und sich hier ja auskennt, setze ich mich auf den Schreibtischstuhl, öffne Word und beginne mit dem Abtippen der Briefe.

»Entschuldige«, seufzt sie unvermittelt auf. »Du kannst ja wirklich nichts dafür.« Blondie, die in Wirklichkeit Natascha Zakharov heißt, platziert ihren schmalen Salathintern auf meinem (ehemals ihrem) Schreibtisch. Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig, meine Kaffeetasse in Sicherheit zu bringen. »Willst du dir das hier wirklich antun?«

Ich blicke zu ihr auf. Natascha mustert mich abschätzend.

»Was meinst du? Den Job, oder was?« Ich lehne mich in meinem Schreibtischstuhl zurück und lege den Stenoblock beiseite.

»Das alles hier.« Sie macht eine Handbewegung und sieht mich herablassend an.

»Klar will ich, wieso?«

»Weil du nicht danach aussiehst, als würdest du aus diesem Business kommen«, gibt sie herablassend zurück.

Zwar hab ich mir selbst heute Morgen mehrmals die Frage gestellt, ob ich wirklich hier reinpasse, doch mir bleibt ja vorerst nichts anderes übrig. Bis ich was Passendes im Vertrieb gefunden habe, kann es noch etwas dauern.

Ich verschränke energisch die Arme. »Wieso? Wer sagt denn, dass ich nicht aus dem Modelbusiness komme«, erwidere ich trotzig, »schließlich gibt es kein Modelbusiness-o-Meter oder so was.« Zumindest habe ich noch von keinem gehört oder gelesen.

»Dein Aussehen sagt mir das.« Natascha holt tief Luft. »Deine Haare zum Beispiel. Die könnten dringend einen Schnitt gebrauchen. Außerdem würde ich mir die Locken rausföhnen.«

Unwillkürlich streiche ich mit einer Hand meine Haare glatt.

»Und dieses komische Rot ist schrecklich. Nimm beim nächsten Mal 6.60 von Olia.« Sie nimmt eine meiner Haarsträhnen in die Hand und zwirbelt sie mit spitzen Fingern.

»Meine Haare sind nicht gefärbt«, echauffiere ich mich und wehre ihre Hand ab.

Mir scheint, sie hört mir gar nicht zu, denn sie quatscht unbeirrt weiter. Ihr Blick huscht über meine Figur. »Außerdem bist du ziemlich moppelig. Wie groß bist du? 1,70?«

Angriffslustig recke ich das Kinn vor. »Nein, 1,72!«

»Lass mich raten, 75 Kilo, stimmt’s?« Sie schmunzelt.

»Falsch geraten.« Ich fühle das Blut in mein Gesicht schießen. In Wirklichkeit weiß ich es gar nicht. Ich weiß nur, es ist genug für Größe 42. Aber das werde ich Blondie sicher nicht auf die Nase binden. »Es ist völlig unerheblich, wie viel ich wiege. Ich bin schließlich Sekretärin und kein Model«, sage ich im Brustton der Überzeugung.

Natascha schüttelt den Kopf. »Aber du wirst auch repräsentative Aufgaben übernehmen müssen. Da wäre es schon schön für die Agentur, wenn Sie sich mit dir nicht blamiert.« Sie seufzt laut auf. »Aber dass Stars and Styles sich mit dir blamieren wird, steht außer Frage. Deine Klamotten sind absolut nicht edgy, deine Fingernägel frowsy, aber das Schlimmste an dir sind wirklich die Low-cost-Ballerinas.«

Herrgott, die Frau ist die Bosheit in Person. In meinem Magen ballt sich ein Wutknoten zusammen, für dessen Lösung selbst Houdini ewig brauchen würde. »Weißt du was, das ist mir jetzt zu blöd.« Meine Wangen brennen. »Willst du nun zur Chefin oder einfach nur rumstänkern?«

Nataschas Blick huscht zum Büro der Chefin rüber, die hinter dem riesigen Monitor ihres iMacs verschwunden ist. »Weder noch«, antwortet sie mit einem unechten Lächeln. »Bis dann, Ginger, ich denke, wir sehen uns.«

Und ehe ich darauf etwas erwidern kann, ist sie auch schon durch die Tür verschwunden.

»Sie beißt nicht, okay?« Eva steht neben meiner Personenwaage und fordert mich mit einer Handbewegung auf, mich endlich draufzustellen.

Ich zögere. Eigentlich will ich gar nicht wissen, wie viel ich wiege. Der Schock über die Erkenntnis, Größe 42 zu haben, war schließlich groß genug.

»Kann ich nicht einfach mit dem Joggen anfangen, ohne mich von einem elektronischen Teil als übergewichtig abstempeln zu lassen?«, sage ich mit weinerlicher Stimme.

Meine Waage ist so eine eierlegende Wollmilchsau, die nicht nur den BMI und Fettanteil berechnen kann, sondern über eine WLAN-Verbindung diese kompromittierenden Daten vermutlich direkt auf meinem Facebook-Profil postet und mich zum Gespött meiner 148 Freunde macht. Gibt es für so was eigentlich einen Mitleidsbutton?

»Also los jetzt. Immerhin willst du doch wissen, ob das Joggen erfolgreich war. Und wie sonst willst du es abschätzen können, wenn du nicht weißt, was dein Ausgangsgewicht ist.« Meine Freundin tappt ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. »Soll ich dich vielleicht auf den Arm nehmen, so wie du es immer bei Nuts machst?«

»Bloß nicht.« Mein rechter Fuß schwebt zehn Zentimeter über der glänzenden Glasoberfläche. Trotzdem zögere ich.

»Komm schon, Zara, Augen zu und durch.« Eva schubst mich ein wenig.

Ich zögere immer noch. Dennoch - sie hat ja recht. Es nützt alles nichts. Wenn ich schon weiß, welche Größe ich neuerdings trage, wäre es vielleicht auch nützlich zu wissen, wie viel Kilos ich in Größe 42 reinquetschen muss. »Also gut, ein kleiner Schritt für Zara, aber ein großer Schritt hin zum Wunschgewicht, oder?« Ich sehe sie fragend an.

»Genau«, pflichtet Eva mir bei und nickt.

Ich atme tief durch, schließe die Augen und besteige die Platte des Grauens. »Und?«, frage ich meine Freundin. Ich sehe wegen der geschlossenen Augen ja nichts.

»Äh … Was hast du vorher gewogen?« Evas Stimme klingt merkwürdig belegt.

»60 Kilo. Wieso?«

»Heilige Muttergottes.« Dem lauten Klatschen nach zu urteilen, hat Eva gerade die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.

»Was soll das denn heißen?« Entsetzt reiße ich die Augen auf und werfe einen Blick auf das Display. Der Schock breitet sich kribbelnd in mir aus wie ein elektrischer Stromschlag. »Das kann unmöglich richtig sein. Die Waage ist nicht in Ordnung.« Ich springe herunter und reiße mir die Klamotten bis auf die Unterwäsche vom Leib. Mein Blick fällt auf den Badezimmerspiegel. Haben die Seiten des Stringtangas eigentlich immer schon so eingeschnitten?

Eva postiert sich auf der Waage und wartet, bis das Gewicht angezeigt wird. »Nee, die Waage ist völlig in Ordnung. 58 Komma sechs.«

Unsanft schubse ich Eva runter. »Weg mit dir, du Hungerhaken.« Jetzt will ich es wissen. Wieder steige ich auf die Waage, in der »waagen« Hoffnung, die Klamotten hätten mindestens ein Gewicht von fünf Kilo gehabt. Aber nachdem die Zahlen sich nicht mehr verändern, brennt sich eine Zahl in mein Gehirn, wie ein Branding auf den Hintern eines Pferdes. 80,9 Kilo.

Oder habe ich aus Versehen die Waage auf Pfund eingestellt?

Kapitel 3A little bit more drama, baby

Nina und Steffi, die beiden Studentinnen von Mensajobs, stehen neben meinem Schreibtisch, um sich ihren Arbeitslohn abzuholen. »So, ihr habt gestern und heute insgesamt acht Stunden gearbeitet und bekommt sieben Euro die Stunde. Macht zusammen 112, richtig?«, frage ich sicherheitshalber nach.

Nina, die Wortführerin der beiden, nickt eifrig. Ich greife in die Schreibtischschublade, in der ich heute Morgen etwas Bargeld deponiert habe. Schließlich fülle ich zwei Quittungsbelege aus, die ich mir unterschreiben lasse.

Mit dem Geld in der Hand verabschieden sie sich von mir. Ich muss gestehen, ich beneide sie um ihren Feierabend. Heute war in der Agentur die Hölle los. Mehrere Neuaufnahmen in die Modelkartei, zahlreiche Anrufe zwecks Anfragen, Abrechnungen von Aufträgen, Direct-Bookings von Models und Terminierungen für zahlreiche Optionen in der nächsten Woche. Mir blieb kaum Zeit zum Atmen. Eigentlich ist das Sekretariat auch ein Job für zwei. Einer für eine Sekretärin, die alle Schreibarbeiten und Abrechnungen erledigt, der andere für einen richtigen Booker, der sich nur um Terminierungen, Buchung und Angelegenheiten rund um die Models kümmert. So wie ich es verstanden habe, hat Natascha beide Jobs parallel gemacht, weshalb Frau von Traunheim eine zusätzliche Sekretärin suchte. Dass sie just in diesem Moment Natascha gekündigt hat, war dann wohl mein Glück im Unglück. Sonst hätte sie eher auf jemanden mit Erfahrung gewartet. Aber da auch ich überfordert bin, sucht die Chefin nun händeringend nach einer zusätzlichen Kraft. Am Montag stellen sich gleich drei Kandidaten vor. Einer davon interessanterweise ein Mann.

Ich räume schnell den Quittungsblock zurück in die Schublade und hefte die Durchschläge ab. Nachdem mich Frau von Traunheim ordentlich eingearbeitet hat, war die Assistenz trotz meiner fehlenden Kenntnisse kein Problem mehr. Natürlich habe ich hin und wieder eine Frage, die jedoch von ihr mit stoischer Gelassenheit beantwortet wird.

Nächste Woche darf ich vielleicht sogar eines unserer Mädchen zu einem Fotoshooting begleiten. Die Chefin hat einen wichtigen Termin, sieht die jüngeren Models bei ihren ersten Aufträgen aber gerne betreut. Grund genug für sie, mich als Ersatz dorthin zu schicken, obwohl ich Quereinsteigerin bin. Bis dahin muss ich jedoch noch einige unspektakulärere Arbeiten erledigen, wie zum Beispiel die leeren Kartons von den Werbeprospekten zerreißen.

Ich teile der Chefin mit, dass ich mich kurz in die hinteren Räume begebe, und frage sie auch gleich, ob ich ihr einen Grüntee aufbrühen soll. Sie schwört ja auf dieses Gesöff. Ich kann mich dafür aber nicht wirklich erwärmen. Koffein bleibt eben mein absoluter Favorit. Egal ob grande oder small. In der Personalküche bereite ich den speziellen Teewasserkocher mit Temperaturwahl vor und beginne den ersten Karton kleinzumachen.

Die Flyer waren innerhalb von drei Tagen angeliefert worden. Natürlich wollte ich, neugierig, wie ich bin, wissen, wofür die Werbeaktion gestartet wird. Die Chefin hat mir daraufhin erklärt, die Agentur suche derzeit einen speziellen Typ von Model für eine große Kampagne. Die neue Kollektion des griechischen Stardesigners Kiriakos (von dem ich ehrlich gesagt noch nie was gehört habe) soll in einer groß angelegten Fotostrecke in der Zeitung Outsight erscheinen (von der ich auch noch nie was gehört habe) und anschließend auf verschiedenen Modeschauen präsentiert werden. Für uns könnte dabei eine recht üppige (ich vermeide mit Absicht das Wort fett) Provision rausspringen, sofern wir eines unserer Mädchen vermitteln. Im Schnitt bekommen Agenturen fünfundzwanzig Prozent. Allerdings soll das Model tätowiert und gepierct sein, da Kiriakos’ neue Modelinie einer Mischung aus (äh … wie hieß das noch mal … ach ja) Trash und Urban Style entspricht.

Mich erinnern die Klamotten ja mehr an zusammengenähte Stofffetzen, was die Modewelt aber natürlich ganz anders sieht. Dafür wird sogar richtig Geld auf den Tisch gelegt. Allein die Jeans seiner Kollektion, die aussieht, als sei sie von Chucky der Mörderpuppe bearbeitet worden, kostet 790 Euro. Nun gut, aber ich spreche auch nicht »modisch«. Klamotten müssen für mich zweckmäßig und bequem, aber ganz bestimmt nicht ätschi oder so sein. Aus diesem Grunde gibt es nun die Werbeaktion. Keines unserer Models entspricht der Idealvorstellung des Stardesigners, denn die meisten Kunden wollen doch eher optisch perfekte Körper. Bodypaintings kommen für Kiriakos auch nicht infrage, da er das zu gewöhnlich findet.

Der Wasserkocher schaltet sich ab. Ich überprüfe kurz die Temperatur und nehme ein Tee-Ei, in das ich etwas von den grünen Blättern fülle. Anschließend gieße ich das Ganze mit Wasser in einer speziellen Tontasse auf. Dann greife ich zu dem letzten Karton. Darin liegt noch ein einzelner, einsamer Flyer eingeklemmt am Boden.

Vielleicht nehme ich ihn mit nach Hause, sozusagen als Erinnerung an die interessante Zeit hier. Gestern habe ich zehn Bewerbungen an verschiedene Firmen rausgeschickt und hoffe, zumindest ein oder zwei Vorstellungsgespräche ergattern zu können. Im besten Fall natürlich eine Stelle. Doch schon bei meiner letzten Jobsuche habe ich gesehen, wie schwierig es sein kann, etwas zu finden, vor allem wenn man gekündigt wurde.

Ich greife in den Karton, befreie den Prospekt und zerreiße die restliche Pappe. Anschließend schnappe ich mir die Tasse mit dem Tee. Auf dem Rückweg zum Büro der Chefin mustere ich den glänzenden Flyer genauer.

So wie Frau von Traunheim mir erzählt hat, wurde er von einer Medienagentur entworfen. Zu sehen ist darauf eine tätowierte junge Frau, die sich nackt auf der Seite rekelt. Allerdings ist sie so perfekt positioniert, dass weder Brüste noch der Intimbereich zu sehen sind. Über der Schwarz-Weiß-Aufnahme steht in geschwungener goldener Schrift: Wir suchen dich. Ich drehe den Flyer um. Dort ist wieder die junge Frau zu sehen. Allerdings ist diesmal ihre Rückseite abgelichtet.

Du liebe Güte. An ihr gibt es scheinbar keinen Quadratzentimeter, der nicht tätowiert ist. Oder ist das womöglich bearbeitet?

Das »Wir suchen dich« ist in Spiegelschrift geschrieben. Unten rechts steht: Bist du tätowiert, gepierct, über 16, mindestens 1,75 groß und hast Lust, Mode zu präsentieren, dann melde dich. Daneben die Kontaktdaten unserer Agentur, die ich kurz überfliege.

In diesem Augenblick habe ich das Gefühl, ein Riesenbandwurm würde sich durch meinen Magen-Darm-Trakt fressen, mein Herz gegen die Lungenflügel drücken und meine Blutgefäße dazu bringen, im Takt von Staying alive zu pulsieren. Die Hand, die den Flyer hält, zittert ebenso wie die andere mit dem Tee, der heiß über meine Finger schwappt.

Ich schreie auf und beeile mich, die Tasse bei der Chefin auf dem Schreibtisch abzusetzen. Sie sieht mich erschrocken an. »Alles in Ordnung, Frau Berg?«

Als ich ihren fragenden Blick bemerke, rutscht mein Herz nicht nur in die Hose, sondern sogar noch eine Etage tiefer in die Knie. Ach was rede ich da, in die Füße. »Äh … ja. Alles in Ordnung. Hab mich nur verbrüht«, stammele ich und bemühe mich, den verräterischen Prospekt hinter meinem Rücken zu verbergen. »Ich … äh … muss weitermachen.«

Ehe die Chefin zu einer weiteren Frage ansetzen kann, bin ich aus dem Büro geflüchtet. An meinem Schreibtisch versuche ich, die Illustrator-Datei zu öffnen, doch mit den zitternden Händen und dem unruhigen Cursor verfehle ich ständig die Zeile. Verdammt. Das kann nicht wirklich mein Fehler gewesen sein. Oder etwa doch? Ich hatte die Datei kontrolliert, bevor ich sie abgeschickt habe. Ganz bestimmt.

Als endlich Adobe aufgeht und ich die Kontaktdaten im Visier habe, glaube ich, ohnmächtig werden zu müssen. Rote Punkte tanzen vor meinen Augen, meine Haut brennt, und mir wird schlecht. Die Telefonnummer ist nicht nur auf dem Flyer falsch, sondern auch in der Originaldatei. Somit bin ich dafür verantwortlich, dass 1.000 Flyer und zehn Plakate jetzt eine Telefonnummer enthalten, die nicht die unserer Agentur ist. Und dass sie es nicht ist, weiß ich genau, weil ich sie nach einer Woche endlich auswendig kann. Verdammter Mist!

Fassungslos lasse ich meine 80 Kilo auf den Schreibtischsessel plumpsen. Okay, das war’s dann wohl. Wenn die Chefin mitbekommt, dass ich das vergeigt habe, kann ich einpacken. Dann ist nichts mehr mit Festanstellung.

Nada.

Niente.

Aus die Maus.

Tränen schießen mir in die Augen, und ich muss mich beherrschen, nicht laut heulend zusammenzubrechen oder mir mit dem Brieföffner, der auf dem Schreibtisch liegt und mich anfunkelt, die Pulsadern aufzuschlitzen.

Unvermittelt blitzt ein Gedanke in mir auf. Eine neue Welle der Übelkeit erfasst mich und trägt mich auf wackeligen Beinen zur Personaltoilette, wo ich mich einschließe und mein Mittagessen in der Toilettenschüssel entsorge. Anschließend lasse ich mich langsam auf die kalten Fliesen sinken und fange an zu heulen, weil mir das ganze Ausmaß der Situation bewusst wird. Die Flyer sind nicht nur falsch bestellt worden, sie wurden bereits in der ganzen Stadt verteilt.

Nachdem meine Tränen endlich versiegt sind und ich so aussehe, als sei ich Tierversuchskaninchen bei Vidal Sassoon gewesen, versuche ich, die Spuren mit etwas kaltem Wasser zu beseitigen. Aber fünf Minuten später muss ich mir eingestehen, dass meine Augen ebenso wie die Nase trotzdem leuchten wie eine rote Ampel. Fakt ist, ewig kann ich mich nicht im Bad verkriechen. Irgendwann muss ich der Chefin gegenübertreten und ihr die Wahrheit sagen. Es sei denn, ich lasse mir was einfallen. Aber was?

Ich öffne vorsichtig die Badezimmertür und linse um die Ecke. Auf Zehenspitzen und mit heftig pochendem Herzen schleiche ich den Gang entlang. Margots Stimme, die aus dem Büro ertönt, lässt mich abrupt innehalten. »Ich musste sie fristlos kündigen. Mir blieb nichts anderes übrig. Sie hat sogar behauptet, du hättest sie dazu angestiftet.«

Mit der fristlosen Kündigung kann nur Natascha gemeint sein. Aber wer soll sie angestiftet haben? Und wozu?

Plötzlich höre ich noch etwas anderes. Eine männliche Stimme. »Margot, glaub mir, ich hatte damit nichts zu tun. Ich habe das nicht nötig, das weißt du. Außerdem agieren wir doch auf völlig verschiedenen Sektoren.«

Das angenehme Timbre des Besuchers ist so verdammt weich und markant, weshalb ich nur zu gerne einen kurzen Blick wagen würde. Aber die versaute Werbeaktion überschattet meine aufkeimende Neugier. Stattdessen nutze ich den Vorteil der Ablenkung. Ich eile an der geöffneten Bürotür vorbei. Dabei vermeide ich es hineinzuschauen. Schließlich muss keiner mein verheultes Gesicht sehen. Sekunden später verschanze ich mich hinter meinem Schreibtisch, greife zum Telefon und wähle mit zitternden Händen die Nummer von Evas Kosmetikstudio. Sie hat in solchen Situationen eigentlich immer einen Ratschlag parat.

»Pretty Women Beautysalon?«, höre ich kurze Zeit später ihre Stimme.

»Eva, ich bin’s«, flüstere ich in den Hörer, den ich an mein Ohr gepresst halte wie einen Rettungsring.

»Zara? Was ist los? Ich kann dich ganz schlecht verstehen.«

»Eva«, flüstere ich etwas lauter, »ich habe ein ziemlich dickes Problem.«

»Du hast ein dickes Bein?«

»Nein, ein Problem!«

»Wen hast du gesehen?«

Herrgott noch mal.

»Nein, ich habe ein PROBLEM«, versuche ich es jetzt etwas deutlicher.

»Zara, sprich lauter, ich versteh dich nicht«, ruft sie.

Am liebsten würde ich ja alles in den Hörer brüllen. Womöglich würde ich mich dann sogar besser fühlen, aber das kann ich eben nicht. Da könnte ich auch gleich ein Schild in Richtung der Chefin halten, wo draufsteht: Kündige mich!

Ich seufze auf, hauche ein leises »Eva, lass gut sein« und werfe den Hörer zurück auf die Gabel. Sie kann mir sowieso nicht helfen. Keiner kann mir helfen, das Ganze rückgängig zu machen. Außer vielleicht die gute Fee, die mir drei Wünsche zugesteht. Aber wo bitte finde ich die?

Mein Blick fällt auf den Werbeflyer, der auf dem Schreibtisch liegt. Die falsche Telefonnummer springt mir ins Auge, und mir scheint, der Gesichtsausdruck des abgelichteten Models ist jetzt nicht mehr sexy, sondern schadenfroh.

555-7932.

Verdammt, wie konnte mir das nur passieren? Gut, ich hatte die Nummer vor einer Woche noch nicht so drauf, aber die Chefin hat doch auch drübergeschaut und gesagt, es sei alles okay. Wenigstens ihr hätte die falsche Nummer doch auffallen müssen.

Und wieder kommt mir ein Gedanke, der mir einen kleinen Adrenalinstoß versetzt, weshalb sich meine Haut binnen Millisekunden anfühlt, als würde sie von tausend kleinen Nadeln malträtiert. Derjenige, dem die Nummer gehört, wird aufgrund der falschen Flyer in den nächsten Tagen mit Telefonanrufen bombardiert werden. Vielleicht sollte ich ihn zumindest vorwarnen.

Ich greife erneut zum Hörer und wähle diesmal 555-7932.

Tuuuut.

Mein Herz springt mir vor Panik fast aus der Brust.

Tuuuut.

Ich überlege fieberhaft, was, vor allem aber wie ich es sage.

Tuuuut.

Unverhofft tritt die Chefin mit dem Fremden aus dem Büro. Erschrocken werfe ich den Hörer auf die Basis und greife zur Maus, um darauf herumzuklicken. Nebenbei versuche ich, mich hinter meinem Monitor zu verstecken, so gut es geht.

»Mach’s gut, Margot, wir sehen uns«, sagt Mister Unbekannt.

»Mach’s besser«, gibt die Chefin schlagfertig zurück.

Mister Unbekannt lacht auf. Ein heiseres, angenehmes Lachen. Anschließend geht er an meinem Schreibtisch vorbei Richtung Ausgang. Der Hauch seines herben Aftershaves zieht direkt in meine Nase, was meinen Bauch kribbeln lässt, als hätte ich heute Morgen Ameisen statt Müsli gefrühstückt. Deswegen riskiere ich einen schnellen Blick über den Monitorrand, sehe aber nur die Heckseite. Mister Unbekannt ist groß, schlank und dunkelhaarig, und auf seinem knackigen Po, der in engen Bluejeans steckt, kann ich das Label Tommy Hilfiger erkennen. Er trägt ein kurzärmeliges, rosafarbenes Hemd von Camp David. Ehe ich weitere Details von ihm erhaschen kann, ist er jedoch aus meinem Sichtfeld entschwunden.

»Everything okay, Frau Berg?« Die Stimme der Chefin lässt mich abrupt in die harte Wirklichkeit zurückkehren.

Ah ja, da war doch noch was.

Mein Magen krampft sich zusammen, als ich ihr ins Gesicht schaue.

Sie runzelt die Stirn. »Haben Sie etwa geweint?«

»Äh … nein, das ist eine Allergie«, flunkere ich.

»Und wogegen?« Sie runzelt die Stirn.

»Gegen …« Ja genau, wogegen könnte ich allergisch sein? »Birkenpollen«, fällt es mir spontan ein.

Sie neigt den Kopf. »Ist die Zeit dafür nicht längst vorbei?«

»Äh … aber da gibt es so … so eine spezielle Birkenart … äh … die kanadische Hohlbirke … die erst jetzt blüht.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. Oh mein Gott. Wohl eher Hohlbirne.

»Ach so.« Frau von Traunheim sieht mich schmunzelnd an. »Das tut mir leid. Wenn Sie möchten, können Sie sich gerne den restlichen Nachmittag freinehmen. Ich muss jetzt zu dem Termin mit Herrn Vollmer von H&M wegen der Auswahl für die Winterprospekte.« Sie hält die Mappe mit den von mir liebevoll zusammengestellten Sedcards in die Höhe.

Sedcards sind kleine Portfolios, in denen die Vorzüge der Models und besondere Fähigkeiten dargelegt werden. So kann sich der Kunde für die Mädchen entscheiden, die er gerne persönlich bei einem Casting kennenlernen möchte.

»Ach was … ich muss nicht nach Hause«, stammele ich verlegen. »Ich habe noch so viel zu tun.« Wie zum Beispiel meine zweite fristlose Kündigung zu verhindern.

»Wie Sie meinen. Dann sehen wir uns Montagfrüh. Hoffentlich ohne Allergie. Nice Weekend, Frau Berg.« Frau von Traunheim zwinkert mir verschwörerisch zu und verlässt die Agentur.

Ich warte, bis ihr Auto außer Sichtweite ist, und greife zum dritten Mal zum Telefon.

555-7932.

Es klingelt. Einmal, zweimal, und schließlich höre ich, wie am anderen Ende der Hörer abgenommen wird.

»Modelagentur Faces, mein Name ist Anja Zimmermann, was kann ich für Sie tun?«

Mir bleibt glatt die Luft weg. Was hat sie gesagt? Modelagentur? Oh Gott, bitte nicht. Erschrocken knalle ich den Hörer auf. Ich versuche, mich zu beruhigen und einmal tief durchzuatmen.

Alles ist gut, Zara, so viel Pech kannst du gar nicht haben. Sicher hast du dich nur verwählt.

Erneut greife ich zum Hörer. Diesmal achte ich aber ganz genau darauf, welche Zahlen ich eintippe. Es klingelt. Ich fühle mich, als würde ich krank werden. Meine Augen brennen, mein Hals kratzt, ich schwitze. Das war einfach zu viel Aufregung für einen Tag. Zum Glück ist heute Freitag.

»Modelagentur Faces, mein Name ist Anja Zimmermann, was kann ich für Sie tun?«

»Dass die falsche Telefonnummer ausgerechnet die Nummer einer anderen Agentur ist, halte ich ehrlich gesagt für einen verdammt großen Zufall«, vermutet Eva.

Insgeheim gebe ich ihr recht. Ein Zahlendreher oder eine fehlende Ziffer wäre wahrscheinlicher gewesen. Aber dass die Nummer rein zufällig die der Konkurrenz ist, hört sich auch für mich stark nach Manipulation an.

»Hätte denn jemand die Datei ändern können?«, hakt sie nach.

Ich presse den Hörer an mein Ohr. »Eva, das ist mir völlig egal. Ich will nur nicht schon wieder den Job verlieren.« Ich schlucke die Tränen der Verzweiflung herunter. »Wenn die Chefin erfährt, was da passiert ist, bin ich schneller wieder arbeitslos, als du Pfui Nuts, lass das rufen kannst.«

»Apropos Nuts«, sagt Eva, »langsam solltest du mal mit ihm zum Friseur.«

Königspudel haben einen Nachteil. Ihr Fell wächst wie Unkraut. Eine Zeit lang hatte ich versucht, Geld zu sparen und mir Paps Bartschneider ausgeliehen. Danach sah Nuts allerdings aus, als hätte er kreisrunden Haarausfall.

»Eva, bitte. Der Hund ist im Moment mein geringstes Problem.« Ich tippe mit dem Finger auf die falsche Telefonnummer des Flyers.

»Ich weiß, Zara, aber ehrlich gesagt kann ich dir keinen klugen Ratschlag geben.« Sie macht eine kurze Pause, bevor sie mitleidig aufseufzt. »Außer vielleicht den, deiner Chefin die Wahrheit zu sagen und zu hoffen, dass sie ebenso wie ich nicht an einen Zufall glaubt.«

Meine Laune, die sowieso schon im Keller ist, sinkt jetzt sogar noch tiefer. Bisher war Eva eigentlich immer mein Rettungsanker für Notfälle. Wenn ich nicht weiterwusste, dann sie. Eva ist für mich so etwas wie der Magic Ball, die schwarze Kugel, die auf Fragen mit Ja oder Nein antwortet, nur dass Evas Antwortspektrum weitaus kreativer ist.

»Okay danke, dass du mir wenigstens zugehört hast«, gebe ich leise zurück.

»Kein Problem, bis später Herzchen. Und denk dran, aufstehen, Krone richten und weitergehen.«

Enttäuscht lege ich auf und starre wie hypnotisiert den falschen Flyer an, als könnte ich dadurch die Nummer auf den 999 anderen dazu bringen, sich in die richtige zu verwandeln.

Nach vier Espressi und drei Frust-Cookies (die ich laut meinem Diätplan eigentlich gar nicht essen dürfte) bei Starbucks am Limbecker Platz springt mich die Idee unvermittelt an wie eine wild gewordene Katze. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg eben zum Propheten gehen. Richtig?

Die Flyer sind falsch und verteilt. Daran kann ich jetzt sowieso nichts mehr ändern. Aber die Kandidaten werden deswegen alle bei Faces anrufen, anstatt zum Berg namens Stars and Styles zu gehen. Also muss der Berg eben irgendwie zu den Propheten alias Kandidaten kommen.

Mein Gehirn arbeitet auf Hochtouren, während meine Fingernägel heftig gegen die Porzellantasse klopfen.

Fassen wir mal kurz zusammen: Die Werbeaktion war eine Maßnahme von Stars and Styles, für die wir ordentlich Geld investiert haben. Somit gehören die potenziellen Kandidatinnen rein rechtlich gesehen uns. Also muss ich das nur noch Faces mitteilen und sie bitten, die Mädchen, die dort anrufen, an uns weiterzuleiten. Ganz einfach. Vielleicht gibt es sogar die Möglichkeit, von dem Apparat, der unter der Nummer zu erreichen ist, für die nächsten vierzehn Tage einfach eine Rufumleitung einzurichten. Bis dahin sollten wir genug Kandidaten gesammelt haben, von denen sicher ein oder zwei für die Kampagne infrage kommen.

Ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Vor Freude könnte ich laut losjubeln. Allerdings ist der Laden hier proppenvoll, weshalb ich mir nur einen kleines, unterdrücktes »Yes« erlaube.

Enthusiastisch greife ich zu Autoschlüssel und Handtasche und renne in Richtung Ausgang. Dabei weiche ich den langsam daherschlendernden Passanten aus. Wenn ich mich beeile, erreiche ich vielleicht noch jemanden, bevor offiziell das Wochenende eingeläutet wird.

Zehn Minuten später sitze ich atemlos mit dem Hörer in der Hand an meinem Arbeitsplatz in der Agentur. Ob meine Hand nun wegen der vier Espressi, meinem rekordverdächtigen Sprint oder vor Nervosität zittert, vermag ich nicht zu sagen. Ist aber auch schlichtweg egal.

Nach dem vierten Klingeln höre ich ein Knacken in der Leitung und halte unweigerlich die Luft an.

»Maarten«, ertönt eine männliche Stimme.

Verdammt. Habe ich mich etwa schon wieder verwählt? Was ist mit Anja Zimmermann passiert?

Ich unterdrücke den Reflex, den Hörer einfach wieder zurück auf die Gabel zu werfen, und schaue aufs Display.

Nein, die Nummer ist richtig. 555-7932.

Womöglich arbeitet dort eine männliche Sekretärin am Empfang. Bei uns hat sich ja schließlich auch ein Mann beworben.

»Bin ich da richtig bei Faces?«, frage ich verhalten, nur um ganz sicherzugehen.

»Sind Sie. Was kann ich für Sie tun?« Der Sekretär am anderen Ende klingt unfreundlich. Vielleicht sehnt er bereits den wohlverdienten Feierabend herbei, genau wie ich.

»Tja … äh … also …«, stottere ich.

»Also was?«

Seine rigorose Art führt dazu, dass mein ganzer Körper sich verkrampft und meine Hände noch stärker zittern. Wie bitte soll ich ihm jetzt die ganze Misere bloß vernünftig erklären?

*verlegenes Lachen* Bitte fragen Sie mich nicht, wie das passieren konnte, aber irgendwie ist Ihre Telefonnummer rein zufällig auf unsere Werbeflyer gekommen. *peinlich berührtes Hüsteln*

»Junge Frau, Sie müssen mir schon sagen, was sie wollen«, dringt die tiefe Stimme aus dem Hörer an mein Ohr.

Ich schlucke schwer, um den Kloß in meinem Hals zurückzudrängen.

Natürlich habe ich mir auf dem Weg von Starbucks bis in die Agentur alles so schön ausgemalt. Ich rufe an, sage Bescheid, und alles ist in bester Ordnung. Doch wenn ich ehrlich bin, erschien mir meine Idee vor ein paar Minuten noch wesentlich genialer als jetzt hier am Telefon mit dem Kerl, der nicht gerade vor Freundlichkeit strotzt. Genau genommen war es schon ein wenig naiv von mir zu glauben, die Konkurrenz würde Verständnis für meine prekäre Situation aufbringen. Sicher werden die sich dezent ins Fäustchen lachen und hinter vorgehaltener Hand über Stars and Styles ablästern.

»Hören Sie, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Also, was wollen Sie?« Die Stimme des Mannes klingt ziemlich gereizt.

Auf eine Art kann ich ihn sogar verstehen. Er wartet am anderen Ende auf Antwort, während ich mein Anliegen nicht einmal ansatzweise vorgetragen bekomme, verdammt.

Ehe ich mich versehe, macht sich mein rechter Arm selbstständig, schnellt vor und wirft den Hörer in die Halterung der Basisstation. Die Nummer auf dem Display verschwindet und mit ihr meine frisch geschöpfte Hoffnung.

Ich breche in Tränen aus und ärgere mich über mich selbst. Sicher hätte sogar ein Regenwurm in diesem Moment mehr Rückgrat bewiesen. Klar ist der Kerl unsympathisch und die Idee bescheuert. Aber zumindest einen Versuch ist es wert, oder? Und wenn ich schon gekündigt werde, dann kann es mir doch egal sein, was Faces über Stars and Styles oder von mir aus auch gerne der blöde Kerl am Telefon über mich denkt.

Komm schon Zara. Aufstehen, Krone richten und weitergehen.

Ich wische mir mit einem Tempo die Tränen aus dem Gesicht und putze mir die Nase. Dann greife ich entschlossen erneut zum Hörer und drücke die Wahlwiederholungstaste.

»Maarten.«

Der Gedanke an die letzte Woche lässt mich schließlich mutiger werden. Irgendwas muss ich ja tun, um meinen Job zu retten. »Ich bin’s noch mal«, sage ich deshalb verhalten, schiebe aber gleich ein selbstbewusstes »Wir wurden vorhin leider unterbrochen« nach.

»Soso. Na dann können wir uns das Vorgeplänkel ja sparen. Also?«

Herrgott, der Typ ist aber auch unfreundlich. Seine Stimme klingt so frostig, dass sicher jede größere Ansammlung von Wasser in seiner Nähe direkt zu Eis gefrieren muss. Vielleicht sollte ich mich einfach mit jemand anderem verbinden lassen. Jemandem, der zumindest die Regeln der Kundenfreundlichkeit beherrscht.

»Könnten Sie mich mit jemandem verbinden, der besondere Arten von Anfragen bearbeitet? Es handelt sich um eine etwas …« Ich stocke kurz. »… delikatere Angelegenheit.«

Maarten schnauft in den Hörer. »Hören Sie, wir sind eine Modelagentur und kein Escortservice«, donnert er los.

Mir schießt das Blut ins Gesicht. Glaubt der Typ allen Ernstes, dass ich einen Kerl suche?

Ich atme einmal tief durch. Vielleicht habe ich mein Anliegen nur missverständlich formuliert. »Nein, nein, nein, ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden«, beschwichtige ich ihn. »Ehrlich gesagt geht es um eine verpatzte Werbeaktion.«

Am anderen Ende höre ich den Grobian gleichmäßig in den Hörer atmen. In Gedanken möchte ich mir gerne die nächsten Worte zurechtlegen, finde sie aber nicht. Zumindest sollte ich irgendetwas sagen, sonst endet das Gespräch hier genau wie das erste.

»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob Sie überhaupt der richtige Ansprechpartner sind«, sage ich schließlich.

Das tiefe Seufzen, das daraufhin folgt, spricht Bände. »Leider bin ich der Einzige, der noch da ist. Wir haben Freitag und nach fünf. Also entweder sagen Sie mir endlich, was Sie auf dem Herzen haben, oder Sie lassen es und warten bis Montag.«

Jetzt wird es mir aber zu bunt. Dem muss anscheinend mal jemand zeigen, wo die Prinzessin für gewöhnlich ihr Krönchen trägt. »Ich weiß ja nicht, was für eine Laus Ihnen über die Leber gelaufen ist, aber ich finde Sie ziemlich ungehobelt. Vielleicht sollte ich mal mit Ihrem Vorgesetzten sprechen. Wenn er hört, wie Sie hier mit mir reden, wird er sicher nicht begeistert sein.«

Am anderen Ende ertönt ein heiseres, kehliges Lachen, das ganz im Gegensatz zu seiner resoluten Stimme steht. »Kein Problem, Ihre Beschwerde gebe ich gerne an den Boss weiter.«

Daraufhin herrscht kurz Schweigen zwischen uns.

»Was kann ich nun für Sie tun?«, fragt er nur Sekunden später um Nuancen freundlicher.

Na bitte. Der kleine Erfolg motiviert mich. Ich stelle mein peinliches Problem mit wenigen Sätzen kurz und bündig dar. Unweigerlich halte ich anschließend die Luft an.

»Eine Rufumleitung, ja?«, fragt er nach.

»Ja, ginge das?« Die Hand, die den Hörer hält, verkrampft sich. Die Finger der anderen hämmern förmlich gegen die Basisstation. Zumindest hat er nicht gleich gesagt, ich solle mich zum Teufel scheren.

»Woher haben Sie überhaupt diese Durchwahl?«

»Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht einmal, wie Ihre Nummer auf den Flyer gekommen ist.« Hat er mir vorhin überhaupt zugehört? Das habe ich ihm doch schon alles erklärt. Männer!

»Das mit der Rufumleitung geht nicht. Auf dieser Nummer kommen wichtige Gespräche an. Die würden dann ebenfalls umgeleitet werden. Das müsste Ihnen aber selbst klar sein«, gibt er energisch zurück.

Ach verdammt. Daran habe ich in meinem Eifer gar nicht gedacht. Hm. »Könnten Sie dann vielleicht den Anrufern die richtige Nummer durchgeben?«, versuche ich es mit einer anderen Strategie.

»Nein.«

»Oder die Nummern der Anrufer notieren und mir zumailen? Dann könnte ich zurückrufen.«

»Nein«, kommt es prompt zurück.

»Oder ihnen sagen, dass sie bei Stars and Styles anrufen sollen?«, versuche ich es zunehmend zögerlicher, da mir langsam die Ideen ausgehen.

»Nein. Schließlich bin ich nicht Ihre persönliche Assistentin.« Er räuspert sich.

Meine Stimme wird leiser. »Die nächsten Tage einfach nicht ans Telefon gehen?«

Er seufzt auf. »Tut mir leid. Das geht auch nicht.«

Die Hoffnung, die vorhin kurz bei Starbucks aufgekeimt war, stirbt einen qualvollen Tod. Wieder kommen mir die Tränen. Ich frage mich, wie oft ich heute eigentlich schon geheult habe. Vielleicht sollte ich langsam mal was trinken, damit ich am Ende nicht noch austrockne wie meine Yuccapalme auf dem Balkon. »Bitte sagen Sie niemandem was davon«, flüstere ich mit erstickter Stimme. Der Kloß in meinem Hals wird immer größer. »Wenn meine Chefin das erfährt, verliere ich meinen Job.«

»In Ordnung«, antwortet er, und ich glaube dabei sogar etwas wie Mitgefühl aus seiner Stimme heraushören zu können.

Schließlich lege ich auf, schlage die Hände vors Gesicht und lasse meinen Tränen freien Lauf. In diesem Moment wünsche ich mir Paymans oder Hajos Schulter zum Ausweinen. So wie bei Germanys next Topmodel. Und plötzlich kommt mir ironischerweise Bruce in den Sinn. Was hat er immer so schön gesagt?

A little bit more drama, baby.

Kapitel 4Aufgeben? Come on …

»Oh mein Gott. Dass Rot die neue Trendfarbe für die nächste Saison sein soll, habe ich ja schon gehört«, sagt plötzlich jemand.

Erschrocken blicke ich auf.

»Aber dass das auch für das Make-up gilt, ist mir neu.« Die Hände leger in die Hosentaschen gesteckt, mustert der männliche Besucher, der vor meinem Schreibtisch steht, ungeniert mein verheultes Gesicht.

Ich mustere ihn verstohlen zurück.

Vor mir steht die perfekte Kopie von David Beckham, nur dass ihre Gesichtszüge wesentlich feiner sind. Außerdem ist die Kopie weniger muskulös, nahezu feingliedrig, oder um genau zu sein - ein Hänfling. David-Kopie ist auch um einiges schriller gestylt als das Original. Schwarze Flipflops mit Strasssteinchen, oben pumpig und unten eng geschnittene königsblaue Stoffhose, gelbes Achselshirt und eine schwarz-gelb karierte Schultertasche. Die langen Wimpern, die jadegrüne Augen umrahmen, sind schwarz getuscht sowie dezent mit Eyeliner unterlegt.

Mir ist klar: Der ist schwul, und wenn nicht, dann ist das Duplikat mindestens metrosexuell wie das Original.

Hastig wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht. »Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?«, frage ich, wie es sich gehört, auch wenn ich eigentlich schon mit einem Bein im Jobcenter stehe. Pah. Der unfreundliche Typ von Faces könnte sich von mir noch eine Scheibe abschneiden.

Sein Blick gleitet zum Büro der Chefin hinüber. »Eigentlich wollte ich mit Margot sprechen. Aber wie ich sehe, ist sie nicht da.«

Ich nicke. »Dringender Außentermin«, informiere ich ihn knapp und versuche, das erneut aufkommende Schluchzen zu unterdrücken.

David-Kopie seufzt auf. »Na, macht ja nichts. Ich war sowieso grad in der Gegend und hab gedacht, ich komme mal schnell vorbei.«

Ich erwarte nun, dass David-Kopie wieder abzieht, doch unbeirrt bleibt er stehen und betrachtet jede meiner verheulten Stellen im Gesicht. Plötzlich schreit er auf. »Oh mein Gott, wo hab ich bloß meine Manieren!« Er hält mir seine Hand hin. Selbst seine Fingernägel sind mit Klarlack lackiert. »Pippa.«

»Äh … was?«, frage ich überrascht.

»Philipp. Aber jeder nennt mich nur Pippa. Du bist neu hier, oder?« Er grinst.

»Oh«, sage ich und schüttle sein gepflegtes Händchen. »Zara Berg. Und ja, seit einer Woche.«

Pippa mustert mich wieder. »Okay, wo wir jetzt den offiziellen Teil erledigt haben«, er zwinkert mir zu, »kannst du mir dann sagen, warum du so verheult bist? Nicht dass ich neugierig wäre oder so …« Er wedelt ein paarmal mit der Hand vor seiner Nase herum und rollt mit den Augen.

Ich weiß nicht, ob es schlichtweg an seiner schrill-sympathischen Art liegt oder mehr an der Tatsache, dass die Verzweiflung mich in diesem Moment ergreift wie eine Monsterwelle. Jedenfalls breche ich gleich wieder in Tränen aus.

»Ach herrje.« Pippa kramt in seiner Schultertasche herum, um ein Päckchen Taschentücher hervorzuholen. Dankbar nehme ich ein Tempo entgegen. »Was ist denn bloß los, Schätzchen?« Nun reicht er mir die ganze Packung.

Ich schluchze gequält auf und will zu einer Antwort ansetzen, doch Pippa hebt abwehrend die Hand. »Moment, sag nichts, dreimal darf ich wenigstens raten.« Er schürzt die Lippen. »Hm, vielleicht ist dein Kerl fremdgegangen mit Cindy aus Marzahn?«

Seine Miene scheint nahezu todernst, nur die kleinen Grübchen in den Wangen sowie das Flattern seiner Nasenflügel zeigen mir, wie sehr er sich das Lachen verkneifen muss. Anscheinend will der Paradiesvogel hier, anders kann ich ihn nicht beschreiben, mich aufmuntern.

Ich schüttele vehement den Kopf. Aber trotz meiner miesen Stimmung muss ich ungewollt mitschmunzeln.

Pippa legt den Kopf schief und knabbert nachdenklich an seiner Unterlippe. »Mal überlegen. Vielleicht bist du auch ungewollt schwanger von …«, er stockt kurz und reißt die Augenbrauen hoch, »nein, is nich wahr … Harald Glööckler?«

Jetzt fange ich an zu kichern.

»Nein, falsch«, gebe ich zurück. »George Clooney hat mir einen Heiratsantrag gemacht, und ich musste leider Nein sagen, weil ich schon einen attraktiven Freund habe – nämlich Boris Becker.«

Nun bellt Pippa los wie eine Hyäne.

In diesem schrillen Moment wird mir klar, ich habe ihn irgendwie ins Herz geschlossen.

»Spaß beiseite, rote Zora.« Pippa wischt sich die Lachtränen aus dem Gesicht und setzt eine ernste Miene auf. »Sag, was ist wirklich mit dir los?«

Nur eine Tasse Kaffee und jede Menge herzergreifender Schluchzer später ist Philipp voll über meine verzweifelte Situation im Bilde. Besser fühle ich mich allerdings trotzdem nicht.

»Ach du grüne Neune. Das schreit ja förmlich nach Alkohol.«

»Hat der nicht schrecklich viele Kalorien?« Eva hat gemeint, dass nicht nur das Karamelleis, sondern auch der viele Rotwein schuld an meinen 80 Kilo wäre.